Auftakt zur Kandidatenauswahl der US-Demokraten

Erste Debatte der Präsidentschafts-Bewerber: Demagogie bei sozialen Themen, Schweigen zum Krieg

Zwanzig Politiker der US-Demokraten bewerben sich darum, bei den Präsidentschaftswahlen 2020 für ihre Partei zu kandidieren. Am Mittwoch und Donnerstag vergangener Woche fanden TV-Debatten zwischen jeweils zehn Bewerbern statt, die in den gesamten USA ausgestrahlt wurden. Dabei stach eines besonders hervor: Die Behauptungen der Demokraten, es gehe ihnen um das Wohl der arbeitenden Bevölkerung, stehen in schreiendem Gegensatz zur Realität. Denn für die Armut und Unterdrückung in Amerika ist diese militaristische und wirtschaftsfreundliche Partei kein Jota weniger verantwortlich als die Republikaner.

Das vom Sender NBC inszenierte Spektakel war der formelle Auftakt eines Auswahlverfahrens, das vom Großkapital dominiert und von den Mainstreammedien gesteuert wird. Es geht vor allem darum, den wachsenden Widerstand in der Arbeiterklasse einzudämmen und vor den Karren der zweitältesten kapitalistischen Partei der Welt zu spannen. Das geht natürlich nur mit Lügen und Demagogie.

Und so versprachen die rivalisierenden Politiker, die allesamt dem obersten Zehntel der Einkommenspyramide angehören, die gesamte Bevölkerung mit medizinischer Betreuung, Arbeitsplätzen, guten Schulen, kostenloser Hochschulbildung und einer sauberen Umwelt zu versorgen. Natürlich haben sie nicht die geringste Absicht, diese Versprechen umzusetzen.

Niemand – weder die hochbezahlten Moderatoren noch die Kandidaten – erwähnte, dass die Demokraten Trump soeben weitere 4,9 Milliarden Dollar bewilligt haben, damit er Hunderttausende Immigranten und ihre Kinder zusammenzutreiben, verhaften und in dem wachsenden Netzwerk aus Konzentrationslagern auf amerikanischem Boden foltern kann. Tatsachen sind bekanntlich hartnäckig, und diese Tatsache zeigt, dass die Demokraten Komplizen der faschistischen Politik der Trump-Regierung sind.

Am zweiten Abend der Debatte traten die Spitzenkandidaten auf – der ehemalige Vizepräsident Joe Biden und Senator Bernie Sanders. Biden ist seit Langem als reaktionärer Politiker bekannt, u.a. während der Obama-Regierung. Sanders nimmt in dieser Wahl die Rolle wieder auf, die er schon 2016 gespielt hat: Er kanalisiert die wachsende Unterstützung für den Sozialismus hinter eine rechte Partei.

Wie falsch die Behauptungen über ein progressives Potenzial der Demokratischen Partei sind, zeigte die fast einhellige Behauptung der Medien, Kamala Harris sei als Siegerin aus der Debatte hervorgegangen. Die Kandidatur der afro-amerikanischen Senatorin wird gezielt gepusht. Gelobt wurde sie insbesondere für ihre Angriffe auf Biden, der sich gerühmt hatte, dass er im Senat erfolgreich mit Anhängern der Rassentrennung zusammenarbeite und nichts davon halte, Kinder aus schwarzen und weißen Wohnvierteln per Bus zu den gleichen Schulen zu fahren. (Mit dieser Maßnahme soll der faktischen Rassentrennung an Schulen entgegengewirkt werden.)

Harris warf sich am Donnerstagabend in die extrem unglaubwürdige Pose einer Linksradikalen. Sie erklärte sich mehrfach einverstanden mit Bernie Sanders, u.a. hinsichtlich der Abschaffung von privaten Krankenversicherungen zu Gunsten eines staatlichen Gesundheitswesens. Am Freitagmorgen hatte sie ihre Position jedoch wieder geändert, sprach sich für ein Weiterbestehen der privaten Versicherungen aus und erklärte, sie habe die Frage „nicht richtig verstanden“.

Bevor Harris in den Senat gewählt wurde, war sie jahrelang Bezirksstaatsanwältin und Generalstaatsanwältin in der Bay Area, dem wohlhabenden Gebiet um die Bucht von San Francisco. Sie vertrat einen Law-and-Order-Kurs und verteidigte neben mordenden Polizisten auch Banker, die bei Zwangsversteigerungen betrogen hatten, darunter Trumps derzeitigen Finanzminister, Steven Mnuchin. Als Mitglied des Geheimdienstausschusses des Senats attackierte sie Trump besonders erbittert als Marionette des russischen Präsidenten Putin. Bei der Debatte am Donnerstag bestanden ihre Äußerungen zur Außenpolitik hauptsächlich aus Vorwürfen, Trump würde nicht hart genug gegen Putin und den nordkoreanischen Führer Kim Jong-un auftreten.

Harris wird von Teilen der herrschenden Klasse unterstützt, deren Sprachrohr die New York Times ist. Sie streben einen Wahlkampf an, der von Rassen- und Genderpolitik dominiert wird. Auf diese Weise soll die wohlhabende gehobene Mittelklasse mobilisiert und zugleich die breite Masse der Arbeiterklasse gespalten und von ihrer Wut über die soziale Ungleichheit abgelenkt werden.

Viele der Kandidaten blickten positiv auf die Obama-Regierung zurück. In Wirklichkeit fand in diesen acht Jahren die größte Umverteilung von Reichtum von der arbeitenden Bevölkerung zu den Superreichen in der amerikanischen Geschichte statt. Das Tempo wurde gleich zu Anfang mit dem 700 Milliarden Dollar teuren Rettungspaket für die Wall Street vorgegeben, das im Laufe des Jahres 2009 auf zahllose Billionen erhöht wurde. Gleichzeitig wurden die Autokonzerne auf Kosten der Arbeiter gerettet, deren Sozialleistungen massiv gekürzt wurden. Außerdem segnete die Gewerkschaft United Auto Workers eine Lohnsenkung für neu eingestellte Arbeiter um 50 Prozent ab.

Die Obama-Regierung hat mehr Immigranten abgeschoben als jede andere Regierung. Als Ex-Vizepräsident Biden mit dieser Tatsache konfrontiert wurde, beschränkte er seine Antwort auf leere Sympathiebekundungen mit den Opfern von Trumps Verfolgung und wies jeden Vergleich zwischen Trump und Obama zurück.

Senator Michael Bennet griff Biden an, weil dieser sich gerühmt hatte, 2011 bei den Haushaltsverhandlungen im Senat eine Einigung mit dem Führer der Republikaner Mitch McConnell herbeigeführt zu haben. Dieser Deal, so Bennet, sei kein echter Kompromiss gewesen, sondern „ein vollständiger Sieg für die Tea Party“. Die Steuersenkungen der Bush-Regierung seien festgeschrieben und umfangreiche Kürzungen bei den Sozialausgaben eingeführt worden, die bis heute in Kraft sind. Bennet erwähnte jedoch nicht, dass auch er für diesen Haushalt stimmte, der mit großer Mehrheit im Senat verabschiedet wurde.

Wenn man bedenkt, dass die USA laut Präsident Trump im Juni nur zehn Minuten vor einem Großangriff auf den Iran standen, war es bemerkenswert, dass die 20 Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur das Thema Außenpolitik so gut wie gar nicht erwähnten.

Nur wenige Minuten der vier Stunden Sendezeit wurden der Welt außerhalb der USA gewidmet. Dieses Schweigen über den Rest der Welt kann nicht als bloße Provinzialität abgetan werden.

Viele der Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur sind eng in die politischen Entscheidungen oder die militärischen Operationen des US-Imperialismus einbezogen. Zwei der 20 Kandidaten, Tulsi Gabbard und Buttigieg, waren als Offiziere im Irak und Afghanistan stationiert. Biden war acht Jahre lang Vizepräsident und zuvor Vorsitzender des Außenpolitikausschusses des Senats. Fünf weitere Bewerber sind als Senatoren Mitglieder von wichtigen nationalen Sicherheitsausschüssen: Harris und Bennet gehören dem Geheimdienstausschuss des Senats an, Elizabeth Warren und Kirsten Gillibrand dem Militärausschuss, Cory Booker dem Außenpolitikausschuss.

Es ist klar, warum diese Damen und Herren nicht über Außenpolitik reden: Die Demokraten wissen, dass die amerikanische Bevölkerung neue Militärinterventionen entschieden ablehnt. Deshalb versuchen sie, die Vorbereitungen des US-Imperialismus auf neue Kriege – ob regionale Konflikte mit dem Iran, Nordkorea oder Venezuela oder Konflikte mit atomar bewaffneten Rivalen wie China oder Russland – vor der Bevölkerung zu verbergen.

Bei ihren wenigen Äußerungen über außenpolitische Themen schlugen die Kandidaten einen aggressiven Ton an. Vier von zehn erklärten in der Debatte am Mittwoch, die weltweit größte Bedrohung für die USA gehe von China aus; der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio nannte stattdessen Russland. Viele Kandidaten wärmten die Lüge auf, Trump habe die Wahl 2016 wegen der „Einmischung“ Russlands gewonnen, und sprachen sich dafür aus, eine solche Einmischung in die amerikanischen Wahlen zu bekämpfen.

Am ersten Abend erklärte die Abgeordnete Tulsi Gabbard (Hawaii) auf die Frage nach der größten Bedrohung für die weltweite Sicherheit: „Die größte Bedrohung für uns ist die Tatsache, dass die Gefahr eines Atomkriegs heute größer ist als je zuvor in der Geschichte.“ Die Moderatoren und die anderen Kandidaten reagierten auf diese bemerkenswerte Erklärung mit Schweigen, am zweiten Abend wurde das Thema gar nicht mehr erwähnt, auch von Bernie Sanders nicht.

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