Erneuter Stellenabbau bei Osram

Über tausend Osram-Beschäftigte protestierten am vergangenen Montag in München und Berlin gegen den geplanten Abbau von 800 Arbeitsplätzen an verschiedenen Osram-Standorten in Deutschland. In Berlin sollen 200 der 700 Arbeitsstellen entfallen, im baden-württembergischen Herbrechtingen 260 Stammbeschäftigte und 55 Zeitarbeiter und in München knapp 300 Arbeitsplätze.

Kundgebung der Osram-Belegschaft in Berlin

Obwohl der Vorstand des Unternehmens diese Zahl nicht bestätigen wollte, kann man davon ausgehen, dass die 800 betroffenen Stellen nur das Vorspiel einer massiven Umstrukturierung des Unternehmens und der beabsichtigten Fusion mit dem Hersteller AMS AG aus Premstätten bei Graz bedeuten.

Seit mehreren Monaten findet um die Übernahme der Osram Licht AG, einem international führenden Hersteller von Lichtquellen verschiedener Technologie, Sensorik und Steuerungssystemen, ein Bieterwettkampf statt. Das Geschäftsjahr 2018/19 war für den Konzern mit Verlusten in Höhe von über 400 Millionen Euro verbunden. Damit wurde Osram zum Spekulationsobjekt und Übernahmekandidaten von Finanzinvestoren und Industriekonkurrenten.

Nachdem zunächst amerikanische Investoren, Bain Capital und Carlyle, 35 Euro je Aktie boten, trat AMS mit einem Angebot von 38,50 Euro in den Wettstreit ein. Als sich Bain Capital danach mit der Kapitalbeteiligungsgesellschaft Advent International zu einem neuen Angebot zusammenschloss, erhöhte die AMS ihr Angebot auf 41 Euro und erwarb in der Zwischenzeit an der Börse bereits knapp 20 Prozent der Osram-Aktien. Danach zogen sich die amerikanischen Bieter aus dem Wettstreit zurück.

Während die Industriegewerkschaft Metall keine Bedenken gegen die Gebote der amerikanischen Finanzinvestoren anmeldete, erhob sie lauten Protest gegen die Angebote des Industriekonkurrenten AMS. Das ist bezeichnend, denn ein Kooperationsabkommen, das der Osram-Vorstand mit der AMS vereinbarte, nachdem diese 20 Prozent der Osram-Aktien erreicht hatte, trübt die Aussichten der Gewerkschaft auf die lukrativen Aufsichtsratsposten eines vereinigten Konzerns.

Im Kooperationsabkommen verspricht die AMS die Erweiterung ihres Aufsichtsrats um jeweils zwei Vertreter der Kapitalseite und nur einen Vertreter der Arbeitnehmerseite. Entsprechend Mitbestimmungsgesetz setzt sich der Aufsichtsrat bei einer AG mit über 2000 Beschäftigten aus gleich vielen Anteilseignern und Arbeitnehmern, davon mindestens zwei Gewerkschaftsvertretern, zusammen. Bei der Osram Licht AG sind es sechs Arbeitnehmervertreter. Das ist nicht der Fall in Österreich, wo der AMS-Aufsichtsrat nur zu einem Drittel aus Arbeitnehmern besteht.

Der IG Metall geht es nicht um die Arbeitsplätze, sondern um die Aufsichtsratsposten. Schon in der Vergangenheit stimmten Gewerkschaft und Betriebsrat massivem Arbeitsplatzabbau zu. Aber die lukrativen Aufsichtsratsposten, die mit etwa 100.000 Euro Jahresgehalt dotiert werden, sollen unbedingt erhalten bleiben.

IGM-Vorstandsmitglied Klaus Abel, der auch stellvertretender Vorsitzender des Osram-Aufsichtsrats ist, schickte mehrere Briefe an einen Hauptaktionär der AMS, den Staatsfonds Temasek aus Singapur, und bat darin, von einer Übernahme Osrams abzusehen – allerdings ohne Erfolg. Auch eine Klage des Osram-Konzernbetriebsrats beim Oberlandesgericht Frankfurt gegen die staatliche Bankenaufsicht BaFin, die das wiederholte Übernahmeangebot der AMS genehmigt hatte, wurde abgewiesen.

Die geplante Übernahme – egal, ob sie durch amerikanische Finanzinvestoren oder den Konkurrenten aus Österreich geschieht – wird die Zerschlagung des Osram-Konzerns beschleunigen und ist mit einem massiven Arbeitsplatzabbau verbunden. Das Journal Digital Pioneers schreibt: „In der Tat ähneln sich Teile des Geschäfts von AMS und Osram so deutlich, dass ein Personalabbau geradezu zwangsläufig erscheint.“

Die Ziele von AMS decken sich mit denen der Kapitaleigner von Osram. Es geht darum, wie AMS-Chef Alexander Everke sagte, durch die Fusion von AMS und Osram einen „europäischen Champion“ zu schaffen, einen weltweit führenden Anbieter von Sensoriklösungen und Photonik, nachdem bereits große Bereiche der Mikroelektronik und Bionik nach Asien abgewandert sind. Dadurch würde AMS weniger von seinem jetzigen Großkunden Apple abhängig sein. Everke hatte vor seinem Eintritt bei AMS Karriere bei Siemens und Infineon gemacht.

Der Zusammenschluss soll jährliche Kosteneinsparungen von 240 Millionen Euro bringen. Vorher würden 400 Millionen Euro an Integrationskosten auflaufen. AMS ist an einem „Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag interessiert“, kommentiert das Handelsblatt das Übernahmeangebot.

Dies ist nur ein Beispiel für die Form, in der sich der internationale Handels- und Wirtschaftskrieg abspielt. Siemens-Chef Joe Kaeser sprach kürzlich von einem „Merger Endgame“, bei dem Konzerne sich in den nächsten Jahren zu Weltmarktführern entwickeln oder abdanken müssen. In allen Branchen hört man das gleiche Lied.

In dieser Situation spielen die Gewerkschaften und ihre Betriebsfunktionäre eine Schlüsselrolle, um den Stellenabbau durchzusetzen und jeden ernsthaften Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu unterdrücken. Ihr schamloses Doppelspiel ist mittlerweile gut bekannt. Der Belegschaft und der Öffentlichkeit gegenüber geben sie sich überrascht und empört und organisieren einige medienwirksame Proteste, um Dampf abzulassen. In Wirklichkeit sind sie über ihre Aufsichtsratsmitglieder seit geraumer Zeit bestens informiert und unterstützen die Konzernleitung im internationalen Wettbewerb.

Bei Osram schürt der Betriebsrat gegenüber der Belegschaft seit Jahren die Hoffnung auf gesicherte „Zukunftsperspektiven“, wenn sie „Kompromisse“ akzeptiere. Gerade das rückläufige Geschäft mit traditionellen Lampen wurde immer wieder zum Anlass genommen, um die Belegschaften zu reduzieren, immer unter Federführung der IG Metall und ihrer Betriebsräte, die als Co-Manager agieren.

Gesamtbetriebsratsvorsitzender Thomas Wetzel

Gegenüber der World Socialist Web Site bestätigte der Vorsitzende des Osram-Gesamtbetriebsrats, Thomas Wetzel, der auch im Aufsichtsrat sitzt, dass der Betriebsrat einem Sozial- und Arbeitsplatzabbau nach dem anderen zugestimmt hat. Wetzel wörtlich: „Es ist ja wirklich so, dass wir als Arbeitnehmervertretung die größten Erfolge an der Kleinheit der Niederlage messen.“

Vor sechs Jahren trennte sich das Unternehmen vom Lichtgeschäft, das seither als Osram Licht AG firmiert. Zwei Jahre später wurde auch die herkömmliche Glühbirnenproduktion von Osram abgespalten und an einen chinesischen Hersteller unter dem neuen Namen Ledvance verkauft. Diese Umstrukturierungen waren mit ständigem Stellenabbau verbunden, der von IG Metall und Betriebsrat immer wieder mit dem Hinweis akzeptiert wurde, dass durch einen „sozialverträglichen Abbau“ betriebsbedingte Kündigungen verhindert würden.

Auf der Protestkundgebung in Berlin listete Betriebsrat Wetzel die Streichungen auf: „Software Entwicklungszentrum – der Standort am Potsdamer Platz wird definitiv geschlossen; Lasertechnologie – Osram Continental stellt die Weiterentwicklung der Lasertechnologie ein und der Standort Osram Continental in Berlin wird geschlossen; STI [Smart Textile Illumination] – Textile Beleuchtung wurde bereits eingestellt. Die Produktion geht ins Ausland.“

Das ist eine Bankrotterklärung. Die regionale und nationale Standortpolitik der Gewerkschaft und ihre Zustimmung zu jedem neuen Sparpaket mussten die Belegschaften mit tausenden von verlorenen Arbeitsplätzen bezahlen. Alleine in den letzten zwölf Monaten wurde die Osram-Belegschaft weltweit um 2340 auf 23.500 Mitarbeiter geschrumpft, also fast um 10 Prozent.

Es ist notwendig, dieser Politik des systematischen Ausverkaufs entgegenzutreten. Osram-Arbeiter an allen Standorten und in allen Ländern müssen sich eine neue Kampfstrategie zu eigen machen. Alle bisherigen Erfahrungen zeigen: Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen können nur gegen den Betriebsrat und die IG Metall verteidigt werden.

Dazu müssen sich die Belegschaften von Osram unabhängig organisieren. Es ist notwendig Aktionskomitees zu gründen, um gegen die verlogene Politik der IG Metall und ihre enge Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung zu kämpfen. Diese Komitees müssen sich untereinander vernetzen und Kontakt zu anderen Betrieben aufnehmen, um sich mit anderen Arbeitern über alle Grenzen hinweg vereinen und für ein internationales sozialistisches Programm zu kämpfen.

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