US-Vizepräsident Pence zeigt sich versöhnlich gegenüber der EU

Die europäischen Politiker und Medien fassten die Europa-Rundreise von US-Vizepräsident Mike Pence als Chance auf, die Beziehungen zur Regierung Trump zu verbessern. In seinen Ausführungen auf der Münchner Sicherheitskonferenz und bei der EU in Brüssel bekräftigte Pence Washingtons Treue zum Nato-Bündnis und die Fortsetzung des Kriegskurses gegen Russland.. Kurz zuvor hatte Trump seinen prorussischen Nationalen Sicherheitsberater General Michael Flynn entlassen.

In München erklärte Pence am Wochenende: „Die Vereinigten Staaten unterstützten die Nato entschieden und stehen unerschütterlich zu ihrer Verpflichtung gegenüber dem transatlantischen Bündnis.“ Er erklärte, die US-Regierung werde „Russland auch weiterhin zur Rechenschaft ziehen“. Er wiederholte Forderungen aus der herrschenden Klasse Europas nach einer verstärkten Aufrüstung, speziell in Deutschland. Europa solle „einen fairen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung“ leisten.

Auch am nächsten Tag in Brüssel bekräftigte Pence das „starke Bekenntnis der Vereinigten Staaten zur weiteren Zusammenarbeit und Partnerschaft mit der Europäischen Union ... Bei allen Differenzen teilen unsere beiden Kontinente dasselbe Erbe und vor allem das Ziel, Frieden und Wohlstand durch Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fördern.“

Nach dieser Stellungnahme waren die EU-Vertreter bereit, die reaktionärste Regierung der amerikanischen Geschichte gutzuheißen, die von der Bevölkerung der meisten europäischen Staaten mit überwältigender Mehrheit abgelehnt wird. Obwohl die Trump-Regierung ganz offen Massenverhaftungen von Migranten und tiefgehende Einschnitte bei grundlegenden Sozialprogrammen vorbereitet, nahmen die EU-Offiziellen Pences Beteuerungen, Trump engagiere sich für Freiheit und Demokratie, bereitwillig für bare Münze.

EU-Präsident Donald Tusk erklärte nach seinem Treffen mit Pence: „Ich habe Worte gehört, die vielversprechend für die Zukunft sind, Worte, die eine Menge über den neuen Ansatz in Washington erklären. Wir zählen, wie in der Vergangenheit, auf die rückhaltlose und eindeutige – und ich wiederhole: eindeutige – Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Idee eines vereinten Europas.“

Tusk machte jedoch auch klar, dass Pence zwar eine Abkehr von früheren Positionen zum Ausdruck gebracht, aber die Bedenken der EU gegenüber Trump nicht völlig ausgeräumt habe. Er spielte damit auf Äußerungen Trumps an, die für die tonangebenden Teile der europäischen herrschenden Klasse inakzeptabel sind. Trump hatte vom Einsatz von Atomwaffen in Europa gesprochen, er hatte die Nato als „obsolet“ bezeichnet und verlangt, Deutschland müsse mehr amerikanische Autos kaufen. Außerdem hatte er Großbritannien für den Austritt aus der EU gelobt und die EU ein „Instrument Deutschlands“ genannt.

„Zu viel und manchmal Überraschendes ist zuletzt über unsere Beziehungen – und über unsere gemeinsame Sicherheit – gesagt worden, um so zu tun, als wäre alles wie immer“, erklärte Tusk.

Noch vor Pence‘ Auftritt in München wurden Tusks Bedenken von Vertretern der deutschen Regierung wiederholt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erklärte auf der Münchner Sicherheitskonferenz: „Umgekehrt wissen unsere amerikanischen Freunde gut, dass ihr Ton zu Europa und zur Nato einen direkten Einfluss auf den Zusammenhalt unseres Kontinents hat.“ Indirekt griff sie Trumps Äußerungen an, Washington sei gleich weit entfernt von Berlin und Moskau, und erklärte: „Dies heißt auch, dass es keine Äquidistanzen geben kann im Vertrauen zu Verbündeten und zu denen, die unsere Werte, unsere Grenzen und internationales Recht offen in Frage stellen.“

Die Reaktion der EU-Vertreter auf den Besuch von Pence unterstreicht, dass Arbeiter und Jugendliche, die gegen Trump kämpfen wollen, sich in keiner Weise auf die europäische herrschende Klasse verlassen können. Die EU-Staaten, die seit zehn Jahren eine drastische Sparpolitik verfolgen und mit harten Maßnahmen gegen Einwanderer vorgehen, haben keine prinzipiellen Einwände gegen Trumps verfassungswidrigen Einreisestopp für Muslime und seine Pläne für Massenabschiebungen von Migranten. Ihnen geht es darum, ihre Beziehung zum US-Imperialismus so zu gestalten, dass sie ihre eigenen imperialistischen Interessen überall auf der Welt geltend machen können.

Keine der historisch begründeten wirtschaftlichen und strategischen Spannungen zwischen dem amerikanischen und europäischen Kapitalismus, die durch Trumps Äußerungen zur Nato sichtbar wurden, sind beigelegt. Sie werden lediglich nicht öffentlich ausgetragen. Dem Vernehmen nach hat Pence das Scheitern der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP, das von Vertreter Deutschlands und Frankreichs kritisiert wurde, mit keinem Wort erwähnt.

Washington und die EU machen sich nun die Kriegstreiberei gegen Russland zunutze, um ihre Differenzen zu übertünchen und eine enorme Steigerung der Militärausgaben der EU zu rechtfertigen. Sie knüpfen damit an die Politik Obamas an, der gemeinsam mit Berlin den Sturz der prorussischen Regierung in der Ukraine durch einen rechtsgerichteten Putsch betrieben hatte. Damit schließt die EU die Reihen mit der Demokratischen Partei in den Vereinigten Staaten, die Trump von rechts, als Werkzeug Russlands, angreift.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg News schloss daraus: „Die Vertreter Europas haben einstweilen von der Regierung bekommen, was sie brauchten.“ Sie zitiert Judy Dempsey von der Denkfabrik Carnegie Europe in Berlin: „Merkel hat den USA eine eindeutige Botschaft übermittelt: Wenn die Gewalt in der Ostukraine weiter anhält, wie werden Sie ihr Einhalt gebieten? Wie werden Sie die Parteien wieder an den Verhandlungstisch bringen? Werden Sie zulassen, dass Putin die Tagesordnung bestimmt? Und sie haben zugehört.“

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb, der amerikanische Vizepräsident habe deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten zu ihren Verpflichtungen gegenüber dem Bündnis stehen. In Zeiten allgemeiner Verunsicherung seien das gute Nachrichten. Die Europäer wüssten, dass sie größere Anstrengungen in Bezug auf die Sicherheitspolitik unternehmen müssten, seien aber auch realistisch: Ohne Amerika seien sie den wirklich großen Herausforderung nicht gewachsen.

Thierry de Montbrial, der Chef der Denkfabrik Französisches Institut für Internationale Beziehungen (IFRI) erklärte gegenüber der New York Times, Pence habe es geschafft „die Botschaft von der Bedeutung des transatlantischen Bündnisses zu verkünden, die die Menschen brauchten“. Montbrial lobte obendrein die Unterstützung von Pence für die europäische Aufrüstung: „Er hat ganz deutlich gemacht, dass er Europa stärker sehen möchte, was in gewisser Hinsicht eine positive Veränderung gegenüber der Vergangenheit ist, als Washington einer stärkeren europäischen Verteidigung skeptisch gegenüberstand.“

Ungeachtet dieses Lobs bleibt höchst ungewiss, wie lange das augenblickliche Tauwetter in Trumps Beziehungen zur EU anhalten wird. Gefährdet wird es nicht zuletzt durch die politischen Konflikte und die Instabilität innerhalb Europas selbst. Den Hintergrund bilden der zunehmende Unmut in der Arbeiterklasse, die Wahlerfolge weit rechts stehender Parteien überall auf dem Kontinent sowie der bevorstehende Austritt des Vereinigten Königreichs.

Le Monde erkennt an, dass „Pence gegenüber der EU eine mildere Tonart anschlägt“ und schreibt: „Dennoch waren seine Bemerkungen oft sehr allgemein, als ob seine Regierung vorsichtig sein wollte oder auf einen tieferen Dialog mit neuen Führern wartet, die in ein paar Monaten nach den Wahlen in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und vielleicht Italien das Amt übernehmen.“

Bezeichnenderweise hat Trumps neofaschistischer politischer Chefstratege, Steve Bannon, laut einem ausführlichen Bericht von Reuters, den das Weiße Haus dementiert hat, vor Pences Reise mit deutschen Diplomaten gesprochen und dabei wiederholt, die EU sei „angeschlagen“. Berichten zufolge äußerte er sich ähnlich wie 2014, als er auf einer Konferenz im Vatikan erklärte, er glaube nicht „an diese paneuropäische Union“ und Westeuropa gründe sich auf „starke nationalistische Bewegungen“.

Den Quellen von Reuters zufolge bestätigen Bannons Äußerungen die Bedenken Berlins, dass Trump „der Rolle der EU bei der Erhaltung des Friedens und Wohlstands im Nachkriegseuropa keine Wertschätzung entgegenbringt. Das Weiße Haus scheint nicht zu begreifen, dass ein Auseinanderbrechen der EU schwere Folgen nach sich ziehen würde.“

Die EU-Staaten sind jedoch gespalten, und die scharfen Spannungen zwischen den USA und der EU bestehen fort. Am Dienstag kündigte der französische Präsident François Hollande ein Vier-Mächte-Gipfeltreffen mit Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien für den 6. März in Versailles an. „Wir sind die vier wichtigsten Länder“, erklärte Hollande unverblümt. „Und es ist unsere Aufgabe, deutlich zu machen, was wir gemeinsam mit den anderen tun möchten.“

Laut der Zeitung Le Monde bedeutet dies einen politischen Kurswechsel in Berlin, das nach der Brexit-Abstimmung zunächst auf der Beibehaltung der Einheit und formalen Gleichheit der 27 verbleibenden EU-Staaten bestanden hatte. Berichten zufolge änderten die herrschen Kreise in Berlin nach Trumps Wahl jedoch ihren Kurs. „Sie sind zu dem Schluss gelangt, dass wir unser Schicksal nicht den störrischen Mitgliedsstaaten überlassen dürfen. Wir müssen in der Lage sein, Fortschritte zu machen, ohne auf einstimmige Zustimmung zu warten.“

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