Millionen Steuergelder für rechtsextreme Propaganda

Der Bund plant, die Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD ab kommendem Jahr mit rund 70 Millionen Euro zu unterstützen. Damit würde die Verbreitung rechtsradikaler Propaganda direkt mit Steuergeldern gefördert.

Nach den Richtlinien des Bundestags hat eine Fraktion Anspruch auf staatliche Gelder für ihre Stiftung, wenn sie länger als eine Legislaturperiode im Parlament vertreten ist. Bei der AfD, die 2017 erstmals in den Bundestag einzog, ist dies nach der Bundestagswahl im September dieses Jahres möglicherweise der Fall.

Stiftungs-Präsidentin Erika Steinbach (Bild: Deutscher Bundestag / CC BY-SA 3.0)

Die Partei, die das Naziregime für einen „Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ hält und das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet, könnte mit diesem Geld Einfluss auf Forschung und Lehre an den Universitäten nehmen, ihren eigenen Nachwuchs fördern, ihre rechtsextreme Propaganda verbreiten und Gesinnungsgenossen auf der ganzen Welt unterstützen.

Parteinahe Stiftungen dürfen zwar Wahlkämpfe und andere Parteiaktivitäten nicht direkt finanzieren. Sie unterhalten aber eigene Studienzentren und Informationsportale, führen Schulungen und Veranstaltungen durch und fördern parteinahe Doktoranden und Studierende mit großzügigen Stipendien. Auch in der Außenpolitik spielen sie eine wichtige Rolle. Sie unterhalten Dutzende Niederlassungen in anderen Ländern, fördern dort Gesinnungsgenossen und mischen sich in ihre Politik ein.

So ist die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD in 100 Ländern aktiv, beschäftigt 600 Mitarbeiter und fördert jährlich 3000 Studierende mit Stipendien. Ähnlich verhält es sich mit der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU, der Hanns-Seidel-Stiftung der CSU, der Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP, der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen und der Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linken. 2019 unterstützte der Bund die Parteistiftungen mit insgesamt 542 Millionen Euro. Das sind fast drei Mal so viel wie die 194 Millionen Euro, die in Form von Wahlkampf- und anderen Hilfen an die Parteien flossen.

Die Stiftungen werden aus den Haushalten verschiedener Ministerien gespeist. Für die Arbeit im Ausland kommen das Außen- und das Entwicklungsministerium auf, für Stipendien das Bildungsministerium, für politische Bildung das Innenministerium. Hinzu kommen pauschale Gelder, die nicht an bestimmte Projekte gebunden sind. Mit ihnen werden z.B. „Studienreisen“ ins Ausland, gesellige „Diskussionsabende“ und ähnliches organisiert.

Die Aufnahme der Desiderius-Erasmus-Stiftung in den illustren Kreis der staatlich finanzierten Parteistiftungen hätte zur Folge, dass sie ihre menschenfeindliche Propaganda künftig mit staatlichen Mitteln verbreiten könnte. Am rechtsextremen Charakter der Stiftung gibt es keine Zweifel. Ihre Spitze setzt sich laut Saba-Nur Cheema, der Pädagogischen Leiterin der Bildungsstätte Anne Frank, aus „Rassentheoretikern und Verschwörungsideologen, völkischen Pseudowissenschaftlern und knallharten Rechtsextremen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und des Antaios-Verlags von Götz Kubitschek“ zusammen.

Vorsitzende der Stiftung ist Erika Steinbach, die von 1998 bis 2014 den revanchistischen Bund der Vertriebenen leitete und von 1990 bis 2017 für die CDU im Bundestag saß. Anfang 2017 verließ sie die CDU aus Protest gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland. Steinbach ist berüchtigt für ihre Relativierung von Nazi-Verbrechen. Zuletzt fiel sie auf, weil sie auf Twitter gegen den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hetzte, der sich für die Unterbringung von Flüchtlingen einsetzte. Vier Monate später wurde Lübcke von einem Neonazi ermordet. Der Anwalt der Familie wirft Steinbach eine Mitschuld an seinem Tod vor.

Mit den staatlichen Fördergeldern wäre die AfD-Stiftung u.a. in der Lage, Doktoranden und Studierende an den Lehrstühlen rechtsextremer Professoren, wie des Berliner Historikers Jörg Baberowski, zu finanzieren, und damit die Rehabilitierung des Nationalsozialismus vorantreiben. Baberowski verteidigt den Nazi-Apologeten Ernst Nolte, hat sein letztes Buch dem Nazi-„Kronjuristen“ Carl Schmitt gewidmet und Hitler bereits vor sieben Jahren bestätigt, er sei „nicht grausam“ gewesen. Bei der Gründung der AfD-Stiftung 2018 wurde er wenig überraschend als Kuratoriumsmitglied vorgeschlagen, genauso wie der sozialdemokratische Rassist Thilo Sarrazin.

Schon jetzt machen rechte Professoren an den Hochschulen mobil. Erst vor zwei Wochen haben 70 von ihnen, darunter Baberowski, ein „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ gegründet, das Kritik an rechten und geschichtsrevisionistischen Positionen als Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit denunziert.

Für die Finanzierung der AfD-Stiftung gibt es keine gesetzliche Grundlage, sie stützt sich auf Richtlinien, die der Bundestag erlassen hat. Die Mehrheit des Bundestags hat sich bisher einer gesetzlichen Regelung der staatlichen Zuschüsse an parteinahe Stiftungen widersetzt. Die Entscheidung, ob die AfD-Stiftung die staatlichen Gelder erhält, obliegt dem Haushaltsausschuss des Bundestags. Es spricht alles dafür, dass er die Gelder genehmigen wird.

Dies entspräche der bisherigen Haltung der Bundestagsparteien gegenüber der AfD. Die rechtsextreme Kraft wird von der herrschenden Klasse gezielt aufgebaut und gefördert. Schon bisher bezog die AfD reichlich Gelder aus der staatlichen Parteienfinanzierung. So erhielt die AfD 2018 und 2019 jeweils mehr als 10 Millionen an staatlicher Unterstützung. Die lukrativen Diäten, Kostenpauschalen, Sachleistungen und Mitarbeitergehälter für die Abgeordneten sind darin nicht eingerechnet.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) empfing die Fraktionsspitze der AfD nach der letzten Bundestagswahl in seinem Amtssitz und die etablierten Parteien wählten Vertreter der AfD an die Spitze wichtiger Parlamentsausschüsse. Ein gesetzliches Anrecht darauf hatte die AfD ebenso wenig wie auf die Gelder für die Stiftung; zur Begründung dienten allein die Richtlinien des Bundestags.

Als Folge wird der Haushaltsausschuss des Bundestags, der über die Gelder für die Stiftung entscheidet, vom AfD-Abgeordneten Peter Boehringer geleitet. Auch elf weitere AfD-Vertreter sitzen in dem Ausschuss, darunter der ehemalige CDU-Abgeordnete Martin Hohmann, ein enger Weggefährte von Erika Steinbach.

Auf Proteste gegen die staatliche Finanzierung der Rechtsextremen hat die Bundesregierung bisher nicht reagiert. So berichtet Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, in der taz, dass er auf eine entsprechende Petition mit 6000 Unterschriften, die er ans Innenministerium schickte, vom Ministerbüro noch nicht einmal eine Bestätigung erhalten habe.

Sollte der Bundestag der Finanzierung der Stiftung wider Erwarten Hindernisse in den Weg legen, würde sie die staatlichen Zuschüsse wohl beim Bundesverfassungsgericht einklagen. Sie hat dies bereits zwei Mal versucht, wobei es um wesentlich geringere Summen ging, wurde aber beide Male abgewiesen. Das Gericht fällte allerdings keine inhaltliche Entscheidung, sondern lehnte die Anträge der AfD aus rein formalen Gründen ab.

Letztlich ist die staatliche Förderung der Rechtsextremen keine juristische, sondern eine politische Frage. Die AfD, deren Führungspersonal sich zu einem großen Teil aus den anderen Parteien und dem staatlichen Sicherheitsapparat rekrutiert, wird von den herrschenden Kreisen seit Jahren systematisch gefördert. Die Große Koalition hat die Politik der AfD bei der Abwehr von Flüchtlingen und der inneren und äußeren Aufrüstung weitgehend übernommen. In Thüringen haben CDU, FDP im Bündnis mit der AfD sogar einen Ministerpräsidenten gewählt, der erst zurücktrat, als sich ein bundesweiter Proteststurm erhob.

An den Universitäten werden rechtsextreme Professoren wie Baberowski von allen Parteien verteidigt. Die Sozialistische Gleichheitspartei, die Baberowski wegen seiner Verharmlosung Hitlers kritisierte und für ein sozialistisches Programm gegen Kapitalismus, Faschismus und Krieg kämpft, wurde dagegen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes gestellt. Während die AfD-Stiftung Millionen aus der Staatskasse erwartet, hat das Berliner Finanzamt der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), in der Auschwitz-Überlebende wie Esther Bejarano aktiv sind, wegen angeblicher „linksextremistischer Beeinflussung“ die Gemeinnützigkeit entzogen, was ihre Existenz bedroht.

Der Grund für diese Unterstützung der AfD und ihrer Stiftung ist die scharfe soziale Polarisierung, die durch die Corona-Krise weiter verschärft wird. Angesichts drohender Klassenkämpfe rücken die etablierten Parteien zusammen und gemeinsam nach rechts. Wie in den 1930er Jahren wendet sich die herrschende Klasse wieder autoritären Herrschaftsformen zu.

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