WSWS-Chronologie

Das Jahr im Rückblick: 2003

Das Jahr 2003 stellte einen weltgeschichtlichen Wendepunkt dar: Der US-Imperialismus brach in Zusammenarbeit mit allen Großmächten einen brutalen und völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak vom Zaun. Angetrieben von ihren unlösbaren wirtschaftlichen Widersprüchen, ignorierten die imperialistischen Mächte den Widerstand der Mehrheit der Weltbevölkerung – der sich in Protesten mit Millionen von Teilnehmern äußerte – und begannen einen Raub- und Eroberungskrieg.

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Die Vorbereitung des Krieges

Der Beginn des Jahres 2003 stand im Zeichen des unmittelbar bevorstehenden Krieges und einer tiefen Wirtschaftskrise. Die World Socialist Web Site analysierte die grundlegenden Ursachen des kommenden Desasters in mehr als 700 Artikeln und erklärte die einzig mögliche Perspektive für den Kampf gegen den Imperialismus. In dem Artikel „Vor dem Krieg der USA gegen Irak: politische Aufgaben im Jahr 2003“, der am 6. Januar erschien, warnte die WSWS-Redaktion, für die Bush-Regierung sei der Krieg bereits beschlossene Sache.

Nichts, was Bagdad jetzt noch tun könnte, nicht einmal die Beseitigung Saddam Husseins, würde den Einmarsch der USA verhindern. Bushs Gerede, der Irak verstoße gegen UN-Sicherheitsratsresolutionen, ist nur ein durchsichtiger Vorwand. Das Ziel Washingtons ist nicht die "Entwaffnung" des Irak oder selbst die Absetzung Saddam Husseins, sondern die Besetzung des Landes und die Eroberung seiner Ölfelder.

Die Besetzung des Irak sollte nicht der letzte Krieg sein, mit dem die herrschende Klasse Amerikas versuchte, ihre weltweite Vorherrschaft zu verteidigen:

Dieselbe Logik, die dem Krieg gegen den Irak zugrunde liegt, wird zwangsläufig auch Kriege gegen den Iran, Syrien und andere Länder der Region auslösen. Das Streben der USA, die Ölressourcen der Welt zu kontrollieren, wird überdies zu immer heftigeren Konflikten mit anderen mächtigen Nationen führen: Russland, China und Amerikas Rivalen in Europa und Japan, die ebenfalls Anspruch auf die Rolle von Großmächten erheben. Die Eroberung des Irak seitens der USA wird einen Prozess in Gang setzen, dessen logisches Endergebnis ein dritter Weltkrieg ist.

Die Bush-Regierung rechtfertigte ihre Aggression mit immer dreisteren Lügen rund um die Behauptung, Saddam Hussein hätte Beziehungen zu Al Qaida und besitze Massenvernichtungswaffen.

Am 5. Februar hielt US-Außenminister Colin Powell seine berüchtigte Rede vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Am nächsten Tag erschien eine Stellungnahme mit dem Titel „Powells Rede vor der UN - Countdown zum Krieg gegen den Irak“. Die Redaktion der WSWS unterzog sein Plädoyer für einen Krieg einer gründlichen Analyse und schrieb, es basiere „auf der großen Lüge, dass sich der bevorstehende Einmarsch gegen irakische Massenvernichtungswaffen richte und die Bedrohung abwenden solle, die Bagdad für die Sicherheit der USA und für den Weltfrieden darstelle.“

Innerhalb der USA verließ sich Bush darauf, dass die Medien und die Demokratische Partei dem amerikanischen Volk diese Lügen schmackhaft machten. Die Massenmedien erklärten einstimmig, Powells Rede, sei ein „unwiderlegbares Urteil“ über das irakische Regime. Die WSWS schrieb, dass mehrere liberale Kommentatoren gedrängt wurden, ihre uneingeschränkte Unterstützung für Powells Behauptungen zu erklären, noch bevor der Außenminister seine Rede beendet hatte.

Die New York Times bezeichnete Powells Erklärungen als „die bisher stärksten Argumente“. Die Reporter der Times spielten eine wichtige Rolle dabei, die Lügen von Powell und der Bush-Regierung zu propagieren. Die Times-Korrespondentin Judith Miller machte sich zum Sprachrohr des Pentagon und veröffentlichte eine Reihe von Sensationsgeschichten, die die Existenz chemischer und biologischer Waffen beweisen sollten. Der Chefkolumnist des Ressorts Außenpolitik, Thomas Friedman verkörperte mit seinen Versuchen, der Aggression der Regierung ein „demokratisches“ Mäntelchen umzuhängen, den Zynismus und die reaktionäre Haltung des liberalen Establishments.

Kein nennenswerter Teil der Demokratischen Partei stellte sich gegen dieses kriminelle Vorhaben. Die Senatoren Joseph Biden und Dianne Feinstein erklärten sofort, auf Powells Rede gebe es „keine Antwort“. John Kerry, der Präsidentschaftskandidat der Demokraten im Jahr 2004, erklärte, es sei notwendig, sich der „Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen“ entgegenzustellen, und drängte die Bush-Regierung dazu, bei einer Militäraktion um internationale Unterstützung zu werben.

Die Bush-Regierung erhielt auch von anderen Großmächten wichtige Unterstützung, vor allem vom britischen Labour-Premierminister Tony Blair. Blair veröffentlichte eine Reihe von Geheimdienstdossiers mit beängstigenden Behauptungen, unter anderem, dass Hussein versucht hätte, in Niger Uran für Atomwaffen zu kaufen und dass er seine Massenvernichtungswaffen innerhalb von 45 Minuten einsatzbereit machen könne (die Sun titelte dementsprechend im September 2002: „Großbritannien ist 45 Minuten von der Katastrophe entfernt.“)

Die Kriegsvorbereitungen entwickelten sich unaufhaltsam Schritt für Schritt und führten weltweit zu massivem Widerstand. Am 15. und 16. Februar fanden die größten Antikriegsdemonstrationen aller Zeiten statt. Mehr als zehn Millionen Menschen demonstrierten in über 60 Ländern, 600 Städten und auf jedem Kontinent, sogar in der Antarktis. Unter anderem nahmen in Rom drei Millionen Menschen an der größten Antikriegsdemonstration der Geschichte teil. In Madrid gingen eineinhalb Millionen Menschen  auf die Straße, in London eine Million. In den USA fanden mindestens 225 Demonstrationen statt, allein in New York City gingen 400.000 Menschen auf die Straße.

Wie die New York Times nervös schrieb, zeigten die Demonstrationen, dass es auf der Welt zwei Supermächte gebe: „Die Vereinigten Staaten und die öffentliche Weltmeinung.“ Die WSWS schrieb in dem Artikel „ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung“, dass die koordinierte internationale Mobilisierung „jede Illusion in eine demokratische Legitimität des Krieges unmissverständlich zerstört hat“.

Die Massenproteste zeigten nur umso deutlicher, dass diese Stimmung keinen organisierten politischen Ausdruck fand. Die Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) und ihre Unterstützer verteilten das Flugblatt „Vor welchen Aufgaben steht die Bewegung gegen den Krieg?“, in dem sie die Demonstranten aufriefen, sich der Arbeiterklasse zuzuwenden und gemeinsam für ein sozialistisches Programm zu kämpfen.

In den USA stehen nicht nur die Republikaner, sondern auch alle führenden Demokraten geschlossen hinter dem Krieg. Und in Europa akzeptieren selbst jene Regierungen und Parteien, die einen Militärschlag zum jetzigen Zeitpunkt ablehnen, die amerikanische Zielsetzung als glaubwürdig und legitim…

Die Bewegung gegen den Krieg muss in eine starke politische Bewegung der Arbeiterklasse verwandelt werden. Dazu ist ein Programm nötig, das sich auf ein Verständnis der Ursachen und Triebkräfte des Krieges stützt. Nicht Einheit um jeden Preis, sondern Klarheit ist jetzt das Gebot der Stunde.

Wir betonten in unserer Stellungnahme, dass der Widerstand gegen den Krieg nur Erfolg haben könne, wenn er nicht Parteien untergeordnet wird, die „mit einem oder mit beiden Beinen im Lager der bürgerlichen Ordnung stehen, wie die Sozialdemokraten, die Grünen oder die Kommunistische Partei in Frankreich und die PDS in Italien und Deutschland.“

Die Kriegsvorbereitungen gegen den Irak enthüllten wachsende Konflikte zwischen den Großmächten. Die Spannungen stiegen, als der französische Außenminister Dominique de Villepin Versuche der USA verhinderte, die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates für einen Einmarsch im Irak zu erlangen. Frankreich und Deutschland hatten gegen diesen Krieg allerdings keine grundlegenden Einwände. Die WSWS schrieb in einem Artikel gegen Attac: „Wenn Frankreich in der aktuellen Krise pazifistisch ist, dann nur weil es selbst zu schwach ist und keine andere Möglichkeit hat, als Amerikas Pläne mit diplomatischen Anstrengungen zu durchkreuzen. Unter anderen Umständen hätten Paris oder Berlin keine Hemmungen, ihre eigenen räuberischen Eroberungskriege zu führen.“

Diese Einschätzung wurde auch durch den weiteren Kurs der deutschen Regierung untermauert.

Die rot-grüne Regierung unter Schröder und Fischer hatte die Bundestagswahl im Herbst 2002 nur deswegen knapp gewonnen, weil sie heftig gegen die Kriegsvorbereitungen Bushs gegen den Irak polemisiert und sich als Kriegsgegner hingestellt hatte. Ihre wirkliche Haltung wurde aber  sehr schnell klar, als der Krieg ausbrach. Allem Anti-Kriegsgetöse zum Trotz unternahm die Bundesregierung nichts, was die Kriegsführung der USA tatsächlich hätte behindern können. Im Gegenteil erlaubte sie der US-Militärmaschinerie, ihre Stützpunkte in Deutschland für den Aufmarsch gegen den Irak zu nutzen. Der riesige Luftwaffenstützpunkt Ramstein in der Pfalz war ein entscheidender Dreh- und Angelpunkt der US-Armee für den Transport von Soldaten und Nachschub in den Irak. Nicht nur Überflugrechte Richtung Irak wurden gewährt, Schröder stellte sogar zusätzlich Soldaten der Bundeswehr für die Bewachung von Einrichtungen der US-Armee in Deutschland zur Verfügung, um amerikanische Soldaten für den Kriegseinsatz freizumachen.

Auch die ehemalige Friedenspartei Bündnis90/Die Grünen unterstützte diese Haltung ausdrücklich, wie die WSWS am 29. März berichtete.

Deren Fraktionsvorstand erklärte zustimmend, die Bundesregierung werde "trotz ihrer und unserer Ablehnung dieses Krieges die gemäß des NATO-Vertrages gültigen Überflug- und Nutzungsrechte für die amerikanischen und britischen Stützpunkte und deren Schutz in Deutschland nicht in Frage stellen. Soweit diese direkt oder indirekt in den Krieg gegen den Irak einbezogen sind, wird sie dies dulden."

In dem Artikel wiesen wir außerdem darauf hin, dass mit dieser Haltung rechtsstaatliche Grundsätze leichtfertig beiseite geschoben wurden, weil sie einem offensichtlichen Angriffskrieg Vorschub leistete, was die deutsche Verfassung strikt untersagt.

US-Außenminister Powell hält bei seinem Vortrag vor der Uno zur Begründung des Irakkriegs ein Modell-Reagenzglas mit Anthrax hoch.
Der Irakkrieg

Die Weltbevölkerung sah mit Schrecken zu, wie der amerikanische Imperialismus und seine Komplizen mit der Zerstörung der irakischen Gesellschaft begannen. Die WSWS schrieb dazu: „Der 21. März 2003 wird als Tag der Schande in die Geschichte der USA eingehen.“ Bushs „shock and awe“-Luftangriffe verwandelten Bagdad in eine Flammenhölle. Verständlicherweise empfing die irakische Bevölkerung die einmarschierenden Truppen nicht als Befreier, sondern führte in vielen Städten einen erbitterten Guerillakrieg.

Am 21. März, dem Tag an dem der Krieg begann, veröffentlichte die WSWS eine Stellungnahme ihres Chefredakteurs David North mit dem Titel: „Die Krise des amerikanische Kapitalismus und der Irakkrieg“. Darin hieß es:

Die unprovozierte und illegale Invasion des Irak durch die Vereinigten Staaten wird als Niedertracht in die Geschichte eingehen. Die politischen Verbrecher in Washington, die diesen Krieg begonnen haben, und die Schufte in den Massenmedien, die sich über das Blutbad freuen, haben dieses Land mit Schande überzogen. Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt fühlen sich von dem Schauspiel abgestoßen, in dem eine brutale, ungehemmte Militärmacht ein kleines, wehrloses Land zermalmt. Die Invasion des Irak ist ein imperialistischer Krieg im klassischen Sinne des Wortes: Ein bösartiger Angriff im Interesse der reaktionärsten und rücksichtslosesten Teile der amerikanischen Finanz- und Wirtschaftsoligarchie. Sein offenkundiges, unmittelbares Ziel ist die Kontrolle über die umfangreichen irakischen Ölreserven und die Verwandlung des Landes, das seit langem unterdrückt wird, in ein koloniales Protektorat der USA.

Der Einmarsch im Irak war ein Angriffskrieg, eine Form der Kriegsführung, die nach den Erfahrungen des Ersten und Zweiten Weltkrieges völkerrechtlich verboten war. North schrieb: „Der von der Bush-Administration ausgelöste ‚Krieg der Wahl‘ unterscheidet sich in juristischem Sinne nicht grundlegend von den Entscheidungen und Taten, derentwegen die Naziführer im Oktober 1946 verurteilt und gehängt wurden.“

Die herrschende Klasse Amerikas hat den Krieg organisiert, um im Rahmen ihrer Strategie, den wirtschaftlichen Niedergang des amerikanischen Kapitalismus durch den Einsatz militärischer Macht auszugleichen und die irakischen Ölfelder unter ihre Kontrolle zu bekommen. Der Krieg diente außerdem als Mittel, um die explosiven Spannungen innerhalb der Vereinigten Staaten nach außen zu lenken. Der Versuch, die Krise des amerikanischen Kapitalismus durch imperialistische Aggression zu lösen, war jedoch zum Scheitern verurteilt:

Unabhängig davon, wie die ersten Stadien dieses Konflikts ausgehen werden, steuert der amerikanische Imperialismus auf eine Katastrophe zu. Er kann die Welt nicht erobern. Er kann den Massen des Nahen Ostens keine neuen, kolonialen Fesseln anlegen. Er kann seine inneren Krankheiten nicht mit dem Mittel des Kriegs heilen. Im Gegenteil, vom Krieg hervorgerufene unerwartete Schwierigkeiten und wachsender Widerstand werden alle inneren Widersprüche der amerikanischen Gesellschaft verschärfen.

Vertreter der Regierung und Kriegsbefürworter sprachen davon, dass der Krieg schnell vorbei sein werde und die amerikanischen Truppen als Befreier begrüßt würden. Aber schon wenige Tage nach dem Einmarsch widerlegte der Widerstand der Bevölkerung die Propaganda vom „Befreiungskrieg.“ Schon kurze Zeit nachdem die Statue des irakischen Präsidenten Saddam Hussein in einer inszenierten Aktion zu Fall gebracht worden war und die „Schlacht um Bagdad“ für beendet erklärt wurde, entwickelte sich der anfängliche Widerstand der irakischen Massen zu einem offenen Aufstand, der zehn Jahre lang andauern sollte. Wie schwach die Kontrolle der imperialistischen Mächte über das Land war, zeigte sich im August, als der oberste Vertreter der UN im Irak, Sergio de Mello, von einer Autobombe getötet wurde.

Für die irakische Bevölkerung war der Einmarsch eine einzige Katastrophe. Die ganze Gesellschaft wurde zerstört. In dem Artikel „Die Vergewaltigung des Irak“, der eineinhalb Monate nach dem Einmarsch veröffentlicht wurde, verglich die WSWS den Krieg mit den brutalen Eroberungskriegen der Nazis in Europa im 20. Jahrhundert.

Heute liegt der Irak in Trümmern. Ein Feldzug, der eher den Namen Massaker als Krieg verdient, hat vielen Zehntausenden, wenn nicht Hunderttausenden Zivilisten und Soldaten das Leben gekostet. Krankenhäuser, Schulen, Kraftwerke, Trinkwasserversorgung und Abwasserreinigung, Abfallbeseitigung und viele weitere Bereiche der Infrastruktur, die für das Funktionieren einer großenteils städtischen Gesellschaft unabdingbar sind, wurden zerschlagen. Cholera und andere Krankheiten haben epidemische Ausmaße erreicht.

Der Leitartikel beschrieb detailliert die Wirtschaftsinteressen und die Pläne zur Privatisierung und Plünderung der irakischen Rohstoffe, um die es ging. Dieser „Krieg für die Demokratie“ machte zahllose Millionen Iraker zu Flüchtlingen, Waisen, Invaliden oder kostete ihr Leben. Wie scheinheilig der Vorwand der Massenvernichtungswaffen war, wurde besonders deutlich, als die Imperialisten Cluster-Bomben und Uranmunition gegen die irakische Bevölkerung einsetzten.

Im Mai verkündete Bush in seiner berüchtigten „Mission Accomplished“-Rede das Ende der größeren Kampfhandlungen im Irak. Nachdem der UN-Sicherheitsrat auf diese Weise vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, gab er seinen Widerstand schnell auf und stimmte für die weitere militärische Besetzung des Irak durch die USA und Großbritannien. Damit war den Verbrechen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft die Absolution erteilt.

Während sich der Krieg weiter hinzog, entlarvte die WSWS auch weiterhin die betrügerische „Antikriegshaltung“ von Frankreich und Deutschland, die versuchten, die UN zu benutzen, um ihren eigenen Einfluss zu vergrößern, europäischen Unternehmen Zugang zum irakischen Öl zu verschaffen und den europäischen Konzernen eine Rolle beim Wiederaufbau zu verschaffen. Bundeskanzler Gerhard Schröder passte seine politische Rhetorik zwar an die starke Antikriegsstimmung in der deutschen Bevölkerung an, aber er und sein Koalitionspartner, die Grünen, unterstützten schon bald die Besetzung des Irak und erlaubten dem US-Militär die Nutzung des Luftwaffenstützpunktes Ramstein, der zum wichtigsten Knotenpunkt für den Transport von Soldaten und militärischem Nachschub in das Kriegsgebiet wurde.

Als nicht mehr zu leugnen war, dass der Irak nie Massenvernichtungswaffen besessen hatte, brach das ganze Lügengebilde der Imperialisten in sich zusammen. Die britische Regierung reagierte auf Forderungen nach einer Untersuchung der Rolle von Premierminister Tony Blair bei der Vorbereitung der angeblichen Kriegsgründe zunächst mit Vertuschungen oder Beschönigungen, aber nach dem Tod des Whistleblowers und UN-Waffeninspektors David Kelly kamen weitere Forderungen auf. Diese führten zur Hutton-Untersuchung, die unwiderlegbare Beweise lieferte, dass Blair und führende Mitglieder der britischen Regierung gelogen hatten.

Im Dezember wurde Saddam Hussein gefangen genommen. Mitglieder der Bush-Regierung und die Medien forderten einen schnellen Prozess und die Hinrichtung des ehemaligen Staatsoberhauptes. Die WSWS schrieb in einem Leitartikel: „Washington hat gute Gründe, ein öffentliches Gerichtsverfahren gegen Hussein zu vermeiden. [...] Die größten Verbrechen seines Regimes am irakischen Volk - der iranisch-irakische Krieg, die Verfolgung der Schiiten und Kurden, usw. - verübte er mit aktiver Unterstützung Washingtons.“

Die Medien spielten bei der Vorbereitung des Kriegs eine wichtige Rolle. Sie erreichte ihren logischen Höhepunkt, als er schließlich begann: Sie zensierte bereitwillig alle Hinweise auf das menschliche Leid im Irak und nahm mit hunderten von „eingebetteten Journalisten“ willig am Einmarsch teil.

Ein US-Soldat bewacht eine brennende Ölquelle im irakischen Rumallah
Eine weltweite Krise

Der Irakkrieg war zwar der schmutzigste Ausdruck der Krise des amerikanischen und des Weltkapitalismus, aber sie führte rund um den Globus zu politischen Unruhen und sozialen Katastrophen. Rosa Luxemburgs Beschreibung der Gesellschaft zu Beginn des Ersten Weltkriegs – „gestört, entehrt, in Blut watend, vor Schmutz triefend“ – fand in vielen Ländern ihr schreckliches Echo.

In Israel nahm zeitgleich mit Bushs Vorbereitungen des Irakkriegs die Brutalität von Premierminister Ariel Sharon zu. Nachdem Sharons Regierung im Januar wiedergewählt worden war, verschärfte sie ihre Politik der „Kollektivbestrafung“ im Westjordanland und im Gazastreifen. Sie verringerte die Verteilung von Nahrung vorsätzlich so stark, dass viele Palästinenser mit einer Mahlzeit am Tag auskommen mussten. Scharon weitete den Bau illegaler Siedlungen, den zwei Milliarden Dollar teuren „Sicherheitswall“, der die palästinensischen Gemeinden absperren sollte, und die Kontrolle der Bevölkerung durch Scharfschützen aus. 

Am 16. März 2003 wurde die amerikanische Studentin Rachel Corrie bei einer Protestaktion gegen den Abriss von Wohnungen im Süden des Gazastreifens von einem israelischen Militärbulldozer absichtlich überfahren. Ihr brutaler Tod sorgte weltweit für Empörung. Anfang Oktober befahl Scharon außerdem einen Bombenangriff auf Syrien, was die Gefahr eines größeren Krieges im Nahen Osten barg.

Im Juni 2003 sandte die Europäische Union (EU) ein politisches Signal über den Atlantik und unternahm ihre erste unabhängige Militäroperation: Sie schickte 1400 Soldaten in die Demokratische Republik Kongo. Mit einem Gipfeltreffen Frankreichs und mehrerer afrikanischer Staaten Anfang des Jahres in Paris unter dem Thema „Afrika und Frankreich zusammen in einer neuen Partnerschaft“ zeigten die Europäer den USA, dass sie nicht die einzige Weltmacht waren, die in der Lage war, internationale Militäroperationen durchzuführen. Frankreich vergrößerte auch seine Truppenkontingente in der Elfenbeinküste, einer strategisch wichtigen ehemaligen Kolonie, in der damals ein Bürgerkrieg tobte.

Im Juli begann die indonesische Regierung unter Präsidentin Megawati Sukarnoputri eine vernichtende Offensive gegen die separatistische Bewegung Freies Aceh im Norden von Sumatra. Sie betonte, dass der brutale Militäreinsatz, an dem mehr als 30.000 Soldaten, 13.000 Polizisten, Panzerfahrzeuge, Kampfflugzeuge und Artillerie beteiligt waren, von den USA, Australien und anderen Großmächten stillschweigend toleriert wurde.

Im gleichen Monat entsandte die rechte australische Regierung unter Premierminister Howard außerdem Truppen, um die Salomonen, ein ehemaliges Kolonialgebiet östlich des rohstoffreichen Papua-Neuguinea unter Kontrolle zu bringen. Die WSWS erklärte später in einer Stellungnahme der Redaktion, dass der australische Imperialismus dem militaristischen Beispiel der Bush-Regierung folge, auch wenn er sich auf seine Einflusssphäre im Südpazifik begrenzt

Am 18. Oktober musste der von den USA unterstützte Präsident Boliviens, Gonzalo Sanchez de Lozada, zurücktreten und in die USA ins Exil fliehen, nachdem er angeordnet hatte, unbewaffnete Demonstranten zu erschießen. Sein Rücktritt war der Höhepunkt einmonatiger Proteste und Streiks gegen die Privatisierung der Öl- und Gasvorkommen. Nur wenige Tage vorher waren bei Übergriffen des Militärs auf Bauern auf dem Land und Arbeiter in der Stadt 86 Demonstranten getötet worden. Die WSWS verband diese Ereignisse mit den amerikanischen Aggressionen gegen den Irak und betonte, dass diese Unterdrückung die wirtschaftliche Hegemonie der USA in der Region verteidigen und die soziale Revolte niederschlagen sollte, da Washington fürchtete, sie könne sich auf ganz Lateinamerika ausbreiten.

Im November wurde in der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien Präsident Eduard Schewardnadze durch die „Rosenrevolution,“ die erste der sogenannten „Farbenrevolutionen,“ gestürzt. Die WSWS befasste sich in einem Artikel mit dem Titel „Die ‚Rosenrevolution‘ in Georgien: ein Putsch made in USA“ mit dem Gerede der Imperialisten über „Demokratie“ und erklärte: 

Für Washington ist die Gewährleistung einer relativen Stabilität in Georgien unter einem klar pro-amerikanischen Regime von äußerster Dringlichkeit. Die Interessen der großen amerikanischen Energiekonzerne und die globalen militärischen und strategischen Ziele des amerikanischen Imperialismus insgesamt fließen in dieser Frage zusammen. Hier liegen die Wurzeln der so genannten ‚Rosenrevolution‘, die im November Eduard Schewardnadse zu Fall brachte.

In Sri Lanka inszenierte Präsidentin Chandrika Kumaratunga im gleichen Monat einen Staatsstreich und entließ den Verteidigungs-, den Innen- und den Informationsminister, allesamt Mitglieder der konservativen United National Party (UNP), die im Parlament die Mehrheit hatte. Danach übernahm sie selbst die Kontrolle über die Sicherheitskräfte, obwohl ihre Partei in der Minderheit war.

Im Jahr 2003 kam es in Europa außerdem zu massiven Sozialkürzungen und, als Reaktion darauf, zu Protesten. In Deutschland setzte die rot-grüne Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder die schwersten Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse seit dem Zweiten Weltkrieg durch. Aufgekündigt wurden nicht nur soziale Leistungen, sondern auch der gesellschaftliche und politische Konsens, der ein halbes Jahrhundert lang das Fundament der Bundesrepublik gebildet hatte.

In allen bürgerlichen Medien und politischen Lagern wurde ein Trommelfeuer gegen die sozialen Errungenschaften der Arbeiter und gegen den Sozialstaat entfacht. Gefordert wurden "nachhaltige Steuersenkungen auf allen Ebenen, verbunden mit entscheidenden Einschnitten bei den Sozialleistungen". (Die Welt).

Kanzler Schröder kam dieser Aufforderung nach. Aufkeimenden Widerstand in der SPD bügelte er mit der ultimativen Forderung ab, entweder seine Politik zu unterstützen, andernfalls werde er zurücktreten. 

Die WSWS erklärte am 16. Mai in einem Flugblatt unter der Überschrift „Die politischen Aufgaben im Kampf gegen die Agenda 2010“:

Der Kampf gegen die Agenda 2010“ erfordert eine völlig andere politische Perspektive, als sie die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer vertreten. Im Zeitalter der Globalisierung können soziale und demokratische Rechte nicht im nationalen Rahmen verteidigt werden. (…) Dazu muss eine neue internationale Arbeiterpartei aufgebaut werden, die für eine sozialistische Perspektive kämpft.

Im November demonstrierten in Berlin hunderttausende Arbeiter und Arbeitslose, obwohl die Gewerkschaften diese Veranstaltung boykottierten.  Auf dieser Demonstration verteilte die WSWS ein Flugblatt mit dem Titel „Eine politische Antwort auf Sozialabbau und Krieg“, in dem sie die Verbindung zwischen der unsozialen Politik der Schröder-Regierung und ihrer faktischen Unterstützung für den Irakkrieg erklärte.

Im übrigen Europa kam es zu ähnlichen Kämpfen. Am 13. Mai demonstrierten mehr als eine Million Arbeiter in Frankreich gegen die „Rentenreform.“  Der Niedergang der Lebensbedingungen zeigte sich an einer Welle von Hitzetoten in ganz Europa, vor allem in Frankreich, einer der führenden Industrienationen. Hier starben mehr als 10.000 Menschen, vor allem Ältere, wegen fehlender Klimaanlagen und Lüftungen.

Im Dezember demonstrierten in Italien eine Million Arbeiter gegen die „Rentenreform“ der rechten Regierung Berlusconi. In Österreich beteiligten sich 500.000 Arbeiter am größten politischen Streik seit 50 Jahren gegen massive Rentenkürzungen durch die konservative Regierung.

In Kanada kam es Anfang Dezember zu Massenprotesten und Streiks gegen die Angriffe der neugewählten liberalen Regierung von Quebec auf den öffentlichen Dienst und die Rechte der Arbeiter. Die Gewerkschaften torpedierten diesen Widerstand, indem sie einen „Weihnachtsfrieden“ verkündeten und leere Drohungen mit einem Generalstreik im neuen Jahr aussprachen.

Im September stimmten die Wähler in Schweden gegen die Einführung des Euro. Nur achtzehn Monate nach seiner Einführung in zwölf der damals fünfzehn EU-Mitgliedsstaaten galt die neue Währung bereits als Instrument für die Senkung des Lebensstandards der breiten Masse der Bevölkerung.

Zwei Entwicklungen in den USA zeigten den Niedergang der Stellung des amerikanischen Kapitalismus: zum einen die Columbia-Katastrophe. Sie war der zweite katastrophale Unfall eines Spaceshuttle, bei dem die gesamte Besatzung getötet wurde. Die WSWS veröffentlichte eine Serie von Artikeln über die Krise, in der sie das einstmals hochgelobte amerikanische Raumfahrtprogramm in seinem historischen und sozialen Kontext untersuchte.

Im August kam es in den USA und Kanada in der Region um die Großen Seen zu einem Stromausfall, durch den Dutzende Millionen Menschen mehr als einen Tag lang keinen Strom hatten. Genau wie die Spaceshuttle-Katastrophe zeigte auch der Stromausfall das Versagen des Kapitalismus, der sich als unfähig erwies, komplexe technische Systeme am Laufen zu halten. Das Profitstreben ist ihm wichtiger als das soziale Bedürfnis nach rationaler, langfristiger Planung.

Die von einem israelischen Bulldozer ermordete Rachel Corrie. Sie protestierte gegen die Zerstörung palästinensischer Häuser.
Internationales Komitee der Vierten Internationale

Das IKVI stellte im Jahr 2003 den Kampf gegen Krieg und Imperialismus ins Zentrum seiner Arbeit und organisierte eine Reihe von öffentlichen Konferenzen, um die weltgeschichtliche Bedeutung des Irakkrieges zu erklären und im Kampf gegen den Militarismus einen Ausweg für die Arbeiterklasse auszuarbeiten. „Sozialismus und der Kampf gegen Imperialismus und Krieg: Strategie und Programm einer neuen internationalen Arbeiterbewegung“ war der Titel von Konferenzen in Ann Arbor, Michigan vom 29. bis 30. März – nur eine Woche nach Beginn des Krieges – und vom 5. bis 6. Juli in Sydney, Australien. An beiden Veranstaltungen nahmen Arbeiter und Jugendliche aus aller Welt teil. 

Der Vorsitzende der Redaktion der WSWS, David North, hielt auf der Konferenz in Ann Arbor die Eröffnungsrede mit dem Titel: „Die Krise des amerikanischen Imperialismus und der Krieg gegen den Irak.“

Zwei Fälle machten deutlich, dass Regierungen in aller Welt die Bush-Regierung in ihrem „Krieg gegen den Terror“ unterstützten: der Fall von Maher Arar, der im Auftrag der USA und mit Unterstützung der kanadischen Regierung in Jordanien und Syrien gefoltert wurde, und der Fall von David Hicks. Die australische SEP führte eine Kampagne zur Verteidigung von David Hicks, einem Australier, der zum Islam übergetreten war. Er wurde in Afghanistan gefangengenommen, nach Guantanamo transportiert und dort jahrelang festgehalten, ohne dass es einen Beweis gegeben hätte, dass er ein Verbrechen begangen hätte. Die WSWS führte ein Interview mit seinem Vater Terry Hicks, der sich für die Freilassung seines Sohnes einsetzte, und berichtete über die Kämpfe der Familien von Hicks und eines anderen australischen Gefangenen in Guantanamo Bay namens Mamdouh Habib. Sie versuchten die Mauer des Schweigens der Howard-Regierung, der Labor Party und der Medien zu durchbrechen.

In Australien kämpfte die SEP außerdem gegen die Verfälschung der Geschichte durch ein reaktionäres Buch über die Geschichte der australischen Ureinwohner von Keith Windschuttle. Die SEP verurteilte außerdem den Prozess gegen Pauline Hanson und David Ettridge, zwei führende Mitglieder der One Nation Party, die zu Haftstrafen verurteilt wurden. Die WSWS lehnte zwar die reaktionären politischen Einstellungen der One Nation Party ab, erklärte aber auch die undemokratischen Folgen des Verfahrens, das von pseudolinken Gruppen wie der International Socialist Organization unterstützt wurde.

Im Oktober erlitt die Demokratische Partei in Kalifornien bei der Widerrufswahl eine historische Niederlage und Gouverneur Gray Davis musste zurücktreten. Zuvor hatten ultrarechte republikanische Millionäre eine Petition für die Widerrufswahl finanziert. Davis’ Nachfolger wurde der Republikaner Arnold Schwarzenegger. Davis war im Jahr 2002 als Gouverneur wiedergewählt worden, aber seine Beliebtheit war stark gesunken, nachdem er eine starke Erhöhung der Strompreise, massive Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitswesen und eine Verdreifachung der Autozulassungsgebühren durchgesetzt hatte.

Die amerikanische Socialist Equality Party beteiligte sich mit dem unabhängigen Kandidaten John Christopher Burton, einem Bürgerrechtsanwalt, an der Widerrufswahl. Die SEP nahm in der Wahl eine prinzipienfeste Haltung ein: sie forderte, bei der Abstimmung über den Widerruf mit „Nein“ zu stimmen und informierte die Arbeiter über die gefährliche und reaktionäre Manipulation des Wahlprozesses. Gleichzeitig schickte sie einen Kandidaten in das Rennen, der die Angriffe von Demokraten und Republikaner auf soziale Bedingungen ablehnte.

Während des Wahlkampfs verteilte die Partei tausende von politischen Stellungnahmen in Englisch und Spanisch und analysierte die Wurzeln der kalifornischen Finanzkrise und ihre Verbindung zum Krieg und dem Niedergang der bürgerlichen Demokratie. Die SEP entlarvte den Kandidaten der Grünen, das ehemalige SWP-Mitglied Peter Camejo, der durch seine aktive Unterstützung für die Widerrufswahl seine opportunistische Verachtung für demokratische Rechte zeigte.

Die Kampagne der SEP war Teil einer breiten Hinwendung zur Arbeiterklasse. Ihr Kandidat und seine Anhänger besuchten streikende Beschäftigte von Verkehrsbetrieben und Supermärkten in Südkalifornien um ihre Solidarität zu zeigen. Burton kam mit mehr als 6200 Stimmen auf den vierzehnten Platz von 135 Kandidaten. Die Kampagne fand ihren Höhepunkt in einer öffentlichen Veranstaltung in Los Angeles mit dem Titel „Die Krise in Kalifornien: Eine sozialistische Politik für die arbeitende Bevölkerung“.

Im November und Dezember veranstaltete das IKVI anlässlich des 50. Jahrestags seiner Gründung Versammlungen in Frankfurt, London, Colombo und Sydney. Das IKVI war aus dem Kampf gegen den pablistischen Revisionismus in der Vierten Internationale entstanden. Das Internationale Komitee ist die internationale Partei der sozialistischen Revolution, die von Leo Trotzki gegründet worden ist. Am 16. November 1953 veröffentlichte die Socialist Workers Party ihren berühmten „offenen Brief“, in dem sie orthodoxen Trotzkisten in aller Welt zu einem gemeinsamen Kampf gegen die revisionistische Tendenz unter Führung von Michel Pablo aufrief, der damals Sekretär der Vierten Internationale war.

David North sagte auf dem Treffen in Colombo über diese Geschichte:

So gut wie alle, die an diesem Kampf aktiv beteiligt waren, sind inzwischen von der Bühne abgetreten. Aber die politischen Prinzipien, für die sie einstanden, bleiben bestehen und gewinnen in der heutigen Zeit enorme politische Bedeutung. Und wir werden beweisen, dass es tatsächlich möglich ist, die stärksten politischen Parteien der Welt auf der Grundlage des Marxismus aufzubauen. Das ist die Bedeutung dieses Jahrestags.

Der ehemalige Gefangene in Guantánamo Bay, David Hicks, im Jahr 2012
Kultur und der Irakkrieg

Der Irakkrieg warf im Jahr 2003 einen merkbaren Schatten auf das künstlerische und kulturelle Leben, der sich am besten an der Verhüllung von Picassos berühmtem Antikriegsgemälde „Guernica“ kurz vor Powells Kriegsrede vor dem UN-Sicherheitsrat zeigte. Der US-Imperialismus war auch an einem wörtlich zu nehmenden Schlag gegen die menschliche Kultur mitschuldig, indem er nach dem Einmarsch im Irak die Plünderung des Nationalmuseums und die Zerstörung der Nationalbibliothek zuließ. 

Trotz der eifrigen Bemühungen der Medien und der Unterhaltungsindustrie, jede Antikriegsstimmung auszublenden und zu zensieren, hatten einige Künstler trotzdem den Mut, ihren Widerstand zu äußern. Obwohl ihre Ansichten durch pazifistische Illusionen und politische Desorientierung beeinflusst waren, versuchten prominente Persönlichkeiten aus der Filmindustrie und anderen Bereichen der Kunst, gegen den Strom der Reaktion zu schwimmen – unter anderem die Schauspieler Sean Penn und Martin Sheen, die Countrymusikgruppe Dixie Chicks und eine Reihe von Künstlern bei der Oscarverleihung.

Die WSWS weitete ihre Berichterstattung über Kunst aus und vertiefte sie. Es erschienen Artikel über eine breite Palette von Themen, unter anderem über die Werke von Francis Bacon, den Streik der Musiker an der Englischen Nationaloper, eine Ausstellung von Zeichnungen von Leonardo da Vinci und der Skulpturen von Edgar Degas.

Im Bereich Film drückten die Oscar-Nominierungen in etwas begrenzter Form die widersprüchlichen Trends im künstlerischen Leben Amerikas aus: Einerseits gab es Versuche, sich mit einem der tragischsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts objektiv und mit Mitgefühl auseinanderzusetzen (Roman Polanskis Der Pianist), andererseits Trends gab es zunehmender Engstirnigkeit und Solipsismus („The Hours – von Ewigkeit zu Ewigkeit“) und zuletzt die zunehmende Tendenz einer Schicht rückständiger Künstler, die Bevölkerung mit hemmungsloser Misanthropie zu betrachten („Gangs of New York“).

Auf internationalen Filmfestivals wurden interessante Filmen gezeigt, und die WSWS konnte ausführlich aus Vancouver, Toronto, Buenos Aires, Berlin und Sydney berichten. Außerdem gab es Nachrufe auf die Karrieren des japanischen Filmemachers Ikiru Kurosawa, den deutschen Regisseur Rainer Werner Fassbinder, und die Hollywoodschauspieler Katherine Hepburn und Gregory Peck. Es erschienen außerdem Kommentare über den Regisseur und McCarthy-Informanten Elia Kazan und die NS-Filmregisseurin Leni Riefenstahl.

Schließlich berichtete die WSWS auch über andere Bereiche der menschlichen Kultur, vor allem analysierte sie die Auswirkungen neuer Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie wie das Humangenomprojekt und die Entdeckung der ältesten Fossilien des modernen Menschen in Äthiopien und gab eine Einschätzung über die Bedeutung der SARS-Epidemie, einer der größten Epidemien der modernen Zeit.

Ausschnitt aus dem Wandgemälde Guernica von Picasso im Gebäude der Vereinten Nationen