Perspektive

Die politische Krise und der Verfall der Demokratie in den USA

In Washington soll der ehemalige FBI-Direktor Robert Mueller nun als Sonderermittler dem Vorwurf nachgehen, Trumps Präsidentschaftswahlkampf sei vom russischen Staat unterstützt worden. Mit der Berufung Muellers hat der Kampf innerhalb des Staatsapparats und der herrschenden Klasse ein neues Stadium erreicht.

Erst acht Tage zuvor hatte Trump den FBI-Direktor James Comey gefeuert. Anschließend berichteten die Medien über ein von Comey verfasstes Memorandum, demzufolge er von Trump aufgefordert worden sei, Ermittlungen gegen den ehemaligen nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn zu unterbinden. Einer weiteren „Enthüllung“ der Medien zufolge soll Trump bei einem kürzlichen Treffen im Weißen Haus russischen Regierungsvertretern Einblick in geheime Unterlagen gewährt haben.

Am Donnerstag (17.5.) spitzte sich die Krise weiter zu, nachdem der stellvertretende Generalstaatsanwalt Rod Rosenstein auf einer nichtöffentlichen Kongressanhörung gesagt hatte, die Untersuchung von Trumps mutmaßlichen Verbindungen zu Russland sei keine geheimdienstliche, sondern eine strafrechtliche Angelegenheit. Diese Äußerung wurde vom republikanischen Senator Lindsey Graham in einer Erklärung aufgegriffen.

Im Konflikt mit Trump tun sich besonders die Geheimdienste und das Militär hervor, und an eben diese Kräfte wenden sich nun die Demokraten, einschließlich der vorgeblich fortschrittlichen Verteidiger des US-Imperialismus.

Die Orientierung der Demokraten wurde am Donnerstag in einem Kommentar der New York Times von Nicholas Kristof formuliert, der wie die Zeitung insgesamt die Diskussionen innerhalb der Geheimdienste wiedergibt. Unter der Überschrift „Gefährliche Zeiten für Trump und die Nation“ wird die Berufung von Mueller durch das Justizministerium überschwänglich gelobt und zugleich der Zerfall der Trump-Präsidentschaft an die Wand gemalt.

Hoffnungsvoll erinnert Kristof daran, dass Nixons Verteidigungsminister James Schlesinger während der Watergate-Krise 1974 das Militär anwies, Befehle des Weißen Hauses nur auszuführen, wenn sie von ihm gegengezeichnet waren. Schlesinger, so Kristof, habe auch „geheime Pläne vorbereitet, um im Falle von Problemen bei der Präsidentschaftsnachfolge Truppen nach Washington zu entsenden“.

Die Bilanz des Journalisten: „Damit handelte er verfassungswidrig. Und klug.“ Ähnliche „verfassungswidrige“ Befehlsverweigerungen des Militärs könnten, so Kristof weiter, auch heute angebracht sein. „Wir wissen nicht, wie Trump in den nächsten Monaten reagieren wird. Lasst uns auf ruhiges Fahrwasser hoffen. Aber es ist klug, dem Beispiel Schlesingers folgend auf alles vorbereitet zu sein“, schreibt er.

Kristof bezeichnet die aktiven und pensionierten Generäle in Trumps Kabinett – Verteidigungsminister James Mattis, den nationalen Sicherheitsberater H. R. McMaster und Heimatschutzminister John Kelly sowie den ehemaligen Öl-Tycoon und heutigen Außenminister Rex Tillerson – als „erwachsene Menschen“, die das Weiße Haus „als Erwachsene beaufsichtigen“ sollten.

Diese Gauner, so empfiehlt er, sollten „ihre Handy-Nummern austauschen für den Fall, dass in unserer Nation einmal ein Notfalltreffen nötig wird“.

Kristofs Kommentar ist nur ein Beispiel für eine ganze Reihe von Artikeln der New York Times, der Washington Post und anderer Zeitungen, in denen über einen Palastputsch gegen Trump nachgedacht wird. Auch die Anrufung des 25. Zusatzartikels zur US-Verfassung wird in Erwägung gezogen. Dieser Artikel sollte ursprünglich eine geordnete Nachfolge ermöglichen, falls der Präsident schwer erkrankt oder das Bewusstsein verliert. Er kann vom Vizepräsidenten und einer Mehrheit des Kabinetts angerufen werden, wenn sie zu der Überzeugung gelangen, dass der Präsident „nicht in der Lage ist, die Rechte und Pflichten seines Amts abzugeben“.

Am 16. Mai bezeichnete der Times-Kolumnist Ross Douthat Trump als ein „Kind“, das „im Grunde nichts anstellen kann“, was Anlass zu einem Amtsenthebungsverfahren bieten würde. Da bleibt der 25. Verfassungszusatz als Ausweg. Thomas Friedman, ebenfalls von der Times, hatte zuvor in einer Kolumne mit dem Titel „Aufruf an einige gute Männer“ einen Palastputsch von Militärangehörigen vorgeschlagen.

Je weiter die politische Krise voranschreitet, desto deutlicher wird, dass die Opposition der Demokraten gegen Trump nicht den geringsten demokratischen oder fortschrittlichen Inhalt hat. Wir sind Zeuge eines erbitterten Kampfs zwischen zwei reaktionären Fraktionen der herrschenden Klasse, die beide von Grund auf autoritär und undemokratisch sind.

Mit Trump haben die Gangstermethoden der Konzern- und Finanzelite Einzug ins Weiße Haus gehalten. Seine Gegenspieler versuchen nicht, die Masse der Arbeiterklasse zum Widerstand gegen Trump zu mobilisieren, sondern bemühen sich, diese Opposition auf die Mühlen einflussreicher Fraktionen von Militär, CIA und FBI zu leiten, die auf einen Krieg hinarbeiten.

Die Kampagne gegen Trump wird unter dem Vorwand geführt, dass der Präsident auf die eine oder andere Weise vom Kreml bestochen oder gezwungen worden sei, eine versöhnlichere Haltung gegenüber Russland einzunehmen. Vertreter der Medien, der Geheimdienste und der Demokratischen Partei greifen diese haltlosen Behauptungen auf, um jede Opposition innerhalb der USA als Ergebnis anti-amerikanischer Unterwanderung durch eine ausländische Macht zu brandmarken.

In dieser erzreaktionären Weltsicht ist die potenzielle Absetzung eines Präsidenten durch das Militär oder mit dessen Unterstützung die normale Vorgehensweise des Staats im Staate.

Eine Regierung, die aus einer solchen Absetzung Trumps hervorginge, wäre zutiefst reaktionär. Sie würde eine Politik der Aggression gegen Russland und des Frontalangriffs auf die Arbeiterklasse verfolgen.

In den Kolumnen von Kristof und Friedman zeigt sich etwas viel Grundlegenderes als die Ansichten zweier besonders reaktionärer Schreiberlinge. In Teilen des politischen Establishments nimmt der dringende Wunsch Gestalt an, die Formen der politischen Herrschaft mit dem oligarchischen Charakter der amerikanischen Gesellschaft in Einklang zu bringen.

Als bei den Präsidentschaftswahlen 2000 fünf Mitglieder des Obersten Gerichtshofs eine Neuauszählung der Stimmen verhinderten und damit das Wahlergebnis fälschten, wertete die WSWS diesen Putsch gegen die Verfassung als Beweis dafür, dass es in der herrschenden Klasse keine ernsthaften Verteidiger demokratischer Rechte mehr gab. Diese Verhältnisse haben sich in den letzten 17 Jahren deutlich verschlimmert. Trump ist Ausdruck einer zutiefst kranken Gesellschaft. Doch das gilt auch für seine Gegner innerhalb der herrschenden Klasse.

Die gesellschaftliche Kraft, die sich noch nicht zu Wort gemeldet hat, ist die Arbeiterklasse. Sie muss auf der Grundlage eines sozialistischen Programms in die Krise eingreifen.

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