WSWS-Chronologie

Das Jahr im Rückblick: 2001

Das Jahr 2001 begann mit dem Abschluss des rechten Staatsstreichs, den der amerikanische Oberste Gerichtshof organisiert hatte: der Machtübernahme von George W. Bush. Es wurde schnell klar, dass sich hier eine dramatische Rechtswende zutrug, nicht  nur in den Vereinigten Staaten, sondern in der ganzen Weltpolitik.

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Die ersten Monate der Bush-Regierung

Bush ließ die aufgesetzte gemäßigte Pose fallen, die er in seinem Wahlkampf unter dem Schlagwort, er sei ein „mitfühlender Konservativer“ zusammengefasst hatte, und nahm ein ultrarechtes Programm in Angriff, dessen Zentrum die größten Steuersenkungen für Reiche in der Geschichte waren. Er stellte sich ein Kabinett aus Vorstandsvorsitzenden und christlichen Fundamentalisten zusammen. Er verstärkte die amerikanischen Bombenangriffe auf den Irak, angeblich um eine „Flugverbotszone“ durchzusetzen, und rief eine geheime Rohstoff-Taskforce unter Führung von Vizepräsident Dick Cheney ins Leben, um die Eroberung der Öl- und Gasvorkommen im Nahen Osten und Zentralasien zu planen.

Es wurden Pläne für größere Militäraktionen entwickelt, für deren Umsetzung nur noch ein passender Vorwand fehlte. Diesen Vorwand lieferten die Terroranschläge vom 11. September 2001, bei dem fast 3000 Menschen ums Leben kamen. Al Qaida, eine Terrororganisation, die aus dem von der CIA unterstützten Aufstand islamischer Fundamentalisten in Afghanistan hervorgegangen war, konnte gleichzeitig vier Passagierflugzeuge entführen. Die genauen Umstände wurden nie ernsthaft untersucht. Die Anschläge vom 11. September wurden nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in allen großen kapitalistischen Ländern als Allzweck-Argument für ein Programm des Militarismus und der Zerstörung demokratischer Rechte ausgenutzt.

Weniger als einen Monat nach dem 11. September begannen die Vereinigten Staaten einen Krieg in Afghanistan, und das Pentagon bereitete bereits Pläne für eine Invasion des Iraks vor, obwohl das Land keine Verbindung zu den Terroranschlägen hatte. Mitglieder der Nato, darunter Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Kanada und Nicht-Mitgliedsstaaten wie Japan und Australien beteiligten sich an der Invasion und Besetzung Afghanistans.

Ende des Jahres erklärte die Bush-Regierung einen unbeschränkten „Krieg gegen den Terror“, der die ganze Welt umfasste. Demokraten und Republikaner im Kongress unterstützten sowohl die Militäraktion in Afghanistan als auch die staatliche Unterdrückung im eigenen Land, die sich in der Verabschiedung des Patriot Act und der Schaffung des Ministeriums für Heimatschutz manifestierte. Der extrem rechte Charakter der Bush-Regierung zeigte sich schnell an der Zusammenstellung seines Kabinetts und dessen Sozial- und Wirtschaftspolitik. Ein Beispiel dafür war die Ernennung von John Ashcroft zum Justizminister – eines christlichen Fundamentalisten, der die Trennung von Staat und Kirche und andere grundlegende demokratische Prinzipien ablehnt.

Nach der gestohlenen Wahl im Jahr 2000 ließ die Demokratische Partei allen Widerstand gegen Bushs Machtergreifung fallen und zeigte sich von dem neuen Präsidenten begeistert. Die WSWS erklärte dies in dem Artikel „Bushs politische Flitterwochen: Warum die Demokraten sich hinter eine illegitime Regierung stellen“. Ihnen schloss sich Ralph Nader, der Präsidentschaftskandidat der Grünen, an und lobte Bush im Wall Street sogar für den Vorschlag, Subventionen für Unternehmen zu kürzen.

Mithilfe der Demokraten setzte die Bush-Regierung massive und historisch beispiellose Steuersenkungen für Reiche durch, die den reichsten Schichten der Gesellschaft hunderte Milliarden Dollar einbrachten. Gleichzeitig verloren Zehntausende durch eine zunehmende Rezession ihre Arbeitsplätze und die Arbeiterklasse wurde aus allen Richtungen von der Regierung angegriffen: Regulierungen des Arbeits- und Umweltschutzes wurden abgeschafft, das Insolvenzrecht dahingehend geändert, dass es einfache Bürger schwerer haben, einen erdrückenden Schuldenberg abzubauen, das Recht auf Rechtsberatung wurde eingeschränkt, religiöser Obskurantismus und Angriffe auf die Wissenschaft wurden propagiert und es wurde versucht, die Trennung zwischen Kirche und Staat aufzuheben.

Bush brachte die militaristische Politik der Clinton-Regierung, die im Irak durch gelegentliche Bombenangriffe eine Flugverbotszone eingerichtet hatte, zu einer scharfen Eskalation. Die WSWS wies darauf hin, dass sich die neokonservativen Elemente, die durch Bush, Cheney und Rumsfeld an die Regierung kamen, auf den Irak konzentrierten, und fragte schon in der ersten Woche der neuen Regierung, ob Bush einen Krieg gegen den Irak plane.

Die Regierung musste jedoch vorsichtiger auftreten, als ein amerikanisches Spionageflugzeug nahe der Insel Hainan in der südlichsten Provinz Chinas mit einem chinesischen Kampfflugzeug zusammenstieß und abstürzte. Anfangs trat das Weiße Haus aggressiv auf, aber dann forderten Vertreter der Wirtschaft, die sich um ihre milliardenschweren Investitionen Sorgen machten, die Regierung solle mit diplomatischen Maßnahmen ihr Gesicht retten.

Während alle Schichten des politischen Establishments die Zusammenarbeit mit der Bush-Regierung und ihrer rechten Politik predigten, wurde das ganze Ausmaß der Klassenspaltung in Amerika deutlich, als in Cincinnati Proteste ausbrachen, nachdem Polizisten einen unbewaffneten afroamerikanischen Jugendlichen erschossen hatten. Die meisten Medien behaupteten damals, dies sei das Ergebnis vergifteter Beziehungen zwischen den Minderheiten in der Stadt. Die World Socialist Web Site erklärte jedoch, obwohl seit Jahrzehnten Angehörige von Minderheiten Geschäfte betrieben und Schwarze in der Politik aktiv seien, habe sich nichts an den wahren Problemen der weißen und der farbigen Arbeiter geändert, d.h. an Armut, Arbeitslosigkeit und wachsender sozialer Ungleichheit.

Präsident George W. Bush inspiziert 2001 Truppen in Georgien
Präsident George W. Bush wird zu einem Treffen mit den Generalstabschefs ins Pentagon eskortiert
Die Terroranschläge vom 11. September

Die Anschläge am 11. September 2001, durch die das World Trade Center in New York City zerstört und das Pentagon schwer beschädigt wurden, waren die tödlichsten Terrorakte, die bis dahin auf amerikanischem Boden verübt wurden.

Der erste Artikel der WSWS, „Die politischen Wurzeln der Terroranschläge in New York und Washington“, erschien nur wenige Stunden nach dem Anschlag. Er beinhaltete alle zentralen politischen Fragen. Er begann mit der Erklärung: „Die World Socialist Web Site verurteilt unzweideutig die Terroranschläge auf das World Trade Center und das Pentagon.“

Weiter hieß es: 

Die Täter, die vier Passagierflugzeuge entführten und in fliegende Bomben verwandelten, haben sich des Massenmords schuldig gemacht [...] Hinter diesen terroristischen Mordtaten steht eine tödliche Mischung aus demoralisiertem Pessimismus, religiösem und ultra-nationalistischem Obskurantismus und, auch das muss gesagt werden, übelstem politischem Opportunismus.

Die WSWS erklärte jedoch auch, dass die Hauptschuld für den Anschlag der amerikanische Imperialismus trägt. Seit 1983 haben die amerikanischen Regierungen ein Land im Nahen Osten nach dem anderen bombardiert, unter anderem den Libanon, Libyen, den Irak, den Sudan und Afghanistan.

Die Außenpolitik der USA ist eine Mischung aus Zynismus, Brutalität und Verantwortungslosigkeit. Washington verfolgt einen Kurs, der in großen Teilen der Weltbevölkerung einen solchen Hass erzeugt, dass sich Rekruten für blutige Terroroperationen finden.

„Doch die Behauptung, dass bin Laden der Schuldige sei, dessen Bewegungen von einem riesigen Geheimdienstapparat unter Einsatz modernster Technologie minutiös verfolgt werden, wirft eine Menge beunruhigender Fragen auf“, schrieb die WSWS. Sie erklärte, bin Laden und Al Qaida seien Produkte der Entscheidung des amerikanischen Imperialismus, islamische fundamentalistische Aufständische zu bewaffnen und auszubilden, um sie gegen die prosowjetische Regierung und die sowjetische Besatzung Afghanistans kämpfen zu lassen.

Wir wiesen auf die Kriegspläne und Angriffe auf demokratische Rechte hin, die unmittelbar nach den Terroranschlägen umgesetzt wurden und beendeten unsere Stellungnahme mit der weitsichtigen Warnung:

Die Voraussetzungen für den Alptraum vom Dienstag wurden von der Politik der USA geschaffen, die von den strategischen und finanziellen Interessen der herrschenden Elite bestimmt wird. Die jetzt von der Bush-Regierung erwogenen Maßnahmen – der Präsident drohte, man werde "nicht unterscheiden zwischen den Terroristen, die diese Taten begingen, und denjenigen, die ihnen Unterschlupf gewähren" – werden nur weiteren Katastrophen den Boden bereiten.

Zwei Tage später erschien eine zweite Stellungnahme der Redaktion mit dem Titel „Weshalb die Regierung Bush einen Krieg will“ in dem sie davor warnte, dass die Anschläge des 11. September als Anlass für eine seit langem geplante Verschärfung des Militarismus im Ausland und Angriffe auf demokratische Rechte im Inland genutzt würden. In der Stellungnahme hieß es, diese Entwicklungen hätten tiefe politische und soziale Wurzeln:

Die Angriffe auf das World Trade Center und auf das Pentagon müssen als Gelegenheit herhalten, weitreichende politische Pläne durchzusetzen, die vom äußersten rechten Flügel der herrschenden Elite bereits seit Jahren lautstark eingefordert werden. Nur einen Tag nach dem Angriff, noch bevor die Urheber oder der Umfang ihrer Verschwörung auch nur ansatzweise bekannt waren, setzte eine koordinierte Kampagne von Regierung und Medien ein, dass sich Amerika im Kriegszustand befinde und sich das amerikanische Volk auf die Folgen einstellen müsse.

Die Politik, die jetzt vertreten wird - eine unbeschränkte Ausweitung amerikanischer Militäraktionen im Ausland und ein hartes Durchgreifen gegen die Vertreter abweichender Meinungen im Innern - wurde von langer Hand vorbereitet. Was die herrschende Elite in den USA bisher an ihrer Verwirklichung gehindert hat, war das Fehlen jeder nennenswerten Unterstützung in der amerikanischen Bevölkerung und der Widerstand der imperialistischen Rivalen in Europa und Asien.

Jetzt hat die Bush-Regierung entschieden, den Schock über die Ereignisse vom 11. September und die Abscheu, die sie hervorgerufen haben, im Interesse der globalen ökonomischen und strategischen Ziele des amerikanischen Imperialismus auszunutzen.

Ein weiterer Artikel mit dem Titel „Anti-Amerikanismus: Der ‚Anti-Imperialismus‘ von Dummköpfen“ nahm eine klare Haltung gegen demoralisierte Kleinbürger ein, die auf die Anschläge des 11. September statt mit prinzipienfestem Antiimperialismus mit vulgärem Antiamerikanismus reagierten. Die WSWS erklärte, dass nicht die amerikanische Bevölkerung weltweit imperialistische Politik durchführt, sondern ihre Regierung:

Um gegen die Politik und die Vorhaben der amerikanischen Regierung zu kämpfen, muss man in erster Linie ihren Anspruch entlarven, die wahre Stimme und rechtmäßige Vertretung der Bevölkerung zu sein. Sozialisten müssen erklären, dass die herrschende Elite in der USA im Namen des amerikanischen Volkes, auf das sie sich zu Unrecht beruft, eine antidemokratische und raubgierige Politik mit unvermeidlichen tragischen Folgen betreibt.

Gleichzeitig lehnte die WSWS die offizielle Erklärung der Ereignisse des 11. September ab und befasste sich selbst mit den Informationen, die über die Rolle der US-Regierung ans Tageslicht kamen, die die Anschläge trotz zahlreicher Warnungen und der direkten Überwachung der Verschwörer ermöglichten. Patrick Martin fasste das in einer vierteiligen Artikelserie zusammen, die im Januar 2002 erschien. Ihr Titel lautete: „War die US-Regierung vor dem 11. September vorgewarnt?

Die Anschläge vom 11. September 2001
Der Nato-Krieg in Afghanistan

Einen Monat nach den Anschlägen vom 11. September begann die US-Regierung ihre Invasion Afghanistans mit einer Reihe von Luftschlägen gegen die Taliban. Die WSWS entlarvte die Behauptungen der Bush-Regierung, dies sei ein Akt der „Selbstverteidigung“, als eigennützige Lügen. Der herrschenden Elite ging es nicht darum, dem Terrorismus ein Ende zu bereiten oder bin Laden zur Verantwortung zu ziehen, sondern sie nutzte die Terroranschläge als Anlass, ihre eigenen Wirtschaftsinteressen zu fördern.

Die Redaktion der WSWS schrieb in ihrer ersten Stellungnahme zum Einmarsch in Afghanistan:

Der Überfall auf Afghanistan wurde zwar durch die Ereignisse des 11. September ausgelöst, hat jedoch weitaus tiefere Ursachen. Der Charakter dieses Krieges bemisst sich wie bei jedem Krieg nicht nach den unmittelbaren Ereignissen, die ihm vorausgingen. Ob er progressiv oder reaktionär ist, entscheidet sich vielmehr an der Klassenstruktur, den ökonomischen Grundlagen und der weltpolitischen Rolle der beteiligten Staaten. Unter diesen ausschlaggebenden Aspekten handelt es sich bei dem gegenwärtigen Vorgehen der Vereinigten Staaten um einen imperialistischen Krieg.

Die US-Regierung verfolgt mit diesem Krieg weit gefasste weltpolitische Interessen der amerikanischen herrschenden Klasse. Sein Hauptzweck ergibt sich aus folgenden Zusammenhängen. Der Zusammenbruch der Sowjetunion vor zehn Jahren hat in Zentralasien ein Vakuum hinterlassen. Dieses Gebiet beherbergt die zweitgrößten nachgewiesenen Vorkommen an Erdöl und Erdgas weltweit.

Der Grund für die Versuche der USA, den Nahen Osten und Zentralasien unter Kontrolle zu bringen, waren nicht Terroranschläge, sondern das Verlangen danach, die Energiereserven auszubeuten, die durch den Zusammenbruch der Sowjetunion verfügbar wurden. Ein Artikel der WSWS von Anfang 2001 hatte bereits auf einen möglichen Konflikt zwischen den USA und China um die Region hingewiesen.

Die WSWS vertiefte ihre Berichterstattung mit einer geschichtlichen Übersicht über die Entwicklung Afghanistans seit dem Ende der sowjetischen Besatzung. Die WSWS wies darauf hin, dass die USA anfangs islamistische Fundamentalisten wie Osama bin Laden und die Taliban unterstützt hatten und kritisierte gleichzeitig den US-Imperialismus und die reaktionären und letzten Endes pro-imperialistischen Methoden des Terrorismus. Die islamistischen Fundamentalisten waren mitnichten unversöhnliche Gegner des US-Imperialismus, sondern standen mit ihm in einem symbiotischen Verhältnis und dienten ihm als wichtige Werkzeuge seiner Außenpolitik.

Mit der Invasion Afghanistans rückten die pazifistischen und ex-„linken“ Kommentatoren noch weiter nach rechts ins Lager des Imperialismus. Autoren wie Christopher Hitchens hatten sich erstmals in den 1990ern bei den „humanitären“ Interventionen in Bosnien und im Kosovo auf die Seite des Imperialismus geschlagen. Jetzt nutzten sie die Anschläge des 11. September als Rechtfertigung, um der US-Regierung freie Hand für den Krieg gegen den, wie sie es formulieren, „Islamofaschismus“ zu geben.

In Deutschland stimmten die Grünen, die den Koalitionspartner der SPD in der Regierung stellten, für den Krieg und die Beteiligung deutscher Truppen. Die WSWS setzte sich seit dem Kosovo-Krieg mehrfach mit der Verwandlung der Grünen von einer pazifistischen zu einer immer offener militaristischen Bewegung auseinander. Der grüne Außenminister Joschka Fischer, der seit dem Krieg auf dem Balkan die Trommel für  eine Beteiligung der Bundeswehr an Kriegseinsätzen rührte, wischte dabei alle demokratischen Bedenken beiseite, wie sich im Sommer 2001 zeigte. 

Nach den Ereignissen vom 11. September ließen SPD und Grüne alle Hemmungen fallen und beschlossen den größten Militäreinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg. Dazu schrieb die WSWS in dem Artikel Bundesregierung beschließt größten Militäreinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg:

Mit dem Beschluss, 3.900 Bundeswehrsoldaten für den militärischen Kampf "gegen den internationalen Terrorismus" bereitzustellen, führt die rot-grüne Bundesregierung Deutschland in einen Krieg, dessen Ausmaße, Dauer und Folgen völlig unabsehbar sind.

Die Kabinettsbeschluss, dem der Bundestag nächste Woche zustimmen soll, ermächtigt die Regierung für die Dauer eines Jahres militärische Einsätze durchzuführen, ohne den Zeitpunkt, die Gegner, das Einsatzgebiet, die Zahl der jeweils eingesetzten Soldaten und die Operationen, an denen sie teilhaben sollen, konkret festzulegen. Die Regierung erhält eine Blankovollmacht, das Parlament entmündigt sich selbst. 

Der Beschluss ist beispiellos in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Galten bis zur Wiedervereinigung alle Militäreinsätze, die nicht der territorialen Verteidigung Deutschlands oder des Nato-Bündnisses gegen einen äußeren Angreifer dienten, als verfassungswidrig, so ebnete das Bundesverfassungsgericht 1994 in einem aufsehenerregenden Urteil den Weg für Kampfeinsätze auch außerhalb des Bündnisgebietes. Doch selbst in diesem Urteil wurde festgelegt, dass jeder Einsatz der Zustimmung des Bundestags bedarf - eine Bestimmung, die jetzt ebenso ausgehebelt wird, wie die bisherige Beschränkung bewaffneter Einsätze auf Gebiete in unmittelbarer Nachbarschaft zur Nato, wie den Balkan.

Um die Zustimmung des Bundestags zu erhalten, stellte Schröder dem Parlament und der Bevölkerung ein Ultimatum. Bei der Abstimmung am 16. November brach die Opposition der wenigen Kriegsgegner von SPD und Grünen wie ein Kartenhaus in sich zusammen und der Parteitag der Grünen segnete diesen Kriegskurs in der Woche danach ab. 

Während sich der Afghanistan-Konflikt entwickelte, berichtete die WSWS ausführlich über den Verlauf des Krieges und die politischen Entwicklungen in allen beteiligten Ländern. Es gab Artikel über zivile Opfer und die offene Missachtung des Völkerrechts und internationaler Konventionen, die sich in Ereignissen wie dem Massaker von Mazar-i-Sharif an Kriegsgefangenen durch amerikanische und britische Truppen äußerten, über die weltweiten Antikriegsproteste und die schrecklichen Bedingungen, unter denen die Bevölkerung des überfallenen Landes lebte.

Bis Ende des Jahres hatten sich die Taliban aus allen großen Städten zurückgezogen oder waren daraus vertrieben worden. Die Besatzungsmacht brachte Hamid Karzai an die Macht, aber das konnte die Lage nicht stabilisieren. Wie die WSWS erklärte, herrschten in dem neuen Marionettenstaat starke Rivalitäten zwischen ethnischen und religiösen Fraktionen, die von den ausländischen Mächten gefördert wurden.

Die Invasion Afghanistans war kein isoliertes Ereignis, sondern Teil einer Neuaufteilung der Welt unter den imperialistischen Mächten. Nick Beams erklärte in einem Kommentar, dass die Unterwerfung Afghanistans unweigerlich zu weiteren Konflikten führen werde. Er antwortete auf Artikel des Wall Street Journal, in denen die Wiedererrichtung des Kolonialismus in „gescheiterten“ Staaten wie Afghanistan gefordert wurde. Beams schrieb:

Der Wert dieser Artikel besteht darin, dass sie nur zu klar machen, dass die imperialistischen Mächte unter der Führung der USA unter dem Banner des globalen Kampfs gegen den Terrorismus nichts weniger vorbereiten, als die Neuordnung der Welt mittels militärischer Gewalt. Das hat unmittelbare politische Konsequenzen. Die Militarisierung der internationalen Beziehungen führt zwangsläufig auch zur Militarisierung der Innenpolitik: Imperialismus ist unvereinbar mit demokratischen Herrschaftsformen.

Außerdem lassen alle bei ihrem Rückgriff auf die "glorreichen Zeiten" des britischen Imperialismus einen wichtigen Tatbestand aus. Die Aufteilung der Welt in der zweiten Hälfte des neunzehnten und der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hat nicht Frieden und Wohlstand gebracht. Vielmehr führte sie zu zwei Kriegen zwischen den imperialistischen Mächten und zu Hunderten Millionen Toten, als die großen kapitalistischen Mächte - die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Japan - im globalen Kampf um Rohstoffe, Märkte und Einflusssphären untereinander in Konflikt gerieten.

Marines werden für die Invasion in Afghanistan eingeschifft
Der Aufbau eines Polizeistaates

Die WSWS betonte, dass die Eskalation des US-Militarismus im Ausland mit weiteren Angriffen auf demokratische Rechte im Inland einhergehe. Die Bush-Regierung beeilte sich, die Befugnisse der Regierung zum Abhören von Telefonverbindungen und zur Überwachung des Internetverkehrs auszuweiten, ohne dass sie dabei auf Widerstand aus dem politischen Establishment oder den Medien gestoßen wäre. Das Gesetz mit dem orwellschen Titel „USA Patriot Act“ wurde mit nahezu einstimmiger Zustimmung durch den Kongress gebracht.

Der Regierung kam dabei der Umstand zugute, dass mehrere Medien und Regierungsstellen Briefe mit Milzbranderregern geschickt bekamen, was eine panische Stimmung zur Folge hatte. Diese Anschläge wurden ursprünglich Al Qaida zugeschrieben – oder, als ominöser Vorgeschmack auf die künftigen Lügen, dem Regime von Saddam Hussein im Irak. Die WSWS erklärte jedoch, dass eine rechte Quelle im amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat viel eher dahinterstecken könnte. Diese Analyse wurde später bestätigt, als die Milzbranderreger zu einem Biowaffenlabor der Armee zurückverfolgt wurden.

Die WSWS wies auch auf die Verbindung zwischen den umfassenden Angriffen auf demokratische Rechte und den Methoden hin, mit denen die Bush-Regierung durch die undemokratische Intervention des Obersten Gerichtshofes nach der Wahlkrise in Florida an die Macht gebracht wurde. Obwohl die Medien behaupteten, die Anschläge des 11. September hätten „alles verändert“, folgten diese Angriffe auf demokratische Rechte auf das Amtsenthebungsverfahren von 1998-99 und den Wahlbetrug von 2000.

George W. Bush unterzeichnet den Patriot Act
Die weltweiten Auswirkungen des 11. September

Die Regierungen aller Industrienationen schlossen sich nach dem 11. September Bushs Kriegserklärung gegen den Terror an. Einige traten im Krieg in Afghanistan direkt als Partner der USA auf, aber alle beteiligten sich an der Kampagne gegen Menschen mit Sympathien für den islamischen Fundamentalismus oder für antiimperialistische Positionen. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die WSWS versuchten in jedem Land, in dem sie aktiv waren, den Widerstand gegen imperialistischen Krieg und staatliche Unterdrückung zu mobilisieren.

Kein Verbündeter war Bush so ergeben wie der britische Premierminister Tony Blair, dessen Labour-Regierung erst im Juni 2001 wiedergewählt worden war. Der britische Imperialismus sah die „besondere Beziehung“ zu Washington als eine Möglichkeit, etwas von seinem verlorenen Einfluss im Nahen Osten und Südasien zurückzugewinnen.

Die Blair-Regierung schickte das zweitgrößte Truppenkontingent nach Afghanistan, folgte Bushs Beispiel und verabschiedete Antiterrorgesetze, die sich in Wirklichkeit gegen die britische Arbeiterklasse und Kriegsgegner richteten. Großbritanniens Rolle im Krieg rief in der Bevölkerung Widerstand hervor, der sich unter anderem in einer Demonstration in London mit 100.000 Teilnehmern äußerte, die ein Ende der Bombenangriffe auf Afghanistan forderten.

Die britische SEP und die WSWS hielten öffentliche Versammlungen ab, um den Unterschied zwischen unserem umfassenden Widerstand gegen den Krieg von dem Widerstand der kleinbürgerlichen „Linken“ zu erklären, die die Stop the War Coalition dominierten und von Bush und Blair nur forderten, sich an die Vereinten Nationen zu wenden.

Die rechte australische Regierung von John Howard führte den ersten Wahlkampf nach dem 11. September. Howard erklärte seine uneingeschränkte Unterstützung für den US-Militarismus und den Krieg gegen den Terror und setzte in seinem Wahlkampf auf Kriegstreiberei, um seine Chancen zu erhöhen.

Der Premierminister rechtfertigte die brutale immigrantenfeindliche Politik seiner Regierung, die von der „Opposition“ der Labor Party unterstützt wurde, mit Sicherheitsfragen. Zuerst weigerte er sich, 433 Flüchtlinge ins Land zu lassen, die in australischen Gewässern von dem norwegischen Frachter Tampa gerettet worden waren. Seinen Höhepunkt fand diese Politik mit der SIEV X-Tragödie im Oktober, als ein Boot voller Asylbewerber in einem Teil des Indischen Ozeans unterging, der vom australischen Militär überwacht wird. Obwohl dabei mehr als 350 Menschen ertranken, äußerte sich der Zuwanderungsminister im Namen der Regierung positiv über den abschreckenden Effekt des Vorfalls.

Die australische SEP hielt öffentliche Versammlungen ab, auf denen sie gegen den Krieg und die fremdenfeindliche Stimmungsmache mobilisierte und sich sowohl gegen die amtierende Koalition aus Liberalen und National Party als auch gegen die größte Oppositionspartei, die australische Labor Party, positionierte.

Die australische SEP schrieb in ihrer Wahlerklärung: „Die beispiellose Einigkeit zwischen den beiden großen Parteien ist von größter Bedeutung. Sie stellt den Höhepunkt eines langen Prozesses dar, in dem sich die ganze Struktur der offiziellen Politik stark nach rechts bewegt hat.“ Im November wurde die Howard-Regierung wiedergewählt, aber die Wahlergebnisse zeigten, dass so viele Wähler wie noch nie zuvor beide Parteien abgelehnt hatten.

Keine andere Region war vom Ausbruch des Krieges so dramatisch betroffen wie Südasien. Hier führte die amerikanische Invasion Afghanistans zu einer Eskalation der Spannungen zwischen Indien und Pakistan, den beiden Atommächten der Region. Der pakistanische Militärherrscher Pervez Musharraf stellte seine Unterstützung für die Taliban nach einem amerikanischen Ultimatum ein, mit der er ein Gegengewicht zu Indien schaffen wollte, und stellte sich auf die Seite der amerikanischen Invasoren, obwohl im eigenen Land die Proteste gegen die massiven Todesopfer unter der paschtunischen Bevölkerung im Süden und Osten Afghanistans zunahmen.

Im Dezember ereignete sich ein Selbstmordanschlag auf das indische Parlament, für das die indische Regierung unter Führung der Hindu-chauvinistischen BJP Pakistan die Schuld gab. Beide Länder verlegten Soldaten, Panzer und Raketen an ihre Grenzen, es drohte ein Atomkrieg. Das Jahr endete mit einem Konflikt, der kurz vor einer Eskalation stand, die möglicherweise katastrophale Folgen für Südasien gehabt hätte.

In Sri Lanka nutzte die Regierung von Präsidentin Chandrika Kumaratunga und ihrer Koalition, der Peoples Alliance, die weltweite Krise, um ihren Krieg gegen die separatistische tamilische Bewegung LTTE mit Bushs weltweitem „Krieg gegen den Terror“ gleichzusetzen und so die Unterstützung der Imperialisten zu gewinnen. Kumaratunga löste das Parlament auf und versuchte, die Atmosphäre nach dem 11. September auszunutzen, um die Bevölkerung hinter sich zu bringen. Stattdessen gewann die rechte UNP bei der Neuwahl eine knappe Mehrheit.

Die srilankische Socialist Equality Party war an vorderster Front im Widerstand gegen den Krieg gegen die Tamilen und führte eine wichtige politische und juristische Kampagne für die Freilassung der Hatton Six, einer Gruppe junger tamilischer Plantagenarbeiter, denen man die Mitgliedschaft in der LTTE vorwarf. Sie wurden schließlich freigelassen.

Die SEP trat mit singhalesisch- und tamilischsprachigen Kandidaten zur Wahl an und lehnte die beiden rechten bürgerlichen Parteien und Bündnisse, die Peoples Alliance und die United National Party (UNP), ab.

Die rot-grüne Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder in Deutschland reagierte auf den 11. September mit scharfen Angriffen auf die demokratischen Rechte. Sie begann eine Hetzkampagne gegen arabische Studenten, führte einen neuen Paragrafen ins politische Strafrecht ein und peitschte gegen alle Bedenken ein zweites Anti-Terror-Gesetz durch das Parlament, das die Befugnisse der Geheimdienste massiv ausdehnte und die Angriffe auf Flüchtlinge und Asylbewerber verschärfte. Die WSWS zeigte in dem Artikel Otto Schilys Anschlag auf demokratische Grundrechte den Zusammenhang zwischen der Staatsaufrüstung und der zunehmenden Kluft zwischen Arm und Reich und schrieb:

Die Regierung ist entschlossen, die Last der Wirtschaftkrise auf die Bevölkerung abzuwälzen, während gleichzeitig der Widerstand gegen Sparmaßnahmen und drastische Kürzungen in allen Sozialbereichen immer größer wird.

Hier liegt der Grund, warum Schily [Innenminister Otto Schily, SPD] die ganze Bevölkerung unter Generalverdacht stellt und die staatlichen Sicherheitsstrukturen zentralisiert. Hinter den wortreichen Beteuerungen über die Verteidigung des Rechtsstaats (…) werden immer deutlicher autoritäre Formen der politischen Herrschaft sichtbar.

Auch in anderen europäischen Staaten verschärften die Regierungen repressive Maßnahmen. So zog der rechte Regierungschef Italiens, Silvio Berlusconi, Parallelen zwischen Globalisierungsgegnern und islamischen Terroristen, und die EU-Kommission forderte eine Woche nach den Anschlägen in New York und Washington eine Kompetenzerweiterung der europäischen Polizei Europol und Einschränkungen des Datenschutzes sowie eine „Rahmenentscheidung“, die den Straftatbestand des Terrorismus auf "unrechtmäßige Beschlagnahme oder Schädigung von staatlichen Einrichtungen“ wie beispielsweise bei „gewalttätigen Ausschreitungen in Städten“ ausdehnt.

Bush und der australische Premierminister John Howard
Weitere politische Kommentare und Analysen

Auch wenn die Anschläge des 11. September und der Krieg in Afghanistan im Jahr 2001 die wichtigsten politischen Themen waren, wurden auf der WSWS im Laufe des Jahres auch andere wichtige Ereignisse analysiert und diskutiert. 

Am 6. Februar holte die rechte Likud Partei bei der Wahl in Israel die meisten Stimmen. Der ehemalige Verteidigungsminister und Kriegsverbrecher Ariel Sharon wurde damit Premierminister. Die WSWS erklärte ausführlich die mörderische Rolle, die die israelische Bourgeoisie bei den Angriffen auf die Arbeiterklasse im Nahen Osten spielte und erklärte detailliert die politischen Theorien, die dem bürgerlichen israelischen Staat zugrunde liegen.

Jean Shaoul veröffentlichte zwei Artikelserien über die Geschichte der Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung und die Geschichte des Labour-Zionismus. Am 7. September erschien eine Stellungnahme der Redaktion, die auf die zunehmend offene Unterstützung der USA für Israels Ermordung von Gegnern in der Region hinwies und davor warnte, dass Washington die Methoden des zionistischen Regimes übernehmen werde.

Die WSWS veröffentlichte Berichte und Analysen über die Krise auf dem Balkan, darunter die Abspaltung Montenegros von Serbien im ehemaligen Jugoslawien und die Verhaftung von Slobodan Milosevic im April, sowie über den Beginn des Prozesses gegen Milosevic vor dem imperialistischen Femegericht, das als Hager Tribunal bekannt ist.

Peter Schwarz analysierte in einem Kommentar die Kontroverse um die Geschichte des französischen Premierministers und Parteichefs der Sozialisten, Lionel Jospin, dessen politische Wurzeln in der ex-trotzkistischen Organisation Communiste Internationaliste (OCI) lagen.

Die WSWS berichtete über den Streik gegen die Privatisierung der Londoner U-Bahn. Der Kampf der Arbeiter wurde von den Gewerkschaften verraten und verzettelt, während der pseudolinke Bob Crow zum Generalsekretär der größten Eisenbahngewerkschaft, der National Union of Rail, Maritime and Transport Workers (RMT) gewählt wurde.

Die WSWS analysierte die wachsenden Spaltungen zwischen den kapitalistischen Großmächten, die sich beim G8-Gipfel in Genua zeigten, und verurteilte die brutalen Angriffe auf Demonstranten durch die rechte Regierung des neuen italienischen Premierministers Silvio Berlusconi.

Wir befassten uns auch mit drei bedeutenden politischen Entwicklungen in Asien: dem Wahlsieg des Rechtspopulisten und Milliardärs Thaksin Shinawatra in Thailand; dem Justizputsch auf den Philippinen, durch den Präsident Joseph Estrada im Januar entmachtet wurde; und die Amtseinführung von Junichiro Koizumi als japanischer Premierminister im April, inmitten einer schweren Krise der amtierenden Liberaldemokratischen Partei. In allen drei Entwicklungen zeigten sich die scharfen Streitigkeiten innerhalb der herrschenden Kreise über die Frage, wie sie nach der Asienkrise von 1997-98 die neoliberale Wirtschaftspolitik des IWF gegen den Widerstand der Bevölkerung durchsetzen sollten.

In den Vereinigten Staaten führte die SEP eine breite Kampagne gegen den Kriegsverbrecher Robert Kerrey, der weiterhin Präsident einer amerikanischen Universität bleiben durfte. Kurz nachdem Kerrey zum Präsidenten der New Yorker New School University ernannt worden war, kam heraus, dass der ehemalige demokratische Senator und Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur im Vietnamkrieg Kriegsverbrechen begangen hatte, die er 32 Jahre lang verheimlichen konnte.

Kerrey wurde nicht nur vom Board of Trustees der New School uneingeschränkt verteidigt, sondern auch vom politischen und akademischen Establishment und den Medien. Diese versuchten, die Verbrechen des US-Imperialismus in Vietnam zu verheimlichen und zu legitimieren. Die WSWS erklärte die Bedeutung davon, dass die New School, die in den USA als eine Bastion liberalen Gedankenguts gilt, einen Massenmörder zum Präsidenten ernennt. Wir schrieben:

Eine ganze Generation ist in Amerika aufgewachsen, die kaum etwas über den Vietnamkrieg weiß. Gleichzeitig wurde systematisch versucht, den Krieg zu rechtfertigen und zu verhindern, dass sie die Fragen versteht, die in Amerika und weltweit Millionen gegen den Krieg auf die Straße trieben.

Kerreys Verteidigung und der Versuch, den Vietnamkrieg zu rechtfertigen, haben nicht nur Folgen für die Vergangenheit und die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft. Sie sind Teil der Vorbereitung neuer Verbrechen des amerikanischen Kapitalismus – Verbrechen, die bereits geplant werden.

Weitere wichtige Ereignisse waren die Hinrichtung des rechten Terroristen Timothy McVeigh, der in Oklahoma City bei einem Anschlag mehr als 180 Menschen ermordet hatte. Ein Kommentar der WSWS stellte die Frage: „Was ist die Ursache für eine derartige Entfremdung und die gesellschaftsfeindliche Form, die sie in der Person McVeigh angenommen hat? Welcher sozio-psychologische Prozess hat diesen Arbeiterjugendlichen zu einem uneinsichtigen Massenmörder gemacht?“ David Walsh erklärte, die Antwort liege in dem kombinierten Prozess aus wirtschaftlichem Niedergang und politischer Reaktion, unter anderem dem ersten Golfkrieg von  1990-91, an dem McVeigh teilnahm. Barry Grey kritisierte in einem weiteren Artikel das groteske Schauspiel der Medien um seine Hinrichtung.

Im Dezember warf der Zusammenbruch von Enron, der bis dahin größten Firmenpleite der Geschichte, Licht auf den betrügerischen Charakter des Finanzbooms, der die zweite Hälfte der 1990er Jahre dominiert hatte. Enron war der spektakulärste Fall in einer Reihe von Finanzskandalen, die die WSWS im Laufe des Jahres 2002 analysierte.

U.S. Verteidigungsminister Donald H. Rumsfeld (rechts) und der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon treffen 2001 zusammen
Kunst, Kultur und Geschichte

Die Berichterstattung der WSWS zur Welt der Kunst konzentrierte sich weiterhin auf Filmkritiken. Einige der Filme, die 2001 analysiert wurden, waren Pollock (die Kritik befasste sich mit einigen Problemen im künstlerischen und intellektuellen Milieu im Amerika der Nachkriegszeit), O Brother, Where Art Thou? von den Coen-Brüdern, Francis Ford Coppolas Neufassung von Apocalypse Now, Die fabelhafte Welt der Amelie, Das Versprechen und Memento. Wir veröffentlichten außerdem Nachrufe auf den Schauspieler Jack Lemmon und den Regisseur Stanley Kramer.

Aufgrund ihres wachsenden Einflusses wurde die WSWS auch auf das Filmfestival in Buenos Aires eingeladen, wo sie eine weitere Gelegenheit hatte, den Zustand des zeitgenössischen internationalen Kinos und die besonderen Bedingungen der Filmproduktion in Lateinamerika zu überdenken.

Wir setzten unsere Berichterstattung über die Filmfestivals in Berlin und Sydney fort. Vom Festival in Sydney berichtete Richard Phillips über die Ausstrahlung zweier klassischer Filme: der Apu-Trilogie, bei der Satyajit Ray Regie führte und das Drehbuch schrieb, und Marcel Ophuls‘ epische Dokumentation über die deutsche Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg, „Das Haus nebenan – Chronik einer französischen Stadt im Kriege.“ Phillips führte außerdem ein Interview mit dem indonesischen Filmemacher Garin Nugroho.

Die Filmfestivals in Toronto und Vancouver fanden vor dem Hintergrund zweier wichtiger Großereignisse statt – den Anschlägen vom 11. September und der Invasion Afghanistans. Die Probleme künstlerischer Perspektive gewannen angesichts dieser Entwicklungen zusätzliche Bedeutung.

Im November versuchte die Bush-Regierung, die Führungskräfte der amerikanischen Filmindustrie für ihre Kriegstreiberei zu gewinnen, ohne dabei auf übermäßigen Widerstand zu stoßen.

Eine Szene aus Apocalypse Now Redux