Nato rüstet auf und entsendet mehr Truppen nach Afganistan

Das Treffen der Nato-Verteidigungsminister am Donnerstag in Brüssel stand ganz im Zeichen einer massiven militärischen Aufrüstung. „Die Verteidigungsausgaben der europäischen Nato-Verbündeten und Kanadas werden das dritte Jahr in Folge ansteigen“, verkündete Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf einer Pressekonferenz. Insgesamt seien die Ausgaben seit 2015 um nahezu 46 Milliarden Dollar gewachsen.

Die Zahlen seien ein Beleg dafür, dass die Nato-Partner bei der Umsetzung ihres Beschlusses aus dem Jahr 2014, die Militärausgaben „innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts“ zu erhöhen, auf einem guten Weg seien. „Im Jahr 2017 werden 25 Verbündete ihre Verteidigungsausgaben erhöhen. Rumänien wird in diesem Jahr voraussichtlich das Zwei-Prozent-Ziel erreichen und 2018 werden Lettland und Litauen folgen“, so Stoltenberg weiter.

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte sich am Tag zuvor während eines gemeinsamen Treffens mit ihrem US-Kollegen James „Mad Dog“ Mattis in Garmisch-Partenkirchen zum Zwei-Prozent-Ziel bekannt. Deutschland sei bereit, seine Kräfte „zu stärken und Verlässlichkeit zu zeigen“, erklärte die Verteidigungsministerin.

Das sind keine leeren Worte. Am gleichen Tag legte das Bundeskabinett einen Finanzplan vor, der vorsieht, den deutschen Militärhaushalt im Jahr 2018 um 1,6 Milliarden Euro auf rund 38,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Bis 2021 sollen die Verteidigungsausgaben auf 42,4 Milliarden Euro steigen. Der gesamte Anstieg im neuen Finanzplan betrage rund 9 Milliarden Euro. Damit werde „die Trendwende bei Personal und Beschaffung der Bundeswehr fortgeführt“.

Die massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben dient den Nato-Staaten dazu, ihre zerstörerische Kriegspolitik auszuweiten. Die Allianz komme dem Wunsch ihrer Militärplaner nach und erhöhe die Präsenz ihrer Truppen in Afghanistan, verkündete Stoltenberg. 15 Staaten hätten bereits Verstärkung zugesagt, weitere würden nachziehen. Ziel sei es, die afghanischen Streitkräfte in die Lage zu versetzen, „das Patt zu beenden und Fortschritte auf dem Schlachtfeld zu ermöglichen“. Es gebe „einen engen Zusammenhang zwischen dem Geschehen auf dem Schlachtfeld und der Möglichkeit, eine politische Lösung zu erreichen“.

Zudem lobte Stoltenberg die massive Nato-Aufrüstung in Osteuropa, die ständig die Gefahr eines militärischen Zusammenstoßes mit der Nuklearmacht Russland erhöht. Die Nato-Kampftruppen in Estland, Lettland, Litauen und Polen seien nun „voll einsatzfähig“ und die multinationalen Hauptquartiere in Polen und Rumänien „aktiviert“ worden. Dies sende eine „klare Botschaft an jeden möglichen Aggressor“.

Russlands Nato-Botschafter Alexander Gruschko verurteilte die Aufrüstung der Nato und warnte vor einem neuen Wettrüsten. In einem Interview mit der Welt erklärte er, dass „allein die Verteidigungsausgaben der Europäer in der Summe viermal höher sind als das Budget Russlands“. Es gebe „einen sehr gefährlichen Trend zu einer Militarisierung der internationalen Beziehungen“. Dies könne „zu einem neuen Rüstungswettlauf führen“.

Die Stationierung von Nato-Kampftruppen in Osteuropa wies Gruschko scharf zurück und kündigte Gegenmaßnahmen an. „Mit diesen militärischen Schritten und Verstärkungen an der Ostflanke schafft die Nato eine neue Sicherheitslage, die wir nicht ignorieren können und auf die wir mit unseren eigenen militärischen Mitteln antworten werden.“

Gruschkos Ausführungen unterstreichen, dass die Regierung von Präsident Wladimir Putin auf die Offensive der Nato keine fortschrittliche Antwort hat. Sie vertritt die Interessen der kapitalistischen Oligarchie, die sich nach der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie das Staatseigentum unter den Nagel gerissen hat. Auf die Aggression der imperialistischen Mächte reagiert sie ebenfalls mit militärischen Mitteln, was die Kriegsgefahr erhöht.

Jeden Schritt, die Arbeiterklasse in Europa und weltweit gegen die imperialistischen Kriegstreiber zu vereinen, lehnt das Regime in Moskau ab. Stattdessen bettelt es um einen Deal mit den imperialistischen Mächten. „Wir haben klar gesagt, dass wir bereit sind mit allen zu kooperieren, die zu unserem gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus beitragen wollen“, betonte Gruschko. Es sei schließlich ein „gemeinsames Ziel“, den Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak zu besiegen.

Das wirkliche Ziel der imperialistischen Mächte ist nicht, den IS zu besiegen, sondern die syrische Regierung von Baschar al-Assad zu stürzen und ein Marionettenregime in Damaskus zu installieren. Ihre Kriegsintervention in Syrien und im Irak ist dabei Bestandteil eines viel umfassenderen Kampfs um die Neuaufteilung des rohstoffreichen Nahen und Mittleren Ostens und der gesamten Welt, der auch die Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten selbst verschärft.

Stoltenberg deutete an, dass die europäischen Mächte nicht wegen der Forderung der USA aufrüsten, sondern zunehmend ihre eigenen wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen verfolgen. „Ich begrüße die starke Ausrichtung von Präsident Trump auf Verteidigungsausgaben und Lastenteilung,“ erklärte er. Es könne jedoch nicht allein darum gehen, „den Vereinigten Staaten einen Gefallen zu tun“, vielmehr lägen entsprechende Anstrengungen im Eigeninteresse der Bündnispartner.

Vor dem G20-Gipfel in Hamburg arbeitet vor allem Deutschland daran, diese „Eigeninteressen“ systematisch und zunehmend auch gegen die USA zu verfolgen. Die gestrige Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag war eine kaum verhohlene Attacke auf die USA und wurde in den bürgerlichen Medien gemeinhin als „Kampfansage an Donald Trump“ gewertet.

„Wer glaubt, die Probleme dieser Welt mit Isolationismus und Protektionismus lösen zu können, der unterliegt einem gewaltigen Irrtum“, drohte Merkel. „Seit der Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika, das Klimaabkommen von Paris zu verlassen, sind wir entschlossener denn je, es zum Erfolg zu führen.“ Das Pariser Abkommen sei „unumkehrbar“ und „nicht verhandelbar“ und man könne „in Hamburg keine einfachen Gespräche erwarten. Der Dissens ist offenkundig, und es wäre unaufrichtig, wenn wir ihn übertünchen würden.“ Sie werde das „jedenfalls nicht tun“.

Merkel hatte bereits nach dem G-7 Gipfel vor einen Monat in einem Münchener Bierzelt das Bündnis mit den USA, das in der Nachkriegszeit die Grundlage für die deutsche Außenpolitik bildete, zur Disposition gestellt. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei,“ erklärte sie und leitete daraus die Forderung ab: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen“ und „selber für unsere Zukunft kämpfen“.

In ihrer Regierungserklärung lobte sie dann die auf dem EU-Gipfel am vergangenen Wochenende auf den Weg gebrachte europäische Aufrüstung und versicherte, „dass Europa bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mehr Verantwortung übernehmen und noch enger zusammenarbeiten“ werde. Allen voran Deutschland habe „ein ureigenes Interesse daran, dass Europa auch in Zukunft zusammenhält“.

Das Ziel Berlins ist die Entwicklung der EU zu einer aggressiven Großmacht unter deutscher Führung, die in der Lage ist, ihre Interessen zukünftig auch gegen die USA durchzusetzen. „Wir müssen Europa wieder stärker machen“, rief der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann den Parlamentariern in seinem Redebeitrag zu. Eine „Konsequenz aus der Unberechenbarkeit von Donald Trump“ sei: „Europa muss sich mehr um seine eigene Sicherheit kümmern.“

„Zu einer gut aufgestellten europäischen Verteidigungsunion gehört natürlich auch eine gut ausgestattete Bundeswehr“, erklärte Oppermann und griff dann das CDU-geführte Verteidigungsministerium von rechts an. „Die Verteidigungsminister der letzten zwölf Jahre haben es zugelassen, dass die Bundeswehr als Steinbruch für haushaltspolitische Konsolidierung benutzt wurde. Sie haben die Bundeswehrreform und die Aussetzung der Wehrpflicht ohne Konzept über das Knie gebrochen. Bis heute haben unsere Streitkräfte mit Personalmangel und mit schlechter Ausstattung zu kämpfen.“ Seine Partei werde „dafür sorgen, dass sich das in der nächsten Wahlperiode ändert“.

Zusammen mit der Linkspartei und den Grünen spielt die SPD eine Schlüsselrolle dabei, die weit verbreitete Opposition gegen Trump mit Propaganda über „Frieden“ und „Klimaschutz“ in Unterstützung für den deutschen Imperialismus zu verwandeln. Der US-Präsident spalte „den Westen“ in „einer existenziellen Frage“, erklärte Oppermann unter dem Beifall der Linkspartei und der Grünen. Deshalb sei es „notwendig, dass wir uns eindeutig gegen Donald Trump positionieren… Wir haben die klare Erwartung, Frau Merkel, dass Sie eine 19:1-Allianz in der Klimaschutzfrage in Hamburg zustande bringen.“

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