Unterdrückung Kataloniens entlarvt Bankrott von Podemos

Die Entscheidung der spanischen Regierung in Madrid, mittels des Verfassungsartikels 155 in Katalonien ein autoritäres Regime einzusetzen, hat den völligen Bankrott der populistischen Partei Podemos enthüllt.

Podemos wurde 2014 gegründet, als sich eine Gruppe stalinistischer Professoren, zu denen auch ihr Generalsekretär Pablo Iglesias gehörte, mit der kleinbürgerlichen Anticapitalistas-Bewegung zusammenschloss. Die junge Partei versprach, das Spardiktat der Europäischen Union zu beenden, die „spanische Demokratie“ neu zu beleben und den Kampf gegen die alte „Herrscherkaste“ aus Volkspartei (PP) und Sozialistischer Partei (PSOE) aufzunehmen. Mit solchen Versprechen gelang es ihr, zahlreiche Sitze im Stadtrat von Madrid, Barcelona, Valencia, Cadiz, Saragossa und Santiago de Compostela zu gewinnen.

Wie Iglesias oft erwähnt, hat Podemos bei der letzten Parlamentswahl fünf Millionen Stimmen erhalten. Aber was ist ihre Antwort darauf, dass in Spanien die größte Gefahr von Militärherrschaft seit Ende der Franco-Diktatur 1978 droht? Was tut die Partei, um ihre breite Unterstützung dagegen zu mobilisieren? Die Antwort lautet: Nichts.

Seit dem brutalen Vorgehen der Polizei gegen das katalanische Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober hat Podemos immer wieder deutlich gemacht, dass sie dem Kurs auf eine Militärdiktatur keinen Widerstand entgegensetzen wird. Sie konzentriert sich stattdessen darauf, die Arbeiterklasse zu entwaffnen. Hinter den Kulissen kungelt Podemos mit der „Kaste“ aus Europäischer Union, PP und PSOE, gegen die sie angeblich kämpft. Während die Madrider Regierung und die EU zur autoritären Politik der Franco-Ära zurückkehren, beschränkt sich Podemos auf kraftlose öffentliche Appelle an sie.

Ende September, kurz vor dem Abspaltungsreferendum am 1. Oktober, rief Podemos eine so genannte Koexistenz-Versammlung ins Leben. Ihre Aufgabe war es, ein Manifest mit der Aufforderung an die PP zu entwerfen, den Dialog mit den katalanischen Separatisten aufzunehmen, ihre „außergewöhnlichen Maßnahmen“ einzustellen und „demokratische Prinzipien“ zu respektieren, damit die Katalanen „sich äußern können“.

Madrid ignorierte das Manifest natürlich und versuchte mit Gewalt, das Referendum zu unterdrücken. Vierzehn katalanische Regierungsbeamte wurden verhaftet, außerdem wurden Millionen Plakate, Wahlurnen und Flugblätter beschlagnahmt, mehr als 144 Websites gesperrt, Druckereien und Zeitungen durchsucht und Veranstaltungen verboten, die zur Unterstützung Kataloniens aufriefen. Zudem sind heute mehr als 700 Bürgermeister von Strafverfahren wegen ihrer Unterstützung für das Referendum bedroht.

Am Tag des Referendums gingen 16.000 Beamte der Guardia Civil und der nationalen Polizei mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten vor, die sich in Massen versammelt hatten, um die Wahllokale zu verteidigen und ihre Stimme abzugeben. Mehr als 800 Menschen wurden dabei verletzt.

Das brutale Vorgehen schockierte Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Viele von ihnen sahen auf Videoaufnahmen, wie Polizisten mit Stiefeln auf friedliche Wähler eintraten und ältere Frauen blutig prügelten. Podemos arbeitete daraufhin mit Hochdruck daran, die Illusion zu schüren, die EU und die PSOE würden in irgendeiner Form mäßigend auf Rajoy einwirken.

Die fünf Europaabgeordneten der Partei schickten einen Tag später einen Brief an die Europäische Kommission, worin sie die EU zur Intervention in Spanien aufriefen, um „den institutionellen Niedergang eines Mitgliedsstaats aufzuhalten, der ein politisches Problem nicht ohne Gewalt und Unterdrückung bewältigen kann“.

Die Tinte auf dem Brief war noch nicht trocken, da arbeitete Brüssel schon mit Rajoy zusammen, um weitere Polizeiaktionen und autoritäre Maßnahmen zu rechtfertigen. Die Europäische Kommission und die Regierungen in London, Paris und Berlin erklärten allesamt öffentlich ihre Unterstützung für die PP-Regierung. Die Europäische Kommission brüstete sich, ihr Präsident Jean-Claude Juncker und Rajoy stünden täglich in Telefonkontakt.

Während die PP eine Militärintervention in Katalonien plante und mit der PSOE über die Anwendung von Artikel 155 verhandelte, behauptete Podemos unbeirrt, diese Kräfte ließen sich davon überzeugen, ihre Unterdrückungsmaßnahmen einzustellen. Sie behauptete immer wieder, die gleichen Organisationen, die fieberhaft die Unterdrückung der Massen vorbereiteten, könnten durch ein paar höfliche Textmitteilungen (vorzugsweise über Twitter) zu einem Kurswechsel veranlasst werden.

Am 3. Oktober verurteilte König Felipe VI. in einer offiziellen Ansprache das Referendum und forderte den spanischen Staat in bedrohlichem Ton auf, die Kontrolle über die „gesetzlose“ Region Katalonien zu übernehmen. Als Reaktion darauf schrieb Podemos-Chef Íñigo Errejón lediglich: „Der König hat die Gelegenheit verpasst, Teil der Lösung zu sein. Er hat weder zum Dialog aufgerufen, noch einen Vorschlag gemacht. Das beunruhigt mich.“

Am 6. Oktober schlug der Organisationssekretär der Partei, Pablo Echenique, vor, Regierungschef Rajoy solle sich mit dem katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont treffen und sich mit ihm „auf einen Punkt einigen: ein Vermittlerteam, das einen Dialog beginnen könnte“.

Nachdem Puigdemont am 10. Oktober in einer Rede die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens ausgesetzt und zum Dialog mit Madrid aufgerufen hatte, forderte Iglesias Rajoy auf, in Katalonien „nicht das Gesetz auszusetzen“, und warnte ihn, dies wäre ein „Fehler von historischem Ausmaß“.

Diese kraftlosen Appelle haben Rajoy und die rechtsextremen Kräfte nur dazu ermutigt, ihre Unterdrückung zu verschärfen. Einen Tag später kündigte Rajoy in einer aggressiven und bedrohlichen Rede im spanischen Kongress an, er werde Artikel 155 anwenden.

Iglesias erklärte daraufhin im Namen von Podemos in einer feigen und zynischen Rede im Kongress, seine Aufgabe sei es nicht, sich Rajoy entgegenzustellen. Stattdessen appellierte er an Rajoy: „Heute ist kein Tag für Polemik. Ich möchte mit Ihnen diskutieren. Ihre Fraktion repräsentiert 7,9 Millionen Spanier … Sie haben die Unterstützung der PSOE und der Bürgerpartei, dafür gratuliere ich Ihnen.“ Iglesias wiederholte, Rajoy solle „verantwortungsbewusst“ sein und sich „an die Spitze der Verhandlungen“ mit Puigdemont stellen.

Die Erfahrung mit Podemos ist eine weitere bittere Lektion über die Rolle der „postmarxistischen“ populistischen Parteien. Diese Organisationen des betuchten Kleinbürgertums haben sich als entschiedene Gegner der Arbeiterklasse und des Kampfs für demokratische Grundrechte erwiesen.

Die griechische Partei Syriza, die mit Podemos verbündet ist, war 2015 mit dem Versprechen an die Macht gekommen, das Spardiktat zu beenden. Daraufhin brach sie sämtliche Wahlversprechen und zwang der griechischen Bevölkerung ein weiteres EU-Sparpaket auf. Was Podemos betrifft, so hatte sie die „Regeneration der Demokratie“ versprochen – und heute unterstützt sie die Bestrebungen der spanischen Bourgeoisie, zu autoritären Herrschaftsformen zurückzukehren.

Podemos hat nicht etwa deshalb kapituliert, weil ein Kampf unmöglich wäre. Vor 40 Jahren wurde das Franco-Regime durch Massenkämpfe der Arbeiterklasse zu Fall gebracht, und auch heute sind spanische und europäische Arbeiter bereit, gegen eine Rückkehr zur Diktatur entschlossen Widerstand zu leisten. Unvergessen sind der blutige Spanische Bürgerkrieg von 1936–1939 und der Sieg von Francos faschistischem Regime, das sich auf die Militärhilfe von Nazi-Deutschland und des faschistischen Italiens stützen konnte.

Als in Katalonien vor kurzem hunderttausende Menschen demonstrierten, hätte Podemos leicht an diesen Widerstand appellieren können – doch die Partei zog es vor, zu schweigen.

Dass sie es nicht getan hat, verdeutlicht den unüberbrückbaren Gegensatz, der das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) und den Trotzkismus vom bürgerlichen Populismus einer Partei wie Podemos trennt. Ihre theoretische Grundlage ist die postmoderne Zurückweisung des Marxismus, die sich auf gutbetuchte Schichten des Kleinbürgertums stützt.

Das IKVI hat zu einem gemeinsamen Kampf der katalanischen und spanischen Arbeiter und der gesamten europäischen Arbeiterklasse aufgerufen, um der Gefahr entgegenzutreten, dass Madrid mit Unterstützung der EU ein Militärregime errichtet. Es lehnt die Unterdrückung Kataloniens ab, ohne dabei die Forderung katalanischer Nationalisten nach einem eigenständigen kapitalistischen Staat zu unterstützen, dessen Ziel der Beitritt zur EU und der militaristischen Nato wäre. Wie das IKVI betont, besteht die größte Gefahr in der Hinwendung der Madrider Regierung und der EU zu autoritären Regierungsformen. Das IKVI hat erklärt, dass der einzige Ausweg angesichts des Zusammenbruchs der spanischen und bürgerlichen Demokratie in einer revolutionären Mobilisierung der Arbeiterklasse besteht, und dass sie den Kampf gegen Kapitalismus, Krieg und autoritäre Herrschaft und für Sozialismus aufnehmen muss.

Podemos dagegen ist eine bürgerliche Partei, die grundsätzlich die gleichen Ziele verfolgt wie die PP: die Verteidigung der politischen Autorität und territorialen Integrität des spanischen kapitalistischen Staats. Deshalb kämpft sie nicht für eine Politik, die sich grundlegend von derjenigen Rajoys unterscheiden würde. Das steckt hinter dem Brief, den Parteichef Pablo Iglesias am Montag unter Parteimitgliedern zirkulieren ließ. Der Anlass dafür waren Berichte, laut denen Podemos-Mitglieder Stimmverluste befürchten, weil sie die katalanischen Nationalisten nicht offener angreifen.

Iglesias äußerte in seinem Brief die Befürchtung, Felipe VI. und die PP könnten die Verhältnisse der Transition nicht mehr respektieren, d.h. des Übergangs von der faschistischen auf die parlamentarische Herrschaft im Jahr 1978. Damals hatte das Franco-Regime auf die Massenkämpfe der Arbeiterklasse reagiert, indem es die PSOE und die stalinistische Kommunistische Partei Spaniens (PCE) in die faschistische herrschende Elite einband. Als Gegenleistung würgten diese eine Revolution der Arbeiterklasse ab. Doch heute, klagt Iglesias, sei die herrschende Klasse nicht mehr bereit, Podemos und den bürgerlichen katalanischen Nationalisten ihren Anteil zu gewähren.

Er schreibt: „Der monarchische Block hat die nötigen Druckmittel, um seine Pläne umzusetzen. Doch im Gegensatz zu den Ereignissen vor 40 Jahren hat er nicht die politische Integrationsfähigkeit, Spanien zu einer mittel- bis langfristig lebensfähigen politischen und territorialen Einheit zu gestalten.“ Iglesias äußert mehrfach seine Frustration über die Tatsache, dass seine Konkurrenten „ihr ganzes Arsenal mobilisiert haben, um uns den Zugang zur Landesregierung zu verwehren“.

1978 war die Anerkennung republikanischer Institutionen wie der katalanischen Generalitat ein Hauptgrund für die breite soziale Unterstützung, die die neue Verfassung in Katalonien erhielt. Mit Blick darauf beantwortet Iglesias die Frage: „Warum lehnen wir die Anwendung von Artikel 155 ab?“ mit der Aussage: „Dieser Schritt würde eins der wichtigsten Abkommen der Transition zerstören … Vizekönig Rajoy will Katalonien regieren, aber er wird auf einen Widerstand stoßen, auf den er nur durch Unterdrückung und noch mehr Verhaftungen antworten kann.“

Podemos ist sich nicht nur der Gefahr einer Militärdiktatur bewusst, sondern ebenso des Potentials für massiven Widerstand in der Bevölkerung. Er erwähnt in seinem Brief Artikel 116 der spanischen Verfassung, der einen Ausnahmezustand begründen und die demokratischen Grundrechte aussetzen würde: „Heute könnte der Weg zu Artikel 155 schnell zu Artikel 116 führen, falls die Regierung mit dem Widerstand der Bürger konfrontiert werden sollte. Somit könnte er auch zu einer reaktionären Offensive der staatlichen Führungskräfte führen.“

Selbst angesichts der Gefahr einer Diktatur betont Iglesias, der Widerstand müsse im Rahmen des bestehenden Staatsapparats gehalten werden. Er äußert den frommen Wunsch, mit Unterstützung der katalanischen Regionalverwaltung und von Madrid ein „einvernehmliches Referendum“ über die Autonomie Kataloniens abzuhalten. Jede Verbindung zu den Traditionen des Arbeiterwiderstands gegen die Franco-Diktatur lehnt er rundheraus ab und schreibt: „Spanien hat eine demokratische Reserve von unschätzbarem Wert, einen republikanischen Geist, der sich von seiner Nostalgie gegenüber den Symbolen des zwanzigsten Jahrhunderts lösen muss.“

Iglesias‘ Argumente bereiten die arbeitende Bevölkerung Spaniens nicht darauf vor, gegen die PP und die Gefahr einer Militärdiktatur effektiv Widerstand zu leisten. Sie führen vielmehr zur Kapitulation. Die „Lösung“, die Podemos der spanischen Regierung anbietet (gemeinsam mit Katalonien ein Referendum abzuhalten), hat die Madrider Regierung schon vor langer Zeit abgelehnt. Sie wird sich durch kraftlose Podemos-Appelle kaum zu einem Kurswechsel bewegen lassen.

Während das postfaschistische Madrider Regime zu seinen franquistischen Wurzeln zurückkehrt, besteht Iglesias bezeichnenderweise darauf, dass Arbeiter sich bei ihren Kämpfen keineswegs auf die revolutionären Traditionen der Arbeiterklasse im zwanzigsten Jahrhundert besinnen dürfen, weder auf die Oktoberrevolution 1917 noch auf den Spanischen Bürgerkrieg.

Die Arbeiter haben keinen Grund, Iglesias‘ Aufforderung zu folgen und sich der Verfassung von 1978 zu unterwerfen. Die Verfassungsartikel, die vor 40 Jahren von den Faschisten, der PSOE und Iglesias' Vorvätern in der PCE ausgearbeitet und seither nicht verändert worden sind, ebnen heute den Weg zur Diktatur und möglicherweise zu einem Blutbad des spanischen Militärs in Katalonien.

Das Wichtigste an Iglesias‘ Brief ist letztlich, was er über Podemos selbst aussagt. Diese Partei, die sich als Herausforderung für das politische Establishment und Kämpferin für die „Wiederherstellung der Demokratie“ präsentiert, ist in Wirklichkeit Teil des Systems, das nach der Transition entstanden ist. Wie Iglesias selbst darlegt, gründet sie ihre Politik auf jenen reaktionären Deal, den Faschismus, Sozialdemokratie und Stalinismus auf der Grundlage der Unterdrückung der Arbeiterklasse geschlossen hatten, und an dem die pablistischen Vorläufer der heutigen Anticapitalistas teilnahmen.

Gegen diese Wende zur Diktatur wird es in der Arbeiterklasse Spaniens und ganz Europas starken Widerstand geben. Die Massenproteste in Barcelona sind nur ein erster Vorgeschmack darauf.

Die drängendste Aufgabe ist die Ausarbeitung einer revolutionären Perspektive, auf der die Arbeiterklasse wirklich kämpfen kann. Aus den bisherigen Erfahrungen ist die Lehre zu ziehen, dass Podemos keinerlei Vertrauen verdient. Sie gibt sich zwar als „linksradikale“ Partei aus, ist aber in Wirklichkeit ein kleinbürgerliches Werkzeug der spanischen herrschenden Klasse. Ihre Bilanz hat die Warnungen des IKVIs bei der Gründung der Partei voll bestätigt: „Die von der spanischen Antikapitalistischen Linken (Izquierda Anticapitalista, IA) initiierte neue Partei Podemos (Wir können es), die von dem Wissenschaftler und TV-Moderator Pablo Iglesias angeführt wird, steht vor allem für den Versuch, die Arbeiterklasse politisch zu entwaffnen“.

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