Perspektive

Hinter dem Massaker von El Paso

Rassismus, die Klassenfrage und die Gefahr des Faschismus

In den letzten acht Tagen gab es in den Vereinigten Staaten drei Massenmorde, zwei davon am letzten Wochenende innerhalb von etwas mehr als zwölf Stunden. Anschläge wie in Gilroy (4 Tote, darunter der Schütze, und 15 Verwundete), El Paso (20 Tote und 26 Verwundete) und Dayton (10 Tote, darunter der Schütze, und 16 Verwundete) gehören in den USA mittlerweile zum Alltag.

Die Reaktion der Medien besteht wie üblich aus Klischees. Es wird beschworen, dass nach der Tragödie die gesamte Gesellschaft zusammenrückt, aber eine ernsthafte politische Ursachenforschung sucht man vergebens.

Wo liegen die Ursachen?

Hintergrund der Massaker in Gilroy und El Paso ist Trumps offene Aufstachelung zur Gewalt gegen Einwanderer und ethnische Minderheiten. Zwar hat sich Patrick Crusius, der Schütze von El Paso, in seiner Erklärung nach Kräften bemüht, Trump von jeder Schuld zu entlasten. Dennoch steht außer Frage, dass er und andere faschistisch gesinnte Personen genau wissen, dass sie die Sympathie der Regierung genießen.

Immerhin hat Trump bereits in seinem Wahlkampf 2016 versprochen, dass er für jeden seiner Anhänger, der Gewalt gegen Protestierende anwendet, die Kaution übernehmen werde. Er forderte die Polizei auf, bei der Festnahme von Verdächtigen „nicht zu nett zu sein“, und begnadigte Sheriff Joe Arpaio, nachdem dieser die Geldbuße nicht entrichtet hatte, zu der er im Zusammenhang mit der illegalen Inhaftierung von Einwanderern verurteilt worden war. Erst vor zwei Monaten stellte Trump auf einer Wahlkampfkundgebung die Frage, was mit Asylbewerbern an der Grenze geschehen solle, und grinste breit, als ein Unterstützer rief: „Erschießt sie!“

In den letzten vier Wochen hat der US-Präsident seine Aufstachelung zur Gewalt verstärkt. Wie die WSWS nach seinen Tiraden gegen die Stadt Baltimore als kriminelles, „rattenverseuchtes Höllenloch“, in dem „kein Mensch leben will“, feststellte: „Trump spielt mit dem Feuer, und das weiß er auch. Trump rechnet damit, dass seine unverhohlenen Provokationen ein ohnehin instabiles politisches Umfeld mit einem immensen Gewaltpotenzial verschärfen und Bedingungen schaffen werden, die es ihm ermöglichen, diktatorische Vollmachten zur Aufrechterhaltung von ‚Recht und Ordnung‘ zu nutzen.“

Der Attentäter Crusius beschrieb seine Beweggründe in einem vierseitigen Manifest, das im Internet veröffentlicht wurde. Es beginnt mit einer Lobrede auf den Massenmörder, der Anfang des Jahres im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen in zwei muslimischen Moscheen ermordete. Dann erklärt er in einer Sprache, die sich an unzählige Kundgebungen der Trump-Kampagne anlehnt: „Dieser Angriff ist eine Reaktion auf die hispanische Invasion in Texas. Sie sind die Anstifter, nicht ich. Ich verteidige nur mein Land gegen kulturelle und ethnische Verdrängung, die durch eine Invasion hervorgerufen wurde.“

Trumps Hetze ist jedoch nicht die einzige Ursache. Der Mörder von El Paso verkörpert das Entstehen einer eindeutig faschistischen Tendenz in den Vereinigten Staaten, die virulenten Rassismus und hysterische Ausländerfeindlichkeit mit Klagen über die Missstände des kapitalistischen Systems verbindet.

Der Ausdruck „Verdrängung“ zeigt den faschistischen Charakter des Crusius-Manifests. Die weißen Rassisten, die 2017 in Charlottesville (Virginia) aufmarschierten, riefen: „Juden werden uns nicht verdrängen“ (woraufhin Trump erklärte, dass sich „viele gute Leute“ unter ihnen befänden). Einer ähnlichen Sprache bedienen sich europäische Neonazis. Auch der neuseeländische Schütze Brenton Tarrant berief sich auf eine Verschwörung durch das Großkapital und/oder die Juden, mit der Weiße in Europa und den Vereinigten Staaten durch Einwanderer aus Asien, Afrika und Lateinamerika verdrängt werden sollten.

Crusius prangert in demagogischer Weise soziale Missstände an: Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne, hohe Verschuldung durch Studienkredite und den sinkenden Lebensstandards der Arbeiterklasse. All dies führt er auf eine angebliche Verschwörung des Großkapitals zurück, gut bezahlte amerikanische Arbeiter durch ausländische Niedriglöhner zu ersetzen. Auch dies ist ein typisches Thema des Faschismus, der versucht, die sozialen Spaltungen innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft in nationalistische Kanäle abzulenken.

Dieses Phänomen kann man nur verstehen, wenn man untersucht, welche Rolle die Demokratische Partei bei der Legitimierung rassistischer Politik in Amerika gespielt hat.

Historisch war der Kampf gegen Rassismus immer damit verbunden, die grundfalschen Annahmen seiner Ideologie zu entlarven. Der Begriff der „Rasse“ hat keinerlei wissenschaftliche Grundlage und taugt nicht zur Gesellschaftsanalyse. Er ist ein reaktionäres Konstrukt, dessen Unsinnigkeit auf der Hand liegt: Dutzende Millionen von Kindern und Jugendliche stammen aus „gemischten Ehen“.

Doch die Politiker der Demokratischen Partei und die Pseudolinken, die sich ihnen anbiedern, beharren ebenso wie der Faschist Crusius auf der Fiktion, dass es getrennte „schwarze“ und „weiße“ Rassen gebe. So erklärte Stacey Abrams, der unterlegene Kandidat der Demokraten für das Amt des Gouverneurs von Georgia, der in der Demokratischen Partei zunehmend an Bedeutung gewinnt, dass es „intrinsische rassische Unterschiede“ gebe, und verwahrte sich in einem Beitrag für Foreign Affairs gegen die „Catchall-Kategorie der ‚Arbeiterklasse‘.“

Die New York Times, die unaufhörlich einer auf Rasse und Rassenspaltung basierenden Politik das Wort redet, sprach in ihrem Bericht über die Morde in El Paso von „gekränkten weißen Männern“, die „aus Hass auf Immigranten, Juden und andere, die sie als Bedrohung für die weiße Rasse wahrnehmen, zu Massenmördern werden“. Dabei setzt die Times die Ausdrücke „weiße Männer“ und „weiße Rasse“ nicht in Anführungszeichen. Sie hält diese Kategorien für legitim und verbreitet die Vorstellung, dass Trump mit seinen rassistischen Ausfällen lediglich die Gefühle „weißer Männer“ artikuliere.

Zudem sind die immer häufigeren Amokläufe in den Vereinigten Staaten unverkennbar mit der allgemeinen Atmosphäre von Gewalt und Militarisierung verbunden, die von beiden Parteien seit dreißig Jahren geschürt wird, insbesondere seit Beginn des „Kriegs gegen den Terror“ nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Zum Zeitpunkt des Massakers an der Columbine High School 1999 war Patrick Crusius gerade geboren. Sein ganzes Leben lang begleitete ihn die unaufhörliche Gewalt des amerikanischen Imperialismus gegen die ganze Welt.

Die schockierende Regelmäßigkeit von Massenmorden in Amerika, die immer direkter mit der Politik der extremen Reaktion zusammenfließen, ist Ausdruck eines grundlegenden Zerfalls der Gesellschaft.

Das einzige Gegenmittel gegen Rassismus ist ein politischer Kampf auf der Grundlage der Klassenzugehörigkeit: für die Vereinigung aller Menschen, die durch ihre Arbeit den Reichtum der Gesellschaft schaffen, und gegen die winzige Minderheit kapitalistischer Eigentümer, die sich diesen Reichtum aneignen und die ganze Gesellschaft ihrer unersättlichen Gier unterwerfen. Der Kampf gegen rechtsextreme und faschistische Gewalt kann nicht auf der Grundlage der rassistischen Politik der Demokraten geführt werden, sondern nur auf der Grundlage des Marxismus.

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