Julian Assange ruft Arbeiter auf, sich zu seiner Verteidigung zu organisieren

In einem Brief an eine Unterstützerin in Frankreich hat der WikiLeaks-Gründer Julian Assange Arbeiter aufgerufen, aktiv für seine Freiheit zu kämpfen, u. a. durch die Bildung von „Blocks“ in ihren Gewerkschaften.

Der Appell ist eine wichtige politische Stellungnahme. In früheren Briefen hatte Assange die Notwendigkeit betont, mit öffentlichen Protesten und Kampagnen die in der Arbeiterklasse bestehende Opposition gegen seine drohende Auslieferung an die USA zu mobilisieren. Dort droht ihm wegen der Enthüllung amerikanischer Kriegsverbrechen und undemokratischer diplomatischer Verschwörungen eine lebenslange Haftstrafe.

Assanges Brief, eine Antwort an eine Unterstützerin in Frankreich, wurde am 3. November auf dem Twitter-Account Unity4JFrançais veröffentlicht. Es ist einer der ersten veröffentlichte Briefe Assanges, seit die britischen Behörden ihm vor einigen Monaten rechtswidrig jede Korrespondenz aus dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh untersagten.

Der vollständige Text lautet: „Liebe Anne-Marie – du fragst, was du tun kannst, um für meine Freiheit zu kämpfen? Setze deine strategischen Fähigkeiten, deine Freunde, Ressourcen und Bekannten ein. Wenn du Pflegerin bist, bilde einen Block in der Pflegegewerkschaft, etc! JPA [Julian Paul Assange].“

Assanges Brief an eine französische Unterstützerin, Quelle: Unity4JFrancais (Twitter)

Es fällt auf, dass Assange den Begriff „Block“ verwendet. In der Geschichte bezeichnete dieser Begriff eine organisierte Fraktion, die in einer Gewerkschaft für einen Wechsel der offiziellen Politik kämpft, vor allem durch Kampagnen unter den einfachen Arbeitern. Dazu gehört beispielsweise die Verabschiedung von Anträgen und Forderungen nach politischen Aktionen, Arbeitskampfmaßnahmen und anderen Initiativen, die die Stärke der Arbeiterklasse zum Tragen bringen. Wenn der Gewerkschaftsapparat nicht reagiert, streben „Blocks“ seine Auswechslung oder die Gründung neuer unabhängiger Organisationen an.

Heute weigern sich die Gewerkschaften, etwas zur Verteidigung von Assange zu unternehmen.

Das gilt auch für die Gewerkschaften in Großbritannien, wo Assange von der konservativen Regierung als politischer Gefangener gehalten wird. Es gilt für die Gewerkschaften in den USA, wo die Trump-Regierung und die Demokratische Partei versuchen, ihn für die Enthüllung der Wahrheit lebenslänglich einzusperren oder zum Tode zu verurteilen. Ebenso für die Gewerkschaften in Australien, dem Land, das Assange als Staatsbürger juristischen Schutz schuldet.

In Großbritannien haben die Gewerkschaften keine einzige Widerstandsaktion gegen Assanges Inhaftierung organisiert. Ebenso wenig haben sie die Regierung aufgefordert, seine Auslieferung zu verhindern.

Typisch war eine Aussage bei einem Treffen der National Union of Journalists (NUJ) im Mai. Die Gewerkschaftsfunktionäre inszenierten sich zwar als Verteidiger der Pressefreiheit, verhielten sich gegenüber einer Delegation von Assange-Unterstützern jedoch offen feindselig. NUJ-Generalsekretärin Michelle Stanistreet erklärte in obszöner Weise: „Sich nur auf Assange zu konzentrieren, wäre eine Beleidigung des Andenkens an diejenigen, die überall auf der Welt ermordet wurden.“

Die Gewerkschaften in Großbritannien betreiben im aktuellen Wahlkampf Werbung für die Labour Party, deren Vorsitzender Jeremy Corbyn sich durch hartnäckiges Schweigen zum Komplizen der Verfolgung von Assange macht. Corbyn hat der Forderung des rechten Flügels seiner eigenen Partei nachgegeben, die wenigen bekannten Mitglieder auszuschließen, die sich gegen imperialistischen Krieg und für die Verteidigung des WikiLeaks-Gründers ausgesprochen haben.

In den USA machen die Gewerkschaften Kampagne für die Demokraten, deren führende Vertreter an der Spitze der beispiellosen Verfolgung von Assange stehen.

Der australische Dachverband Council of Trade Unions, der angeblich Millionen von Arbeitern repräsentiert, hat seit Assanges Verhaftung am 11. April keine einzige Erklärung zu seiner Verteidigung veröffentlicht. Die Media, Entertainment and Arts Alliance, die auch für Journalisten zuständig ist, hat ihr jahrelanges Schweigen über Assanges Schicksal gebrochen, um eine Handvoll Alibi-Erklärungen und -Veranstaltungen zu organisieren. Sie weigert sich jedoch, zu Aktionen für seine Verteidigung aufzurufen.

Die australischen Gewerkschaften sind vollständig in die Labor Party integriert, die seit 2010 in mehreren aufeinanderfolgenden Regierungen mit den USA gegen Assange zusammenarbeitet. Sie unterstützt außerdem uneingeschränkt das Militärbündnis Australiens mit den USA.

Diese niederträchtige Rolle der Gewerkschaften weltweit ist kein Zufall, sondern ergibt sich aus ihrer Funktion als politische und betriebliche Polizei der Konzerne und Regierungen gegen die Arbeiter.

Die Gewerkschaften sind alles andere als Arbeitervertreter. Als Reaktion auf die Globalisierung der Produktion haben sie ihr nationalistisches und prokapitalistisches Programm konsequent zu Ende geführt. Sie haben ihre frühere Reformpolitik aufgegeben und verteidigen nun um jeden Preis die „internationale Wettbewerbsfähigkeit“ ihrer „eigenen“ Konzerne. In den letzten vier Jahrzehnten haben die Gewerkschaften auf der ganzen Welt dazu beigetragen, einen Angriff nach dem anderen auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen durchzusetzen und demokratische Rechte auszuhöhlen.

Diese wirtschaftsfreundliche Agenda stößt jetzt auf massiven Widerstand.

Assanges Appell an die Arbeiter trifft mit dem erneuten Erstarken der internationalen Arbeiterklasse zusammen. Überall auf der Welt kommt es – oft außerhalb und gegen den Widerstand der alten Arbeiterparteien und Gewerkschaftsorganisationen – zu explosiven Streiks und politischen Demonstrationen. In den USA und Großbritannien brechen Streiks in einem Ausmaß aus wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Der Ausbruch des Klassenkampfs wird angetrieben von einer immensen Ablehnung der sozialen Ungleichheit und der autoritären Methoden, mit denen die Regierungen weltweit ihre Kürzungs- und Kriegspläne betreiben.

Es gibt einen tief gehenden Zusammenhang zwischen der Verfolgung von Assange und den Versuchen der Regierung, die entstehende globale Bewegung der Arbeiterklasse zu unterdrücken. Die Verfolgung Assanges unter Führung der USA war von Anfang an darauf ausgerichtet, jeden einzuschüchtern, der die Kriminalität von Regierungen und der Wirtschaft entlarvt. Gleichzeitig soll ein Präzedenzfall für die Unterdrückung unabhängiger Medien geschaffen werden, die die Wahrheit berichten.

Deshalb ist der Kampf für Assanges Freiheit untrennbar mit dem Kampf für alle sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse gegen den immer schärferen Kriegskurs verbunden.

Die WSWS ruft dazu auf, Assanges Appell aufzugreifen. Bildet „Blocks“ oder unabhängige Aktionskomitees in Fabriken und Unternehmen, die Resolutionen einbringen und Aktionen koordinieren, um die sofortige und bedingungslose Freilassung von Assange, Chelsea Manning und allen anderen zu Unrecht inhaftierten Journalisten und Whistleblowern zu fordern! In den USA, Großbritannien und Australien sind Streiks und politische Demonstrationen notwendig, um die Regierungen dieser Länder zu zwingen, ihren skandalösen Rachefeldzug gegen Assange zu beenden und alle Anklagen gegen ihn einzustellen.

Die WSWS und die Parteien des Internationalen Komitees der Vierten Internationale werden Assanges Botschaft weltweit in die Betriebe tragen. Wir rufen alle Verteidiger Assanges und demokratischer Rechte auf, das Gleiche zu tun.

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