Perspektive

Die Hexenjagd gegen chinesischen Einfluss in Australien

In den australischen Medien und dem politischen Establishment findet gegenwärtig eine konzertierte anti-chinesische Kampagne statt. Sie hat in den letzten vierzehn Tagen einen besonders aggressiven Charakter angenommen und trifft jeden, der den Konfrontationskurs Washingtons gegen China im Rahmen des „Pivot to Asia“ nicht vorbehaltlos unterstützt. Diese Kampagne muss Arbeitern nicht nur in Australien, sondern weltweit eine Warnung sein, denn der Kriegskurs der USA im asiatisch-pazifischen Raum hat inzwischen beachtliche Ausmaße angenommen.

Was mit der „Entlarvung“ einer geringfügigen Zahlung eines chinesischen Geschäftsmanns an den führenden Oppositionspolitiker der Labor Party, Sam Dastyari, begann, hat sich letzte Woche unter der Hand zu einer veritablen Hexenjagd entwickelt. Betroffen ist jeder Politiker, Wirtschaftsvertreter oder jegliche Organisation, die auch nur in den Verdacht gerieten, das US-Militärbündnis oder die zunehmend schrille Verurteilung des chinesischen „Expansionismus“, besonders im Südchinesischen Meer, nicht mit ausreichender Vehemenz zu begrüßen.

Der unverschämteste Hetzartikel kam vom Redakteur für internationale Politik des Sydney Morning Herald, Peter Hartcher. Er forderte offen eine Kampagne gegen die vier Pestilenzen, angelehnt an die Kampagne Mao Zedongs zur Ausrottung von „Ratten, Fliegen, Moskitos und Spatzen“ und „zum Schutz gegen den Einfluss ausländischer Agenten“. Hartcher nahm „Ratten“ wie Dastyari, „Fliegen“ oder angebliche unwissentliche Tölpel Pekings wie Ex-Labor-Außenminister Bob Carr ins Visier. Auch „Ungeziefer“ oder angeblich im Sold Chinas stehende Geschäftsleute wie die Milliardäre Kerry Stokes und James Parker wurden nicht verschont.

Hartchers Definition von „Spatzen“ und chinesischen Infiltranten erstreckt sich nicht nur auf chinesisch-australische Organisationen, sondern wirft einen Schatten des Verdachts auf jede Person mit chinesischem Hintergrund – d.h. auf eine halbe Million in China geborene Australier und 150.000 chinesische Studenten an australischen Universitäten, ganz zu schweigen von vielen anderen Menschen mit chinesischer Abstammung. Eine solche anti-chinesische Hysterie bereitet den Weg für umfangreiche Polizeirazzien und Festnahmen im Falle eines Krieges mit China. Schon während der beiden Weltkriege hatte es in Australien Masseninternierungen von „feindlichen Ausländern“ gegeben.

Die von Hartcher benannten Personen sind keineswegs Gegner der USA und des Bündnisses mit Amerika. Sie sind vielmehr darüber besorgt, dass eine Konfrontationshaltung gegenüber China die Beziehungen zu dem Land beschädigen könnten, das Australiens wichtigster Handelspartner und ein wichtiger Investor ist.

Die bösartigste Unterstellung erschien vergangene Woche in der Australian Financial Review. Sie unterstellte, dass die Geheimdienste Premierminister Malcolm Turnbull wegen seiner Geschäftsinteressen in China nicht trauten. Als US-Präsident Barack Obama 2011 vor dem australischen Parlament den „Pivot“ bekanntgab, sah Turnbull das kritisch und schlug eine Verständigung mit China vor. Seit er im September letzten Jahres Premierminister wurde, hielt er sich verbal an die amerikanische Sprachregelung bezüglich des Südchinesischen Meers, aber er autorisierte keine „Operationen zur Freiheit der Schifffahrt“ („Freedom of Navigation Operation“ – FONOP) innerhalb der zwölf Seemeilen großen Zone um die kleinen von China verwalteten Inseln.

Der Druck Washingtons auf Australien, provokative FONOP-Missionen im Südchinesischen Meer durchzuführen, hat nach der Wahl am 2. Juli zugenommen, die Turnbulls liberal-nationale Koalition nur mit geringstmöglichem Vorsprung gewonnen hatte. Unmittelbar nach der Wahl besuchte US-Vizepräsident Joe Biden Australien, wo er Washingtons Entschlossenheit betonte, die dominierende Pazifikmacht zu bleiben.

In einer Warnung an alle schwankenden Elemente betonte Biden: „Wenn ich wetten sollte, welches Land im 21. Jahrhundert wirtschaftlich führend sein wird… ich würde auf die Vereinigten Staaten setzen. Aber man könnte es auch anders ausdrücken: Es ist niemals eine gute Idee, gegen die Vereinigten Staaten zu wetten.“ Eine ganze Reihe von US-Admiralen und Generälen haben ebenfalls schon öffentlich klar gemacht, dass Washington von Turnbull erwartet, ein australisches Kriegsschiff ins Südchinesische Meer zu schicken, um Chinas Ansprüche in Frage zu stellen.

Bidens Besuch war das Auftaktsignal für die anti-chinesische Kampagne, die jetzt wütet. Sie soll das politische Klima vergiften und damit die Voraussetzung für eine aggressive FONOP-Provokation schaffen, die das Potential für eine chinesische Gegenreaktion hat und in einen offenen Konflikt ausarten könnte. Haltlose Geschichten über chinesisches Hacking, über Gefahren für die „nationale Sicherheit“ durch chinesische Investitionen und ein Netzwerk chinesischer Verbindungen in Australien tauchen wie aus dem Nichts auf. Obwohl ein zerknirschter Dastyari seinen „Irrtum“ bekannte und als Labor-Sprecher zurücktrat, nützte ihm das alles nichts. Während der Fragestunde am Montag im Parlament trat eine ganze Schlange von Ministern an und verdammte „Shanghai-Sam“.

Der „chinesische Einfluss“ verblasst beinahe zur Bedeutungslosigkeit, wenn man ihn mit dem Einfluss vergleicht, den die USA in Australien seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben: in Politik und Medien, den verschiedenen Thinktanks wie dem US Studies Center und dem gesamten Staatsapparat, insbesondere im Militär und in den Geheimdiensten. 2010 inszenierte eine Handvoll von Strippenziehern in der Labor Party und den Gewerkschaften über Nacht den Sturz von Premierminister Kevin Rudd, nachdem er sich den Unmut der Obama-Regierung zugezogen hatte, als er für eine Annäherung der USA an China eintrat. Die Strippenzieher erwiesen sich bald als „geschützte Quellen“ der amerikanischen Botschaft in Canberra.

Der gleiche pro-amerikanische Apparat trat in Aktion, um diejenigen Teile der politischen und wirtschaftlichen Elite als Chinas Fünfte Kolonne zu brandmarken, die auf mehr Vorsicht drängen, und sich nicht in die Aufrüstung des amerikanischen Militärs gegen China verwickeln lassen wollen. Die Kampagne ermutigt außerdem Fremdenfeindlichkeit gegen China und trifft sich mit dem Bedürfnis der herrschenden Klasse, die enormen sozialen Spannungen, die durch die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich entstehen, gegen einen „äußeren Feind“ zu lenken.

In den Vereinigten Staaten und Europa ist gegenwärtig Russland das Opfer von Verleumdungen und Beschimpfungen, in Australien ist es China, und das aus handfesten Gründen. Das Hochfahren der anti-chinesischen Propaganda hat damit zu tun, dass in Washington die Befürchtung besteht, Obamas „Pivot“, der China den amerikanischen Interessen unterordnen soll, könnte ins Stocken geraten. An der Wirtschaftsfront sieht es nicht so aus, als ob die Trans Pacific Partnership (TPP), die den Einfluss Chinas unterlaufen soll, vom amerikanischen Kongress ratifiziert wird. Auf dem diplomatischen Parkett hat Obama es nicht geschafft, den jüngsten Ostasiengipfel in Laos dazu zu veranlassen, in der Frage des Südchinesischen Meers gegen China Stellung zu beziehen.

Wie Biden bei seinem Besuch erklärte, sind die USA nicht bereit, ihre führende Position im Pazifik aufzugeben. Sie erwarten jetzt von Australien einzugreifen und die Ansprüche Chinas im Südchinesischen Meer militärisch zurückzuweisen. Ein solcher Schritt würde die Spannungen in der Region dramatisch verschärfen und Washington die dringend benötigte internationale Rückendeckung sowie den Vorwand verschaffen, stärker zu intervenieren, wenn Beijing militärisch reagieren sollte. Der australische Imperialismus, der auf die Unterstützung der USA angewiesen ist, um seine eigenen Ziele in Asien und international zu verfolgen, hat die USA praktisch bei jedem ihrer räuberischen Konflikte seit dem Zweiten Weltkrieg militärisch und politisch unterstützt – vom Korea- und Vietnamkrieg bis hin zu den gegenwärtigen amerikanischen Operationen im Nahen Osten.

Die Heftigkeit, mit der anerkannte Politiker und wohlhabende Geschäftsleute angegangen werden, ist ein Anzeichen für die extremen geopolitischen Spannungen, die die ganze Region in ihrem Griff haben. Die USA und ihre Verbündeten bereiten sich auf einen Krieg gegen China vor. Die Vehemenz der Angriffe ist auch ein Beleg für die Furcht in herrschenden Kreisen vor der verbreiteten Anti-Kriegsstimmung unter Arbeitern und Jugendlichen, die offen ausbrechen wird, je näher ein bewaffneter Konflikt tatsächlich rückt.

Die australische Arbeiterklasse hat genauso wenig ein Interesse an einem Konflikt zwischen Atommächten, wie ihre Kollegen in China, Japan, den Vereinigten Staaten und der übrigen Welt. Ihre Antwort auf den drohenden Krieg liegt in dem politischen Kampf der Socialist Equality Party (Australien) und ihrer Schwesterorganisationen im Internationalen Komitee der Vierten Internationale. Dieser Kampf ist darauf ausgerichtet, eine internationale Anti-Kriegsbewegung aufzubauen, die den Kapitalismus und sein historisch überholtes Nationalstaatensystem beseitigt, das die Ursache von Krieg ist.

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