USA: Business as usual trotz fast einer halben Million Todesfälle durch Corona

Weltweit gehen die Zahlen der Covid-19-Infektionen und der Corona-Todesfälle gerade etwas zurück, nachdem dieser Winter einen verheerenden Anstieg auf 750.000 tägliche Neuinfektionen und bis zu 16.000 Todesfälle im Verlauf von 24 Stunden gebracht hatte.

Die Ausbreitung der Pandemie auf ganz Europa, Nord- und Südamerika waren die direkte Folge der sträflichen Nachlässigkeit, die es den Schulen und der Wirtschaft erlaubten, nach der Sommerflaute rasch wieder zu öffnen. Gleichzeitig drohen die schnell auftretenden Virus-Varianten infolge derselben kriminellen Nachlässigkeit der Regierungen, die Bevölkerung einer neuen Ansteckungswelle auszusetzen. Die kapitalistischen herrschenden Klassen toben und zetern, um die Wirtschaft rasch wieder aufzumachen.

Zwei Leichenbestatter bereiten den Abtransport eines Covid-19-Opfers vor. Providence Holy Cross Medical Center, Mission Hills bei Los Angeles, 9. Januar 2021 (AP Photo/Jae C. Hong, File)

Die Zahl der Todesopfer in den Vereinigten Staaten ist schlichtweg entsetzlich. In dieser Woche wird die Zahl der Toten auf eine halbe Million steigen, eine Zahl, die alle amerikanischen Todesopfer, von Zivilisten wie Militärs, im Zweiten Weltkrieg übertrifft. Eine derartige Statistik muss nüchtern und sorgfältig beurteilt werden. Eine Politik, die eine so uneingeschränkte Ausbreitung der Pandemie zugelassen hat, ist klar kriminell. Zudem hat sie sich besonders auf die Arbeiterklasse ausgewirkt.

Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass nach den Feiertagen um Thanksgiving und Weihnachten ein plötzlicher Anstieg der Infektionen erfolgte, der die Zahl der Todesopfer steigen ließ. Wie von NBC News dokumentiert, benötigten die ersten 100.000 Todesfälle in den USA 99 Tage (vom 29. Februar bis 17. Mai); die zweiten 100.000 Todesfälle benötigten 115 Tage (bis zum 19. September). Die dritten 100.000 Todesfälle benötigten 86 Tage (bis zum 14. Dezember), die vierten 100.000 Todesfälle nur 36 Tage, (bis zum 19. Januar) und die fünften 100.000 Todesfälle werden wohl 29 bis 31 Tage brauchen, je nachdem, wann in dieser Woche die halbe Million erreicht sein wird.

Seit den US-Präsidentschaftswahlen, also vor weniger als drei Monaten, sind mehr Amerikaner am Corona-Virus gestorben als in den acht Monaten davor. Bis nächste Woche werden allein unter der Biden-Administration mehr als 100.000 Amerikaner am Corona-Virus gestorben sein.

Die britische medizinische Fachzeitschrift The Lancet erklärte: „Die globale Covid-19-Pandemie hat die USA mit mehr als 26 Millionen diagnostizierten Fällen und über 450.000 Todesfällen bis Anfang Februar 2021 unverhältnismäßig stark getroffen. Davon hätten etwa 40 Prozent verhindert werden können, wenn die US-Todesrate dem gewichteten Durchschnitt der anderen G7-Nationen entsprochen hätte.“ Dies ist kein Lob für die anderen G7-Nationen: Auch sie haben die Profitinteressen über die Sicherheit ihrer Bevölkerung gestellt. Die Vereinigten Staaten haben sich in dieser Hinsicht einfach noch ungeheuerlicher verhalten.

The Lancet fuhr fort: „Viele der Infektionen und Todesfälle waren vermeidbar. Anstatt die US-Bevölkerung zu mobilisieren, um die Pandemie zu bekämpfen, hat Präsident Trump die Bedrohung öffentlich abgetan (obwohl er sie privat anerkannte), Maßnahmen entmutigt, als sich die Infektion ausbreitete, und internationale Zusammenarbeit unterlassen.“

Anstatt über die Bemühungen der Biden-Administration, die Grund- und Sekundarschulen schnell zu öffnen, angemessen zu berichten, hat die bürgerliche Presse das Amtsenthebungsdebakel als Zerstreuungs- und Ablenkungsmanöver benutzt. Gleichzeitig hat sie die wirkliche Bedeutung des faschistischen Putschversuchs vom 6. Januar verschleiert.

Seither loben die Medien die Bürgermeisterin von Chicago, Lori Lightfoot, und die Lehrergewerkschaft von Chicago für den Verrat an ihren Mitgliedern. Darüber hinaus wird lamentiert, dass die Schulen nicht sofort geöffnet hätten. Über das Wochenende konzentrierte sich die Direktorin der Seuchenschutzbehörde Centers for Disease Control (CDC), Rochelle Walensky, bei ihrem Auftritt in den sonntäglichen Presseshows darauf, den Finanzoligarchen zu versichern, dass weder die neuen Varianten noch die hohe Community-Übertragung die Biden-Administration davon abhalten werde, die Pläne des Großkapitals zu verwirklichen.

Als die Moderatorin Margaret Brennan von „Face the Nation“ Frau Dr. Walensky auf CBS fragte, ob während der Ausbreitung der B.1.1.7-Variante Präsenzunterricht stattfinden solle, behauptete die CDC-Direktorin: „Die Anzahl der Viren in der Schule hängt sehr stark mit der Menge an Viren in der Community zusammen. Es gibt nur eine sehr begrenzte Übertragung zwischen den Schülern und von den Schülern aufs Personal.“ Wenn solche Infektionen aufträten, dann wäre der Grund dafür ein Versäumnis beim Maskentragen und mangelnde Eigenverantwortung. Die Tatsache, dass fast eine halbe Million Menschen an Covid-19 gestorben sind, fand keine Erwähnung.

Für Dr. Walensky spielt es keine Rolle, dass 99 Prozent aller Bezirke in den USA in der roten Zone liegen, was bedeutet, dass die Übertragungsraten nach den Richtlinien der CDC immer noch zu hoch sind, als dass die Kinder in die Schule zurückkehren dürfen. Ausnahmen sind nur Schulen mit massiven Schutzmaßnahmen, für die jedoch praktisch kein Schulbezirk die Ressourcen hat.

Walensky ließ auch unerwähnt, dass in insgesamt 40 Staaten schon weit über tausend Fälle der britischen Variante entdeckt worden sind. Darüber gibt es mittlerweile schon 17 Fälle der südafrikanischen Variante in acht Staaten sowie drei Fälle der brasilianischen Variante. Und um die Krise um ein weiteres Element zu ergänzen, berichtete die New York Times am Sonntag, dass ein Team von Forschern „sieben sich ausweitende Abstammungslinien des neuartigen Corona-Virus gefunden haben, die über das ganze Land verteilt sind. Alle haben eine Mutation im gleichen Gen-Buchstaben entwickelt.“

Die Q677P-Mutation im Spike-Protein des Virus wurde erstmals am 23. Oktober in den USA entdeckt. Bis zum 19. Januar machten diese neuen Linien jetzt 28 bzw. 11 Prozent aller sequentierten SARS-CoV-2-Genome aus Louisiana und New Mexico aus. Diese Fälle wurden überwiegend im Süden und Südwesten der USA gefunden. Anfang Februar haben die GISAID-Daten gezeigt, dass es fast 500 virale Sequenzen dieser Variante in den USA gegeben hat.

Obwohl noch nicht feststeht, ob diese neuen Varianten ansteckender sind, sind die Wissenschaftler, die diese Mutationen untersuchen, besorgt, weil sie sich in einem Gen befinden, das bestimmt, wie gut das Virus an eine menschliche Zelle anbinden und in sie eindringen kann. Noch beunruhigender ist, dass diese Mutationen einem konvergenten Evolutionspfad folgen, der ihnen einen Überlebensvorteil verschafft. In einer Umgebung mit hoher Community-Übertragung stehen sie unter starkem Anpassungsdruck.

In Ländern wie Brasilien, Südafrika und Großbritannien, in denen solche Varianten jetzt vorherrschen, kam es zu einem raschen Anstieg der Krankheitsfälle, der zu einer Überlastung der Gesundheitssysteme führte und die Zahl der Todesfälle in die Höhe schnellen ließ. Was Politiker und Regierungsbeamte verblüffte, war, dass die üblichen Maßnahmen, die im Frühjahr ergriffen wurden, bei diesen neuen Varianten nicht funktionierten. Notwendig wurde eine Kombination aller Maßnahmen mit hartem Lockdown. Die Niederlande und Norwegen, die selbst mit der britischen Variante zu kämpfen hatten, übernahmen schnell diese strengen Maßnahmen und drehten ihre Pandemiekurven um. In den Vereinigten Staaten setzt die Regierung Biden auf den Impfstoff, um solche Entscheidungen zu vermeiden.

Laut dem Impftracker der Washington Post haben bisher jedoch weniger als 40 Millionen Menschen eine oder beide Dosen des Impfstoffs erhalten. Obwohl die Zahl der Impfungen im Sieben-Tage-Durchschnitt auf etwa 1,66 Millionen pro Tag gestiegen ist, kann der Vorrat an Impfstoffen nicht mit der Nachfrage Schritt halten. Kalifornien hat mehr als 72 Prozent seiner Dosen verbraucht und verzeichnet jetzt Engpässe in mehreren Gebieten. So musste beispielsweise das Dodger-Stadion die Impfungen einstellen, nachdem der Vorrat erschöpft war und in der vergangenen Woche nur 16.000 Dosen geliefert wurden.

Es überrascht nicht, dass in den Medien wenig über zukünftige Lockdowns diskutiert wird. Wenn 100.000 Todesfälle noch schockierend waren, so reagieren sie auf 500.000 Todesfälle offenbar betäubt und gefühllos. Die Politik der Herdenimmunität ist innerhalb der herrschenden Klasse so tief verwurzelt, dass eine Strategie zur Ausrottung des Virus nicht mehr zur Diskussion steht.

Doch es gibt prinzipienfeste Epidemiologen, wie zum Beispiel Dr. Deepti Gurdasani, Dozentin an der Queen Mary University of London. Sie warnt unermüdlich Premierminister Boris Johnson davor, dass die Bemühungen zur vorzeitigen Öffnung der Schulen die Errungenschaften der letzten Wochen zunichtemachen werden. Sie kämpft für die Zero-Covid-Strategie.

Ihre Strategie würde einen Lockdown von zwei bis drei Monaten erfordern, um das Ziel von unter 10 pro 100.000 Fällen pro Tag zu erreichen, bevor die Beschränkungen gelockert werden. In der Zwischenzeit muss dringend in die Test-, Rückverfolgungs- und Isolierungsprogramme investiert werden, die in die Hände der Bundesregierung gelegt werden sollten. Zusätzlich könnten die Impfstoffverteilungen gemäß den Impfstoffprotokollen verbessert werden, damit zwei Dosen für die gesamte Zielbevölkerung vorhanden sind, und die Infrastruktur und die Sicherheit in den Schulen verbessert werden. Diese Strategie würde auch jede Unsicherheit bezüglich der Entwicklung neuer Varianten und möglicher Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Impfstoffe beseitigen.

Der Kurs, den die herrschende Klasse verfolgt, wird nur noch mehr Tod und Leid für die Arbeiterklasse bringen, die teuer für die Inkompetenz der kapitalistischen Regierungen bezahlt. Die herrschende Klasse und ihre politischen Lakaien haben keine klare Exit-Strategie. Sie haben keine Ahnung, was die Schwelle der Herdenimmunität ist oder ob sie erreichbar ist. Immer neue Infektionswellen und Shutdowns sind die typische, völlig unwissenschaftliche Reaktion auf die Pandemie. Da Profite immer das primäre Ziel sein werden, gibt es keine Hoffnung, dass diese Politiker zur Vernunft kommen. Nur die Arbeiterklasse kann das soziale Elend und weitere Verluste von Menschenleben verhindern.

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