Mexiko: Deutlicher Wahlsieg für López Obrador

Andrés Manuel López Obrador (auch bekannt als Amlo), der Vorsitzende der Bewegung für Nationale Erneuerung (Morena), wurde am Sonntag mit deutlichem Vorsprung bei hoher Wahlbeteiligung zum Präsidenten von Mexiko gewählt. Seine beiden stärksten Gegner, José Antonio Meade (Partei der Institutionalisierten Revolution, PRI) und Ricardo Anaya von der Koalition Zusammen für Mexiko, in der u.a. die Partei der Nationalen Aktion (PAN) und die Partei der Demokratischen Revolution (PRD) vertreten sind, räumten am Sonntagabend ihre Niederlage ein.

Zu Redaktionsschluss am späten Montagabend war das offizielle Endergebnis noch nicht verkündet worden, doch nach letzten Zahlen hat López Obrador zwischen 53 und 53,8 Prozent der Stimmen gewonnen. Meade erhielt dagegen nur zwischen 15,7 und 16,3 Prozent der Stimmen, Anaya zwischen 22,1 und 22,8 Prozent. Es wäre das erste Mal seit den Wahlen von 1988, dass ein Präsidentschaftskandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit auf sich vereinigen könnte.

Auch andere Morena-Kandidaten könnten gewinnen, u.a. Claudia Sheinbaum, die als Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt kandidiert. Ihr Sieg würde eine 21-jährige Herrschaft der PRD beenden. Berichten zufolge wird Morena auch die Gouverneurswahlen in den Staaten Morelia, Tabasco und Chiapas gewinnen.

Die Wahlbeteiligung lag auf Rekordniveau. Wähler warteten stundenlang vor den Wahllokalen, bis Mittag hatten bereits mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben. Bis zum Ende des Wahltages hatten 70 Prozent ihre Stimmen abgegeben, ein historischer Höchststand.

Die Ergebnisse bedeuten einen Zusammenbruch des Rückhalts für die beiden großen Parteien der mexikanischen Bourgeoisie angesichts der weit verbreiteten Wut über soziale Ungleichheit, staatlich sanktionierte Gewalt, die Militarisierung der Gesellschaft und die fremdenfeindliche Politik von US-Präsident Donald Trump. Für die PRI und die PRD waren die Ergebnisse vernichtend.

Was die Parlamentswahlen betrifft, wird Nachwahlbefragungen zufolge das Morena-Bündnis, dem auch die rechte christliche Partei der Sozialen Bewegung (PES) und die Arbeiterpartei (PT) angehören, über 50 Prozent der Abgeordneten stellen. Laut inoffiziellen Wählerbefragungen hat die PT zwischen 64 und 75 Sitzen gewonnen, d.h. fast doppelt so viele wie der PRI insgesamt prognostiziert wurden (zwischen 37 und 47). Die PAN erhielt 63 bis 76 Sitze, die PRD 33 bis 43. Morena wird vermutlich 127 bis 142 Sitze erhalten. Wenn diese Ergebnisse sich bewahrheiten, wird die PRI drei Viertel ihrer derzeitigen Sitze in der Abgeordnetenkammer verlieren.

Falls die prognostizierten Ergebnisse der PT, einer ursprünglich maoistischen Partei, wirklich eintreten, wäre dies besonders bemerkenswert. Die PT hat momentan keinen einzigen Sitz in der Abgeordnetenkammer, allerdings neunzehn der 128 Sitze im Senat. López Obrador erklärte am Sonntag, er habe bei der Präsidentschaftswahl symbolisch für Rosario Ibarra de Piedra gestimmt, die ehemalige Kandidatin der pablistischen Revolutionären Arbeiterpartei (PRT), die heute Mitglied der PT ist.

Die Kandidaten der Parteien, die gegen Morena und López Obrador antraten, gaben sich in ihren Erklärungen versöhnlich und deuteten an, dass die herrschende Klasse bereit ist, López Obradors Wahlsieg zu akzeptieren. Von der bürgerlichen Presse wurde die Wahl als „Sieg für die Demokratie“ gefeiert.

Dennoch wurde die Wahl von mehreren hundert gewaltsamen Zwischenfällen und Entführungen überschattet.

Kurz vor Öffnung der Wahllokale wurde die 49-jährige PT-Aktivistin Flora Reséndiz González in ihrer Wohnung in Contepec im Bundesstaat Michoacán Opfer eines Mordanschlags. Sie verstarb um 6:30 Uhr im Krankenhaus. Außer ihr wurden während des Wahlkampfs in Mexiko weitere 138 Kandidaten ermordet. PT-Chef Alberto Anaya Gutiérrez verurteilte die Ermordung und forderte eine Untersuchung. Anaya erklärte: „Wir sind zutiefst traurig über den Tod unserer geliebten Genossin“ und fügte hinzu, dieser und andere Morde seien symptomatisch für den „sozialen Verfall“.

Während des Wahlkampfs kam es zu zahlreichen Ermordungen von Kandidaten. Die Verantwortung dafür wird lokalen Drogenbanden angelastet, die ungestraft entscheiden, welche Kandidaten sie für annehmbar halten. Am Wahltag kamen aus den Bundesstaaten Chiapas, Veracruz und Mexico zudem Berichte auf, laut denen Wahllokale zerstört wurden, Bewaffnete Wähler ganz offen zur Stimmabgabe zwangen und sie angewiesen haben sollen, wen sie zu wählen haben. In Veracruz wurden zwei Männer aus der Warteschlange vor einem Wahllokal entführt und verschleppt, allerdings bestand scheinbar kein Zusammenhang zur Wahl.

Die Wahllokale öffneten um sieben Uhr morgens. Der Vorsitzende des Nationalen Wahlinstituts Lorenzo Córdova erklärte, im ganzen Land gebe es 156.807 Wahllokale, von denen nur vier nicht geöffnet worden seien. Etwa 89 Millionen Einwohner waren wahlberechtigt, die Hälfte davon unter 40 Jahren, dreizehn Millionen von ihnen Erstwähler.

Insgesamt geht es bei der Wahl um mehr als 3.400 Ämter. Abgesehen vom Präsidenten wählten die Mexikaner auch 500 Mitglieder im Unterhaus des Kongresses und 128 Senatoren.

Die starke Wahlbeteiligung ist ein Ausdruck der Wut und Frustration der mexikanischen Arbeiterklasse. Abgesehen von der Empörung über 200.000 Morde und zehntausende Entführungen in den letzten zwölf Jahren herrscht in der Masse der Bevölkerung auch Wut über die miteinander verbundenen Probleme der wachsenden Armut und Ungleichheit, weit verbreiteter Korruption der Regierung und ungesühnter Straftaten.

Die Wirtschaftselite ist mit der amtierenden PRI, der PAN und der PRD verbündet und allgemein verhasst. Besonders bedeutsam ist der Zusammenbruch der PRI, zumal die Partei fast einhundert Jahre lang das politische System dominiert hat. Nur von 2000 bis 2012 stellte zweimal die PAN den Präsidenten.

Die Wut der Bevölkerung hat sich vor allem unter jungen Arbeitern in der Unterstützung für López Obrador geäußert, die immer wieder ihr Misstrauen in die traditionellen Parteien gezeigt haben. In einer Schätzung auf Grundlage der sozialen Netzwerke hat López Obrador die Stimmen von 51 Prozent der Jugendlichen erhalten, die PRI und Meade kommen auf 24 Prozent, Anaya und die PAN-Koalition nur auf 14 Prozent.

An speziellen Wahllokalen für diejenigen Wähler, die nicht zu den ihnen zugewiesenen Wahllokalen kommen konnten, fanden Protestveranstaltungen statt. Vielen von ihnen gingen die Wahlzettel aus, da die Wähler auf ihrem demokratischen Recht auf Stimmabgabe beharrten.

López Obrador, der lange Zeit als „Linker“ dargestellt wurde und die Wahlen 2006 und 2012 nur knapp verloren hatte, trat mit einem wirtschaftsfreundlichen Programm an. Seine Hauptaufgabe bestand darin, die mexikanische und die amerikanische herrschende Klasse davon zu überzeugen, dass sein Wahlsieg keine Gefahr für die privaten Profite oder die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse darstellen wird.

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