Perspektive

Trumps Haltung zu Puerto Rico: Euer Leben zählt nichts

Zwei Wochen nach Hurrikan Maria ist in Puerto Rico die soziale Infrastruktur vollständig zusammengebrochen. Die Insel gehört als „Außengebiet“ zu den Vereinigten Staaten.

Die Bürgermeisterin der Hauptstadt San Juan, Carmen Yulín Cruz, erklärte am 29. September auf einer Pressekonferenz, mit Erschütterung habe sie die Reaktion der US-Regierung zur Kenntnis genommen. Die amtierende US-Heimatschutzministerin Elaine Duke hatte die Nachricht vom Hurrikan als eine „gute News Story“ bezeichnet. Die Regierung habe sehr gut reagiert, und es habe „nur wenige Tote“ gegeben.

Cruz sagte, aufgrund der üblen Reaktion der Regierung vollziehe sich in Puerto Rico im Gegenteil gerade „so etwas wie ein Völkermord“. Sie appellierte an Trump, endlich wirkliche Hilfe zu leisten, und erklärte: „Wir sterben hier.“

Dass es in einem Territorium, das zum reichsten Land der Welt gehört, zu solchen Zuständen kommen kann, ist ein weiteres unentschuldbares Armutszeugnis für den amerikanischen Kapitalismus. Er hat sich einmal mehr als unfähig erwiesen, die grundlegendsten sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.

Der Finanzaristokratie ist es völlig gleichgültig, wenn auf der Insel Millionen verzweifelter Menschen ums Überleben kämpfen. Sie ist nicht daran interessiert, in Puerto Rico Menschenleben zu retten. Interessiert ist sie nur an der Verminderung ihrer Steuern in Washington. Wenn die Katastrophe in Puerto Rico überhaupt auf ihrem politischen Schirm auftaucht, dann nur im Zusammenhang mit der Frage, ob die Schuldner ihre Verpflichtungen der Wall Street gegenüber noch erfüllen können, und ob dies nicht ein weiterer Grund sei, das Austeritätsregime sowohl in Puerto Rico als auch in den USA durchzusetzen.

Präsident Trump bezeichnete die Reaktion der USA auf die Katastrophe als „phantastisch“, und am 29. September sagte er: „Es ist unglaublich, was wir erreicht haben, was die Opferzahlen angeht. Die Leute können sich nicht vorstellen, wie erfolgreich das war – relativ gesprochen.“

Der Kontrast zwischen diesem kaltschnäuzigen Kommentar und der schrecklichen Realität entlarvt den oligarchischen Charakter der amerikanischen Gesellschaft. Die Bedürfnisse der breiten Masse der Bevölkerung sind der herrschenden Elite völlig fremd, und auch Menschenleben sind ihr vollkommen gleichgültig.

Inzwischen kommen immer mehr Details über das Katastrophengebiet ans Tageslicht. Das Stromnetz ist zu 100 Prozent ausgefallen und wird in frühestens sechs Monaten repariert sein. 90 Prozent der Häuser sind beschädigt. 44 Prozent der 3,5 Millionen Einwohner haben keinen Zugang zu Trinkwasser.

In einem Großteil der Insel gibt es keinen Handy-Empfang. Den Krankenhäusern gehen die Medikamente, der Dieseltreibstoff für die Generatoren und das saubere Wasser aus. Die Nahrungsmittelreserven gehen zur Neige. Die Pumpen für Toiletten und Bäder versagen. 80 Prozent der Feldfrüchte sind vernichtet.

Das Abwassersystem ist zerstört, und durch das Flutwasser ist die Insel mit einer Schicht von menschlichem und chemischem Abfall überschwemmt. Über das Wasser breiten sich Krankheiten aus, und die Moskitopopulation schnellt in die Höhe. Zu vielen Dörfern im Inland konnten bisher weder die Politiker noch die Angehörigen Kontakt aufnehmen. Geldautomaten und Kreditkarten funktionieren nicht, sodass nur diejenigen, die noch über Bargeld verfügen, überhaupt eine Chance haben, an Lebensmittel heranzukommen.

Gleichgültigkeit und Inkompetenz prägen bisher die Hilfsaktion. Die US-Regierung verschiebt Billionen Dollar durch die ganze Welt, um Kriege zu führen, aber sie ist weder willens noch fähig, Nothilfe für eine Insel aufzubringen, die weniger als drei Flugstunden von New York entfernt liegt. Die herrschende Klasse hat viel mehr Erfahrung im Töten als darin, Leben zu retten.

Die Regierung hat die Lieferung von Tonnen von ausländischen Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe verhindert. Dabei berief sie sich auf den Jones Act, der den Güterverkehr zwischen amerikanischen Seehäfen durch ausländische Schiffe einschränkt. Erst am 28. September, anderthalb Wochen, nachdem der Sturm über die Insel gefegt war, hob die Trump-Regierung die Beschränkungen aus dem Jones Act für Puerto Rico auf, und auch dann nur für zehn Tage.

Bis zu 10.000 Transportkisten mit Nahrungsmitteln, Treibstoff, Wasser und medizinischen Hilfsgütern lagerten tagelang in den Häfen von Puerto Rico. Das Heimatschutzministerium, das die Güter durch die staatliche Katastrophenschutzbehörde FEMA verteilen sollte, hat die Güter nicht freigegeben.

Viele Straßen sind unpassierbar, da sie bereits seit Langem wegen der Kürzungen der Infrastrukturausgaben vernachlässigt worden sind. Der Sturm hat die überirdisch verlaufenden Telefonleitungen zerstört und die Handymasten geknickt. Die im Durchschnitt 44 Jahre alten Kraftwerke der Insel sind ebenfalls vollkommen zerstört. LKWs können die Energiegeneratoren nicht mit Diesel beliefern, weil sie selbst keinen Treibstoff haben.

Verwaltungsbeamte in ländlichen Gebieten klagen, die Regierung liefere notwendige Hilfsgüter selbst dort nicht, wo die Straßen noch intakt sind. Roberto Ramirez Kurtz, der Bürgermeister von Cabo Rojo, erklärte gegenüber NPR: „Die Straßen sind frei, ich konnte hierherkommen. Also warum hat man sie nicht zum Gütertransport benutzt?“

Infolgedessen steigt auch die Zahl der Todesopfer. Obwohl die offizielle Gesamtzahl auf fünfzehn bis neunzehn geschätzt wird, schrieb das Center for Investigative Journalism (CPI), dass diese Zahl deutlich untertrieben sei: Die wirkliche Zahl liege eher im dreistelligen Bereich. Laut Informanten des CPI „stapeln sich die Leichen“ in Leichenhallen und Krankenhäusern auf der ganzen Insel.

Bei Stürmen und Naturkatastrophen erweist sich immer wieder, dass die elementaren Bedürfnisse der Bevölkerung mit der Geldgier und dem Parasitentum der Reichen nicht zu versöhnen sind. Billionen Dollar stehen für Krieg, Polizeistaat und Steuergeschenke für das Kapital zur Verfügung. Gleichzeitig behauptet die herrschende Klasse, es sei „kein Geld da“, um die Armen und die Arbeiterklasse vor dem massenhaften Sterben in Regen und Sturm zu schützen.

Trump ignoriert jedoch die wachsende Zahl der Todesopfer und nutzt die Gelegenheit, um die Hilfsgelder als Druckmittel zu benutzen, damit Puerto Rico bei dem derzeitigen Insolvenzverfahren einen größeren Anteil seiner Schulden an die Gläubiger von der Wall Street zahlt.

Vor einem Publikum aus Vorstandschefs, denen beim Gedanken an die versprochenen Steuersenkungen das Wasser im Mund zusammenläuft, erklärte Trump am Freitag: „Letztlich wird die puertoricanische Regierung mit uns zusammenarbeiten müssen, um zu klären, wie diese massive Wiederaufbauaktion, eine der größten aller Zeiten, ausgehen wird, wie sie finanziert und organisiert wird. Und was wir mit den beträchtlichen Schulden machen, die die Insel bisher schon hat.“

Trump verkörpert in offen verbrecherischer Form die Wünsche und Hoffnungen der ganzen Finanzaristokratie. Während die Demokraten ihm vorwerfen, die Regierung agiere bei der Hilfsaktion „zu langsam“, ist in Wirklichkeit nicht der Präsident und seine Regierung allein verantwortlich, sondern das ganze profitorientierte kapitalistische System.

Das Militär, das jetzt angeblich die Hilfsaktionen unterstützen soll, wird dazu mobilisiert, um den sozialen Widerstand in Schach zu halten. Die Wall Street hat der Insel schon im Rahmen des Insolvenzverfahrens harte Sparmaßnahmen zugemutet, und der Hurrikan hat ein Übriges getan. Die Wut über die Folgen sowohl des Sturms als auch des Spardiktats breitet sich rasch aus. Und das US-Militär übernimmt seine traditionelle Rolle, die es als Besatzungsmacht auf der Insel seit 119 Jahren spielt.

Die Zerstörung von Puerto Rico macht es unmittelbar notwendig, Milliarden oder Billionen Dollar für die Rettung der Menschen aufzuwenden, denen Krankheit oder Tod droht. Abgesehen von Nahrung, Wasser, Treibstoff und medizinischen Vorräten werden weitere Milliarden Dollar notwendig sein, um die Infrastruktur und die Häuser ihrer Bewohner wiederaufzubauen und zu modernisieren.

Im Kapitalismus ist dies nicht durchführbar. Es erfordert die Enteignung der Finanzaristokratie, die Verstaatlichung der Banken und Konzerne und die Umgestaltung der Weltwirtschaft. Statt dem Profit müssen die Bedürfnisse der Menschheit im Mittelpunkt stehen.

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