Branchenanalyst bezeichnet Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Autofirmen als „Kabuki-Theater“

US-Autoarbeiter fordern vor Beginn der Tarifverhandlungen deutlich bessere Löhnen und Arbeitsbedingungen

In einer Woche beginnen die Verhandlungen über neue Tarifabkommen bei den US-Autokonzernen. Die Arbeiter fordern beträchtliche Lohnerhöhungen, die Abschaffung des zweistufigen Lohn- und Zusatzleistungssystems und weitere Verbesserungen.

Die „Gespräche“ zwischen der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) sowie General Motors, Ford und Fiat Chrysler – die in Wirklichkeit eine gemeinsame Verschwörung gegen die Arbeiter sind – werden am 15. Juli beginnen. Mitte September laufen die alten, auf vier Jahre ausgelegten Tarifabkommen für 155.000 Autoarbeiter aus.

Sheri, die seit acht Jahren im Fiat Chrysler-Fertigungswerk in Jefferson (Detroit) arbeitet, sagte gegenüber dem Autoworker Newsletter der WSWS: „Wir wollen nicht schon wieder von der UAW verraten werden. Wir wollen, dass das Stufensystem abgeschafft wird und dass Teilzeitstellen in Vollzeitstellen umgewandelt werden. Wir wollen, dass die Gewinnbeteiligungsformel fest vereinbart wird, weil wir immer zu kurz kommen. Wir wollen, dass auch die Teilzeitkräfte die Gewinnbeteiligung bekommen, weil sie genau wie die Vollzeitkräfte die Profite erwirtschaften.“

Sheri erläuterte, die Arbeiter würden in jeder Schicht täglich 500 bis 600 Autos vom Typ Jeep Cherokee bauen, von denen einige Modelle ab 45.000 Dollar kosten. „Sie sagen immer: ,Kauft, was ihr baut‘, aber mit unseren Löhnen können wir sie uns nicht leisten. Wir müssen die Anpassung an die Lebenshaltungskosten wieder einführen und richtige Renten für Arbeiter der Stufe 2 statt geringeren 401(k)-Renten.“

Autoarbeiter in Michigan

Rick, ein Arbeiter zweiter Stufe im FCA-Jeep-Fertigungswerk in Toledo, teilt diese Ansicht: „Die Arbeiter wollen das Stufensystem abschaffen, die Renten wieder auf das alte Niveau bringen und die Zusatzzahlungen senken. Die Unternehmen zahlen nicht einmal genug, dass es zum Überleben reicht. Wenn man sich die Dinge, die man baut, leisten und komfortabel leben könnte, wäre das gut, aber dazu müssten die Löhne steigen.“

Er sagt weiter: „Henry Ford war zwar ein Wahnsinniger, aber zumindest hat er 1914 die Löhne auf fünf Dollar pro Tag erhöht. Die Menschen sind ihnen gleichgültig geworden. Das Fahrzeug, das sich ein Arbeiter vielleicht gerade noch leisten kann, ohne sein Haus zu verlieren, ist ein Chevy-Cruze-Pkw. Und GM hat gerade das Werk in Lordstown geschlossen, in dem er produziert wird. Es ist verrückt, aber Henry Ford wirkt heute wie ein Wohltäter.“

Den Autoarbeitern steht ein direkter Konflikt mit der Gewerkschaft UAW bevor. Diese hat den Arbeitern in den letzten vier Jahrzehnten ein Zugeständnis nach dem anderen aufgezwungen, um die Profite der Konzerne zu erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit der Detroiter Autobauer gegen ihre internationalen Rivalen zu verbessern.

Letzten Monat enthüllte die Branchenzeitschrift Automotive News, dass GM und UAW die bevorstehenden Tarifverhandlungen nutzen wollen, um einen Deal auszuhandeln, der ein oder zwei der Werke „retten“ soll, die GM schließen will. Dieser Deal würde u.a. eine deutliche Ausweitung der schlecht bezahlten Leiharbeiter und höhere Eigenbeteiligungen bei der Krankenversicherung beinhalten. Vor zwei Jahren hatte der Finanzvorstand von GM Chuck Stevens gegenüber Analysten der Wall Street erklärt, das Unternehmen wolle 50 Prozent seiner Arbeiten von Leiharbeitskräften erledigen lassen.

Die bevorstehenden Gespräche sind keine ernsthaften Verhandlungen, sondern Strategieberatungen. UAW und die Autokonzerne wollen verabreden, wie sie die unternehmensfreundlichen Abkommen gegen den Widerstand der Arbeiter durchsetzen.

Der Chefredakteur von advancedmanufacturing.com Bill Koenig schrieb am 5. Juli: „Was diesen Monat stattfinden wird, kann man mit Kabuki-Theater vergleichen.“ Zu Beginn des „Rituals“ werden die Gewerkschaftsführer ihren Unternehmer-Kollegen die Hand schütteln, für die Kameras posieren und „so wenig wie möglich sagen“. Doch hinter den Kulissen werden die Gewerkschafts- und Managementkomitees versuchen, ein Tarifabkommen auszuhandeln, das es den Unternehmen ermöglichen wird, „fürs erste so viel Geld wie möglich mit Lastwagen zu machen“. Gleichzeitig werden sie abwarten, ob sie überhaupt Renditen aus Investitionen in elektrische und selbst fahrende Fahrzeuge erzielen können.

Koenig warnt jedoch, die Autoarbeiter könnten diese Inszenierung stören: „UAW-Mitglieder haben gesehen, wie die Autobauer seit den letzten Tarifverhandlungen 2015 die Profite angehäuft haben. Diese Gewerkschaftsmitglieder werden ihren Anteil wollen... Die Verhandlungen werden vielleicht mit Elementen des Kabuki-Theaters beginnen, aber es herrscht immer noch Unsicherheit – für die Gewerkschaft und für die Autobauer.“

Vor zehn Jahren hatte die Obama-Regierung mit UAW-Unterstützung die Insolvenz und Sanierung von GM und Chrysler durchgesetzt und den Arbeitern dabei umfassende Zugeständnisse aufgezwungen. Seither haben die Autokonzerne Rekordprofite gemacht. Zu dieser historischen Verschlechterung der Bedingungen für die Autoarbeiter gehörte u.a. die Halbierung der Löhne für neu eingestellte Arbeiter und die Abschaffung von Überstundenzuschlägen nach acht Stunden sowie weitere Zugeständnisse. Sie dienten als Präzedenzfall für einen Angriff auf alle Teile der Arbeiterklasse.

Die Verbreitung von Teilzeit- und befristeten Arbeitsverhältnissen, die mit der „Gig Economy“ assoziiert werden, und das deutliche Sinken der Reallöhne, das auch unter Trump weiterging, führte zu einem drastischen Anstieg der Unternehmensprofite und der Aktienkurse. Alleine GM hat in den letzten fünf Jahren mehr als 25 Milliarden Dollar für Aktienrückkäufe ausgegeben.

Genau wie im Jahr 2015 begannen die Autobauer das Vertragsjahr mit der Ankündigung von Werksschließungen und Massenentlassungen, um die Forderungen der Autoarbeiter abzuwehren und sie zu weiteren Zugeständnissen zu erpressen. Letzten November schrieb Automotive News, die angekündigte Schließung der Werke in Detroit-Hamtramck, Lordstown (Ohio) und Oshawa (Ontario) ziele darauf ab, die „Erwartungen der UAW-Mitglieder zu dämpfen“ und „das Narrativ zu ändern: Statt mehr Geld zu wollen, sollen die Mitglieder einfach nur Arbeitsplätze und Werke retten wollen.“

Sheri sagt dazu: „Davon lassen wir uns keine Angst machen. Man sieht, dass sie diese Autos und Lastwagen verkaufen und so viel dran verdienen, also glauben wir, dass wir mehr fordern können. Ich bin seit acht Jahren bei Chrysler und habe immer wieder gehört, dass die Umsätze zurückgehen. Damit wollen sie uns Angst machen. Wir haben so viel verloren. Wir sollten nicht das annehmen, was sie uns bieten.

Die UAW wird das Spiel mitspielen, vielleicht mit einem eintägigen Streik, damit wir glauben, wir hätten was erreicht. Aber es wird ein mieser Tarifvertrag werden, auch wenn er schön verpackt wird.

Wir trauen der UAW nicht. Das sind immer noch Betrüger. Nicht nur [die UAW-Vizepräsidenten] General Holifield und Norwood Jewell haben Schmiergelder angenommen. Die Leute sind wütend. Die UAW hat uns den Tarifvertrag 2015 aufgezwungen, und Jewell und die anderen Unterhändler haben gesagt, etwas Besseres konnten sie nicht aushandeln. Darauf fallen wir diesmal nicht rein. Je mehr Bonus sie für die Unterzeichnung bekommen, desto schlechter ist der Tarifvertrag.“

Rick, der Arbeiter von Toledo Jeep, sagt dazu: „Wir werden streiken müssen. Wir werden die Produktion bei den großen Geldkühen lahmlegen müssen, wie der Chevy Corvette und den Pickup-Trucks Silverado und Sierra bei GM. Wenn man die Jeep-Produktion lahmlegt, selbst wenn es nur in Toledo ist, dann legt man Chrysler lahm.

Wir müssen gegen die Gewerkschaft streiken. Die Arbeiter sollten ihre eigenen Forderungen aufstellen, offene Verhandlungen fordern und ein Aktionskomitee wählen, um bei den Tarifverhandlungen für unsere Forderungen zu kämpfen. Wir müssen nicht nur unsere Löhne verbessern, sondern alle Aspekte unseres Arbeitslebens, bis hin zu Urlaub und Sicherheit am Arbeitsplatz. Der Obmann der Gewerkschaft hat vor Kurzem gesagt, die Arbeitsplätze seien sicher, nur zwei Tage später wurde jemand verletzt.“

Mary, eine junge Arbeiterin zweiter Stufe im Ford-Fertigungswerk Dearborn, erklärt: „Ich arbeite mit Teilzeitkräften zusammen, denen der Strom abgestellt wird und die kaum ihre Autos finanzieren können. Die Leute in den Werken sollten sich keine Sorgen darum machen müssen. Die Gewerkschaft kämpft nicht für uns. Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt. Genug ist genug. Wir sollten zusammen für bessere Löhne und Zusatzleistungen kämpfen. Ich habe keine Angst mehr.“

Die wachsende Militanz der amerikanischen Autoarbeiter ist Teil eines globalen Auflebens des Klassenkampfs, das sich u.a. in Streiks der Lehrer in den USA und dem Rest der Welt äußert, in den wilden Streiks der mexikanischen Maquiladora-Arbeiter in Matamoros, Ausständen der Autoarbeiter in Ungarn und anderen osteuropäischen Ländern, den Gelbwesten-Protesten in Frankreich und den Aufständen in Algerien und dem Sudan.

Die Organisation von Widerstand gegen die Verschwörung der UAW und der Autokonzerne erfordert dringend den Aufbau unabhängiger, nicht von der UAW kontrollierter Kampforganisationen, d.h. von Aktionskomitees. Das muss mit dem Kampf zum Aufbau einer Bewegung der ganzen Arbeiterklasse in den USA und weltweit als Teil einer politischen Offensive gegen das kapitalistische Profitsystem verbunden werden.

Der Autoworker Newsletter der WSWS ruft die Arbeiter dazu auf, sich an der Online-Kundgebung am Donnerstag zu beteiligen und den Aufbau von Aktionskomitees zu diskutieren, um der UAW die Leitung der Tarifauseinandersetzung aus der Hand zu nehmen. Sie sollten außerdem einen landesweiten Streik vorbereiten und die amerikanischen Autoarbeiter mit denen in Kanada, Mexiko und auf der ganzen Welt in einem gemeinsamen Kampf vereinen.

Loading