Nach der Debatte zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem Amtsvorgänger Donald Trump am 27. Juni führt der nominell unabhängige Senator Bernie Sanders aus Vermont Wahlkampf, um Biden und die Demokratische Partei zu verteidigen.
Am Freitag gab sich Biden größte Mühe, die zunehmenden Forderungen von Spendern und Parteikollegen nach seinem Rücktritt einzudämmen. In Madison (Wisconsin) absolvierte er seine zweite öffentliche Wahlveranstaltung nach der Debatte. Darauf folgte ein vorab aufgezeichnetes Interview mit George Stephanopoulos von ABC.
Im Gegensatz zur großen Mehrheit der Bevölkerung, die die voraussichtlichen Kandidaten beider Parteien des Großkapitals verabscheuen, hat sich Sanders nicht nur geweigert, den Kriegsverbrecher Biden zum Rückzug aufzufordern. Der angebliche „Sozialist“ und Held der Democratic Socialists of America ist stattdessen als einer der leidenschaftlichsten Verteidiger Bidens hervorgetreten.
Nach der Debatte übernahm Sanders in mehreren Interviews und Wahlkampauftritten die Argumentation von Bidens Wahlkampfteam bezüglich des dementen Auftritts des Präsidenten: Ein „schlechter Abend“ dürfe eine „sehr starke“ Gesamtleistung nicht auslöschen.
In einem Interview mit Semafor während eines Wahlkampfauftritts für Biden in Wisconsin erklärte Sanders letzte Woche: „Er war unkonzentriert... Er hat seine sehr starke Gesamtleistung nicht verteidigt.“
Worin besteht diese „sehr starke Gesamtleistung“? Meinte Sanders damit, dass Biden und die Demokraten im November 2022 mit den Republikanern zusammengearbeitet haben, um einen Streik der Eisenbahner zu verhindern? Vielleicht bezog er sich darauf, dass Biden Trumps immigrantenfeindlichen Kurs übernommen hat, einschließlich der Abschaffung des Asylrechts, der Trennung von Familien und dem Weiterbau von Trumps Grenzmauer?
Oder meinte er die Tatsache, dass sich die Vermögen der Milliardäre unter Biden innerhalb von vier Jahren fast verdoppelt haben, während mehr als eine Million Menschen an Covid-19 gestorben sind – die meisten davon unter der Biden-Regierung?
Im Zentrum der „sehr starken“ Gesamtleistung, die Sanders lobt, steht Bidens politische und militärische Unterstützung für den völkermörderischen Krieg des israelischen Regimes gegen die Bevölkerung von Gaza und seine Polizeiaktionen und Massenverhaftungen pro-palästinensischer Demonstranten, die er gleichzeitig als „Antisemiten“ verleumdet.
Diese völkermörderische Politik ist selbst Teil von Bidens Regierungsprogramm für einen globalen imperialistischen Krieg, in dessen Mittelpunkt der US/Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine steht. Dieser Konflikt hat bereits mehr als 500.000 Ukrainern und zehntausenden Russen das Leben gekostet. Er soll auf dem Nato-Gipfel in Washington nächste Woche massiv ausgeweitet werden und bringt die Menschheit an den Rand eines atomaren Holocausts.
Sanders erklärte, Biden „hätte dem amerikanischen Volk laut und deutlich mitteilen sollen, dass er der erste Präsident in der amerikanischen Geschichte war, der an einem Streikposten erschienen ist“. Damit meinte er Bidens sorgfältig geplanten Kurzbesuch mit Funktionären der United Auto Workers und demokratischen Politikern im letzten September in Michigan während des verräterischen „Standup-Streiks“ der UAW.
Dieser so genannte Streik wurde von der UAW-Bürokratie in Zusammenarbeit mit Biden inszeniert, um die überwiegende Mehrheit der Werke am Laufen zu halten und die Auswirkungen der vereinzelten Arbeitsniederlegungen auf die Profite der drei großen Autokonzerne so gering wie möglich zu halten.
Sanders stellt zwar Bidens Besuch in Michigan im letzten Jahr als Beweis für Bidens Nähe zur Arbeiterklasse dar – u.a. vor kurzem in einem Podcast mit UAW-Präsident Shawn Fain –, in Wirklichkeit handelte es sich dabei jedoch um einen Ausdruck der vollständigen Verflechtung des Gewerkschaftsapparats mit dem Weißen Haus und den Konzernen gegen die Arbeiterklasse. Nach dem „Standup-Streik“ haben die drei großen Autokonzerne tausende Stellen gestrichen, während sich Fain zu einem von Bidens obersten Wahlhelfern entwickelte, neben pseudolinken Wichtigtuern wie Sanders und der New Yorker Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez.
Im gleichen Interview mit Semafor erklärte Sanders: „Biden ist der Kandidat... Ich werde mein Bestes tun, damit er gewählt wird.“
Als am Wochenende die Forderungen nach Bidens Rücktritt lauter wurden, veröffentlichten Biden und Sanders am 2. Juli eine gemeinsame Kolumne in USA Today. Darin behaupteten sie, sie hätten „beträchtliche Fortschritte“ bei der Senkung von Medikamentenpreisen gemacht und „den Pharmakonzernen die Stirn geboten“.
Diese Behauptung wurde etwas weiter in dem Artikel widerlegt durch das Eingeständnis der beiden, dass „die Pharmaindustrie riesige Gewinne macht“. Weiter heißt es: „Tatsächlich haben die zehn größten Pharmakonzerne letztes Jahr 110 Milliarden Dollar Gewinn gemacht.“
Nach seiner gemeinsamen Kolumne mit Biden gab Sanders der Associated Press ein Interview, das am 3. Juli veröffentlicht wurde. Darin erklärte er erneut: „Ich werde tun, was ich kann, damit Biden wiedergewählt wird.“
Sanders gab zwar zu, er sei vor der Debatte „nicht zuversichtlich gewesen“, dass Biden gewinnen könne. Doch nachdem der 81-jährige Präsident zusammenhanglos gefaselt und rund 90 Minuten lang mit offenem Mund dagestanden hatte, erklärte Sanders gegenüber AP:
Was wir vom amerikanischen Volk jetzt brauchen, ist Reife. Das bedeutet, zu verstehen, dass die Themen wichtig sind. Und dass zwischen Trump und Biden ein Unterschied wie Nacht und Tag besteht.
Tatsächlich wird es immer schwieriger, den Unterschied zwischen den beiden rechten kapitalistischen Politikern zu erkennen. Während der Debatte prahlten beide Kandidaten mit ihrer Unterstützung für die zionistische Regierung Israels und kündigten noch drakonischere Maßnahmen gegen Immigranten an.
Beide haben den Großteil des letzten halben Jahres damit verbracht, durch das Land zu reisen und bei Milliardären und Multimillionären um Spenden zu bitten, auf der Grundlage, dass ihr unverdienter Reichtum nicht angetastet wird, wenn sie gewählt werden.
Dies ist das dritte Mal in Folge, dass Sanders bei einer Präsidentschaftswahl seine schwindende Anhängerschaft dazu aufruft, den voraussichtlichen demokratischen Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen. Auf dem Höhepunkt seiner Popularität während der Vorwahlen 2016 beendete Sanders seine angebliche „politische Revolution“ und rief seine Anhänger auf, die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton zu wählen. Im Jahr 2020 und nun erneut im Jahr 2024 hat sich Sanders voll und ganz hinter „Genocide-Joe“ gestellt.
Während Arbeiter und Jugendliche über die Rolle Bidens und der Demokraten beim Völkermord in Gaza empört sind, entlarvt Sanders durch die hartnäckige Forderung an Arbeiter und Jugendliche, sie sollten „Reife“ zeigen und Biden unterstützen, nicht nur sich selbst, sondern auch die Politik, die Demokratische Partei zu „reformieren“, als Sackgasse.
Sanders’ wiederholte Versuche, Arbeiter zu verraten und in die Falle der Demokratischen Partei zu locken, haben für die Arbeiterklasse katastrophale Folgen gehabt. Die Demokraten haben mit den faschistischen Republikanern zusammengearbeitet, um Militärhaushalte in Billionenhöhe zu verabschieden und die Mittel für Bildung, Medicaid, Wohnungsbau und andere wichtige soziale Bedürfnisse zu kürzen.
Arbeiter und Jugendliche müssen die Lehren aus ihren Erfahrungen mit Sanders ziehen. Die Demokratische Partei kann nicht „reformiert“ werden. Die Demokratische Partei – einschließlich ihrer „linken“ Gesichter wie der Democratic Socialists of America und der mit ihnen verbündeten Teile der Gewerkschaftsbürokratie wie Fain und die UAW, sind Werkzeuge der amerikanischen Finanzoligarchie und Feinde der Arbeiterklasse.