Perspektive

Die Oligarchenversammlung von Hamburg

Die Ereignisse auf dem G20-Gipfel in Hamburg haben die beiden grundlegenden Konflikte enthüllt, an denen die heutige kapitalistische Gesellschaft zerbricht. Zum einen den immer schärferen Kampf zwischen rivalisierenden nationalen Cliquen von Bankern und Milliardären, zum anderen den zunehmenden Kampf der internationalen Arbeiterklasse gegen sie alle.

Während sich die Regierungschefs der zwanzig größten Wirtschaftsmächte in Hamburg um die Aufteilung der Beute stritten, die sie aus der Arbeiterklasse herauspressen, waren sie sich alle einig, dass der Widerstand gegen ihre Angriffe auf Lebensstandards und demokratische Rechte gewaltsam unterdrückt werden muss.

Am Donnerstag versammelten sich unter dem Motto „Kapitalismus abschaffen“ bis zu 100.000 Menschen zu Protesten. Die Polizei ging mit Tränengas, Pfefferspray, Gummigeschossen und Wasserwerfern auf einen zentralen Demonstrationszug mit 12.000 Teilnehmern los. Viele Teilnehmer wurden verhaftet.

Mindestens elf Demonstranten mussten mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus, während zehntausende Polizisten und Sondereinsatzkommandos mit automatischen Feuerwaffen die Hamburger Innenstadt in ein Kriegsgebiet verwandelten. Demonstranten, die aus der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich angereist waren, wurden als „Linksextremisten“ gebrandmarkt und noch an der deutschen Grenze abgewiesen.

Am Freitag verschärfte die Polizei ihr brutales Vorgehen noch.

Vertreter der Polizei rechtfertigten die Maßnahmen mit Verweis auf das Verhalten von „Randalierern“. Allerdings ist umfangreich dokumentiert, dass die anarchistische Szene in Deutschland von der Polizei und dem Verfassungsschutz durchsetzt ist. Daher kann man durchaus annehmen, dass Provokateure der Polizei an den Ausschreitungen beteiligt waren, um einen Vorwand für eine massive Machtdemonstration zu schaffen. Die große Mehrheit der Proteste hingegen verlief friedlich.

Die Behörden in Deutschland und der ganzen Europäischen Union befürchten, dass die soziale Wut und die revolutionäre Stimmung unter Jugendlichen zunimmt. Vor einigen Monaten hatten mehr als die Hälfte der Befragten in einer EU-finanzierten europaweiten Studie erklärt, sie würden sich an einem „großen Aufstand“ gegen das politische System beteiligen. Die deutschen Behörden wollten nicht nur die Demonstranten einschüchtern, sondern auch die weltweit wachsende Zahl derer, die das kapitalistische System ablehnen.

Der Polizeieinsatz in Hamburg entlarvt den politischen und sozialen Inhalt des Widerstands der EU, Berlins und Paris gegen die Trump-Regierung. Die europäischen Regierungschefs inszenieren sich als aufgeklärte, antinationalistische Kämpfer für Demokratie und Umwelt, lassen aber Proteste gegen soziale Ungleichheit brutal niederschlagen. Die Unterdrückung des Widerstands von Unten ist ein zentrales Element ihrer Versuche, der USA den Status als führende imperialistische Macht streitig zu machen.

Dass die Polizei in einer Stadt, die von der SPD und den Grünen regiert wird, mit solcher Härte vorgeht, zeigt nur, dass es sich hierbei nicht um die Politik eines Teils der herrschenden Elite handelt, sondern um die Politik der gesamten Kapitalistenklasse und aller ihrer politischen Diener.

Die Regierungschefs, die sich beim G20-Treffen versammelten, verkörpern eine festgefahrene kapitalistische Oligarchie, die die Welt in die Katastrophe treibt. Sie alle, darunter der ehemalige Banker und heutige französische Präsident Emmanuel Macron; die Repräsentanten der Oligarchen, die aus der Wiedereinführung des Kapitalismus in Russland und China hervorgegangen sind, Wladimir Putin und Xi Jinping; die saudischen Ölscheichs und der milliardenschwere US-Präsident, sind Werkzeuge der Wall Street, der City of London und der Börsen in Frankfurt und Paris.

Im Jahr 2008 stürzte die milliardenschwere Finanzelite die Weltwirtschaft durch ihre kriminellen Spekulationen auf dem amerikanischen Immobilienmarkt in die schwerste Krise seit der Großen Depression der 1930er Jahre. Seither hat sie Billionen Dollar und Euro aus den Staatskassen in die Banken, Aktienmärkte und ihre eigenen Taschen gepumpt. Dem wachsenden sozialen Elend und der Wut der Bevölkerung steht sie mit Gleichgültigkeit und Verachtung gegenüber.

Auf dem G20-Gipfel in Pittsburgh im Jahr 2009 demonstrierten die Großmächte ihre vorgebliche Einigkeit und feierten sich für ihre erfolgreiche Bewältigung der Krise durch diese Bankenrettungen. In der Abschlsserklärung des damaligen Gipfeltreffens erklärten die G20-Staaten stolz, diese massive Umverteilung zu Gunsten der Superreichen habe funktioniert. „Unsere entschiedene Reaktion hat dabei geholfen, den gefährlichen, scharfen Niedergang der globalen Aktivität aufzuhalten und die Finanzmärkte zu stabilisieren.“

Angesichts der Enthüllungen über die Kriminalität der großen Unternehmen, die weltweit Milliarden Menschen in die Armut getrieben hat, hatten bürgerliche Politiker die Bankenrettung und die Einrichtung der G20 als Beweis für die historische Lebensfähigkeit des Kapitalismus dargestellt. Der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy erklärte: „Die Krise des Finanzkapitalismus ist keine Krise des Kapitalismus insgesamt... Die Krise des Kapitalismus erfordert nicht seine Vernichtung, sondern seine Moralisierung.“ Der damalige Premierminister Michel Rocard von der Parti Socialiste bezeichnete den Kapitalismus als das Gesellschaftssystem, das am besten zur Demokratie passt.

Die Kriege und die finanziellen Turbulenzen der letzten zehn Jahre haben diese Behauptungen der Verteidiger des Kapitalismus als Lügen entlarvt. Die Bankenrettungen haben weder den Zusammenbruch der Industrie, noch weitere Finanzkrisen verhindert. Vielmehr haben sie eine internationale Aristokratie gestärkt, deren Privilegien auf der krassen sozialen Ungleichheit basieren. Im Jahr 2017 besitzen die acht reichsten Milliardäre mehr Vermögen als die Hälfte der Weltbevölkerung.

Gleichzeitig ist der Kampf zwischen den herrschenden Klassen um die Aufteilung des Reichtums der Welt zu einem offenen globalen Konflikt eskaliert. Die Großmächte, egal ob Feinde oder „Verbündete“, stehen sich in politischen und geostrategischen Konflikten offen als Rivalen gegenüber. Der Gipfel endete mit wenigen Übereinkommen und zeigte vor allem die tiefen Gräben zwischen den Großmächten. Möglicherweise war er sogar die letzte derartige Versammlung.

Washington hat seine Ablehnung des Pariser Klimaabkommens trotz der Proteste von europäischen und asiatischen Regierungsvertretern bekräftigt und wurde dabei von der Türkei unterstützt. Gleichzeitig veranstalteten Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping jeweils eigene Reisen durch Europa. Trump unterstützte das rechtsextreme Regime in Polen mit einer Rede in Warschau, während Xi in Berlin über die wachsenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und China verhandelte.

Am Freitag einigten sich Trump und der russische Präsident Wladimir Putin bei einem ergebnislosen Treffen auf einen weiteren instabilen Waffenstillstand im Süden Syriens, wo es mehrfach zu Beinahe-Zusammenstößen zwischen der Nato und russischen Truppen gekommen ist. Allerdings konnten sie sich nicht über die militärische Konfrontation zwischen den USA und dem atomar bewaffneten Nordkorea einigen, das an Russland und China angrenzt. Nach dem Treffen konzentrierten sich die Kommentare der amerikanischen Presse auf die provokanten Vorwürfe, Russland habe die amerikanische Präsidentschaftswahl durch Hackerangriffe beeinflusst.

In fast allen Teilen der Welt existieren brisante Konflikte zwischen den G20-Staaten, u.a. die aktuelle Konfrontation zwischen indischen und chinesischen Truppen um umstrittene Territorien im Himalaya-Köngireich Bhutan. Der Konflikt mit dem größten destabilisierenden Potential ist jedoch jener um die zunehmenden Handelskriegsdrohungen zwischen den wichtigsten imperialistischen Staaten.

Nachdem Trump der EU mit Strafzöllen für Stahlexporte in die USA drohte, deuteten Vertreter der EU ihre Bereitschaft zu Strafzöllen auf amerikanische Produkte an. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte, die EU sei bereit „sofort und adäquat zu reagieren.“

Bittere Erfahrungen wie die Proteste in Hamburg treiben die arbeitende Bevölkerung in Europa und auf der ganzen Welt auf den Weg der sozialistischen Weltrevolution. Die Finanzoligarchie lässt sich nicht reformieren. Der einzige Ausweg ist die Mobilisierung der Arbeiterklasse mit einer wirklich revolutionären Politik für einen direkten Angriff auf die Kapitalistenklasse. Das Ziel muss die Enteignung ihrer obszönen Vermögen und die Umwandlung der großen Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum unter der demokratischen Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung sein.

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