Peter Schwarz
Wissenschaft oder Kriegspropaganda?

Für Meinungsfreiheit an der Humboldt-Universität

Offener Brief der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) und der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) an die Berliner Humboldt-Universität

Mit diesem Offenen Brief antworteten die PSG und die IYSSE am 28. April 2015 auf eine Stellungnahme auf der offiziellen Website der Humboldt-Universität.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Olbertz,

die Humboldt-Universität (HU) hat auf ihrer offiziellen Website eine »Öffentliche Stellungnahme für Jörg Baberowski«[1] veröffentlicht, die der Partei für Soziale Gleichheit und ihrer Jugend- und Studentenorganisation, den IYSSE, »übelste Diffamierungen«, »Verleumdung« und eine »Rufmordkampagne« gegen Jörg Baberowski, den Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte Osteuropas, vorwirft. Sie ist von Ihnen als Präsident der HU sowie von 26 weiteren Professoren unterzeichnet.

Wir weisen diese Vorwürfe mit Empörung zurück. Unter dem Vorwand der Verteidigung der Reputation eines Professors findet hier ein grundlegender Angriff auf die Rede- und Meinungsfreiheit statt. Die Kritik an kontroversen politischen Auffassungen, die ein Mitglied der Universität in aller Öffentlichkeit vertritt, soll eingeschüchtert, unterdrückt und kriminalisiert werden.

Mit dieser »Stellungnahme« schafft die Humboldt-Universität einen gefährlichen Präzedenzfall, dessen Bedeutung weit über die gegenwärtige Auseinandersetzung hinausgeht. Bleibt sie unwidersprochen, ebnet sie den Weg für die politische Gleichschaltung der Universität: für die Unterdrückung von politischer Kritik und damit auch jeder ernsthaften wissenschaftlichen Arbeit. Sie knüpft an die unrühmliche Vergangenheit der HU und ihrer Vorgängerin, der Friedrich-Wilhelms-Universität an, die im Ersten und im Zweiten Weltkrieg als ideologisches Bollwerk für Kriegspropaganda diente.

Die Vorwürfe, die Sie gegen unsere Partei und unsere Studentenorganisation erheben, entbehren jeder Grundlage. Sie beruhen auf Andeutungen, haltlosen Unterstellungen und schlichten Unwahrheiten. Sie gehen mit keinem Wort auf die Fragen ein, um die es wirklich geht. Sie erwähnen den Inhalt unserer Kritik an Prof. Baberowski nicht, obwohl diese öffentlich dokumentiert und für jedermann einsehbar ist.

Prof. Baberowskis Bekenntnis zu Ernst Nolte

Sie stellen Prof. Baberowski als gewissenhaften Gelehrten dar, der ungerechtfertigt angegriffen wird. Aber das ist nicht der Fall. Baberowski ist eine Person des öffentlichen Lebens. Er bezieht in den Medien regelmäßig Stellung zu umstrittenen Fragen und vertritt dabei eindeutige politische Standpunkte.

Im Februar letzten Jahres bekannte er sich offen zu Ernst Nolte. Nolte ist der bekannteste Apologet Hitlers und des Nationalsozialismus unter den deutschen Akademikern. Das ist keine Ansichtssache, sondern eine feststehende Tatsache. 1986 hatte Nolte den Historikerstreit ausgelöst, indem er den Nationalsozialismus verharmloste und ihn als verständliche Reaktion auf den Bolschewismus darstellte. Heute bewegt er sich in Neonazi-Kreisen und verteidigt unverblümt Adolf Hitler.

So zeigt ihn ein Film, den »BRalpha« am 13. Januar 2013 ausstrahlte, nach einem Vortrag bei der schlagenden Verbindung Thuringia in freundlichem Gespräch mit dem bekannten NPD-Anwalt Horst Mahler, der mehrfach wegen Holocaustleugnung und antisemitischen Äußerungen verurteilt wurde.[2] Im Magazin »The European« beklagte sich Nolte Ende letzten Jahres über die »Masse des Hasses und der Verdammung«, »die den einstigen ›Befreier‹ [Hitler] zum Repräsentanten des ›absoluten Bösen‹« gemacht habe. Er lobte Hitler »als der vergessene Repräsentant von Tendenzen der ›Selbstbehauptung‹ …, die man in der offiziellen Politik der Bundesregierung vermisst«.[3]

Noltes rechtsextreme Ansichten sind seit langem bekannt. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hatte sich deshalb schon 2000 geweigert, ihm den Konrad-Adenauer-Preis der Deutschland-Stiftung zu überreichen. Das hat Baberowski allerdings nicht daran gehindert, sich vierzehn Jahre später in aller Öffentlichkeit in die Tradition von Nolte zu stellen. Anfang letzten Jahres erklärte er dem »Spiegel«: »Nolte wurde Unrecht getan. Er hatte historisch recht.«[4] Er berichtete dem Nachrichtenmagazin auch, dass er bereits als Student Noltes Thesen verteidigt habe und deshalb 1986, auf dem Höhepunkt des Historikerstreits, in einem Hauptseminar niedergemacht worden sei.

Im selben »Spiegel«-Artikel verharmlost Baberowski Hitler mit der provokativen Aussage:

Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.[5]

Dieses Zitat, das Hitler positiv mit Stalin vergleicht, haben wir nicht aus dem Zusammenhang gerissen. Es liegt ganz auf der Linie von Noltes Kernthese, dass die nationalsozialistischen Verbrechen lediglich eine Abwehrreaktion gegen die sowjetische Bedrohung gewesen seien.

Auch der Einwand, Baberowski verteidige den Nolte von 1986 und nicht den Nolte von 2014, hält einer Überprüfung nicht stand. Noltes Entwicklung zum offenen Hitler-Verteidiger war bereits 1986 absehbar. Jürgen Habermas, Hans-Ulrich Wehler, Hans und Wolfgang J. Mommsen sowie andere namhafte Historiker verstanden das damals und diskreditierten Nolte im Historikerstreit als Apologeten von Nazi-Verbrechen. So warf ihm Habermas vor, bei ihm erscheine »die Judenvernichtung nur als das bedauerliche Ergebnis einer immerhin verständlichen Reaktion auf das, was Hitler als Vernichtungsdrohung empfinden müsste«.[6]

Wir haben in unseren Veröffentlichungen und Vorträgen immer wieder auf Baberowskis Bekenntnis zu Ernst Nolte aufmerksam gemacht. Das war ein zentraler Bestandteil unserer Kritik. Die Universität hat sich daran offenbar nicht gestört. Wenn Sie uns deshalb nun »Verleumdung« und »Rufmord« vorwerfen, stellen Sie sich selbst auf die Seite Ernst Noltes. Sie unterstützen damit nicht nur Baberowski, sondern auch Nolte – mit weitgehenden Folgen. Die Humboldt-Universität verteidigt damit einen bekannten, unverbesserlichen Nazi-Apologeten. Das werden viele verstehen, auch international, ob Sie das wahrhaben wollen oder nicht.

Wir wissen nicht, ob diese Hintergründe allen Unterzeichnern der »Stellungnahme« bewusst sind, oder ob sie sich einfach unter Druck fühlten, das Schreiben eines einflussreichen, gut vernetzten Professors der Humboldt-Universität zu unterstützen. Aber mit ihrer Unterschrift übernehmen sie politische, geistige und moralische Verantwortung für die Standpunkte Ernst Noltes.

Prof. Baberowskis Verharmlosung von Kriegsverbrechen

Der Vorwurf, Prof. Baberowski verharmlose Verbrechen des Zweiten Weltkriegs, ist keine Diffamierung, wie Sie schreiben. Diesen Vorwurf haben nicht nur wir, sondern auch wissenschaftliche Publikationen erhoben. In Baberowskis Schriften finden sich viele Stellen, die ihn belegen. Eine zitierten wir am 23. Oktober 2014 auf einer Veranstaltung der IYSSE zum Thema »Warum wollen die deutschen Eliten wieder Krieg?«, die auf großes Interesse stieß. Über 200 Teilnehmer drängten sich in den überfüllten Hörsaal der Humboldt-Universität.

Sie erwähnen diese Veranstaltung, vermeiden es aber sorgfältig, sich zum Inhalt der zitierten Stelle zu äußern. In der »Stellungnahme« heißt es, am 25. Oktober 2014 (sic!) sei auf einem Seminar der IYSSE »eine Power Point Präsentation gezeigt worden, mit einem Foto erhängter Partisanen, unterlegt mit mutwillig aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten von Jörg Baberowski«. Es handelte sich um folgendes Zitat:

Die rote Armee hinterließ der vorrückenden Wehrmacht zerstörte Städte und Dörfer, deren hungernde Bevölkerung niemand versorgen konnte … Unter diesen Bedingungen verwandelten sich die Infanterieregimenter der Wehrmacht auf ihrer Suche nach Lebensmitteln und Unterkünften rasch in marodierende Haufen, die Bauern und Stadtbewohner ausraubten, nicht weil sie von der Vernichtung slawischer Untermenschen träumten, sondern weil sich ihnen keine anderen Alternativen boten.[7]

Die Wehrmacht terrorisierte und vernichtete die sowjetische Bevölkerung also, weil ihr die Rote Armee keine andere Wahl ließ, und nicht, weil das Hitler-Regime und der Generalstab den Feldzug von Anfang an als Vernichtungskrieg geplant und entsprechende Befehle erteilt hatten. Dass Letzteres der Fall war, haben sowohl die Nürnberger Prozesse wie die historische Forschung eindeutig bewiesen.

Auch dieses Zitat haben wir nicht »mutwillig aus dem Zusammenhang gerissen«. Ähnliche Stellen finden sich in Baberowskis Werk zuhauf. So heißt es in demselben Buch aus dem Jahr 2007: »Stalin und seine Generäle zwangen der Wehrmacht einen Krieg neuen Typs auf, der die Zivilbevölkerung nicht mehr verschonte.«[8]

In »Verbrannte Erde« schrieb Baberowski fünf Jahre später:

In jedem Krieg ist solch ein Zustand [wie er an der Ostfront herrschte] Grund genug, um dem Gegner Widerstand zu leisten und Grausamkeiten zu begehen. Mit Hinweis auf ideologische Überzeugungen ist solches Verhalten überhaupt nicht erklärbar. Hitlers Soldaten führten keinen Weltanschauungskrieg, sie führten vielmehr einen Krieg, dessen Dynamik sie nicht mehr entkamen.[9]

Dass »Verbrannte Erde« den Vernichtungskrieg der Nazis verharmlost, wurde nicht nur von uns kritisiert. Das Buch löste auch in Fachkreisen Widerspruch aus. So veröffentlichte die Zeitschrift »Osteuropa« nach Erscheinen des Buches gleich drei Beiträge, die daran Anstoß nahmen.

Benno Ennker warf dem Buch »eine implizite Entlastung der Wehrmacht« vor und schrieb zu Baberowskis Behauptung, die Nationalsozialisten hätten ihren Vernichtungskrieg »nicht mehr unter Kontrolle bringen« können:

Eine solche – durch nichts belegte – Exkulpation der ideologisch geplanten Vernichtungspolitik im Osten durch »Situation und Umstände« ist bisher nur vom polnischen Skandal-Historiker ­Bogdan Musial bekannt gewesen.[10]

Jürgen Zarusky kommentierte:

Jeglichen Beleg für seine waghalsige Behauptung, die sowjetische Führung habe den Krieg begrüßt, bleibt Baberowski schuldig. Die deutschen Planungen, die den Krieg zum Vernichtungskrieg machten, ignoriert er weitestgehend.[11]

Und Christoph Dieckmann warf Baberowski vor, er habe »keine ausgewogene differenzierende Studie vorgelegt, sondern eine über 500 Seiten lange Streitschrift, in der Attacken und polarisierte Standpunkte formuliert werden …«. Er verkenne »die Forschungslage, die den weitgehenden Konsens der deutschen Führung und Wehrmachtspitzen vor dem Angriff auf die Sowjetunion belegt, binnen weniger Monate viele Millionen Sowjetbürger dem Hungertod auszuliefern«. Angesichts dieser Forschungslage wirkten Baberowskis Ausführungen »apologetisch«.[12]

Werfen Sie der Zeitschrift »Osteuropa«, mit der uns ansonsten nichts verbindet, ebenfalls vor, sie verleumde und diffamiere Baberowski?

Baberowskis Rechtfertigung von Methoden des Vernichtungskriegs beschränkt sich nicht auf die Vergangenheit. Am 1. Oktober 2014 erklärte er während einer Podiumsdiskussion zum Thema »Interventionsmacht Deutschland?« im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums zum Kampf gegen dschihadistische Gruppen:

Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen, dann soll man die Finger davon lassen.[13]

Zu dieser unverhohlenen Rechtfertigung von Methoden, die allen völkerrechtlichen Normen und Konventionen widersprechen, haben weder Sie noch Baberowski jemals Stellung bezogen. Stattdessen beschimpfen Sie uns, weil wir die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen.

Ein konstruierter Vorwurf

Weil Sie sich nicht inhaltlich mit unserer Kritik auseinandersetzen wollen, konstruieren Sie falsche Vorwürfe, um uns zu diskreditieren. Sie behaupten, auf einer Konferenz der Bundeszentrale für politische Bildung, die vom 25. bis 27. Januar 2015 in Berlin stattfand, sei Baberowski »von einem Teilnehmer, der sein Gesicht verbarg, als ›Holocaust-Leugner‹ verunglimpft«[14] worden.

Wir bezweifeln, ob dieser Vorfall überhaupt stattgefunden hat. Wie konnte jemand mit verhülltem Gesicht in einer öffentlichen Konferenz sitzen? Aber wie dem auch sei, die PSG und die IYSSE haben damit nicht das Geringste zu tun. Uns damit in Verbindung zu bringen, ist eine haltlose Unterstellung. An der genannten Konferenz nahm kein Vertreter unserer Organisation teil. Wir haben Baberowski auch nie als »Holocaust-Leugner« bezeichnet. Wir äußern unsere Kritik immer offen und nicht »mit verborgenem Gesicht«. Und wir lehnen das Stören von Versammlungen in der geschilderten Weise grundsätzlich ab.

Die Trotzki-Biografie von Robert Service

Weiter behaupten Sie, wir hätten Baberowski »nicht zuletzt wegen seiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einer umstrittenen Trotzki-Biographie zum Feindbild erhoben«.[15] Damit stellen Sie die Tatsachen auf den Kopf. Baberowski hat sich mit der Trotzki-Biografie von Robert Service, von der hier die Rede ist, nicht »wissenschaftlich auseinandergesetzt«. Er hat eine solche Auseinandersetzung mit skandalösen Mitteln unterdrückt.

Als Baberowski Robert Service für den 12. Februar 2014 zu einem öffentlichen Kolloquium an seinen Lehrstuhl einlud, um über seine 2009 erschienene Trotzki-Biografie zu sprechen, war diese vollständig diskreditiert. Der führende Marxist David North hatte Service im Buch »Verteidigung Leo Trotzkis« Dutzende faktische Fehler und die systematische Fehlinterpretation und Fälschung von Quellen nachgewiesen.

Professor Bertrand Patenaude (Stanford University) hatte North‘ Einschätzung in der renommierten Fachzeitschrift »The American Historical Review« in vollem Umfang bestätigt und sich seinem Urteil angeschlossen, dass es sich um ein »zusammengeschustertes Machwerk« handle. Patenaude zog das Fazit:

In seinem Eifer, Trotzki zur Strecke zu bringen, verzerrt Service häufig die geschichtlichen Tatsachen und begeht grobe faktische Fehler. Dies in einem Maß, das die intellektuelle Integrität der Biografie insgesamt fragwürdig erscheinen lässt.

Die Fehler seien »unfassbar«.[16]

Vierzehn namhafte Historiker, Politikwissenschaftler und Publizisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hatten dem Suhrkamp Verlag in einem Brief von der Veröffentlichung einer deutschen Ausgabe der Biografie abgeraten, weil sie »grundlegende Standards der Geschichtswissenschaft missachtet«. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören Experten von internationalem Ruf wie Prof. Hermann Weber (Mannheim), der Leiter des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien, Prof. Oliver Rathkolb, der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Prof. Peter Steinbach (Berlin), Prof. Heiko Haumann (Basel) und Prof. Mario Kessler (Potsdam).[17]

Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Services Biografie hätte sich mit dieser Kritik befassen müssen. Baberowski griff dagegen zu völlig undemokratischen Mitteln, um gerade dies zu verhindern. Damit keine kritischen Fragen an Service gestellt werden konnten, sagte er das Kolloquium kurzfristig ohne Begründung ab und verlegte es an einen geheimen Ort im Hauptgebäude der HU. Dort versperrte er allen Besuchern, von denen er kritische Fragen erwartete, mit Unterstützung eines Sicherheitsdienstes den Zugang. Unter den Ausgesperrten befanden sich – neben vielen Geschichtsstudenten der HU – mit David North auch der Autor der bestfundierten Kritik der Biografie und mit Prof. Mario Kessler ein Unterzeichner des Briefs an den Suhrkamp Verlag.

Die IYSSE hatten sich intensiv um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung über Services Buch bemüht. Sie hatten Baberowski vorher informiert, dass sie an dem Kolloquium teilnehmen würden, die Studierenden an der HU mit den Hintergründen der Auseinandersetzung vertraut gemacht und schriftliche Fragen eingereicht. Als das Gerücht verbreitet wurde, sie planten die Veranstaltung zu stören, versicherten sie Baberowski schriftlich, dass sie keine derartigen Absichten hätten.

All diese Briefe blieben unbeantwortet, ebenso wie ein Brief an Sie, Prof. Olbertz, in dem wir uns darüber beschwerten, dass Baberowskis Vorgehen »grundlegende demokratische Rechte und akademische Freiheiten an der Humboldt-Universität in Frage«[18] stelle. Dieses Muster zieht sich durch die gesamte Auseinandersetzung hindurch: Baberowski und die Uni-Leitung verweigerten sich jeder inhaltlichen Diskussion, antworteten nicht auf unsere Briefe und behaupteten hinterher ohne jeden Beweis, wir führten eine Rufmordkampagne.

Bereits im Herbst letzten Jahres hatte das Institut für Geschichtswissenschaften an der HU eine »Stellungnahme zu den Angriffen auf Prof. Dr. Jörg Baberowski« veröffentlicht, die ausdrücklich für politische Zensur eintrat. Sie wollte Kritik an Baberowskis öffentlichen Äußerungen »in Räumen der Humboldt-Universität« nicht mehr dulden und forderte »Lehrende und Studierende der Humboldt-Universität auf, der Kampagne gegen Professor Baberowski entgegenzutreten«.[19] Auch dagegen protestierten wir in einem Brief an Sie, Prof. Olbertz, ohne dass wir darauf eine Antwort erhielten.[20]

Mit der von Ihnen unterzeichneten »Stellungnahme« erreicht der Versuch, kritische Standpunkte an der HU zu verhindern, einen neuen Höhepunkt. Erstmals stellt sich damit auch die Leitung der Universität hinter den Versuch, das Recht auf Kritik und freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Wir hoffen, auch im Interesse der Universität, dass Sie und alle anderen Unterzeichner der »Stellungnahme« ihre Haltung überdenken und ihre Unterschrift zurückziehen.

Wir werden uns jedenfalls nicht mit dieser Entwicklung abfinden. Wir werden die Studierenden und Lehrenden der Universität sowie die deutsche und internationale Öffentlichkeit über die Ereignisse informieren und zum Protest auffordern.

Mit freundlichen Grüßen,

Ulrich Rippert (Partei für Soziale Gleichheit)

Christoph Vandreier

(International Youth and Students for Social Equality)


[1]

»Öffentliche Stellungnahme für Jörg Baberowski«, auf: Humboldt-Universität zu Berlin, https://www.exzellenz.hu-berlin.de/de/exzellenzinitiative/gremien-1/forum-geisteswissenschaften/oeffentliche-stellungnahme-fuer-joerg-baberowski, aufgerufen am 17.6.2015.

[2]

Andreas Christoph Schmidt, »Ernst Nolte. Ein deutscher Streitfall«, auf: BRalpha, 13.01.2013, https://www.youtube.com/watch?v=0l2ZWRqDtZc, aufgerufen am 17.6.2015. (Der Thuringia-Vortrag und die Szene mit Horst Mahler ist ab der zweiten Minute zu sehen.)

[3]

Ernst Nolte, »Das Tabu brechen«, in: The European 4/2014, S. 70, 71.

[4]

Dirk Kurbjuweit, »Der Wandel der Vergangenheit«, in: Der Spiegel 7/2014, 10.2.2014, S. 116, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-124956878.html, aufgerufen am 17.6.2015.

[5]

Ebd.

[6]

Jürgen Habermas, »Eine Art Schadensabwicklung«, auf: Zeit Online, 11.7.1986, http://www.zeit.de/1986/29/eine-art-schadensabwicklung/seite-3, aufgerufen am 28.6.2015.

[7]

Jörg Baberowski, »Kriege in staatsfernen Räumen. Russland und die Sowjetunion 1905–1950«, in: D. Beyrau, M. Hochgeschwender, D. Langewiesche, (Hrsg.), Formen des Krieges. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2007, S. 305–306.

[8]

Ebd, S. 305.

[9]

Jörg Baberowski, Verbrannte Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt, München 2012, S. 403.

[10]

Benno Ennker, »Ohne Ideologie, ohne Staat, ohne Alternative? Fragen an Jörg Baberowski«, in: Osteuropa, Jg. 62, Heft 4, April 2012, S. 112.

[11]

Jürgen Zarusky, »Schematische Übertragungen. Stalinismus und Nationalsozialismus bei Jörg Baberowski«, in: Osteuropa, Jg. 62, Heft 4, April 2012, S. 124.

[12]

Christoph Dieckmann, »Die Suche geht weiter. Stalin, der Stalinismus und das Rätsel der Gewalt«, in: Osteuropa, Jg. 62, Heft 4, April 2012, S. 131, 134.

[13]

»Schlüterhofgespräch« im Deutschen Historischen Museum, 1.10.2014, Audiodatei, https://www.dhm.de/fileadmin/medien/relaunch/AUDIO/Schlueterhofgespraeche_01.10.2014_1.mp3, aufgerufen am 17.6.2015 (das Zitat ist ab der 20. Minute zu hören).

[14]

»Öffentliche Stellungnahme für Jörg Baberowski«, auf: Humboldt-Universität zu Berlin, https://www.exzellenz.hu-berlin.de/de/exzellenzinitiative/gremien-1/forum-geisteswissenschaften/oeffentliche-stellungnahme-fuer-joerg-baberowski, aufgerufen am 17.6.2015.

[15]

Ebd.

[16]

Bertrand M. Patenaude, »Ein zusammengeschustertes Machwerk!«, in: The American Historical Review, Jg. 116, Nr. 3, Juni 2011, S. 900–902, Oxford University Press. Zitiert nach: David North, Verteidigung Leo Trotzkis, Essen 2012, S. 326, 328.

[17]

»Ein Brief an den Suhrkamp Verlag«, 30.7.2011, in: David North, Verteidigung Leo Trotzkis, Essen 2012, S. 333–337. Siehe auch: WSWS, https://www.wsws.org/de/articles/2011/11/brie-n19.html, aufgerufen am 17.6.2015.

[18]

»IYSSE protestieren gegen Unterdrückung der Diskussionsfreiheit an der Humboldt-Universität durch Professor Baberowski«, 22.2.2014, siehe ab S. 164 in diesem Buch.

[19]

Prof. Dr. Peter Burschel, »Stellungnahme zu den Angriffen auf Prof. Dr. Jörg Baberowski«, auf: Humboldt-Universität zu Berlin, https://www.geschichte.hu-berlin.de/newseventsglobe/stellungnahme-zu-den-angriffen-auf-prof.-dr.-joerg-baberowski, aufgerufen am 17.6.2015.

[20]

»PSG und IYSSE protestieren gegen politischen Angriff der Humboldt-Universität«, 25.11.2014, siehe ab S. 171 in diesem Buch.