Rede in Georgia: Trump droht, Wahlergebnis zu annullieren

US-Präsident Donald Trump drohte in einer Rede in Georgia am Dienstag erneut damit, das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen 2020 zu kippen. „Sie werden dieses Weiße Haus nicht einnehmen, wir werden wie die Hölle kämpfen“, erklärte er.

Trump lehnte es ausdrücklich ab, Joe Biden als Sieger der Wahl anzuerkennen und erklärte, das Veto des Präsidenten sei die „letzte Verteidigungslinie“ gegen „Linkssozialisten, Kommunisten und Marxisten“. Er forderte, dass US-Vizepräsident Mike Pence eingreift, um die Beglaubigung der Abstimmung zu stoppen. „Ich hoffe, dass unser großartiger Vizepräsident sich für uns einsetzt.“

Am heutigen Mittwoch werden erneut Trump-Anhänger, viele von ihnen bewaffnet, nach Washington ziehen, um gegen die Bestätigung des Wahlergebnisses zu protestieren.

Muriel Bowser, Washingtons demokratische Bürgermeisterin, beantragte in dieser Woche den Einsatz der Nationalgarde.

Die Financial Times kommentierte diese Entwicklungen mit den Worten:

Einige Persönlichkeiten im Verteidigungsestablishment befürchten, dass Mr. Trump die Gewalt bei den Protesten in dieser Woche als Vorwand nutzen wird, um sich auf das Aufstandsgesetz zu berufen, wie er es in der Vergangenheit vorgeschlagen hat. Dies würde ihm erlauben, dem Militär zu befehlen, jegliche Unruhen zu unterdrücken. Diese Bedenken veranlassten alle zehn noch lebenden ehemaligen US-Verteidigungsminister - einschließlich der Republikaner Dick Cheney und Donald Rumsfeld - davor zu warnen, das Militär zur Lösung von Wahlkonflikten heranzuziehen.

Am Samstag hatte Trump ein stundenlanges Telefongespräch mit Wahlbeamten in Georgia geführt, in dem er versuchte, sie einzuschüchtern und zu bedrohen, um Joe Bidens Wahlsieg in dem Bundesstaat zu kippen. Auf die Enthüllung des Gesprächs haben der designierte Präsident Biden und die Führer der Demokratischen Partei im Kongress mit feigem und doppelzüngigem Schweigen reagiert. Auch über die Warnungen vor einer möglichen Intervention des Militärs in die politische Krise in den USA schweigen sie sich aus.

Biden machte am Montag im Bundesstaat Georgia Wahlkampf und sprach bei einer Kundgebung im Namen der beiden demokratischen Kandidaten für die US-Senatssitze bei der dortigen Stichwahl. Er erwähnte Trumps Drohungen mit keinem Wort. Dieser hatte politische Repressalien, strafrechtliche Verfolgung und offene Gewalt angekündigt, falls die Beamten in Georgia nicht die notwendigen Stimmen vom 3. November „finden“, um ihn zum Wahlsieger zu machen.

Der designierte Präsident der Demokraten nahm nur am Rande Bezug auf die politische Krise, die durch Trumps Weigerung ausgelöst wurde, seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl einzugestehen. In Amerika, so Biden, könnten „Politiker die Macht nicht behaupten, nehmen oder ergreifen. Macht wird gegeben, allein durch das amerikanische Volk gewährt. Und das können wir niemals aufgeben.“

Er milderte sogar diese schwachbrüstige Bemerkung ab, indem er die Republikaner als „unsere Oppositionsfreunde“ bezeichnete. Diese Aussage traf er unter Bedingungen, unter denen eine Mehrheit der Republikaner im Kongress plant, eine völlig illegale und verfassungswidrige Anfechtung des Sieges der Demokraten im Electoral College zu unterstützen. Am heutigen Mittwoch tritt der Kongress zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen, um die Wahlmännerstimmen auszuzählen.

Biden sagte nichts über die außergewöhnliche öffentliche Erklärung, die am Sonntag von der Washington Post veröffentlicht wurde. In ihre erklären alle zehn noch lebenden Verteidigungsminister, Republikaner und Demokraten gleichermaßen, dass zivile und militärische Pentagon-Beamte, keine Rolle bei der Bestimmung des Ergebnisses der US-Präsidentschaftswahlen zu spielen hätten.

Unter den zehn Unterzeichnern befanden sich auch zwei von Trumps eigenen Pentagon-Chefs, darunter Mark Esper, den Trump nach der Wahl wegen seiner Ablehnung des Einsatzes von US-Militärkräften zum Zwecke der innenpolitischen Unterdrückung gefeuert hatte. Die offensichtliche Frage, die dieses bemerkenswerte Dokument aufwirft, ist diese: Was geht hinter den Kulissen in Washington vor sich, das so reaktionäre Figuren wie Dick Cheney und Donald Rumsfeld dazu bringt, einen Appell zu unterschreiben, der dafür plädiert, das Militär aus der amerikanischen Politik herauszuhalten?

Biden und die Führung der Demokraten im Kongress sind sich der Tragweite des Briefes der Verteidigungsminister (von denen sechs in demokratischen Administrationen gearbeitet haben) sehr wohl bewusst. Ihr Schweigen ist eine weitere Manifestation des andauernden Kampfes innerhalb der herrschenden US-Elite, zu deren Grundprinzipien es gehört, die amerikanische Bevölkerung und insbesondere die Arbeiterklasse völlig über die Putschpläne im Dunkeln zu lassen, die im offiziellen Washington wüten.

Trump unterstützt Demonstrationen bewaffneter faschistischer Banden, die in Washington während der heutigen Bestätigung des Wahlmännerkollegiums stattfinden sollen - ein durchsichtiger Versuch, seine politischen Gegner einzuschüchtern. Er hat jene republikanischen Kongressabgeordneten und Senatoren als „Kapitulations-Caucus“ denunziert, die das Ergebnis der Wahl 2020 anerkannt haben und seine Bemühungen ablehnen, die Auszählung der Wahlmännerstimmen anzufechten.

Die in der Presse veröffentlichten Enthüllungen, ganz zu schweigen von Trumps eigenen Tweets, liefern reichlich Beweise, um den Präsidenten der Vereinigten Staaten wegen der dreisten Verletzung seines Amtseids, die Verfassung zu verteidigen und aufrechtzuerhalten, anzuklagen. Aber die gleichen Demokraten, die ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump anstrengten, weil er der Ukraine Militärhilfe vorenthielt – und damit die antirussische Außenpolitik des amerikanischen Imperialismus untergrub – sind völlig unwillig, Trump anzuklagen, weil er droht, die amerikanische Demokratie zu stürzen.

Für die nächsten zwei Wochen bleibt die volle Macht der amerikanischen Präsidentschaft in den Händen eines politischen Gangsters, der tausendfach deutlich gemacht hat, dass es ihm nur um den eigenen Machterhalt geht, egal welche Gesetze und demokratischen Prinzipien dabei mit Füßen getreten werden.

Noch nie in der amerikanischen Geschichte hat ein amtierender Präsident seine Wahlniederlage geleugnet, jeden in seiner eigenen Partei als Verräter verurteilt, der den demokratischen Willen der amerikanischen Wähler akzeptiert hat, und offen den Sturz seines ordnungsgemäß gewählten Nachfolgers geplant.

Am Sonntag sprach Trump vor mehr als 300 staatlichen Gesetzgebern aus Arizona, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin, die von der ultrarechten Organisation "Got Freedom?" zusammengebracht wurden, und forderte sie auf, die republikanische Mehrheit in ihren staatlichen Gesetzgebungen zu nutzen, um die Entscheidung der Wähler zu überstimmen.

Die konzerngesteuerten Massenmedien unterstützen die Demokratische Partei bei der Vertuschung dieser enormen Bedrohung der demokratischen Rechte. Während die Washington Post zuerst das Tonband von Trumps Telefongespräch mit Außenminister Georgias Brad Raffensperger veröffentlichte, und diese besondere Enthüllung in der Presse und im Fernsehen weit verbreitet wurde, wurden die beunruhigendsten Details dieses Anrufs weitgehend unterdrückt.

Wie die WSWS gestern berichtete, wütete Trump an einem Punkt gegen eine weibliche Wahlhelferin in Fulton County (Atlanta), die in den sozialen Medien zum Ziel von Todesdrohungen geworden ist. Ihr wird fälschlicherweise vorgeworfen, eine Charge von Stimmzetteln mehrfach durch eine Zählmaschine geschickt zu haben, um die Stimmenzahl in einem stark von den Demokraten dominierten Gebiet zu verdreifachen. Trump erwähnte diese Arbeiterin namentlich mehrere Dutzend Mal im Laufe seines Anrufs, aber in der veröffentlichten Aufzeichnung wurde ihr Name aus Sicherheitsgründen ausgeblendet. An einer Stelle sagte Trump:

Also, was werden wir hier tun, Leute? Ich brauche nur 11.000 Stimmen. Leute, ich brauche 11.000 Stimmen. Lasst mich in Ruhe. Die haben wir doch schon in Hülle und Fülle. Oder wir können so weitermachen, aber das ist nicht fair gegenüber den Wählern von Georgia, denn sie werden sehen, was passiert ist. Ich meine, ich werde, ich werde es mit jedem aufnehmen, den Sie wollen, in Bezug auf [Name des Wahlhelfers] und ihre reizende Tochter, eine sehr reizende junge Dame, da bin ich mir sicher.

Der letzte Satz, geäußert im Stil eines Mafiabosses, war nichts weniger als eine Morddrohung gegen die Wahlhelferin und ihre Tochter. Obwohl die Zeitungen die Protokolle des Gesprächs veröffentlichten, wurde keine weitere Aufmerksamkeit auf diese besonders verbrecherische Erklärung gelenkt. Auch hat kein Führer der Demokraten in Georgia, geschweige denn Biden selbst, die bedrohte Frau verteidigt oder Trumps offene Aufforderung zur Gewalt verurteilt.

Stattdessen ist die Botschaft der demokratischen Führung eine der völligen Selbstgefälligkeit. Ein hochrangiger Stellvertreter der Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, der Vorsitzende des House Democratic Caucus Hakeem Jeffries, erklärte auf einer Pressekonferenz am Montagmorgen, er habe die Abschrift von Trumps Telefonat mit den Wahlbeamten aus Georgia nicht einmal gelesen. Auf die Frage, ob Trump ein Verbrechen begangen habe, für das er zur Rechenschaft gezogen werden sollte, antwortete Jeffries: „Wir schauen nicht zurück. Wir blicken nach vorne auf die Amtseinführung von Joe Biden am 20. Januar.“

Der Minderheitenführer im Senat, Charles Schumer, erklärte: „Am 20. Januar wird Joe Biden Präsident und Kamala Harris Vizepräsidentin sein, egal was sie versuchen.“ Er und andere führende Kongressdemokraten sowie Biden betonten außerdem, dass sie Politik machen und Gesetze in Zusammenarbeit mit ihren „republikanischen Kollegen“ erlassen wollen.

Während die Demokraten systematisch die Bedrohung der demokratischen Rechte durch Trumps fortgesetzte Putschversuche und seine Aufstachelung faschistischer Kräfte herunterspielen, haben eine Reihe von Trump-Gegnern innerhalb der Republikaner die politische Entwicklung ihrer eigenen Partei unverblümt dargestellt. Steve Schmidt, ein ehemaliger Wahlkampfberater von John McCain, beschrieb die von Trump kontrollierte Partei am Sonntag als „eine amerikanische autokratische Bewegung mit faschistischen Zügen.“

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