Weiterer Kahlschlag bei Opel

Der Autobauer Opel wird erneut tausende Arbeitsplätze abbauen. Das teilten Personalchef Ralph Wangemann und Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug der Belegschaft des Stammwerks Rüsselsheim am gestrigen Dienstag auf einer Betriebsversammlung mit.

Bis Ende 2021 will der Konzern in Deutschland 2100 zusätzliche Stellen streichen. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Der Vorstand hat sich von Betriebsrat und IG Metall grünes Licht geben lassen, bis Ende des Jahrzehnts weitere 2000 Arbeitsplätze zu vernichten. Von den 19.000 Beschäftigten, die 2017 bei der Übernahme durch den PSA-Konzern in deutschen Opel-Werken arbeiteten, wären dann gerade noch 8100 übrig.

Hinzu kommen tausende Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie, für die es keinen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen gibt. So hat der Logistikdienstleister Rhenus SCR, der vor zwei Jahren in Rüsselsheim noch 700 Mitarbeiter beschäftigte, die Schließung und die Entlassung der verbliebenen 95 angekündigt. Opel hat den Vertrag mit dem Unternehmen gekündigt und will die Arbeit durch die eigene Belegschaft verrichten lassen.

Auch die Lear Corporation, die für Opel Sitze produziert, will ihr Werk in Ginsheim-Gustavsburg schließen, nachdem sie die Beschäftigtenzahl bereits von 400 auf 250 reduziert hat.

Wie in der Auto- und Metallindustrie seit langem üblich, haben die sogenannten „Arbeitnehmervertreter“ die Entlassungspläne mit ausgearbeitet und unterzeichnet, bevor die Belegschaft darüber informiert wurde. Sie sehen ihre wichtigste Aufgabe darin, jede Gegenwehr zu unterbinden und den Kahlschlag reibungslos über die Bühne zu bringen.

Die Vereinbarung sei zwar schmerzhaft, aber die „bestmögliche Lösung“, zitiert das Handelsblatt Stimmen aus „Gewerkschaftskreisen“: „Opel-Chef Lohscheller sei wild entschlossen, den Personalstand weiter zu dezimieren. Das könne man leider nicht gänzlich verhindern.“

Wie in solchen Fällen üblich, behaupten die gut bezahlten Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre, dass der Stellenabbau „sozialverträglich“ erfolge. Das Unternehmen habe sich verpflichtet, bis 2025 auf „betriebsbedingte Kündigungen“ zu verzichten.

In der Praxis bedeutet dies, dass als erstes die Leiharbeiter gefeuert und dann die älteren Arbeiter über Altersteilzeit, Vorruhestand und Abfindungen aus dem Betrieb gedrängt werden. Das soll nun schon für Jahrgänge bis 1963, also ab einem Alter von 57 Jahren möglich sein. Für die Betroffenen hat dies eine niedrige Rente und ein Alter in Armut zur Folge, während die Arbeitsplätze für immer weg sind – mit verheerenden Auswirkungen für die entsprechenden Regionen.

Macht Opel von der vereinbarten Möglichkeit Gebrauch, mehr als 2100 Arbeitsplätze abzubauen, verlängert sich der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen schrittweise bis 2029. Diese Vereinbarung ist ebenso absurd wie zynisch: Je mehr Arbeiter ihren Job verlieren, desto länger gilt der angebliche Kündigungsschutz!

Der neuerliche Kahlschlag erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem Opel wieder steigende Gewinne schreibt: 859 Millionen Euro im Jahr 2018 und 700 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2019.

Als PSA vor zweieinhalb Jahren Opel übernahm, hatte PSA-Chef Carlos Tavares das Ziel einer Umsatzrendite von sechs Prozent bis 2026 ausgegeben. Dank den Diensten von Betriebsrat und IG Metall erreicht er nun dieses Ziel bereits wesentlich früher. Obwohl die Absatzzahlen deutlich gesunken sind, hat der Abbau von bisher 6800 Arbeitsplätzen zu einer derartigen Steigerung der Arbeitshetze geführt, dass der Konzern wieder hohen Profit abwirft.

Dabei steht das Schlimmste erst bevor. „Mit dem neuerlichen Stellenabbau,“ schreibt das Handelsblatt, „reagiert Opel-Chef Lohscheller einerseits auf die Unterauslastung in seinen Werken und den Branchenumschwung hin zu Elektromobilität. Andererseits agiert er gewissermaßen in vorauseilendem Gehorsam auf die Fusion des Mutterkonzerns PSA mit dem italienisch-amerikanischen Rivalen Fiat Chrysler (FCA).“

Als Folge dieser Fusion zu einem Koloss mit 16 Marken und einem Jahresumsatz von 170 Milliarden Euro „dürften Tausende Stellen wackeln“, prophezeit das Handelsblatt. Das gelte nicht nur für die Produktion, sondern auch für die Forschungsabteilungen. FCA verfüge derzeit über 18.000 Entwickler, PSA über 19.000, 4000 davon in Rüsselsheim, dem größten Entwicklungszentrum von PSA. „Experten halten mindestens ein Drittel dieser Stellen für obsolet.“

Die Übernahme von Opel durch PSA und die bevorstehende Fusion mit Fiat Chrysler sind Teil eines globalen Konzentrationsprozesses, dem weltweit hunderttausende Arbeitsplätze zum Opfer fallen – in Frankreich, Italien und Spanien ebenso wie in Deutschland, den USA und zahlreichen anderen Ländern. Während die Gewinne, die Aktienkurse und die Gehälter der Manager in astronomische Höhen steigen, werden die Arbeiter immer brutaler ausgebeutet.

Sie sind dabei nicht nur mit den global operierenden Autokonzernen und ihren milliardenschweren Aktionären konfrontiert, sondern auch mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten, die die Angriffe unterstützen und die Arbeiter spalten, indem sie einen Standort gegen den anderen ausspielen. Ohne mit diesen gekauften Apparaten zu brechen, kann kein einziger Arbeitsplatz verteidigt werden.

Die Verteidigung der Arbeitsplätze, Löhne und sozialen Rechte erfordert eine internationale Strategie und ein sozialistisches Programm. Die Entwicklung in der Autoindustrie zeige „den Irrsinn des kapitalistischen Systems, in dem jeder technische Fortschritt dazu dient, die Ausbeutung der Arbeiterklasse zu steigern, die Taschen einer kleinen Minderheit zu füllen und Hunderttausende ins Elend zu stürzen,“ schrieben wir vor zwei Monaten, als Audi den Abbau von 9500 Arbeitsplätzen bekannt gab. „Sie ist ein schlagendes Argument dafür, die Autoindustrie in gesellschaftliches Eigentum zu überführen, unter Arbeiterkontrolle zu stellen und rational zu planen.“

Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei rufen zur Gründung unabhängiger Aktionskomitees auf, die von einfachen Arbeitern organisiert und geleitet werden. Im Gegensatz zu den pro-kapitalistischen Gewerkschaften gehen solche Aktionskomitees von den Rechten und Bedürfnissen der Arbeiterklasse aus, die nicht mit den Interessen der Kapitalisten vereinbar sind. Sie stützen sich auf den Grundsatz des Internationalismus und der Einheit der Arbeiterklasse, die auf der ganzen Welt denselben Konzernen und Finanzinteressen gegenübersteht. Sie haben die Aufgabe, den Widerstand gegen die Angriffe der Unternehmen zu organisieren und Kontakte zu anderen Aktionskomitees auf der ganzen Welt aufzubauen.

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