Ehemaliger US-Außenminister Kissinger warnt vor „katastrophalem“ Konflikt zwischen den USA und China

Der ehemalige US-Außenminister und Nationale Sicherheitsberater Henry Kissinger hat letzten Donnerstag vor einem unausweichlichen „Konflikt“ zwischen den USA und China mit potenziell „katastrophalen“ Folgen gewarnt.

Bei einer Rede vor dem National Committee on US-China Relations in New York erklärte er, die „Zukunft der Welt“ hänge von der Beziehung zwischen China und den USA ab.

US-Präsident Donald Trump (rechts) und Chinas Präsident Xi Jinping bei einer Empfangszeremonie in der Großen Halle des Volkes in Peking [Quelle: AP Photo/Andy Wong]

Kissinger: „Zweifellos sind viele Aspekte der Entwicklung Chinas eine Herausforderung für die USA. ... Beide Länder müssen jedoch verstehen, dass es bei einem dauerhaften Konflikt zwischen ihnen keinen Sieger geben wird. Ein dauerhafter Konflikt wird katastrophale Folgen haben.“

Er erklärte, wenn sich die beiden Seiten nicht auf eine Lösung einigen, werde daraus ein Konflikt entstehen, der „schlimmer sein wird als die Weltkriege, die die europäische Zivilisation zerstört haben“.

Und weiter: „Es ist nicht mehr denkbar, dass eine Seite die andere dominieren kann. Sie müssen sich an die Tatsache gewöhnen, dass zwischen ihnen eine derartige Rivalität besteht.“

Kissinger äußerte seine „Zuversicht“, dass führende Politiker beider Seiten die Problematik erkennen werden. Er weiß jedoch, dass die Erfahrungen aus der Geschichte eine andere Sprache sprechen.

Kissinger Warnung kommt kurz nach einer Asien-Rundreise des US-Generalstabschefs Mark Milley. Milley hatte die Region angesichts der zunehmenden „Großmachtkonflikte“ zwischen den USA und China zur obersten Priorität des US-Militärs erklärt.

In seinem Buch On China von 2012 erwähnt Kissinger ein Memorandum aus dem Jahr 1907 von Eyre Crowe, einem Beamten des britischen Außenministeriums, der die Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland untersuchen sollte.

Crowe kam zu dem Schluss, dass Deutschlands wirtschaftlicher Aufstieg Konflikte unausweichlich mache, unabhängig von den Absichten der Herrschenden. Der Krieg brach nur sieben Jahre nach der Veröffentlichung des Memorandums aus, betont Kissinger.

Diese Erfahrung dient Kissinger in seinem Buch als Warnung, dass sich die Beziehungen zwischen den USA und China in die gleiche Richtung entwickeln und zum gleichen Ergebnis führen können. Seit Erscheinen des Buches haben sich die Spannungen ständig verschärft. Schon unter der Obama-Regierung hat sich im Militär- und Geheimdienstapparat und im politischen Establishment die Ansicht durchgesetzt, dass der Aufstieg Chinas eine existenzielle Gefahr für die wirtschaftliche und militärische Hegemonie der USA darstellt.

Die zunehmende militärische Aggressivität der Trump-Regierung und ihr eskalierender Handelskrieg gegenüber Peking ist Ausdruck von Kräften tief aus dem Innern des amerikanischen Staates.

Kissinger repräsentiert eine Tendenz, die es am besten für die Interessen der US-Außenpolitik hält, sich mit China zu arrangieren. Diese Politik geht zurück auf die 1970er Jahre und die damalige amerikanisch-chinesischen Zusammenarbeit gegen die Sowjetunion.

Nach dem Tiananmen-Massaker 1989 und der rücksichtslosen Wiedereinführung des Kapitalismus bei gleichzeitiger Unterdrückung der Arbeiterklasse durch das chinesische Regime in den 1990ern wurde diese Politik fortgesetzt und vertieft. Die Verfügbarkeit der billigen Arbeitskräfte in China war dabei eine Basis für riesige Profite, die der amerikanische Kapitalismus realisieren konnte.

So wurde unter der Clinton-Regierung Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation empfohlen, der unter George W. Bush im Jahr 2001 vollzogen wurde. Dem zugrunde lag die Annahme, dass die Ausweitung des „freien marktwirtschaftlichen“ Kapitalismus in China und die Einbindung des Landes in den kapitalistischen Weltmarkt, der von den USA dominiert wird, ein chinesisches Regime hervorbringen würde, das sich bereitwillig den Interessen der USA unterwirft.

Doch in den letzten Jahren, vor allem seit dem Aufstieg Xi Jinpings in die Führung des chinesischen Staates, hat sich die strategische Orientierung der USA grundlegend geändert.

An die Stelle des „Engagements“ trat die „Große Konfrontation mit China“, wie es das Wall Street Journal Anfang November in der Überschrift eines Artikels formulierte.

Der Artikel schildert den Kurswechsel der US-Politik: „Es gab lange Zeit die Hoffnung, dass sich der chinesische Parteistaat zu einem ,verantwortungsbewussten Akteur‘ im internationalen System entwickelt, wie es der damalige stellvertretende Außenminister Robert Zoellick 2005 formulierte.“

Mit anderen Worten, der chinesische Kapitalismus sollte die US-Konzerne durch die billigen Arbeitskräfte für Produktion und Fertigung von Verbrauchs- und Elektrogütern weiterhin bei der Profitmaximierung unterstützen, ohne sich jedoch zu einer Gefahr für die amerikanische Vormachtstellung im Hightech-Bereich zu entwickeln.

Doch die Entwicklung des Programms „Made in China 2025“ unter Xi zielte darauf ab, durch die Weiterentwicklung von Zukunftstechnologien die Stellung der chinesischen Wirtschaft in der Wertschöpfungskette zu erhöhen. Dies hat zu einem grundlegenden Kurswechsel in der strategischen Orientierung der USA geführt, weil eine solche Entwicklung als existenzielle Gefahr für die amerikanische „nationale Sicherheit“ gilt, d.h. für ihre wirtschaftliche und militärische Dominanz. Deshalb muss sie mit allen Mitteln verhindert werden: mit Handelskriegen, Blockaden von chinesischen Technologiekonzernen wie Huawei und notfalls auch mit militärischen Mitteln.

Das Wall Street Journal zitierte in seinem Artikel über die „Große Konfrontation“ US-Außenminister Mike Pompeo, der die neue Orientierung der USA skizzierte. Diese Ausrichtung wird von allen Sektionen des politischen Establishments unterstützt – die Demokraten verhalten sich China gegenüber sogar noch aggressiver als Trump.

Pompeo erklärte Anfang November bei einem Auftritt im Hudson Institute: „Es ist nicht mehr realistisch, die fundamentalen Unterschiede zwischen unseren beiden Systemen und die Folgen zu ignorieren, die diese Systeme auf die nationale Sicherheit Amerikas haben.“ Weiter sagte er, die chinesische Führung gehöre zu einem System, „das sich auf Kampf und internationale Dominanz konzentriert“.

Kissingers Äußerungen und Warnung verdeutlichen die enorme Kriegsgefahr. Doch seine „Hoffnung“, diese Bedrohung könne abgewendet werden, indem man auf die Gefahren für die Menschheit durch einen solchen Konflikt hinweist, ist unbegründet. Weder die Zerstörungen des Ersten noch des Zweiten Weltkrieges haben die imperialistischen Mächte dazu gebracht, den Rückzug anzutreten. Stattdessen sind sie noch weiter gegangen: Die USA warfen am Ende des Zweiten Weltkriegs zwei Atombomben ab.

Seine Forderung, die Konkurrenz und Rivalität zu akzeptieren und damit der wachsenden Kriegsgefahr zu begegnen, ist ebenso bedeutungslos. Ausgehend von den Erfahrungen von drei Jahrzehnten globalisierter Produktion dominiert in den herrschenden Kreisen der USA die Auffassung, dass die Position des amerikanischen Imperialismus durch eine solche Konkurrenz umso mehr geschwächt wird, je länger sie andauert. Deshalb gilt es als notwendig, lieber früher als später zu handeln.

Kein Appell an die „Vernunft“ der herrschenden Klassen kann die Grundtendenz Richtung Krieg aufhalten, da diese sich aus den objektiven Widersprüchen des kapitalistischen Profit- und Nationalstaatensystems ergibt. Taktische Kurswechsel und Manöver ändern daran nichts.

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