Eine „beispielhafte Genossin“: Sylvia Callen, stalinistische Agentin, 40 Jahre lang von der Socialist Workers Party (USA) gedeckt

Teil 4

Im Mai 1947 erhielt die Socialist Workers Party Informationen, wonach Sylvia Callen, die persönliche Sekretärin des langjährigen Parteiführers James P. Cannon, eine Agentin der sowjetischen Geheimpolizei GPU war. Schnell wurde klar, dass Callen wichtige Informationen über ihren stalinistischen Hintergrund verschwiegen hatte, als sie 1938 der SWP beitrat. Fast neun Jahre lang hatte Callen uneingeschränkten Zugang zu hoch vertraulichen Informationen der Partei auf Führungsebene. Anstatt jedoch Callens mörderische Rolle als Spionin innerhalb der trotzkistischen Bewegung aufzudecken, entschied sich die Socialist Workers Party für eine Vertuschung.

Im Folgenden veröffentlichen wir den letzten Teil eines vierteiligen Berichts über den historischen Verlauf dieser Vertuschung und ihrer Enthüllung durch das Internationale Komitee der Vierten Internationale. Die Artikelserie wurde jüngst in „Agents: The FBI and GPU Infiltration of the Trotskyist Movement“ veröffentlicht. Das Buch deckt auf, wie die GPU die Ermordung Leo Trotzkis durchführte und wie der sowjetische Geheimdienst und das FBI in den 1940er Jahren immer stärker die amerikanische Sektion der Vierten Internationale unterwanderten. Eine deutsche Übersetzung von „Agents“ ist in Vorbereitung.

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Joseph Hansen und die Kontrollkommission

Joseph Hansen konnte während des Gelfand-Falls nicht unter Eid befragt oder sonst hinzugezogen werden. Bis zum Schluss verteidigte Hansen Callen jedoch, indem er eine internationale Kampagne mit dem Ziel organisierte, diejenigen zu verleumden, die Fragen zu dem aufwarfen, was sich letztlich als die Wahrheit herausstellte: Sie war eine Agentin der GPU.

Warum haben Hansen und die SWP nach seinem Tode so viel unternommen, um Callen zu verteidigen? Warum haben sie nicht einfach zugegeben, noch vor der Veröffentlichung der Abschriften der Grand Jury, dass James P. Cannons Sekretärin von 1939 bis 1947 eine Agentin der GPU war? Mitte der 70er Jahre, als das Internationale Komitee seine Untersuchung über die Sicherheit und die Vierte Internationale einleitete, waren fast 30 Jahre vergangen, seit Callen die SWP verließ.

„Dossier eines Doppelagenten: Die Lügen von Joseph Hansen“, ein Teil der Untersuchung Sicherheit und die Vierten Internationale

Es drängt sich die Frage auf: Warum klammerten sich Hansen und Barnes so verzweifelt an die durchsichtige Lüge, dass Callen eine „vorbildliche“ Genossin gewesen sei? Wäre es für Hansen nicht einfacher gewesen, zuzugeben, dass die SWP durch Callens Unschuldsbehauptungen getäuscht worden war und dass die Untersuchung der Kontrollkommission von 1947 unzureichend gewesen war?

Die einzige Antwort ist, dass die Aktivitäten von Callen und Hansen zu eng miteinander verflochten waren. Hansen war gezwungen, in Bezug auf Sylvia Callen zu lügen, weil er – wie ein Dokument bewies, das Gelfands Anwälte gegen Ende des Verfahrens erhielten – seine eigene Rolle als Agent innerhalb der SWP vertuschen musste.

Weit fortgeschritten im Verfahren verpflichtete Richterin Pfaelzer die SWP dazu, einen Brief von Vaughn T. „Irish“ O'Brien adressiert an Hansen herauszugeben. O’Brien war ein guter Freund von Hansen.

In diesem Brief vom 8. Juni 1976 erinnerte O'Brien an eine Begegnung in den späten 1940er oder frühen 1950er Jahren – in diesem Zeitraum fand auch die Kontrollkommission und die Veröffentlichung der Budenz-Bücher statt – mit Pearl Kluger, ein ehemaliges Mitglied von der A. J. Mustes American Workers Party, die Budenz persönlich kannte. O'Brien schrieb: „Ich hatte Pearl seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen, aber sie sagte sofort: ‚Budenz sagt, dass dein Freund Joe Hansen mit der GPU zusammengearbeitet hat.‘“ [73]

Diese außergewöhnliche Enthüllung – dass derselbe Mann, der Sylvia Callen ursprünglich entlarvt hatte, auch Joseph Hansen als GPU-Agenten identifizierte – wurde von der Socialist Workers Party bekräftigt. Nur einen Monat nach Abschluss des Gelfand-Prozesses, in der Ausgabe des Militant vom 15. April 1983, schrieb der Vorsitzende der SWP Larry Seigle, dass Budenz „nicht nur KP-Mitglieder, sondern auch mehrere SWP-Mitglieder als sowjetische Agenten ausgemacht habe. Dazu gehörten Joseph Hansen, ein führendes Mitglied der SWP bis zu seinem Tod im Jahr 1979, und Sylvia Caldwell, die Sekretärin in der Parteizentrale.“ [74]

Es ist offensichtlich, dass es in der unmittelbaren Folge des Gelfand-Prozesses Meinungsverschiedenheiten innerhalb der SWP-Führung darüber gab, wie mit den Beweisen umzugehen sei, die Hansen als Agenten der GPU belasteten. Seigles öffentliche Anerkennung von Budenz‘ Entlarvung sowohl Caldwells als auch Hansens – wodurch er die Vorwürfe von Gelfand bestätigte – wurde offensichtlich als ein großer politischer Fehltritt angesehen.

Nur einen Tag nachdem Seigles Artikel im Militant erschienen war, diskutierte die SWP-Führung einen Weg, um das schädliche Eingeständnis rückgängig zu machen. Das Sitzungsprotokoll des Politischen Komitees der SWP vom 16. April 1983 zeigt, dass die Führung unter der Leitung von Barnes ein Komplott schmiedete, um das Protokoll der Grand Jury als Fälschung zu verurteilen und ihre Anstrengungen zur Verteidigung von Callen-Caldwell zu verdoppeln:

„Wir sollten einen Artikel schreiben, der die Position der Partei zu den Anschuldigungen gegen Sylvia Caldwell darlegt. Der Artikel sollte der Partei und der internationalen Bewegung unsere Position zur Verantwortung der Partei darlegen, sich gegen COINTELPRO-artige „Schlapphut“-Operationen zu verteidigen, wie sie derzeit gegen Sylvia Caldwell und die SWP durchgeführt werden. Es ist besonders notwendig, all jenen, die es nie gelernt oder vergessen haben, zu erklären, dass es in der Verantwortung der Führung einer revolutionären Arbeiterpartei liegt, jedes einzelne Mitglied loyal gegen solche Verleumdungskampagnen zu verteidigen.

Der Artikel wird die neuen ‚Beweise‘ untersuchen, die das FBI im Gerichtssaal von Pfaelzer präsentiert hat und die von der WL/WRP verbreitet werden, bestehend aus Abschriften der Zeugenaussagen von Sylvia Caldwell vor zwei Grand Juries, die die sowjetische ‚Spionagetätigkeit‘ in den 1950er Jahren untersuchten. Wir können nicht wissen, inwieweit die Transkripte nicht gefälscht wurden. Darüber hinaus kann die unter diesen Bedingungen abgegebene Aussage – vor einer geheimen Grand Jury, ohne Anwalt, unter Androhung einer Anklage als sowjetische Spionin zur Zeit der Justizmorde an Ethel und Julius Rosenberg – von keinem ernsthaften Arbeiterführer als wahr angesehen werden.“ [75]

Protokoll der Sitzung des Politischen Komitees der SWP vom 16. April 1983, Seite 1 (Wisconsin Historical Society)

Das Protokoll zeigt auch, dass die Veröffentlichung der Protokolle der Grand Jury, die die Vertuschung von Sylvia Franklin als Agentin aufdeckten, innerhalb der SWP-Mitgliedschaft und bei ihren internationalen Verbündeten große Beunruhigung ausgelöst hatte.

„Wegen der Unerfahrenheit und einiger Verwirrung, die in der Partei und der internationalen Bewegung über diese Punkte existiert, wäre ein Artikel in dieser Richtung hilfreich.“ [76]

Protokoll der Sitzung des Politischen Komitees der SWP vom 16. April 1983, Seite 2 (Wisconsin Historical Society)

Am 5. August 1983 veröffentlichte der Militant einen Bericht, der von Jack Barnes im Mai, Wochen nach der Sitzung des Politischen Komitees, dem Nationalkomitee der SWP gegeben worden war. Barnes nahm die Verteidigung von Callen-Caldwell wieder auf:

„Eine weitere Sache, die sich während des Prozesses ereignete, muss hervorgehoben werden. Und zwar, was die Regierung und die WL-WRP unserer Genossin Sylvia Caldwell angetan haben. Sie werfen ihr vor, in ihren Mitgliedsjahren in unserer Partei von Mitte der 1930er bis Ende der 1940er Jahre Agentin der sowjetischen Geheimpolizei gewesen zu sein. Wie wir wissen, wurde Sylvia von dem FBI-Störer und Spitzel Louis Budenz verleumdet. Sie wurde vom FBI in den Jahren der Kommunistenverfolgung verfolgt. Sie wurde in den 1950er Jahren vor die großen Grand-Juries des Bundesstaates geschleppt, die die sowjetische ‚Spionage‘ untersuchten, wie die, die die Rosenbergs unter Anklage gestellt hatten. Und jetzt ist sie mit den wiederholten Bemühungen der WL-WRP konfrontiert, die damit ihre Zersetzungs-Operation gegen unsere Bewegung vorantreiben wollen, hier und international.“ [77]

Diese Tirade war eine Lüge von Anfang bis Ende. Wenn „unsere Genossin Sylvia Caldwell“, wie Barnes behauptete, in den 1950er Jahren bösartig verfolgt worden wäre, warum hatte die SWP es dann versäumt, zu ihrer Verteidigung eine öffentliche Kampagne zu starten? Warum wurde im Militant nicht ein Wort darüber geschrieben, dass „Genossin Sylvia“ „vor Grand-Juries des Bundesstaates geschleppt wurde, die in den 1950er Jahren sowjetische ‚Spionage‘ untersuchten, wie die, die die Rosenbergs unter Anklage gestellt hatten“? Warum hatten die SWP und der Militant nicht öffentlich die Auflistung von Sylvia Callen als GPU-Mitverschwörerin in der Anklageschrift vor dem Bundesgericht gegen Robert Soblen von 1960 angeprangert?

Barnes unterstellte dann, dass die Abschrift ihrer Zeugenaussage von 1958 eine Fälschung sei und bezeichnete sie als „etwas, von dem das FBI behauptete, es sei ein Transcript ihrer Zeugenaussage vor einer Grand Jury von 1958“. Dann fuhr er fort:

„Das sollte die perfekte Lehrbuchgeschichte sein – ein offizielles Protokoll der Zeugenaussage, in der die vereidigte Frau selbst zugibt, dass sie die Dinge getan hat, die ihr vorgeworfen wurden. (Ich lasse die Tatsache außer Acht, dass nirgendwo in dem Transcript von der sowjetischen Geheimpolizei oder einer Aktivität von Sylvia in deren Namen die Rede ist. Alles, was dort steht, ist, dass sie Informationen für die Kommunistische Partei (KP) gesammelt hat. Es ist aufschlussreich, dass es für die WL-WRP wie für das FBI das Gleiche ist, Mitglied der KP und ein sowjetischer Spionageagent zu sein...)“ [78]

Die intensive Beteiligung der Kommunistischen Partei an den Operationen der GPU – und insbesondere an der Unterwanderung der Vierten Internationale und der SWP sowie an der Organisation von Trotzkis Ermordung – ist eine unbestreitbare und umfassend dokumentierte historische Tatsache. Budenz‘ eigene Schriften und Aussagen hatten sehr deutlich gemacht, dass er und diejenigen, die er für anti-trotzkistische Spionageaktivitäten rekrutierte, für die GPU gearbeitet hatten. Barnes‘ Behauptung, dass „Sylvias“ Eingeständnis, „sie habe Informationen für die Kommunistische Partei gesammelt“, nicht beweise, dass sie im Auftrag der GPU gehandelt hat, zeugt ebenso von seiner Verzweiflung wie von seiner gewissenlosen Unehrlichkeit. Die Gründe für Barnes‘ Verzweiflung liegen in den Beweisen, die im Laufe des Gelfand-Falls und der Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale aufgedeckt wurden.

Die Bedeutung des O‘Brien-Briefs und der Aussagen von Seigle und Barnes über die Veröffentlichung der Abschrift von 1958 wurde von David North in einem Artikel mit dem Titel „Barnes Still Defends Sylvia Franklin“ zusammengefasst, der am 9. September 1983 im Bulletin, der Zeitung der Workers League, erschien. North schrieb:

„Die Transkripte zeigten, dass die Tatsachen, die Louis F. Budenz, Ex-Herausgeber des stalinistischen Daily Worker, in seiner eidesstattlichen Erklärung vom November 1950, in der er Franklin aufdeckte, absolut der Wahrheit entsprachen. Franklin gab in ihrer Zeugenaussage ausdrücklich zu, dass sie Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen war und dass sie von Louis Budenz rekrutiert worden war, um als Spionin innerhalb der SWP zu arbeiten.

Diese Transkripte erschütterten die jahrzehntelange Vertuschung der wahren Rolle von Franklin innerhalb der SWP. Die unzähligen Lügen von Joseph Hansen, Barnes, und ihrem Komplizen George Novack, um sie zu verteidigen („ein vorbildlicher Kamerad“, „ein warmherziger Mensch“, „Budenz‘ üble Verleumdung“, „Healy's große Lüge“, usw.), wurden ein für alle Mal entlarvt.

Darüber hinaus haben andere Beweise, die bei der Verhandlung vorgetragen wurden, die Bedeutung der Franklin-Vertuschung klargemacht. Budenz, so stellte sich heraus, hatte auch Hansen als GPU-Agenten identifiziert, etwa zur gleichen Zeit, als er Franklin identifiziert hatte. Diese Tatsache war in einem Brief enthalten, der am 8. Juni 1976 von seinem engen Freund Vaughn T. O'Brien an Joseph Hansen geschrieben wurde.“ [79]

Nachdem er Seigles Artikel vom 15. April 1983 zitiert hatte, in dem festgestellt wurde, dass Budenz auch „mehrere SWP-Mitglieder“, darunter Joseph Hansen, als GPU-Agenten ausgemacht hatte, fuhr North fort:

„Obwohl er Franklin öffentlich entlarvte, veröffentlichte Budenz nie, was er über die GPU-Aktivitäten von Hansen wusste. Dies lag daran, dass er vom FBI angewiesen wurde, dies nicht zu tun. Es schützte seinen hochgeschätzten Agenten innerhalb der SWP, Joseph Hansen – der, wie andere Beweise belegen, 1940 eine geheime Beziehung zum FBI ersucht und erhalten hatte.“ [80]

Aus der Sicht der SWP war es für ihre Vertuschung unerlässlich, Budenz, der für die Bezichtigung von Callen und Hansen als Agenten verantwortlich war, als „Verleumder“, „Polizeispitzel“ und „Eidbrecher“ zu bezeichnen. Wenn Hansen und die SWP zugeben würden, dass Callen eine Agentin war, würde dies dem Informanten von Shachtman und Glotzer von 1947 Glaubwürdigkeit verleihen. Diese Quelle warnte nicht nur vor Callen, sondern sagte auch, in den Worten von Cannon, dass „das FBI einen Agenten in unserer Partei hat, weit oben in der Führung“. Cannon sagte, dass Shachtmans Workers Party die SWP „jahrelang“ vor dem FBI-Agenten gewarnt habe.

Die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale entdeckte Dokumente, die enthüllten, dass Hansen sich nach Trotzkis Ermordung heimlich mit dem Außenministerium getroffen hat. Bei diesen Treffen gab Hansen zu, zur gleichen Zeit, als die Stalinisten die SWP mit Agenten wie Franklin infiltrierten, ebenfalls eine Beziehung zur GPU gehabt zu haben. Er bat um Informationen für Folgetreffen mit dem FBI in New York City und erhielt sie auch. Keine dieser Tatsachen war dem Nationalkomitee der SWP bekannt, bis das Internationale Komitee sie veröffentlichte.

Während Hansens Rolle als Agent klar ist, sind die Einzelheiten seiner Tätigkeit mit der GPU und den US-Agenturen noch nicht bekannt. Es gab mehrere Aspekte, die ein Motiv für den Kontakt mit dem Außenministerium und dem FBI darstellten. Er befürchtete, dass, wenn US-Beamte über seinen Kontakt zur GPU Bescheid wüssten, er ein Alibi bräuchte, welches er den Agenten, die er nach Trotzkis Ermordung traf, geben konnte. Er hoffte auch, bei den Untersuchungen zu Trotzkis Ermordung die Aufmerksamkeit von seinen früheren Verbindungen zur GPU abzulenken.

Hansen begann, für das FBI zu arbeiten, indem er ihnen Informationen über die internen Ermittlungen der SWP im Zusammenhang mit dem Attentat übergab. Er stellte der US-Regierung eine Kopie des „W Memorandum“ zur Verfügung, einer Namensliste von GPU-Agenten, die die SWP vom ehemaligen Mitglied der Kommunistischen Partei, Whittaker Chambers, erhalten hatte.

Im Austausch für diese und andere interne Parteidaten konnte Hansen eine Strafverfolgung vermeiden, als 1941 das Justizministerium auf Veranlassung des FBI 29 Mitglieder der SWP wegen Aufruhr und Verschwörung zum Sturz der Regierung im Minneapolis Smith Act Prozess strafrechtlich verfolgte. Wie die World Socialist Web Site in ihrer zweiteiligen Rezension von Donna Haverty-Stackes Buch Trotskyists on Trial ausführte, wäre Hansens Fehlen auf der Liste der Angeklagten ansonsten unerklärlich, vor dem Hintergrund, dass er von 1939 bis 1940 Trotzkis Sekretär in Mexiko-City war.

Mitglieder von SWP-Mitgliedern, „The Eighteen“, die wegen Aufruhr während des Zweiten Weltkriegs inhaftiert wurden

Während die vom IKVI veröffentlichten Dokumente nachwiesen, dass Hansens Beziehung zum FBI 1940 begann, geben sie keine Auskunft darüber, dass diese Beziehung jemals zu Ende ging.

Die SWP hatte die Gelegenheit, die Wahrheit über Callen und Hansen aufzudecken. Hätte die SWP-Kontrollkommission von 1947 wirklich versucht, die Behauptungen über die Infiltration von FBI und GPU durch Shachtman und Glotzers Informanten, die den Budenz-Enthüllungen folgte, zu untersuchen, so hätten sie die Agenten entlarvt, die der SWP im Laufe der nächsten Jahrzehnte unzählige Schäden zugefügt haben, darunter auch Hansen selbst. Im Zuge der Klage der SWP gegen das FBI wegen COINTELPRO war die Regierung gezwungen zuzugeben, dass sie die SWP mit Hunderten von Agenten infiltriert hatte und die einen wesentlichen Teil der Parteimitgliedschaft ausmachten. Sowjetische Spionageprotokolle und Telegramme, die von der US Army Signals Intelligence über das VENONA-Programm erworben und Mitte der 90er Jahre veröffentlicht wurden, verweisen ausdrücklich auf den Callen – Codenamen „Satyr“ – als sowjetische Agentin.

Stattdessen ließ die Kontrollkommission die Angelegenheit durchgehen und beschwor die Anwesenden zur Verschwiegenheit. Callen durfte die Bewegung verlassen, ohne dass die Partei ihren plötzlichen Rückzug erklärte. Die SWP hat die Berichterstattung über Louis Budenz‘ Enthüllungen genau zu dem Zeitpunkt eingestellt, als die Regierung auf die vorherige Forderung der SWP reagierte, Budenz von einer Grand Jury interviewen zu lassen. Als Budenz 1950 sein zweites Buch Men Without Faces veröffentlichte, arbeitete die SWP mit Callen selbst zusammen, die Farrell Dobbs vorschrieb, wie die SWP auf die Vorwürfe von Budenz reagieren sollte.

Hansen manövrierte, um Callen zu schützen, wie sein Austausch mit Isaac Don Levine 1958 und Gerry Healy 1960 zeigt. Die SWP versäumte es, über den Robert-Soblen-Prozess von 1960 und die Aussage von Jack Soble zu berichten, die Callen ebenfalls als Agenten identifizierten. Cannon gab in seinem Brief an Reba Hansen von 1966 auch eine falsche Darstellung der Ergebnisse der Kontrollkommission von 1947 wieder, indem er vorgab, dass sie die Angelegenheit untersucht und Callen erlaubt habe, „ihre Arbeit fortzusetzen“.

Infolgedessen blieb Hansen auf seinem Führungsposten, mit Zugang zu Informationen über die Aktivitäten und die Mitglieder der gesamten Weltbewegung. In den 1960er und 1970er Jahren wurde Hansen zur führenden politischen Figur in der SWP. Er vollzog 1963 den politischen Bruch mit dem Internationalen Komitee und die Wiedervereinigung mit dem prostalinistischen Vereinigten Sekretariat von Michel Pablo. Hansen beaufsichtigte auch die Rekrutierung von Jack Barnes und einer Gruppe von 12 Studenten vom Carleton College, einem ländlichen, privaten College in Minnesota, und half dabei, ihre Karriere in die Führung der Partei zu organisieren.

Die Untersuchung Sicherheit und die Vierten Internationale war ein enormes Unterfangen und ein Meilenstein in der Geschichte der trotzkistischen Bewegung. Das IKVI führte diesen Kampf unter Bedingungen, unter denen die stalinistische Bürokratie und der pablistische Apparat erheblichen Einfluss auf die Arbeiterbewegung ausübten und versuchten, das IKVI zu verleumden und zu isolieren.

Trotz dieser ungünstigen Umstände kämpfte das IKVI darum, die Verbrechen der stalinistischen Bürokratie, die die Ermordung Trotzkis und die Infiltration der trotzkistischen Bewegung orchestrierte, aufzudecken.

Für den heutigen Leser mag es schwierig erscheinen, die Bitterkeit der Anklagen zu verstehen, die gegen das IKVI wegen dieser Untersuchung erhoben wurden. Die Opposition gegen die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale von den verschiedenen pablistischen und stalinistischen Organisationen hatte zwei zentrale Beweggründe. Erstens waren die staatlichen Akteure innerhalb der SWP und die internationalen, pablistischen Organisationen entschlossen, ihre eigene Entlarvung durch die Untersuchung des IKVI zu verhindern. Zweitens und am wichtigsten, die Enthüllung der konterrevolutionären Geschichte und Rolle des Stalinismus durch Sicherheit und die Vierte Internationale kamen der politischen Agenda der Pablisten und ihrer stalinistischen Verbündeten in die Quere.

Aber durch die Veröffentlichung neuer Beweise in den letzten 40 Jahren wurden die Vorwürfe des IKVI zu feststehende Fakten. Noch heute stützen sich viele auf die veröffentlichten Informationen durch Sicherheit und die Vierte Internationale, ohne die Untersuchung selbst oder die Rolle des IKVI anzuerkennen.

Die Lügen zur Verteidigung Hansens und zur Verleumdung der Untersuchung Sicherheit und die Vierten Internationale dauern bis heute an. Die ehemalige Pablistin und Professorin des St. Mary College in Kalifornien, Susan Weissman, nannte die Untersuchung „eine bizarre, sektiererische Hetzkampagne gegen Joseph Hansen“. Als Weissman in einem offenen Brief von David North vom 10. November 2015 aufgefordert wurde, ihre Verleumdungen zurückzuziehen, versteckte sie sich hinter einem Schleier unehrlichen Schweigens.

Für gewissenhafte Historiker sowie Arbeiter und Jugendliche, die in den Kampf mit dem kapitalistischen System geraten, ist die Untersuchung eine unschätzbare Quelle, um den konterrevolutionären Charakter der stalinistischen Bürokratie und die Notwendigkeit des Schutzes der revolutionären Bewegung vor Agenten des Staates zu verstehen. Sicherheit und die Vierten Internationale ist bis heute von großer historischer Bedeutung.

Ende

Anmerkungen:

[73] The Gelfand Case, Bd. 2, S. 651-654.

[74] Der Militant, 15. April 1983.

[75] SWP Sitzungs-Protokoll des Politischen Komitees vom 16. April 1983.

[76] Ebd.

[77] Barnes verteidigt immer noch Sylvia Franklin, S. 10.

[78] Ebd., S. 3.

[79] Ebd., S. 2.

[80] Ebd.

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