Perspektive

Trump und Jerusalem: Das Ende der Farce um den Nahost-„Friedensprozess“

Die USA wollen Jerusalem künftig als Hauptstadt Israels anerkennen und ihre Botschaft in diese Stadt verlegen. Das hat US-Präsident Donald Trump am 6. Dezember in einer provokanten Rede erklärt. Bereits am nächsten Tag kam es zu Protesten in den besetzten Gebieten. Israelische Soldaten setzten scharfe Munition, Gummigeschosse und Tränengas ein und über 100 palästinensische Arbeiter und Jugendliche wurden verletzt.

In seiner Rede zog Trump einen Schlussstrich unter die Heuchelei der amerikanischen Israel-Politik seit siebzig Jahren. In dieser Zeit hielt das US-Außenministerium zwar offiziell daran fest, dass Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern den Status von Jerusalem bestimmen sollen. Gleichzeitig haben die Präsidentschaftskandidaten beider Parteien immer wieder angekündigt, die Botschaft zu verlegen, waren jedoch nach ihrer Amtsübernahme zurückgerudert. Auch der US-Kongress hatte jedesmal fast einstimmig dafür gestimmt, dem Präsidenten aber die Möglichkeit eingeräumt, die Verlagerung aus Gründen der nationalen Sicherheit zu verschieben.

In Jerusalem befinden sich mehrere besonders heilige Stätten des Islam, der Christenheit und des Judentums. Schon vor der Gründung des Staates Israel war den internationalen Diplomaten bekannt, dass der juristische Status der Stadt eine hochbrisante Frage sein würde.

Trump hat nun mit einem Schlag die Haltung früherer Regierungen gekippt. Damit hat er der rechten Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu signalisiert, dass die USA seine gesamte Politik – vom weiteren Ausbau der zionistischen Siedlungen über die Enteignung palästinensischen Landes bis hin zu ethnischen Säuberungen – bedingungslos akzeptieren werden.

Von der Palästinensischen Autonomiebehörde fordert er lediglich, sie solle weiterhin ihre Rolle als Beschützer Israels und des Westens wahrnehmen. Er forderte sie auf, an der Seite der USA gegen den „Radikalismus“ zu kämpfen, und sicherzustellen, dass die Palästinenser „auf Uneinigkeit mit vernünftigen Debatten statt mit Gewalt reagieren“.

Obwohl Israel die Palästinenser unterdrückt, ihr Land beschlagnahmt, ihre Jugendlichen willkürlich einsperrt und in immer neuen Kriegen schon zehntausende von ihnen ermordet hat, wird von ihnen verlangt, „vernünftig zu debattieren“. Dabei sind alle Fragen längst entschieden, ohne die Forderungen und Rechte der Palästinenser im Mindesten zu berücksichtigen.

Durch die Entscheidung, Israels Souveränität über Jerusalem anzuerkennen, werden 320.000 Palästinenser, d.h. 40 Prozent der Einwohner der Stadt, ihre Bürgerrechte verlieren. Trump erklärte, dieser „Prozess“ und die Verlegung der US-Botschaft dorthin sei ein „lange überfälliger Schritt“ und werde „den Friedensprozess fördern“. Sein Schwiegersohn Jared Kushner wird ihn leiten, zusammen mit den ehemaligen Spitzenanwälten seines Konzerns, Jason Greenblatt und David Friedman. Letzterer ist amerikanischer Botschafter in Israel. Alle sind sie überzeugte Anhänger der illegalen israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten.

Trump bezeichnete seine Rede als Erfüllung eines Wahlkampfversprechens von 2016. Er hatte damit um die Unterstützung rechter evangelikaler Christen und einer kleinen Gruppe von reichen amerikanischen Zionisten für seinen Wahlkampf gebuhlt. Heute versucht er, diese „Basis“ angesichts der zahlreichen Krisen seiner Regierung zu verstärken.

Im größeren Zusammenhang ist seine Aggression gegen die Palästinenser Teil seines Kurses auf Krieg im ganzen Nahen Osten und richtet sich vor allem gegen den Iran. Am gleichen Tag, an dem Trump seine Rede hielt, gab das Pentagon bekannt, es habe 2.000 Soldaten in Syrien stationiert und werde sie auch nach der Niederlage des IS nicht abziehen. Diese Zahl ist viermal so groß, wie bisher zugegeben wurde.

Nach Trumps Rede gab es zahlreiche Warnungen, denn dieser politische Kurswechsel der USA wird zweifellos zu neuen Terroranschlägen führen. Islamistische Gruppen wie al-Qaida werden religiöse Gefühle aufputschen. Zweifellos haben das US-Militär und der Geheimdienstapparat dies in ihren Berechnungen berücksichtigt. Sie betrachten jeden neuen terroristischen Akt als Vorwand für einen Krieg im Ausland, vor allem gegen den Iran, und für verschärfte Angriffe auf demokratische Rechte im Innern.

Politiker aller Länder haben Trumps Rede nahezu einhellig verurteilt. Dies gilt vor allem für fast alle arabischen Regimes und westeuropäischen Staaten, die bisher als Washingtons Verbündete galten.

Die europäische Bourgeoisie sieht in dem provokanten einseitigen Vorgehen der US-Regierung eine Gefahr für ihre eigenen Interessen. Sie befürchtet, dass die muslimische Bevölkerung in ihren Ländern angestachelt wird. Außerdem erschweren ihr die politischen Angriffe Washington den Zugang zu lukrativen Investitionen und Märkten im Iran. Vor allem die deutsche und die französische Regierung werden Trumps Entscheidung zum Anlass nehmen, um verstärkt ihre eigenen Großmachtinteressen auch mit militärischen Mitteln zu verfolgen.

Was die arabischen Regimes betrifft, so wirken ihre Proteste recht zahnlos. Die saudische Monarchie, der ägyptische Polizeistaat von General al-Sisi, die haschemitische Monarchie in Jordanien und die Palästinenserbehörde von Mahmud Abbas sind allesamt im Vorfeld des US-Politikwechsels informiert worden.

Laut glaubwürdigen Berichten hat der saudische Machthaber Kronprinz Mohammed bin-Salman im letzten Monat Abbas nach Riad einbestellt, um ihm die Bedingungen eines amerikanisch-israelischen „Friedens“ zu diktieren. Ganz Jerusalem und fast alle Siedlungen im Westjordanland sollen in den Händen Israels bleiben, palästinensische Flüchtlinge werden niemals mehr das Recht auf Rückkehr bekommen, und der palästinensische „Staat“ wird auf einen zusammenhanglosen Flickenteppich von „Bantustans“ reduziert, der fest unter israelischer Kontrolle steht. Laut den Berichten hat man Abbas vor das Ultimatum gestellt, diese Monstrosität entweder zu akzeptieren oder „gefeuert“ zu werden, d.h. Saudi-Arabien würde seine lebenswichtigen Zahlungen an die Palästinenserbehörde einstellen.

Die arabischen Regimes haben die Palästinenser in den letzten 70 Jahren immer wieder verraten und haben auch jetzt kein Interesse daran, sich mit Trump und Netanjahu anzulegen. Saudi-Arabien und die anderen reaktionären sunnitischen Golfmonarchien sind bereit, an ihrer Seite gegen den Iran zu kämpfen.

Auch die islamistische Palästinensergruppe Hamas ist nicht anders. Seit einiger Zeit verhandelt sie mit der Palästinenserbehörde über eine Regierungsbeteiligung am belagerten Gazastreifen. Trotz ihrer Warnung, Trumps Entscheidung würde „die Tore zur Hölle öffnen“, repräsentiert sie nur eine andere Fraktion der palästinensischen Bourgeoisie, die sich in den Mantel des religiösen Fundamentalismus' hüllt und gleichzeitig einen Deal mit den Imperialisten und Israel anstrebt.

Netanjahu bezeichnete Trumps Entscheidung als „historischen Meilenstein“. In Wirklichkeit ist er lediglich der Grabstein für die politische Farce, die als „Friedensprozess“ und „Zwei-Staaten-Lösung“ bekannt war und jahrzehntelang benutzt wurde, um die Unterdrückung der Palästinenser zu kaschieren und zu rechtfertigen.

Trumps Entscheidung hat die alte Behauptung, ein Deal zwischen Imperialismus und bürgerlich-arabischen Regimes könnte die Rechte der Palästinenser schützen, ein weiteres Mal als Betrug entlarvt.

Die Krise hat den historischen Bankrott des bürgerlichen Nationalismus entlarvt. Der Nahe Osten ist von mehreren Kriegen gleichzeitig zerrissen, und die israelisch-palästinensischen Spannungen nehmen ständig zu.

In seiner zionistischen Form hat der bürgerliche Nationalismus behauptet, sein legitimes Ziel bestehe darin, für die dem Holocaust entkommenen Juden eine Heimat zu schaffen. Stattdessen hat er einen hochgerüsteten Staat auf einer kolonialistischen Grundlage geschaffen und die jüdische Bevölkerung gegen die Palästinenser und andere Völker der Region aufgehetzt. Gleichzeitig ist die Bevölkerung Israels eine der ungleichsten Gesellschaften der Welt. Wie Leo Trotzki warnte, hat sich die Schaffung dieses Staates als „blutige Falle“ für die jüdische Bevölkerung erwiesen.

Auch der palästinensische Nationalismus ist völlig unfähig, die demokratischen und sozialen Rechte der Palästinenser durch den Aufbau eines neuen Ministaats im Nahen Osten zu erfüllen. Stattdessen ist lediglich die Palästinenserbehörde entstanden, die nur die Interessen von Abbas und seinen Funktionären und Millionen-schweren Gefolgsleuten vertritt. Diese bereichern sich an Entwicklungshilfegeldern und CIA-Gehältern und unterdrücken den Widerstand gegen die Besetzung.

Es ist die Aufgabe der Arbeiterklasse, die jahrzehntelange Unterdrückung, Armut und Gewalt zu beenden, unter der die Palästinenser leiden, und die Gefahr eines regionalen Krieges aus der Welt zu schaffen. Sie muss ihre Kräfte über alle nationalen und religiösen Grenzen hinweg in einem gemeinsamen Kampf gegen den Imperialismus und seine lokalen Werkzeuge in Israel und der arabischen Welt vereinen.

Unter der Last der unlösbaren Krise des Kapitalismus' erweisen sich die alten politischen Vorstellungen in der Region als Farce. Angesichts dieser Entwicklung ist die drängendste Aufgabe die Vereinigung der jüdischen und arabischen Arbeiterklasse im Kampf für eine Sozialistische Föderation des Nahen Ostens. Der Kapitalismus muss auf dem ganzen Planeten abgeschafft werden.

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