Demokraten leiten Prüfung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump ein

Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, kündigte am Dienstagnachmittag den Beginn der formalen Prüfung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump an. Die derzeitigen Ermittlungen von sechs unterschiedlichen Ausschüssen des Repräsentantenhauses werden jetzt an das Büro der Sprecherin weitergeleitet, um festzustellen, ob das Amtsenthebungsgesetz gegen den US-Präsidenten angewandt werden sollte.

Die Entscheidung ist eine deutliche Verschärfung des Konflikts in der amerikanischen herrschenden Elite zwischen zwei rechten Fraktionen: den Demokraten, die mit Teilen des Militär- und Geheimdienstapparats verbündet sind, und der Trump-Regierung, die immer mehr zu personalistischen und diktatorischen Herrschaftsformen greift und faschistische Appelle an Militär, Grenzschutzbehörden und Polizei richtet.

Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verliest am Dienstag, den 24. September 2019, auf dem Capitol Hill in Washington eine Erklärung, in der sie den formalen Beginn der Prüfung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Donald Trump ankündigt. [Quelle: AP Photo/Andrew Harnik]

Unmittelbarer Anlass für die Entscheidung zu einem Amtsenthebungsverfahren ist die Enthüllung, dass Trump die ukrainische Regierung unter Druck gesetzt hat, ein Ermittlungsverfahren gegen die Aktivitäten von Hunter Biden wieder aufzunehmen. Dessen Vater, der ehemalige Vizepräsident Joe Biden, ist der Spitzenkandidat im Vorwahlkampf der Demokraten für die Wahl 2020.

Genau wie bei allen Schritten, die die Demokratische Partei seit Trumps Amtsübernahme gegen ihn unternommen hat, kommt auch diesmal der Anstoß von den Geheimdiensten. Ein noch unbekannter Geheimdienstoffizier hatte am 12. August eine „Whistleblower“-Beschwerde wegen Trumps Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vom 25. Juli sowie anderen noch nicht näher beschriebenen Aktivitäten eingereicht.

Michael Atkinson, ein hochrangiger Bundesanwalt, den Trump zum Generalinspekteur der Geheimdienste ernannt hat, stufte die Whistleblower-Beschwerde als „glaubwürdig“ und „dringlich“ ein. Atkinson versuchte, den Kongress von der Beschwerde in Kenntnis zu setzen, wie es das Gesetz erfordert. Daran hinderte ihn jedoch sein Vorgesetzter, der amtierende Direktor der Nationalen Geheimdienste, Joseph Maguire, der sich mit dem Justizministerium und dem Weißen Haus absprach.

Die Tatsache, dass es die Beschwerde gibt, – nicht aber ihr eigentlicher Text – ist in die Presse gelangt und wurde dem Kongress gemeldet. Es folgte eine ganze Reihe von Medienberichten über Trumps unverhohlenen Versuch, US-Militärhilfe als Druckmittel für die Unterstützung seiner eigenen Wiederwahl zu benutzen. Trump hat die Zahlung von Militärhilfe in Höhe von 391 Millionen Dollar an die Ukraine zurückgehalten, um Selenskyj dazu zu bringen, ein Korruptionsverfahren gegen einen Gasoligarchen wiederaufzunehmen, der Hunter Biden in der Amtszeit seines Vaters als US-Vizepräsident in den Vorstand seines Unternehmens aufgenommen hatte.

Am Sonntag gab Trump zu, dass er in dem Gespräch mit Selenskyj, das er als „perfekt“ bezeichnete, Ermittlungen gegen Biden erwähnt hatte. Am Dienstag erklärte er angesichts des wachsenden politischen Drucks, er werde am Mittwoch die Abschrift des Telefonats vom 25. Juli veröffentlichen. Am gleichen Tag stimmte der von den Republikanern kontrollierte Senat einstimmig dafür, den vollständigen unredigierten Text der Whistleblower-Beschwerde einzufordern. Diese Tatsache verdeutlicht, dass Trumps Rückhalt im Kongress schwindet.

Pelosi gab eine kurze öffentliche Erklärung ab, in der sie den formalen Beginn der Prüfung eines Amtsenthebungsverfahrens ankündigte. Dabei erwähnte sie, dass sie seit 25 Jahren die amerikanischen Geheimdienste verteidigt und ging zurück bis in ihre Zeit im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhaus, bevor sie Fraktionsführerin der Demokraten wurde. Sie erklärte, Trump habe „Verrat“ an seinem Amtseid und seiner verfassungsmäßigen Verantwortung verübt und forderte Maguire auf, den Whistleblower-Bericht bis Donnerstag auszuhändigen, andernfalls verstoße er gegen das Gesetz.

Am Sonntag hatte Pelosi ein Amtsenthebungsverfahren noch hinausgezögert. In einem Brief an alle Mitglieder des Repräsentantenhauses warnte sie, dass Trumps anhaltende Weigerung, vom Kongress angeforderte Dokumente und Zeugen vorzubringen, zu einem „neuen Stadium“ der Untersuchungen des Repräsentantenhauses gegen seine Regierung führen könnte.

Den Ausschlag gab offenbar, dass am Montagabend sieben neugewählte Abgeordnete der Demokraten – allesamt Veteranen des Militär- und Geheimdienstapparats – in einer gemeinsam verfassten Kolumne in der Washington Post ein Amtsenthebungsverfahren forderten.

Sechs dieser sieben Abgeordneten gehören einer Gruppe an, die von der World Socialist Web Site als „CIA-Demokraten“ bezeichnet wurden. Zwei von ihnen, Elissa Slotkin (Michigan) und Abigail Spanberger (Virginia), sind tatsächlich ehemalige CIA-Agenten. Vier weitere sind ehemalige Militärs: Elaine Luria (Virginia), Mikie Sherrill (New Jersey), Chrissy Houlahan (Pennsylvania) und Jason Crow (Colorado).

Die Erklärung bezeichnet die sieben Abgeordneten als „Veteranen des Militärs, der Landesverteidigung und der Geheimdienste“, denen es um die „beispiellosen Vorwürfe gegen Präsident Trump“ geht. Weiter heißt es: „Um unsere Verfassung zu wahren und zu verteidigen, muss der Kongress entscheiden, ob der Präsident tatsächlich gewillt war, seine Macht zu benutzen und Hilfsgelder zurückzuhalten, um ein anderes Land davon zu überzeugen, ihm in der bevorstehenden Wahl zu helfen. Wenn diese Vorwürfe wahr sind, handelt es sich unserer Meinung nach um ein Vergehen, das eine Amtsenthebung rechtfertigt.“

Der ehemalige CIA-Direktor John Brennan, der unter Obama und Bush für Folter und illegale Überwachungen verantwortlich war, schloss sich den sieben an. Am Dienstag zitierte er ihre Erklärung in einem Fernsehinterview und forderte ebenfalls ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump.

Die Zusammenarbeit zwischen Pelosi, Brennan und den CIA-Demokraten vermittelt einen Eindruck davon, welche Kräfte in dem Konflikt innerhalb der herrschenden Elite wirklich am Werk sind und welch dominante Rolle die Geheimdienste im politischen Prozess der USA spielen.

Die Demokraten haben sich für einen Kampf gegen Trump entschieden, weil er angeblich Militärhilfe für seine eigenen politischen Ziele missbraucht und versucht, Kritiker innerhalb des Geheimdienstapparats zum Schweigen zu bringen – nicht wegen seiner unaufhörlichen Angriffe auf demokratische Rechte und seiner Missachtung der Verfassungsprinzipien. Wenn sie diesem Amtsenthebungsverfahren zustimmen, werden sie es nicht tun, weil minderjährige Immigranten von ihren Eltern getrennt werden, weil Trump vom Kongress bereitgestellte Mittel für den Bau seiner Grenzmauer zweckentfremdet oder weil er Rassisten und Faschisten ermutigt.

Die Ereignisse in der Ukraine zeigen sogar, dass zwischen den rivalisierenden Fraktionen der herrschenden Elite beträchtliche Einigkeit herrscht. Beide unterstützen, dass die US-Regierung schwächere Länder unter Druck setzt. Biden war 2016 in die Ukraine geflogen und hatte angedroht, Hilfsgelder in Höhe von einer Milliarde Euro zurückzuhalten, also sogar mehr als die Summe, die Trump zurückhalten wollte. Beide sind für die Bewaffnung der von Faschisten unterstützten Regierung in Kiew gegen ukrainische Arbeiter und gegen Russland, was eine kontinuierliche Linie des US-Imperialismus ist. Beide akzeptieren, dass Verwandte von amerikanischen Staatschefs von den Beziehungen ihrer Familie profitieren, wie Hunter Biden in der Ukraine und China oder Trumps Familie auf der ganzen Welt.

Es gibt zwar beträchtliche Differenzen, doch dabei geht es um Taktik und Ziele der Außenpolitik des US-Imperialismus, nicht um die Frage, ob die USA überall auf der Welt ihr volles Gewicht in die Waagschale werfen sollten. Die Demokraten-nahe Fraktion der amerikanischen herrschenden Elite will die aggressive anti-russische Achse der US-Außenpolitik im Nahen Osten und Osteuropa beibehalten, die in Obamas zweiter Amtszeit festgelegt wurde. Trump konzentriert sich hingegen mehr auf einen Konfrontationskurs gegen China.

Diese Differenzen stehen hinter der anti-russischen Kampagne, die die Demokraten in den ersten zwei Jahren der Trump-Regierung geführt haben. Sie behaupteten, Trumps Sieg in der Präsidentschaftswahl 2016 gehe auf russische „Einmischung“ zurück, oder warfen ihm sogar vor, eine direkte Marionette Moskaus zu sein.

Im Juni hatte Trump einen geplanten Raketenangriff auf den Iran nur zehn Minuten vor Beginn abgesagt. Die New York Times schilderte die Entscheidung später in einem Satz, der die Kriegslust der Times und der Demokraten verdeutlicht: „Obwohl Trump so eifrig mit 280 Zeichen auf Twitter kämpfen kann, hat er sich als hochgradig widerwillig erwiesen, mit echter Munition auf einem echten Schlachtfeld zu kämpfen.“

Es gibt noch ungeklärte Zusammenhänge zwischen den Turbulenzen in der Trump-Regierung und diesen außenpolitischen Konflikten. Der Direktor der Nationalen Geheimdienste, Dan Coats, der einen Krieg gegen Nordkorea und den Iran befürwortet, ist Ende Juli zurückgetreten. Am 10. September hat Trump seinen nationalen Sicherheitsberater John Bolton entlassen, als gerade die Krise um den Ukraine-Whistleblower begann. Bolton war ein erbitterter Befürworter eines Kriegs gegen den Iran und lehnte jedes Nachlassen der US-Unterstützung für das Regime in Kiew ab.

Es ist noch nicht sicher, welche Seite in dem Konflikt innerhalb der herrschenden Elite die Oberhand hat. Doch eines ist absolut klar: Weder die mit der CIA und dem Pentagon verbündeten Demokraten noch die Republikaner, die von Trump in eine ultrarechte und personalistische Partei mit eindeutig faschistoidem Charakter verwandelt werden, stellen eine Alternative für die Arbeiterklasse dar.

Der anhaltende Streik bei General Motors und die zunehmenden Kämpfe in anderen Branchen zeigen die gesellschaftliche Macht der Arbeiterklasse. Diese Stärke muss in einem politischen Kampf mobilisiert werden, um Angriffe auf demokratische Rechte zu beenden, Arbeitsplatzabbau und den Niedergang des Lebensstandards aufzuhalten und imperialistische Kriege zu verhindern. Dies erfordert den Aufbau einer politischen Massenbewegung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms, das unabhängig von beiden Fraktionen der amerikanischen herrschenden Elite und ihrem Zweiparteiensystem agiert und sie bekämpft.

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