Trotz Ablauf der gerichtlichen Frist: Hunderte von Immigrantenkindern in den USA noch immer von ihren Eltern getrennt

Die Trump-Regierung hat sich geweigert, eintausend minderjährige Immigranten, die im Rahmen der Anfang Mai eingeführten „Null Toleranz“-Politik durch die US-Zoll- und Grenschutzbehörde (CBP) und die Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) gewaltsam von ihren Eltern getrennt wurden, wieder mit ihren Eltern zu vereinen. Sie hat durch dieses Vorgehen eine der grausamsten und empörendsten Menschenrechtsverletzungen der amerikanischen Geschichte begangen.

Am 26. Juli lief die vom Gericht festgelegte Frist ab, innerhalb der die mehr als 3.000 von ihren Eltern getrennten Kinder wieder mit ihren Familien zusammengeführt werden sollten. Die Trump-Regierung erklärte, mindestens 711 Familien seien „ungeeignet“ für die Zusammenführung, wovon fast eintausend Kinder betroffen sind. Jetzt behauptet die Regierung, sie habe den Großteil des Gerichtsbeschlusses von Bezirksrichterin Dana Sabraw aus dem Gerichtsbezirk Südkalifornien umgesetzt. In Wirklichkeit hat sie alle Familien, die sie nicht wieder vereint hat, als „ungeeignet“ klassifiziert.

In der orwellschen Terminologie der Sprecher von Trumps Einwanderungs-Gestapo gelten Familien als „ungeeignet“, wenn die US-Regierung sie in ein anderes Land abschiebt, in ihrem riesigen System von Gefängnissen und Haftzentren aus den Augen verliert oder wenn sie die Eltern freilässt und die Kinder in Haft behält. Die Eltern sind „ungeeignet“, weil die US-Regierung es ihnen unmöglich gemacht hat, ihre Kinder zu finden. Viele von ihnen werden ihre Kinder nie wiedersehen.

Die meisten der tatsächlich erfolgten Zusammenführungen von Eltern und Kindern fanden hinter Gefängnismauern statt. Laut den offiziellen Dokumenten des Gerichts von San Diego wurden 1.442 der 2.551 Kinder ab fünf Jahren, die seit Anfang Mai von ihren Eltern getrennt wurden, innerhalb des Gefängnissystems zusammengeführt. Mit anderen Worten, Eltern und Kinder leben jetzt nicht mehr in getrennten Gefängnissen, sondern im gleichen.

Nur 378 Kinder ab fünf Jahren wurden gänzlich aus dem Gewahrsam entlassen. Sie leben entweder bei anderen Familien oder Freunden ihrer Familien in den USA oder wurden an Eltern zurückgegeben, die selbst aus der Haft entlassen wurden. Das entspricht nur 15 Prozent der Gesamtzahl.

Anwälte der Eltern und Kinder haben mehrfach die schrecklichen Bedingungen beschrieben, in denen die weiterhin getrennten oder hinter Gefängnismauern zusammengeführten Immigranten leben müssen. Leah Chavla erzählte in einem Interview mit CNN über die Wiedervereinigung eines elfjährigen Jungen mit seinen Eltern: „Der Junge konnte während des ganzen Interviews kaum sprechen. Nur auf einfache Fragen konnte er gelegentlich leicht nicken oder den Kopf schütteln. Er starrte die ganze Zeit über angestrengt geradeaus, als würde er sich darauf konzentrieren, nicht loszuweinen. Seine Mutter forderte ihn mehrfach auf, er solle mit uns reden, aber er konnte es nicht.“

Vertreter des US-Gesundheitsministeriums, welches das Sorgerecht für die Kinder ausübt, und Vertreter der ICE verteidigten in einer Telefonkonferenz auf arrogante Weise des Vorgehen der Regierung und klagten sogar, die Regierung würde zu viel Zeit und Geld für das Schicksal dieser Familien ausgeben.

Der Chef der ICE-Abteilung für Kontrolle und Abschiebung von Immigranten (ERO), Matthew Albence, erklärte, seine Einheit habe „24 Stunden täglich“ an der Zusammenführung von Familien gearbeitet. Er erklärte: „Die ICE, und vor allem die ERO, haben sich gemeinsam größte Mühe gegeben und unverhältnismäßig viel Zeit und Mittel aufgewandt, um diese Zusammenführungen möglich zu machen.“

Er behauptete, Eltern, die ohne ihre Kinder abgeschoben wurden, hätten „davor die Gelegenheit bekommen, das Kind mit nach Hause zu nehmen, dies aber abgelehnt“. Er fügte zynisch hinzu: „Wir können Eltern nicht zwingen, ihre Kinder mitzunehmen.“

Laut der American Civil Liberties Union (ACLU) haben viele der abgeschobenen Eltern Formulare unterzeichnet, auf denen sie sich bereit erklärt haben, ohne ihre Kinder abgeschoben zu werden. Da sie diese Dokumente nicht lesen konnten, hatten sie jedoch nicht verstanden, was sie bedeuten. In vielen dieser Fälle handelte es sich um Flüchtlinge aus Mittelamerika, die entweder Analphabeten sind oder statt Spanisch indigene Sprachen wie Maya sprechen.

In anderen Fällen haben Agenten der ICE den Eltern erzählt, nur durch die Unterschrift unter das Formular könnten sie dafür sorgen, dass ihre Kinder in den USA bleiben könnten und dort vor den gewalttätigen Drogengangs und Todesschwadronen des Militärs sicher seien, vor denen die Familien ursprünglich aus ihrer Heimat geflohen waren.

Auf die Frage, wie die ICE diese Eltern finden und sie mit ihren Kindern zusammenführen will, erklärte Albence kaltschnäuzig: „Sie wurden abgeschoben. Wir führen keine Aufzeichnungen über Individuen, wenn sie erst einmal in andere Länder abgeschoben wurden.“

Solche Äußerungen bestätigen nur den Schluss, der aus den Erfahrungen der letzten drei Monate gezogen werden muss. Die Trennung von Familien nach der Ankündigung der „Null-Toleranz“-Politik war keine unbeabsichtigte Folge. Vielmehr wurde die „Null-Toleranz“-Politik gerade deshalb ausgerufen, um im großen Stil Familien auseinanderzureißen sowie Immigranten und Asylsuchende in Angst und Schrecken zu versetzen. Dies wiederum soll als „Abschreckung“ davor dienen, in die USA zu kommen.

Noch grausamer ist jedoch, dass das Versagen, die für die Familienzusammenführungen notwendigen Informationen zu sammeln, offensichtlich nicht auf Desorganisation oder Inkompetenz zurückging. Es sollte vielmehr bewusst sichergestellt werden, dass die „Null-Tolarenz“-Politik Kinder und Eltern so stark wie möglich traumatisiert. Es handelt sich um politisch motivierte Brutalität, um Massenentführung, die ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt und sogar den juristischen Tatbestand des „Völkermordes“ erfüllt.

Am Freitagnachmittag trafen sich Vertreter der US-Regierung und Anwälte der ACLU im Gerichtssaal von Richterin Sabraw, um über die verschiedenen Gruppen von zusammengeführten und getrennten Familien zu diskutieren. Die ACLU strebt einen weiteren Gerichtsbeschluss an, um die Abschiebung von zusammengeführten Familien für sieben Tage zu stoppen und so dem Plan der Trump-Regierung zuvorzukommen, fast alle zusammengeführten Familien so schnell wie möglich abzuschieben.

Die Abschiebungen wurden seit dem 16. Juli vorübergehend unterbrochen, bis die Richterin eine Entscheidung zum Antrag der ACLU gefällt hat. In einer ICE-Einrichtung im Süden von Texas warten insgesamt 223 zusammengeführte Familien auf ihre Abschiebung.

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