WSWS-Chronologie

Das Jahr im Rückblick: 2010

Die Ereignisse des Jahres 2010 haben gezeigt, dass die Rezession, die durch den Finanzkrach von 2008 ausgelöst wurde, nicht nur ein zyklischer Abschwung war, sondern ein fundamentaler Zusammenbruch des Systems des Weltkapitalismus und ein Wendepunkt in den Klassenbeziehungen von internationalem Ausmaß.

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Als Reaktion auf die Staatsschuldenkrise und vor allem den Staatsbankrott von Griechenland und Irland gingen die europäischen herrschenden Klassen zu einer brutalen Sparpolitik über. Sie lösten eine soziale Konterrevolution aus, die auf die Zerstörung des europäischen Sozialsystems der Nachkriegszeit abzielt. In den USA begann die Obama-Regierung unter dem Deckmantel von „Reformen“ mit schweren Angriffen auf das Gesundheitswesen und das Land erlebte die tiefste Rezession seit den 1930er Jahren.

Eine Reihe von Naturkatastrophen und gesellschaftlichen Dramen, angefangen mit dem Erdbeben in Haiti im Januar, das 200.000 Menschenleben kostete, zeigte die Folgen sozialer Ungleichheit und des historischen Scheiterns des kapitalistischen Systems.

Die internationalen Beziehungen wurden zunehmend instabil. Der amerikanische Imperialismus blieb die treibende Kraft bei militärischen Aggressionen im Irak und in Afghanistan, die sich letzten Endes gegen den Iran und China richteten. Dies ging einher mit weltweiten Angriffen auf demokratische Rechte, da die herrschenden Klassen aller Länder Unterdrückungsmaßnahmen vorbereiteten, um auf massiven Widerstand und soziale Unruhen zu reagieren.

Als Vorbereitung auf wichtige Entwicklungen im Klassenkampf hielten die australische, britische und deutsche Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale Gründungskongresse ab, während der 1. Kongress der amerikanischen SEP ein Parteiprogramm annahm. In diesem Jahr gab es auch wichtige Entwicklungen im Kampf des IKVI zur Verteidigung der Ideen und des Vermächtnisses von Leo Trotzki. 

Zusammenstöße zwischen Polizisten und Demonstranten während Unruhen am 1. Mai in Athen
Soziale Konterrevolution und das Wiederaufleben des Klassenkampfes

Der nationale Vorsitzende der amerikanischen Socialist Equality Party und der nationale Sekretär Joseph Kishore fassten in ihrem Bericht für eine nationale Mitgliederversammlung die Erfahrungen der ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts zusammen. Die Euphorie zu Beginn des neuen Jahrtausends hatte sich unter dem Eindruck der Krise in Schwermut verwandelt. Das Magazin Time fasste diese Stimmung mit der Schlagzeile „Das Jahrzehnt aus der Hölle“ zusammen.

Der Bericht erklärte, dass es zwei diametral entgegengesetzte Klassenreaktionen auf den internationalen Finanzzusammenbruch gebe:

Der Zusammenbruch der Jahre 2007/2008 setzte eine umfassende Neuordnung der globalen geopolitischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Beziehungen in Gang. Die Krise, die aus diesem Prozess der Erschütterung entspringt, kann nur auf eine von zwei Weisen gelöst werden. Die kapitalistische Lösung beinhaltet eine drastische Senkung des Lebensstandards der amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse, Repression nach Innen, die Zerschlagung der demokratischen Rechte der Arbeiterklasse und den Einsatz militärischer Gewalt in einem Ausmaß, wie es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehen wurde. Die einzige Alternative zu diesem kapitalistischen Szenario ist die sozialistische Lösung: Das heißt die Machtübernahme der amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse, die Errichtung einer demokratischen Kontrolle der Bevölkerung über die industriellen, finanziellen und natürlichen Ressourcen, die Entwicklung einer wissenschaftlich geplanten Weltwirtschaft, die der Bedürfnisbefriedigung der Gesellschaft als Ganzer dient und nicht dem zerstörerischen Streben nach Profit und persönlichem Reichtum folgt.

Griechenland wurde zum Präzedenzfall für die kapitalistische „Lösung“ in Europa und der Welt und stellte ein neues Stadium des Klassenkampfs dar. Die Europäische Union, der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank agierten im Auftrag der Finanzaristokratie und die deutsche Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel gab den Takt vor. Die Arbeiter ganz Europas wurden in einen gemeinsamen Kampf gegen das global organisierte Kapital geworfen.

Zum Ende des vergangenen Jahres waren Griechenlands Staatsanleihen herabgestuft worden und die sozialdemokratische Pasok-Regierung unter Giorgos Papandreou, die versprochen hatte, die Arbeiterklasse „bluten“ zu lassen, kürzte die Sozialausgaben. Dennoch bezeichneten die Finanzminister der Europäischen Union diese Maßnahmen als unzureichend und stellten Griechenland unter Zwangsverwaltung.

Die griechische Bevölkerung reagierte auf die Sparmaßnahmen mit einem Generalstreik, an dem zwei Millionen Arbeiter teilnahmen. Im April setzte Standard & Poor’s Griechenlands Staatsanleihen auf Ramsch-Status, was zu starken Zinserhöhungen führte und den Staat an den Rand des Bankrotts brachte. Gegen Massenproteste setzte die Regierung von Premierminister Papandreou weitere Entlassungen und Rentenkürzungen durch und erhielt dafür ein Rettungspaket von 110 Milliarden Euro.

Die WSWS wies in einem Statement auf die revolutionären Auswirkungen der Krise hin:

Die drohende Gefahr eines Staatsbankrotts zeigt zwei klare Alternativen auf: Entweder wird die herrschende Klasse ihren Reichtum behalten und die Arbeiter verarmen, oder die Arbeiter werden die herrschende Klasse enteignen. Die Aufgabe der Arbeiter ist es nun, die volle politische und historische Bedeutung des bevorstehenden Kampfs zu verstehen.

Die europäische Krise begünstigte heftige Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse. Mitte Mai warnte der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, dass der Kontinent in der „schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg“ sei, „vielleicht sogar seit dem Ersten Weltkrieg.“ Es gab Berichte von erhitzten Treffen zum Thema Griechenland, auf denen die Staatsoberhäupter und Regierungschefs von Frankreich und Deutschland aufeinander prallten. Die Zukunft des Euro wurde in Frage gestellt. Die WSWS schrieb in „Das Gespenst großer Katastrophen kehrt zurück“:

Als 1991 die Sowjetunion aufgelöst wurde, weil die reaktionären stalinistischen Regimes den Sozialismus verraten hatten, proklamierten die Propagandisten des globalen Kapitalismus den historischen Triumph des Markts. Die revolutionären Kämpfe des zwanzigsten Jahrhunderts gegen den Kapitalismus wurden als fehlgeleitete Versuche hingestellt, die zum Scheitern verurteilt waren, und als Abweichungen vom "normalen" Verlauf der Geschichte. Die materialistische Geschichtsauffassung des Marxismus und seine Analyse der Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise wurden für widerlegt erklärt.

Nun werden die Widerlegungen des Marxismus durch die objektive Entwicklung der Krise des Weltkapitalismus widerlegt. Die Krise hat jetzt eine derartige Stufe erreicht, dass führende Repräsentanten des Systems das Gespenst von Katastrophen beschwören, wie sie im letzten Jahrhundert Dutzende Millionen Menschen das Leben gekostet haben.

Bei der Durchsetzung ihrer Angriffe auf die griechischen Arbeiter verließ sich die herrschende Klasse stark auf die Gewerkschaften und ihre Kollaborateure in der kleinbürgerlichen ex-linken SYRIZA, (einer Koalition aus pseudolinken Gruppierungen, unter anderem ehemaligen Stalinisten, Pablisten, „staatskapitalistischen“ Gruppierungen und Umweltschutzorganisationen) und der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE). Es war die Aufgabe dieser Organisationen, den Widerstand im Rahmen des politischen Establishments zu halten. Alex Lantier und John Vassilopoulos schrieben über eine Demonstration in Athen am 14. Mai:

Syriza ihrerseits desorientiert und demoralisiert die oppositionellen Strömungen in der Arbeiterklasse. Eine der führenden Fraktionen von Syriza, der "Flügel für Erneuerung", tritt gar für eine offene Koalition mit der Pasok ein.

Vor diesem Hintergrund stach an dieser Versammlung von Syriza am meisten hervor, dass keinerlei Forderung nach dem Sturz dieser Regierung erhoben wurde, obwohl die Politik der Regierung Papandreou völlig unpopulär und antisozial ist. Stattdessen forderten die Hauptredner - der Fraktionsvorsitzende von SYRIZA im Parlament, Alexis Tspiras, und der ehemalige Abgeordnete Manolis Glezos - eine lockerere Geldpolitik und schürten den griechischen Chauvinismus.

Im Juli und August widersetzten sich 33.000 Lastwagenfahrer der Pasok-Regierung und organisierten einen sechstägigen Streik gegen die Maßnahmen des IWF, mit dem sie die griechische Wirtschaft lahmlegten. Als das Überleben der Regierung gefährdet war, kamen ihr die Gewerkschaften und Syriza zu Hilfe und verurteilten den Streik als „illegitime Erpressung.“ Dies ermöglichte es der Regierung, das Militär zu mobilisieren und den Streik niederzuschlagen.

Im Gegensatz zu den reaktionären Appellen der pseudolinken Organisationen an den griechischen Nationalismus setzte sich die WSWS stets dafür ein, die griechische Arbeiterklasse auf der Grundlage der internationalistischen Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu verteidigen.

Die europäischen Regierungen und der IWF setzten in der ganzen Eurozone ähnliche Kürzungen wie in Griechenland durch, um Defizite in Höhe von 400 Milliarden Euro abzubauen. Diese Angriffe auf den Sozialstaat umfassten Kürzungen in Höhe von 80 Milliarden Euro in Spanien, zwei Milliarden Euro in Portugal und 24 Milliarden Euro in Italien. Die Schuldenkrise bedrohte auch die verarmten Staaten Osteuropas. Lettland, Rumänien und Ungarn hatten beim IWF bereits Schulden in Milliardenhöhe.

Irland erhielt im November ein Rettungspaket in Höhe von 110 Milliarden Euro und die irischen Banken eine direkte Geldspritze in Höhe von 35 Milliarden Euro. Wie bei allen derartigen Rettungsaktionen wurden die Hedgefonds und Anleihenbesitzer bevorzugt behandelt. Die Auszahlung der Gelder wurde nur unter der Prämisse von Angriffen auf die Arbeiterklasse gezahlt.

In Frankreich forderte die Regierung Sarkozy Kürzungen in Höhe von 100 Milliarden Euro. Im März demonstrierten über eine Million Angestellte des öffentlichen Diensts und der Regierung; mehr als 600.000 Arbeiter und Jugendliche nahmen an 177 Demonstrationen teil. Die Gewerkschaften organisierten angesichts des wachsenden Widerstandes in der Bevölkerung gegen die Kürzungen acht landesweite „Aktionstage.“ Sie wollten aber die Regierung nicht gefährden, geschweige denn stürzen. Im Gegenteil, hinter dem Rücken der Arbeiterklasse beteiligten sich die Gewerkschaften daran, die Kürzungen durchzusetzen.

Im Herbst drohten die Streiks der französischen Ölraffineriearbeiter, die Wirtschaft zum Erliegen zu bringen, aber die Sarkozy-Regierung setzte die Polizei ein, um den Streik gewaltsam zu beenden. Die Gewerkschaften unternahmen nichts, um die Arbeiter zu verteidigen, sondern unterstützten den Streikbruch sogar. Die Neue Antikapitalistische Partei (NPA), die darauf beharrte, dass nur die Gewerkschaften das Recht haben, Arbeitskämpfe zu führen, spielte eine wichtige Rolle in diesem Verrat.

In Großbritannien fand im Mai die erste Wahl seit Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 statt. Der Stimmenanteil der Labour Party, die zuvor dreizehn Jahre an der Macht war, sank auf ein Rekordtief der Nachkriegszeit. Die Konservativen bildeten eine Koalition mit den Liberaldemokraten, um Labour durch eine Regierung unter David Cameron zu ersetzen, die brutale Angriffe auf die Arbeiterklasse begann.

Die britische SEP veröffentlichte eine Stellungnahme, in der sie erklärte, Camerons konservativ-liberaldemokratische Koalition werde die gleichen Maßnahmen umsetzen, die die EU und der IWF in Griechenland, Irland, Spanien und anderen krisengeplagten Staaten der Eurozone gefordert hatten, was unweigerlich zu Massenkämpfen der Arbeiterklasse führen werde.

Das Jahr endete mit unheilvollen Ereignissen: im Dezember setzte die spanische Regierung – wie zuvor die griechische und französische – das Militär gegen streikende Arbeiter ein. Die spanischen Fluglotsen hatten sich in Massen krank gemeldet, um gegen die teilweise Privatisierung der Flughafenbehörde zu protestieren. Als Reaktion darauf verhängte die Regierung einen fünfzehntägigen Notstand – zum ersten Mal seit dem Sturz der faschistischen Diktatur im Jahr 1975. Die 2.200 Fluglotsen wurden mit Waffengewalt an die Arbeit zurückgetrieben und unter militärische Disziplin gestellt. Einige Fluglotsen schrieben der WSWS. Einer von ihnen erklärte: „Wir haben ähnliche Zustände wie in Russland unter Stalin, unter der Stasi oder unter Hitlers SS.“

Irische Arbeiter demonstrieren gegen Bankenrettung
Obamas „Gesundheitsreform“ und die soziale Krise in Amerika

Während Europa tiefer in die Rezession stürzte, waren Millionen von Arbeitern in den USA weiterhin arbeitslos. Ihnen drohte die Zwangsversteigerung oder die Räumung ihrer Häuser, sie waren arm und hungrig, obwohl die Obama-Regierung behauptete, der „Aufschwung“ habe begonnen.

Die explosionsartige Zunahme von Armut und sozialer Ungleichheit in den USA nach dem Finanzkrach von 2008 war das Ergebnis einer Politik, die die Obama-Regierung bewusst verfolgte, um die Vermögen der Finanzaristokratie, die mit kriminellen Methoden angehäuft wurden, zu schützen und den stark sinkenden Lebensstandard der amerikanischen Arbeiter auszunutzen, um einen Wettbewerbsvorteil für amerikanische Konzerne zu schaffen.

Sofern es bei den Profitraten der großen Banken und Konzerne und den Aktienportfolios der Großinvestoren einen Aufschwung gab, basierte er auf Massenentlassungen, Lohnsenkungen und Leistungskürzungen, die mit Obamas Sanierung der Autoindustrie im Jahr 2009 begannen.

Im ganzen Land litten die Bundesstaaten unter den größten je verzeichneten Rückgängen der Einkünfte, größtenteils durch Massenarbeitslosigkeit, die durch die Rezession verursacht wurde. Die Obama-Regierung weigerte sich, das Haushaltsdefizit der Bundesstaaten in der Gesamthöhe von 375 Milliarden Dollar durch Steuergelder zu reduzieren. Dieses massive Defizit führte zu Angriffen auf Sozialleistungen auf Bundesstaatsebene, vor allem bei Schulen und Sozialprogrammen.

Obama lobte die Massenentlassung von Highschool-Lehrern in Rhode Island über die Maßen. Die staatlichen Kürzungen wirkten sich auch auf die höhere Bildung aus und die Studiengebühren an amerikanischen Universitäten stiegen. Für viele Jugendliche wurde es zu einer schweren Last, eine höhere Bildung zu finanzieren. Bis Mitte 2010 war die Schuldensumme aus Studentendarlehen zum ersten Mal höher als die der Kreditkartenschulden. Im November veröffentlichte die WSWS einen detaillierten Enthüllungsbericht mit dem Titel „Der Betrug mit den Studiendarlehen in Amerika“.

Die Obama-Regierung brachte zwei wichtige Gesetze durch den demokratisch kontrollierten Kongress. Die Regierung stellte ihre Sanierung des Gesundheitswesens zynisch als progressive „Reform“ dar, ihr wahres Ziel war es jedoch, einen umfassenden Angriff auf die Gesundheitsversorgung zu beginnen. Die Mainstreammedien, vor allem die New York Times, unterstützten dies als Maßnahme zur Senkung „verschwenderischer“ Ausgaben für Alte und Kranke.

Dieses reaktionäre Gesetz wurde in Zusammenarbeit mit der Versicherungsbranche entworfen und sollte die Profite der Versicherungs- und Pharmakonzerne sichern und gleichzeitig die Kosten des Gesundheitswesens für die Regierung und die Großkonzerne senken. In dem Artikel „Gesundheitsreform bereitet den Boden für Angriffe auf Medicare und Social Security“, schrieb Barry Grey über die überschwängliche Reaktion der Medien:

Hinter dem Enthusiasmus für die Gesundheitsreform steht eine eindeutige Perspektive. Die Autoren dieser Kommentare sehen in diesem Gesetz einen wichtigen Schritt bei der Bewältigung tiefgehender Probleme des amerikanischen- und des Weltkapitalismus. Für sie ist es ein Durchbruch bei der Begrenzung des massiven Defizits der USA, das das internationale Finanzsystem destabilisiert.

Jahrzehntelang galt es als politisch unmöglich, die grundlegendsten Sozialprogramme in den USA wie Social Security und Medicare anzugreifen, die einen großen und wachsenden Teil des Staatshaushaltes ausmachen. Durch Obamas Gesundheitsreform wurde der Boden für die Zerstörung dieser Programme bereitet. Deshalb jubeln Medien und Finanzkreise.

Die zweite Maßnahme, das Dodd-Frank-Gesetz, wurde als Versuch dargestellt, die Spekulationen einzuschränken, die zum Finanzkrach von 2008 geführt hatten. Seine tatsächliche Funktion war es, die dominante Rolle der größten Banken zu konsolidieren. Daran zeigte sich die Unterwürfigkeit der Demokratischen Partei gegenüber der Wall Street.

Da die Gewerkschaften, die liberalen und pseudolinken Gruppen jeden echten Widerstand gegen Obamas rechtes Programm abblockten, konnten Teile des Großkapitals und der Ultrarechten mit Unterstützung der Medien die Tea Party-Bewegung aufblasen.

Obwohl es in der Bevölkerung wenig Unterstützung für die extreme Politik des „freien Marktes“ à la Tea Party gab, erzielten die Ultrarechten bei den Kongresswahlen im November einen deutlichen Sieg. Die Stimmverluste der Demokraten bei Jugendlichen und Arbeitern, die sich in einer hohen Wahlenthaltung zeigten, ermöglichten es den Republikanern, wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erlangen. Die WSWS schrieb: „Nachdem Obama an die Macht gekommen war, indem er sich als Herold von ‚Hoffnung‘ und ‚Wandel‘ inszenierte, hat er durch seine wirtschafts- und kriegsfreundliche Politik große Teile seiner Wähler gegen sich aufgebracht und politisch demoralisiert.“

Das Wahlergebnis ermöglichte es Obama, offen die Senkung des Defizits auf die Tagesordnung zu setzen, um angeblich einen Konsens zwischen den beiden Parteien zu schaffen. Obama berief die Simpson-Bowles-Kommission ein, die nur wenige Tage nach den Wahlen im November Vorschläge zur Senkung des Defizits vorstellte. Die Gruppe aus Angehörigen beider Parteien forderte massive Kürzungen bei den wichtigsten Sozialprogrammen wie Medicare und Social Security, Massenentlassungen von staatlichen Bediensteten und Steuersenkungen für Konzerne und die Superreichen.

Präsident Barack Obama unterzeichnet das Gesetz für die „Gesundheitsreform“
Ausweitung von Militarismus und Krieg

Zu Beginn des Jahres trafen weitere US-Truppen in Afghanistan ein und die Zahl der Drohnenangriffe in Pakistan nahm im Rahmen der „Verstärkung“ des AfPak-Krieges (Afghanistan und Pakistan) zu. Im Februar begannen Marines eine Offensive in der südafghanischen Provinz Helmand. Damit begann ein brutaler Feldzug, der jeden Widerstand gegen die amerikanische Besatzung niederschlagen sollte.

Die Demokratische Mehrheit im Kongress unterstützte die Eskalation des Krieges mit überwältigender Mehrheit, und Obama unternahm seine erste Reise als Präsident nach Afghanistan, um dem Marionettenregime von Hamid Karsai Vorschriften zu machen und für die Kameras mit US-Truppen zu posieren

Ein zentrales Merkmal der amerikanischen Offensive war der verstärkte Einsatz von Mordanschlägen, vor allem in den südlichen Provinzen, die sich an den Methoden orientierten, die der amerikanische Oberbefehlshaber General Stanley McChrystal zuvor als Oberbefehlshaber der amerikanischen Spezialkräfte im Irak eingesetzt hatte. Bis zum Frühsommer war jedoch klar geworden, dass die Strategie der Truppenverstärkung zum Scheitern verurteilt war und sich damit kein entscheidender militärischer Sieg gegen die Taliban erringen ließ.

Nach einem Streit um McChrystals öffentliche Kritik an Obama wurde der General abgelöst, sein Nachfolger wurde General David Petraeus, der einen noch brutaleren Feldzug vorbereitete. Unter Petraeus‘ Oberbefehl verschärfte sich die militärische Gewalt sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan, wo die Taliban und andere Aufständische Nachschubbasen und großen Rückhalt in der Bevölkerung hatten.

Ende September schlossen pakistanische Behörden nach einem Angriff der USA und der Nato auf eine pakistanische Grenzpatrouille zeitweise eine militärisch wichtige Nachschubroute nach Afghanistan. Die USA entschuldigten sich pro Forma und setzten den Drohnenkrieg danach fort. Angeblich gab es bis Ende des Jahres 115 Angriffe, doppelt so viele wie im Jahr 2009. Außerdem drängten sie Islamabad zu einer Militäroffensive in Nord-Wasiristan.

Gleichzeitig blieb der US-Imperialismus im Irak aktiv, zehntausende von Soldaten hielten das Land weiterhin besetzt. Bei den Parlamentswahlen im März zeigten sich die sektiererischen Spannungen zwischen den bürgerlichen Kräften, die mit der amerikanischen Besatzungsmacht zusammenarbeiteten. Es gab weiterhin Tage mit schwerem Blutvergießen, aber die Obama-Regierung bestand auf ihrem Zeitplan, laut dem die Truppen bis September abgezogen werden sollten. Die Truppen wurden dringend für die Aufstockung in Afghanistan gebraucht.

Trotz Obamas Darstellungen blieb der Irak jedoch weiterhin unter amerikanischer Besatzung und war durch sieben Jahre Krieg und Bürgerkrieg zerstört. Die USA hatten unter Obama genauso viele Soldaten in Kriegsgebieten stationiert wie unter George W. Bush.

Die Obama-Regierung bereitete durch ihren zunehmenden wirtschaftlichen, politischen und militärischen Druck auf den Iran außerdem neue Kriege in der Region vor; dabei koordinierte sie ihr Vorgehen mit Israel und den wichtigsten imperialistischen Mächten in Europa. Unter anderem wurden iranische Atomwissenschaftler ermordet, schwerere Wirtschaftssanktionen gefordert und kaum verhohlen mit Krieg gedroht.

Als Obama im August ausgewählte Journalisten ins Weiße Haus einlud, um zu bekräftigen, dass eine der erwogenen Optionen eine Militäraktion gegen den Iran war, schrieb die WSWS:

Um ein dauerhaftes Abkommen mit Washington schließen zu können, müsste der Iran öffentlich seine Unterstützung für Parteien und Widerstandsbewegungen in der Region aufkündigen, die von den USA oder Israel unterdrückt werden, amerikanischen Konzernen Zugang zu oder Kontrolle über seine Ölfelder gewähren und intensiven Kontrollen seines Atomprogramms zustimmen. Das würde auf eine öffentliche Erklärung der iranischen Regierung hinauslaufen, ein Lakai des US-Imperialismus zu sein.

Während Washington den Iran als Schurkenstaat darstellte, waren es die USA selbst, die offen gegen internationales Recht verstießen. Im April ordnete Obama die Ermordung des amerikanischen Staatsbürgers Anwar al-Awlaki an. Die unglaubwürdige Begründung dafür war, dass er mit dem gescheiterten Anschlag auf ein amerikanisches Passagierflugzeug an Weihnachten 2009 in Verbindung gestanden habe. Die WSWS schrieb:

Zum ersten Mal in der Geschichte hat ein amerikanischer Präsident die Ermordung eines amerikanischen Staatsbürgers angeordnet. Präsident Barack Obama hat die ‚gezielte Tötung‘ des muslimischen Geistlichen und gebürtigen Amerikaners Anwar al-Awlaki genehmigt, der sich angeblich im Jemen versteckte. Gegen den 38-jährigen Awlaki wird Terrorismus vorgeworfen, ohne dass dies mit aussagekräftigen Beweisen belegt werden kann; er hat keine rechtliche Handhabe gegen sein Todesurteil.

Auf die Anordnung folgten zwölf Mordversuche. Schließlich wurde al-Awlaki im Jahr 2011 durch Hellfire-Raketen ermordet, die von Drohnen abgefeuert wurden.

Michael Mullen, der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff inspiziert Soldaten in Afghanistan
Die Enthüllungen von WikiLeaks und die Hetzjagd auf Manning und Assange

Im April 2010 veröffentlichte die Whistleblower-Organisation WikiLeaks ein Video mit dem Titel „Collateral Murder“, das den kriminellen Charakter der amerikanischen Besetzung des Iraks dokumentierte. Das Video aus dem Jahr 2007 zeigt, wie ein amerikanischer Apache-Kampfhubschrauber mindestens zwölf Zivilisten tötet, die meisten davon unbewaffnete Iraker, sowie zwei Reuters-Journalisten und einen Passanten, der Verletzten helfen wollte.

Der Soldat Bradley Manning veröffentlichte das Video und andere Dokumente aus Gewissensgründen und zeigte dabei großen persönlichen Mut. Im Mai 2010 wurde Manning verhaftet, es sollte mehr als eintausend Tage dauern, bis er vor ein Militärgericht gestellt wurde; in dieser Zeit wurde er misshandelt und in Isolationshaft gehalten.

WikiLeaks veröffentlichte hunderttausende vertrauliche Telegramme amerikanischer Botschaften und enthüllte damit vor der ganzen Welt eine Reihe von kriminellen Aktivitäten der USA, darunter 9.000 Gefechtsberichte aus Afghanistan, in denen die Ermordung von über 20.000 afghanischen Zivilisten dokumentiert wurde; 400.000 Dokumente über den Irak, die mindestens 15.000 bisher unerkannte irakische zivile Opfer enthüllten, sowie Beweise für konkrete Kriegsverbrechen, darunter die kaltblütige Ermordung von irakischen Zivilisten, die Ermordung von 834 irakischen Zivilisten an amerikanischen Kontrollposten und systematische Folter.

Die Telegramme enthüllten ein internationales Netz politischer Verschwörungen der USA auf allen Kontinenten, darunter Kriegspläne gegen China, Kriegspläne der Nato gegen Russland, die Zusammenarbeit der srilankischen Regierung mit paramilitärischen Todesschwadronen, Amerikas Komplizenschaft bei Kriegsverbrechen in Sri Lanka, die Rolle der USA beim Putsch in Thailand im Jahr 2006, amerikanische Bombenangriffe auf Zivilisten im Jemen, die Bespitzelung von UN-Beauftragten durch die USA entgegen internationalen Verträgen, die Behinderung von Strafverfahren gegen CIA-Agenten, die der Folter schuldig waren, und die Verachtung der USA gegenüber dem Völkerrecht. Joseph Kishore schrieb dazu in einem Kommentar: „Amerikas Politik ist deshalb so stark von Geheimhaltung und Lügen abhängig, weil sie in unversöhnlichem Konflikt mit den Interessen der Bevölkerung der Vereinigten Staaten und der Welt steht.“

Um WikiLeaks zu zerschlagen und ihr Spitzenpersonal einzusperren oder sogar hinzurichten, begann die Obama-Regierung eine Reihe von schmutzigen Tricks. Sie brachte die schwedische Regierung dazu, Anzeige wegen Sexualverbrechen gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange zu stellen. Die Kampagne, die die USA damit organisierten, führte zu einem internationalen Haftbefehl und Versuchen, den gebürtigen Australier Assange von Großbritannien nach Schweden und schließlich an die USA auszuliefern, wo ihm ein Prozess nach dem Spionagegesetz drohte.

Die WSWS führte von Anfang an eine aggressive Verteidigungskampagne zugunsten von WikiLeaks, Assange und Manning. Die WSWS veröffentlichte im Jahr 2010 fast 100 Artikel über WikiLeaks und die politischen Folgen der Enthüllungen. Auf eine Stellungnahme im Juni mit dem Titel „Hände weg von WikiLeaks!“ folgten Versammlungen unter anderem in Sri Lanka, Deutschland, Großbritannien, Australien und den USA.

Die WSWS beschäftigte sich detailliert mit der verachtenswerten Rolle, die Liberale und Pseudolinke in der Kampagne gegen Assange spielten. Barry Grey schrieb in einem Kommentar über die Rolle der New York Times:

Der Times-Redakteur Bill Keller arbeitete täglich mit dem Außenministerium zusammen, um alle Enthüllungen zu überprüfen und zu zensieren und alles zu vertuschen, was die amerikanischen Kriegsziele behindern könnte.

David North verglich in einer Antwort auf eine Kolumne des Bürgerrechtsanwalts Floyd Abrams, der WikiLeaks kritisierte, dessen‘ Rolle bei der juristischen Verteidigung der Veröffentlichung der Pentagon-Papers im Jahr 1971 durch die New York Times mit seinem Angriff auf WikiLeaks und Assange 40 Jahre später:

Pseudolinke Anhänger des Feminismus und der Identitätspolitik unterstützten die Hetzkampagne gegen Assange und zeigten sich unbesorgt wegen der Angriffe auf demokratische Rechte, die im Zentrum des abgekarteten Spiel standen. Die WSWS erklärte, dass die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen Assange Teil einer organisierten Kampagne waren, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den Enthüllungen von WikiLeaks abzulenken.

Das WikiLeaks-Video „Collateral Murder“ zeigt, wie ein amerikanischer Hubschrauber im Irak Zivilisten massakriert, darunter den Reuters-Journalisten Namir Noor-Eldeen.
Spannungen zwischen den USA und China und der Putsch gegen Rudd in Australien

Im Lauf des Jahres 2010 nahmen die Spannungen zwischen den USA und China in politischen, wirtschaftlichen und Sicherheitsfragen zu. Im Januar verhängten die USA Zölle auf eine Reihe von chinesischen Produkten, im Februar kündigten sie den Verkauf von Waffen an Taiwan in Höhe von 6,4 Milliarden Dollar an. Der amerikanische Senat und der Kongress forderte, China wegen Währungsmanipulation anzuklagen.

Um den Druck auf China zu erhöhen, reiste Obama nach Indien, Indonesien, Südkorea und Japan. Außenministerin Hillary Clinton besuchte Vietnam, Kambodscha, Malaysia, Papua-Neuguinea, Neuseeland und Australien. In Indonesien nahmen die USA wieder militärische Beziehungen zu den Kopassus-Spezialeinheiten auf, die schon seit langem für willkürliche Verhaftungen, Folterungen und Morde berüchtigt waren. Auch der Konflikt zwischen Japan und China um die Senkaku/Diaoyu-Inseln kam im Jahr 2010 an die Öffentlichkeit.

Die amerikanisch-chinesischen Beziehungen lagen auch der Krise innerhalb der australischen Regierung zugrunde, einem der wichtigsten Verbündeten der USA in der Region. Diese Krise fand ihren Höhepunkt im Sturz von Premierminister Kevin Rudd am 24. Juni. Ein Netzwerk von „geschützten Quellen“ der USA innerhalb der australischen Labor Party und rechte Fraktionsführer intrigierten hinter dem Rücken der Bevölkerung, um Rudd abzusetzen und die Favoritin der Obama-Regierung, Julia Gillard, sogar ohne eine Fraktionsabstimmung einzusetzen.

Der undemokratische Putsch in der Führung wurde von den Medien als Ergebnis des Widerstandes von Australiens größtem Bergbauunternehmen gegen Rudds Plan dargestellt, eine Steuer auf „Superprofite“ der Bergbauunternehmen zu erheben. Teile der Bergbauindustrie, die durch die Exporte nach China äußerst profitabel geworden war, hatten gedroht, ins Ausland zu gehen und tausende von Arbeitern zu entlassen, wenn die bescheidene Steuer eingeführt würde.

Wie die WSWS erklärte, war die Destabilisierung im Inland zwar ein Element, der entscheidende Auslöser für den Putsch war jedoch Washingtons Intervention. Obama war zunehmend unzufrieden mit Rudds wankelmütigen Kommentaren über den Krieg in Afghanistan. Wichtiger war jedoch, dass Washington Rudds Bestrebungen zum Aufbau einer „asiatisch-pazifischen Gemeinschaft“ ablehnte. Das sollte ein diplomatischer Mechanismus sein, um die Spannungen zwischen den USA und China abzumildern. Nur wenige Wochen davor war der japanische Premierminister Yukio Hatoyama, der eine ähnliche Politik vertreten hatte wie Rudd, nach einer konzentrierten Hetzkampagne unter Washingtons Regie zurückgetreten.

Telegramme der amerikanischen Botschaft, die WikiLeaks im Dezember veröffentlichte, bestätigten, dass der Putsch von den USA inszeniert worden war.  Die Telegramme zeigten Washingtons vernichtendes Urteil über Rudd und seine Versuche, eine gewisse Machtteilung mit Peking zu arrangieren, was die amerikanische Hegemonie in der Region gefährdet hätte.

Gillard machte vom ersten Tag als Premierministerin an eindeutig klar, dass ihre Regierung Washingtons provokante Versuche, Chinas Einfluss im asiatischen Pazifik zu vermindern, uneingeschränkt unterstützen werde. Sie nahm die Bergbausteuer zurück und deutete an, die rechte Politik der Labor-Regierung zu verschärfen. Sie kündigte auch neue Maßnahmen gegen Flüchtlinge an und versprach die unbeschränkte Teilnahme am Krieg in Afghanistan und ihren unkritischen Rückhalt für das Bündnis mit den USA.

Kurze Zeit später veröffentlichte das amerikanische Naval War College eine Studie, in der Australiens „zahlreiche Vorzüge“ als Basis dargelegt wurden, von der das US-Militär im Falle eines Konfliktes mit China die wichtigen Schifffahrtsrouten zwischen dem Indischen Ozean und dem Pazifik kontrollieren könne. Australische Häfen und Luftwaffenstützpunkte sollten für die Nutzung durch das amerikanische Militär ausgebaut werden und die Kokosinseln im Indischen Ozean würden als Luftwaffenstützpunkt für amerikanische Überwachungsdrohnen und möglicherweise Kampfflugzeuge bereitgestellt werden.

Die australische Premierministerin Julia Gillard mit dem amerikanischen General David Petraeus [Photo: (Photo by U.S. Army Staff Sgt. Lorie Jewell)]
Das Erdbeben in Haiti und andere internationale Ereignisse

Am 12. Januar wurde der verarmte Staat Haiti von einem Erdbeben der Stärke 7.0 erschüttert, das mehr als 200.000 Todesopfer forderte, viele von ihnen wurden in den billig gebauten Häusern begraben. Drei Viertel der Gebäude in der Hauptstadt Port-au-Prince wurden völlig zerstört. Eineinhalb Millionen Menschen wurden obdachlos und blieben ohne Nahrungsmittel und Wasser. Etwa eine Viertelmillion Überlebende wurden ohne Antibiotika oder Betäubungsmittel behandelt, tausende starben sinnlos an Dehydration, Wundbrand und Blutvergiftung.

Die Verantwortung für das immense Ausmaß der Katastrophe lag bei der herrschenden Klasse Amerikas. In dem Artikel „Haitis Tragödie: Ein Verbrechen des US-Imperialismus“ schrieb die WSWS: „.... Die fehlende Infrastruktur, die schlechte Qualität der Gebäude in Port-au-Prince und die Macht- und Hilflosigkeit der Regierung Haitis gegenüber dem Schicksalsschlag sind ebenfalls ausschlaggebende Faktoren in dieser Tragödie.“ Weiter hieß es:

Diese sozialen Bedingungen sind das Ergebnis einer langen Beziehung zwischen Haiti und den Vereinigten Staaten, die das Land seit seiner ersten fast 20-jährigen Besetzung durch US-Marines im Jahre 1915 de facto als koloniales Protektorat behandelt haben.

Das Militär, das unter Führung der USA mobilisiert wurde, schützte die reiche Oligarchie Haitis und stärkte die amerikanischen Interessen, während die Hilfe an Erdbebenopfer erschreckend langsam verteilt wurde. Haiti wurde praktisch unter Treuhandverwaltung gestellt, die Hilfsgelder für Erdbebenopfer wurden von einer Kommission verteilt, deren Mitverwalter der ehemalige Präsident Bill Clinton war. Für die Sicherheit waren zuerst US-Marines und kanadische Soldaten verantwortlich, dann UN-Friedenstruppen, wobei Brasilien das größte Kontingent stellte.

Im Oktober kamen weitere 8.000 Menschen durch eine Choleraepidemie ums Leben, weitere 640.000 wurden infiziert. Als Auslöser konnten schließlich nepalesische Soldaten identifiziert werden, die als Teil der UN-Truppen auf Haiti stationiert waren.

Die Waldbrandkatastrophe in Russland, die wochenlang die Luft in der Hauptstadt des Landes in einen giftigen Nebel verwandelt hatte, hat den Zerfall der sozialen Infrastruktur aufgrund der Restauration des Kapitalismus entlarvt.

In Kanada setzte die Regierung Polizeistaatsmaßnahmen gegen Demonstrationen gegen den G-20-Gipfel in Toronto ein: Die Polizei ging gewaltsam gegen Demonstranten und Unbeteiligte vor, verschoss Gummigeschosse und löste Menschenmengen auf, die sich friedlich versammelt hatten, um gegen das Treffen der zwanzig größten kapitalistischen Staaten zu demonstrieren.

Im Januar kam das oberste Gericht Kanadas zu dem Schluss, dass der kanadische Staat die verfassungsmäßigen Rechte des Kindersoldaten und Guantanamo Bay-Insassen Omar Khadr verletzt habe, indem er Beihilfe zu seiner Folterung leistete. Aber der Spruch des Gerichts war ein düsteres Vorzeichen für demokratische Rechte. Es sah sich außerstande,  ein Urteil zu fällen, da dies angeblich das Vorrecht der Regierung auf die Durchführung der Außenpolitik verletzen würde. Im Mai einigten sich die Parteien im kanadischen Parlament auf einen Mechanismus, der es der Regierung erlaubte, die zahlreichen Beweise dafür zu unterdrücken, dass das kanadische Militär Afghanen völkerrechtswidrig den Sicherheitskräften ihres Landes übergeben hatte, die diese folterten.

Auf Kuba, wo Fidel Castro 2006 die Macht an seinen Bruder Raul, den langjährigen Verteidigungsminister abgegeben hatte, kündigte das Regime an, den Abbau von mindestens 1,3 Millionen Stellen im Staatsdienst zu planen. Das sollte die größte wirtschaftliche und soziale Umgestaltung seit der Kubanischen Revolution im Jahr 1959 sein.

In Brasilien, dem größten Land Lateinamerikas, konnte sich die Arbeiterpartei, die von den Gewerkschaften unterstützt wurde, an der Macht halten und mit Lulas Stabschefin Dilma Rousseff die Nachfolgerin von Luis Inacio da Silva (Lula) stellen,. Die Börse reagierte positiv auf den Sieg, da Lula sich loyal für die Interessen des brasilianischen Kapitalismus eingesetzt hatte.

Im Lauf des Jahres überholte China Japan und wurde zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt, ein Ereignis mit hoher symbolischer und historischer Bedeutung. Chinas Aufstieg zum Sweatshop des Weltkapitalismus konnte jedoch die Krise des Kapitalismus weder in China noch weltweit lösen. in den südchinesischen Industriezentren brachen sich soziale Spannungen Bahn und führten zu einer Reihe von Massenkämpfen und Protesten. Im Juni traten die Arbeiter von Honda in mehreren Werken in den Streik, und dreizehn Foxconn-Arbeiter begingen als Reaktion auf ihre brutale Ausbeutung Selbstmord.

Nachdem die Regierung im April in Bangkok mit Gewalt gegen tausende von „Rothemd“-Demonstranten vorgegangen war, wurde in Thailand für acht Monate der Notstand ausgerufen. Demonstranten, die die oppositionelle Vereinigte Front für Demokratie gegen Diktatur unterstützten, die mit dem gestürzten Premierminister Thaksin Shinawatra sympathisierte, campierten wochenlang in einem befestigten Gebiet. Premierminister Abhisit Veijajiva nutzte eine Demonstration vor dem Gebäude des nationalen Parlaments aus, um den Notstand auszurufen und das Militär zu mobilisieren. Mehr als 90 Menschen wurden getötet, über 1.800 weitere verletzt.

Auf den Philippinen wurde Benigno Aquino III, Sohn de ehemaligen Präsidentin Corazon Aquino, zum Präsidenten gewählt und behielt damit die Kontrolle über das Amt in den Händen der kleinen Oligarchie von reichen Grundbesitzern. Innerhalb weniger Monate hatte die neue Regierung Nahrungsmittelsubventionen gekürzt und den Reichen weitere Steuersenkungen gewährt.

In Pakistan führten schwere Überschwemmungen zu einer sozialen Katastrophe von ähnlichem Ausmaß wie die Tragödie in Haiti. Es gab tausende von Toten, einundzwanzig Millionen Obdachlose, Felder wurden zerstört und das Vieh ertrank. Laut der Uno waren von der Überschwemmung mehr Menschen betroffen als von allen anderen humanitären Katastrophen seit dem Zweiten Weltkrieg. Wie die WSWS erklärte, waren die Überschwemmungen eher eine gesellschaftlich produzierte Katastrophe als eine Naturkatastrophe. Sie war ein Produkt der imperialistischen Unterdrückung und der korrupten Herrschaft der pakistanischen Bourgeoisie.

In Pakistan gab es kein vernünftiges Hochwasser-Warnsystem, das Hochwasserkontrollsystem für das Industal war reparaturbedürftig, die Reichen und politisch Einflussreichen sorgten dafür, dass die steigenden Fluten von ihren Ländereien und Feldern abgeleitet wurden, oft in dichter bevölkerte Gebiete, und der Staat hatte weder die Mittel noch den Willen, schnelle und effektive Hilfe zu organisieren.

Im September setzte der srilankische Präsident Mahinda Rajapakse eine Verfassungsänderung durch, die ihm freie Hand gab, wichtige staatliche Bedienstete zu ernennen, und es ihm ermöglichte, immer wieder zur Wahl anzutreten. Das „Notstandsgesetz“ wurde den Wählern nicht in einem Referendum vorgelegt, wie es vom Gesetz her vorgeschrieben war, sondern ausdrücklich durch das Oberste Gericht ratifiziert.

Im Nahen Osten erregten zwei Verbrechen der israelischen Streitkräfte internationale Aufmerksamkeit. Im März organisierte Israel die Ermordung des Hamas-Mitglieds Mahmud al-Mabhouh, eine Tat, die zeigte, wie stark die grundlegenden völkerrechtlichen Vorgaben durch den „Krieg gegen den Terror“ in Vergessenheit geraten sind.

Am 31. Mai wurde ein Hilfskonvoi von sechs Schiffen, die mit humanitären Hilfsgütern in den Gazastreifen unterwegs waren, von israelischen Kommandos angegriffen, dabei kamen neuen Menschen ums Leben. Der Angriff führte vor dem Hintergrund weltweiter Proteste zu internationaler Kritik und der Forderung an Israel, seine drei Jahre andauernde Blockade des Gazastreifens zu beenden.

Die Afrikanische Union unterstützte die amerikanische Initiative zur Entsendung weiterer Truppen im Kampf gegen die islamistische al-Shabaab-Miliz in Somalia. Gemäß dem Abkommen sollte die Zahl der Soldaten, die an der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) beteiligt sind, auf 9.500 steigen. Der Einsatz amerikanischer Drohnen für gezielte Tötungen wurde zum Markenzeichen der Obama-Regierung.

In Frankreich organisierte die Regierung von Nicolas Sarkozy die zwangsweise Massendeportation von Roma, obwohl diese als Bürger der EU sich legal dort aufhielten. Im ganzen Land demonstrierten über 100.000 Menschen dagegen. In Paris verteilten Unterstützer des IKVI eine Erklärung der WSWS mit dem Titel „Zurück zu Vichy“, die darauf hinwies, dass Sarkozys Vorgehen gegen die Roma – das von der Sozialistischen Partei unterstützt wurde – an das Vorgehen der Vichy-Diktatur erinnerte, die im Zweiten Weltkrieg unter deutscher Besatzung errichtet worden war.

Im Rahmen seiner rassistischen Kampagne zur Propagierung „nationaler Identität“ unterstützte Sarkozy auch das Burka-Verbot in der Öffentlichkeit. Die WSWS verurteilte diesen Angriff auf die Religionsfreiheit als Teil eines allgemeineren Kurses, Polizeistaatsmaßnahmen einzuführen. Die gesamte offizielle „Linke,“ darunter die Sozialistische Partei, die Kommunistische Partei, Lutte Ouvrière (Arbeiterkampf – LO) und die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) beteiligten sich an diesen rassistischen und undemokratischen Maßnahmen.

Auch in anderen Teilen Europas wurde Stimmung gegen Muslime und Roma geschürt. Der ehemalige Berliner Finanzsenator und Mitglied des Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin veröffentlichte das Buch „Deutschland schafft sich ab“, das Hetze gegen muslimische Einwanderer mit sozialdarwinistischen Vorurteilen und rassistischen Theorien kombinierte, die an die Eugenik im Dritten Reich erinnern. Im September veröffentlichte die WSWS eine umfassende zweiteilige Analyse des Buchs.

In Ungarn gewann die rechtspopulistische Fidesz eine Zweidrittelmehrheit bei den Parlamentswahlen. Sie setzte im Wahlkampf auf antisemitische und romafeindliche Politik und ging ein stillschweigendes Bündnis mit der neofaschistischen Partei Jobbik  ein. Dieser Sieg signalisierte den Zusammenbruch der diskreditierten Stalinisten und Sozialdemokraten, die der verarmten Bevölkerung drakonische, vom IWF diktierte Maßnahmen, aufgezwungen hatten. Im Dezember gab sich die Regierung die Vollmacht zur praktischen Abschaffung der Pressefreiheit

UN-Truppen patrouillieren in den Straßen von Port-au-Prince, Haiti
Die Ölpest im Golf von Mexiko und internationale Katastrophen im Bergbau

Am 20. April begann mit der Explosion der BP-Ölbohrplattform Deepwater Horizon, 50 Meilen vor der amerikanischen Küste im Golf von Mexiko, die schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA. Beim Untergang der Plattform wurden elf Arbeiter getötet und siebzehn schwer verletzt. Am Meeresboden trat bis zum 15. Juli 87 Tage lang ungehindert Öl aus, insgesamt fast 780 Millionen Liter. Die langfristigen Umweltschäden sind nicht abschätzbar, allerdings verloren hunderttausende von Bewohnern der Golfküste Arbeitsplätze und Einkommen, und die Menschen, die den Giften ausgesetzt waren, die von dem Öl und den chemischen Dispergiermittel freigesetzt wurden, leiden immer noch unter ernsthaften gesundheitlichen Problemen.

Die Ölpest war das direkte Ergebnis von BPs Nachlässigkeit und Kostensenkungen in einem neuen internationalen Wettlauf um Ölquellen. Der Drang nach billiger Energie war eine wichtige Komponente von Obamas Handelskriegsstrategie und dem „Insourcing“ der Produktion. Die lange Kette von Ereignissen, die zu der Explosion führten, war ein Armutszeugnis für die „Aufsichtsbehörden“ der US-Regierung.

In den Tagen nach der Explosion orientierten sich die Medien an der Regierung und versuchten, die potenziellen Folgen der Katastrophe herunterzuspielen. Daher wurden die 29 Todesopfer weitgehend ignoriert. Die WSWS gehörte zu den wenigen Medien, die über ihre Beerdigung berichteten, schickte einen Reporter nach Natchez, Mississippi, zur Beerdigung von Karl Kleppinger, einem der Arbeiter, der auf der Plattform ums Leben kam und führte ein Interview mit seiner Familie.

Reporter der WSWS reisten an den Golf von Mexiko und veröffentlichten eine Reihe von Videos über die Ölpest, Interviews mit Arbeitern aus dem Raum New Orleans und Gesundheitsexperten. Wir entlarvten die Vertuschungen der Obama-Regierung, die über die Umweltschäden, die Auswirkungen auf die Gesundheit der Küstenbewohner und die Giftigkeit (und sogar den chemischen Inhalt) der mehr als 7,5 Millionen Liter Dispergiermittel gelogen hatten, die in den Golf geschüttet wurden.

Inzwischen machte sich die Küstenwache zum privaten Sicherheitsdienst von BP, hinderte Reporter daran, die Strände zu besichtigen oder auch nur über den Ölteppich zu fliegen. Ökologen, die massive Schäden an der Umwelt des Golfs voraussagten, standen vor einer Mauer von Lügen der Medien und des politischen Establishments.

In einer Perspektive mit dem Titel „Ölpest im Golf: Warum hat BP das Sagen?“ wies die WSWS auf die kriminelle Entscheidung der Obama-Regierung hin, BP die Verantwortung für die Beseitigung der Schäden zu übertragen.

Im Juni einigten sich Obama und BP darauf, den millionenschweren Anwalt Kenneth Feinberg damit zu beauftragen, die Zahlung von Schadenersatzforderungen zu übernehmen, um die finanziellen Interessen von BP zu schützen.

In der Stellungnahme „Beyond BP“ reagierte die WSWS auf Versuche, das Unternehmen und seine Vorstände als schwarze Schafe darzustellen, während alles getan wurde, um die Profitabilität von BP zu erhalten:

Das immense Ausmaß des ökologischen und wirtschaftlichen Alptraums steht in scharfem und aufschlussreichem Kontrast zu dem miserablen Vorgehen der Regierung. Das Hauptziel der Obama-Regierung war es, von den tieferen Ursachen der Katastrophe abzulenken und zu verhindern, dass sich die Empörung der Öffentlichkeit mit der wachsenden wirtschaftsfeindlichen Stimmung im ganzen Land vermischte.

BP ist keine unrühmliche Ausnahme. Bis zur nächsten Katastrophe wird das Unternehmen nur das bekannteste öffentliche Beispiel für die allgemeine Kriminalität der Wirtschaft werden. Insbesondere hat BP mit allen großen Ölkonzernen gemeinsam, dass sie unnachgiebig auf Profit bedacht ist, zu Lasten der grundlegendsten Sicherheitsvorkehrungen- und Erwägungen.

Nur zwei Wochen vor der Ölkatastrophe kamen am 5. April bei Explosionen in dem Kohlebergwerk Upper Big Branch (UBB) in Montcoal, West Virginia, das damals Massey Energy gehörte, 29 Bergarbeiter ums Leben. Es war der schwerste Bergbauunfall in den USA seit 40 Jahren. Ein Funken entzündete angesammeltes Methan, was zu einer massiven Kohlenstaubexplosion führte, die sich kilometerweit durch die Tunnel ausbreitete und alles und jeden in ihrem Weg zerstörte.

Die WSWS reiste nach Montcoal, um von dort zu berichten und Interviews mit Bergarbeitern und ihren Familien zu führen. Die Bedingungen in den Minen hingen mit dem Verrat und der Desintegration der Gewerkschaft United Mine Workers (UMW) zusammen, die früher die Speerspitze der CIO und die militanteste amerikanische Gewerkschaft war. Massey-Vorstandschef Don Blankenship, ein rechter republikanischer Multimillionär, hatte sich in der Kohleindustrie durch seine führende Rolle im Kampf gegen die Gewerkschaft und streikende Bergarbeiter des damals als AT Massey bekannten Unternehmens im Jahr 1984-85 einen Namen gemacht. Der Kampf war ein wichtiger Wendepunkt in der Aushöhlung der Rechte der Bergarbeiter.

Auch die Obama-Regierung war für die Katastrophe mitverantwortlich. In den achtzehn Monaten vor der Explosion hatten staatliche Gesundheits- und Sicherheitsinspektoren mehr als 600 Verstöße gegen Sicherheitsstandards bemängelt, jedoch nie versucht, das Bergwerk zu schließen oder häufigere Inspektionen zu fordern.

Die Verantwortlichen von Massey hatten zwei verschiedene Sätze von Aufzeichnungen und zeigten den Aufsichtsbehörden falsche Sicherheitsberichte. Massey warnte die Bergarbeiter, wenn Inspektoren im Bergwerk eintrafen und drohte ihnen, wenn sie von Sicherheitsproblemen sprachen. Blankenship und mindestens fünfzehn andere hochrangige Manager weigerten sich, unter Eid vor Ermittlern der Regierung auszusagen. Stattdessen erlaubte man Blankenship, sich mit einer Abfindung von zwölf Millionen Dollar zur Ruhe zu setzen. Kein einziges Führungsmitglied des Unternehmens wurde angeklagt.

Die Bedingungen bei Massey waren typisch für die Bergbauindustrie in den USA und international. In China kam es mehrfach zu großen Katastrophen, darunter zu mehrere Explosionen und unterirdischen Überschwemmungen im April, einer Explosion in einem Bergwerk in der Provinz Hunan im Juni und einer weiteren Explosion in einem Bergwerk in der Provinz Henan im Oktober mit 32 Toten. Im Mai kam es im größten russischen Untergrundbergwerk Raspadskawa in der südwestsibirischen Region Kemerowo zu einer unterirdischen Explosion, die 90 Todesopfer forderte. Einen Monat später wurden bei einer unterirdischen Explosion im Bergwerk San Fernando in Kolumbien 73 Bergarbeiter getötet.

In Neuseeland kamen am 19. November 29 Arbeiter bei einer Explosion im Kohlebergwerk Pike River Coal ums Leben. Das Unternehmen war bei seinen Aktionären hoch verschuldet und hatte bewusst Kosten für Sicherheitsmaßnahmen gespart, um Geld zu sparen, die Kohle so schnell wie möglich abzubauen und mit seinen internationalen Konkurrenten mithalten zu können. Die WSWS erklärte, dass nicht nur Pike River Coal an der Katastrophe schuld war, sondern auch die Regierung aus National Party und Labour Party, die die Bergwerksaufsicht des Arbeitsministeriums ausgehöhlt und Pike River trotz gravierender Sicherheitsverstöße nicht geschlossen hatte. Unter anderem fehlten Notausgänge und die Belüftung war nicht ausreichend.

In Chile dem größten Kupferproduzenten der Welt, wurden bei einer massiven Explosion und dem Einsturz des Bergwerkes San Jose in der Atacamawüste 33 Bergarbeiter 69 Tage langeingeschlossen, allerdings überlebten sie alle. Die Rettungsaktion für sie war ein Triumph der internationalen Zusammenarbeit, der Technologie und des Widerstands der Männer. Sie nannten als Grund für ihr Überleben die Gleichheit bei Entscheidungen und die Rationierung der Lebensmittel in der Zeit, in der sie eingeschlossen waren.

Feuerwehrmannschaften kämpfen gegen die Flammen auf der Ölbohrplattform Deepwater Horizon.
Gulf Shores, Alabama: Kinder spielen zwischen an Land gespülten Teerklumpen
Eine Mahnwache für Arbeiter, die bei dem Bergwerksunglück in West Virginia ums Leben kamen
Parteikongresse in Australien, Deutschland, Großbritannien und den USA

Im Jahr 2010 hielten die Socialist Equality Party in Australien und Großbritannien und die Partei für Soziale Gleichheit in Deutschland ihre Gründungsparteitage ab. Dies war der Höhepunkt von über zehn Jahren theoretischer, politischer und organisatorischer Vorbereitung. Seit dem Gründungsparteitag der amerikanischen SEP im August 2008 war jeder Parteitag Teil einer internationalen Initiative des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Es reagierte damit auf den Zusammenbruch des Weltkapitalismus und die neuen politischen Aufgaben, vor denen die internationale Arbeiterklasse stand.

Der Gründungsparteitag der australischen SEP dauerte vom 21. bis 25. Januar. Nach intensiven Diskussionen über einen einleitenden Bericht des nationalen Sekretärs Nick Beams nahm der Kongress die Grundsatzerklärung der SEP und die Resolution über die  „Gründungsperspektiven „Historische und internationale Grundlagen der Socialist Equality Party (Australien)“ an. Der Kongress nahm außerdem das historische Dokument der amerikanischen SEP an, das die wichtigsten strategischen Erfahrungen der internationalen Arbeiterklasse im Laufe des 20. Jahrhunderts resumierte.

Das Perspektivdokument der SEP erklärte, dass der Kampf für den Sozialismus in der australischen Arbeiterklasse einen „unablässigen Kampf gegen die nationalistische Doktrin von der „Besonderheit Australiens“ erfordert, die „in der Geschichte das wichtigste ideologische Hindernis für die Entwicklung von sozialistischem Bewusstsein war.“ Es wies auf die historischen Ursprünge und die Entwicklung dieser Doktrin und ihre Beziehung zur australischen Labor Party hin.

Die Dokumente befassten sich mit den Analysen, die Marx, Lenin, Trotzki und andere Vertreter des klassischen Marxismus Anfang des 20. Jahrhunderts über die besonderen Züge des australischen Staates verfasst hatten und erklärten, dass die australische Labor Party die Einheit des kapitalistischen Staates hergestellt und gestärkt hatte. Diese Funktion sei in anderen Staaten von den Liberalen erfüllt worden.

Lenin schrieb dazu: „... die Labor Party ist eine durch und durch bürgerliche Partei, denn obwohl sie aus Arbeitern besteht, wird sie von Reaktionären angeführt, und zwar von den übelsten Reaktionären, die ganz im Geiste der Bourgeoisie handeln. Sie ist eine Organisation der Bourgeoisie, die existiert, um die Arbeiter systematisch zu täuschen...“

Das Dokument der SEP betonte, dass die Labor Party gegründet worden war, um „in direkter Opposition zum Marxismus und seinem wissenschaftlich begründeten Programm des sozialistischen Internationalismus“ Nationalismus und die Besonderheit Australiens zu propagieren

Die Resolution befasste sich auch mit den wichtigsten strategischen Erfahrungen der australischen Arbeiterklasse und erklärte in jedem Stadium ihren internationalen Kontext. Zu diesen Erfahrungen gehörten der Erste Weltkrieg und die darauf folgenden revolutionären Erhebungen, die von der Russischen Revolution 1917 inspiriert wurden; die Gründung der Kommunistischen Partei Australiens und ihre spätere Degeneration unter der Ägide des Stalinismus; die Entstehung der trotzkistischen Bewegung in Australien in den 1930er Jahren und ihr mutiger Kampf gegen imperialistischen Krieg während des Zweiten Weltkriegs; ihre Auflösung Anfang der 1950er Jahre unter dem Druck der Stabilisierung des Kapitalismus in der Nachkriegszeit; die Gründung der Socialist Labour League (der Vorläuferorganisation der SEP) als australische Sektion des IKVI im Jahr 1972 und die entscheidenden Kämpfe, die sie für den Internationalismus gegen Stalinismus, Labor Party und alle Formen von nationalem Opportunismus geführt hat, und die Spaltung im IKVI von 1985-86 und ihre internationalen Folgen.

Das Dokument erklärte, dass der Zusammenbruch der globalen Wirtschaftsordnung „die materiellen Grundlagen der australischen Besonderheit zerstört und dafür gesorgt hat, dass die australische Arbeiterklasse in den Wirbelsturm der internationalen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Erschütterungen gezogen wird, die jetzt losbrechen.“

Der Gründungsparteitag der Partei für Soziale Gleichheit, der deutschen Sektion des IKVI, fand vom 22. bis 24. Mai in Berlin statt. Der Parteitag nahm die Grundsatzerklärung und die Resolution, „Historische Grundlagen der Partei für Soziale Gleichheit“ an und unterstützte außerdem das historische Dokument, das die amerikanische SEP auf ihrem Kongress im Jahr 2008 angenommen hatte.

Die Resolution erklärte die Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung in Deutschland, dem Land mit der längsten Tradition von Kämpfen für sozialistisches Bewusstsein in der Arbeiterklasse. Diese Tradition geht zurück auf die Werke von Marx und Engels selbst, gefolgt von der Gründung der SPD als erster Massenpartei der Arbeiterklasse auf der Grundlage marxistischer Prinzipien.

Das Dokument befasste sich mit den Verrätereien der SPD, die im Ersten Weltkrieg den deutschen Imperialismus unterstützte; dem Kampf von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht für den sozialistischen Internationalismus; der Gründung der KPD; dem Entstehen der Linken Opposition in Deutschland als Reaktion auf den Verrat des Stalinismus und der wachsenden Gefahr durch die Nazis und den zerstörerischen Auswirkungen des pablistischen Revisionismus in der Nachkriegszeit.

Eine besonders wichtige Periode war der Wiederaufbau der trotzkistischen Bewegung in Deutschland nach 1969, als Studenten und junge Arbeiter für die Perspektive des Internationalen Komitees gewonnen werden konnten und schließlich den Bund Sozialistischer Arbeiter als Sektion des IKVI gründeten. In dem Dokument heißt es:

Das Verdienst des BSA in den 1970er Jahren bestand darin, dass er in Deutschland den historischen Faden wieder anknüpfte, den die Pablisten zerrissen hatten. Ungeachtet der Schwierigkeiten, Schwächen und Fehler, mit denen er zu kämpfen hatte, bekannte er sich vorbehaltslos zur Perspektive der sozialistischen Weltrevolution.

Der BSA gehörte bei der Spaltung von 1985-86 zur Mehrheit des IKVI, später ging aus ihm die PSG hervor.

Auf dem Gründungskongress der britischen Socialist Equality Party, vom 22. bis 25. Oktober in Manchester, wurden eine „Grundsatzerklärung“ und das Dokument „Historische und Internationale Grundlagen der Socialist Equality Party (Großbritannien)“, verabschiedet, das die wichtigsten politischen Erfahrungen der britischen Arbeiterklasse erklärte, vor allem die Geschichte der trotzkistischen Bewegung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der Parteitag befasste sich mit der Rolle, die Gerry Healy bei der Gründung der Socialist Labour League, im Kampf gegen den Stalinismus und der Gründung der IKVI im Kampf gegen den Pablismus gespielt hatte, sowie mit der Gründung der Workers Revolutionary Party und ihrer Degeneration und Abspaltung vom IKVI 1985-86.

In dem Dokument hieß es, die International Communist Party, die mit dem  IKVI sympathisierende Gruppe innerhalb der WRP, aus der sich die britische SEP entwickelte,

…ging als einzige lebensfähige Strömung aus der Spaltung hervor. Sie erzog fortgeschrittene Arbeiter und Jugendliche in ihren wichtigsten Lehren und erneuerte die politische Offensive gegen Labour und die Gewerkschaftsbürokratie, die von der WRP fallen gelassen worden war. Ihre Arbeit war von einer engen Zusammenarbeit mit den internationalen Gesinnungsgenossen geprägt, die es in der Geschichte der trotzkistischen Bewegung so noch nicht gegeben hatte.

Die amerikanische Socialist Equality Party hielt ihren ersten ordentlichen Parteitag ab. In Erwartung künftiger Kämpfe der Arbeiterklasse bereitete sich die SEP politisch vor, indem sie ein Parteiprogramm und zwei weitere Resolutionen annahm: „70. Jahrestag des Mords an Leo Trotzki“ und „Fünfundzwanzig Jahre nach dem Bruch mit der Workers Revolutionary Party

Das Programm der SEP mit dem Titel, „Der Zusammenbruch des Kapitalismus und der Kampf für den Sozialismus in den Vereinigten Staaten“, ist ein revolutionäres sozialistisches Programm für die Arbeiterklasse. Es tritt für eine Reihe von sozialen Grundrechten ein wie das Recht auf einen Arbeitsplatz; angemessenen und bezahlbaren Wohnraum, Strom, Gas, Wasser und Beförderung; qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung; sichere Renten; Bildung; gesunde und sichere Umwelt und Kultur. Es erklärt, dass diese Rechte, wie auch der Kampf gegen Krieg und diktatorische Herrschaftsformen nur auf der Grundlage der unabhängigen politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse, der Eroberung der politischen Macht und der sozialistischen Umgestaltung der Wirtschaft gewonnen werden können.

Der nationale Sekretär der SEP, Joseph Kishore, schrieb über die Bedeutung des Kongresses: „Aber was am Wichtigsten ist: die SEP tritt in diese Periode mit der größten Stärke ein: einem klaren Programm und einer Perspektive, die sich auf eine ungeheure historische Erfahrung stützt. Wenn die Lehren aus dieser Geschichte und die Prinzipien des Marxismus mit der wachsenden Militanz von Millionen Arbeitern zusammen kommen, dann wird die Kraft entstehen, die das kapitalistische System, dieses irrationale veraltete Gesellschaftsmodell, überwinden wird. Sie wird die Grundlagen für den Sozialismus und die fortschrittliche Entwicklung der Menschheit legen.“

Verteidigung Leo Trotzkis und der historischen Wahrheit

Die Kampagne zur Verteidigung der historischen Wahrheit und des Vermächtnisses Leo Trotzkis stand politisch im Zentrum der Arbeit des IKVI. Im August veröffentlichte der Mehring Verlag David North' Buch Verteidigung Leo Trotzkis, eine Antwort auf die neostalinistischen Verfälschungen von Geoffrey Swain, Ian Thatcher und Robert Service. Das bahnbrechende Werk entlarvte die Versuche, Leo Trotzki zu diskreditieren und zu verhindern, dass in einer Zeit, in der Millionen von Menschen vom Kapitalismus enttäuscht sind, das Interesse an dem großen Revolutionär wieder zunimmt.

North schrieb in der Einleitung des Buches: „Man wird im 20. Jahrhundert oder in der Geschichte überhaupt schwerlich eine Persönlichkeit finden, deren Leben so hartnäckig in den Schmutz gezogen und verfälscht worden ist, wie das Leo Trotzkis.Die leidenschaftlichen Reaktionen, die sein Name auslöst, belegen die bleibende Bedeutung seiner Ideen. Diskussionen über Trotzki drehen sich niemals nur um die Vergangenheit; sie kreisen in Gleichem Maße um heutige Ereignisse und die zukünftige Entwicklung.“

North ging in einer Reihe von gut besuchten Vorträgen auf der ganzen Welt, unter anderem in Sydney, Oxford und Los Angeles, tiefer auf die Themen des Buches ein.

Auf einer Versammlung am 17. Oktober in Berlin mit dem Thema „Siebzig Jahre seit Leo Trotzkis Ermordung“ erklärte North zur Frage nach Trotzkis Platz in der Geschichte und seiner heutigen Bedeutung:

Welchen Platz nimmt er in der Geschichte ein? Als Schriftsteller, Redner, Stratege revolutionärer Erhebungen, militärischer Führer und politischer Denker repräsentiert Trotzki den Gipfel sozialistischer Politik und Kultur im zwanzigsten Jahrhundert. Vor 1917 entwarf Trotzki die Strategie der Russischen Revolution. Während der Jahre der Revolution und des Bürgerkrieges verkörperte er den Siegeswillen des Proletariats. Später, angesichts politischer Niederlagen und der Isolation als gejagter Exilant, stieg Trotzki zu noch größerer politischer und moralischer Größe auf – als der unversöhnliche Gegner der stalinistischen Konterrevolution und der Stratege der zukünftigen Weltrevolution.

Keine politische Tendenz, die sich sozialistisch nennt, kann ihr Programm und ihre Beziehung zum Marxismus heute ohne die von Trotzki entwickelten politischen Konzepte und politischen Kämpfe definieren. Die Vierte Internationale, die er 1938 gründete, besteht noch immer und hat sich zur politischen Verkörperung des wahren Marxismus weiterentwickelt. Siebzig Jahre nach seinem Tod bleibt Trotzki die größte politische Persönlichkeit des vergangenen Jahrhunderts, der wichtigste Lehrer der Sozialisten im neuen Jahrhundert.

Zwei Führer des IKVI wurden eingeladen, beim jährlichen Treffen der Vereinigung für slawische, osteuropäische und eurasische Studien im November zu sprechen. David Norths Aufsatz mit dem Titel „Eine Einschätzung Leo Trotzkis siebzig Jahre nach seiner Ermordung“ und Nick Beams‘ „Leo Trotzkis Analyse der aufstrebenden globalen Rolle des US-Kapitalismus“ stießen auf großen Beifall.

Im Rahmen dieser ideologischen Initiative arbeitete das IKVI auch mit Alexander Rabinowitch zusammen, einem der führenden Experten für die Geschichte der russischen Revolution. Der Mehring Verlag veröffentlichte Rabinowitchs Buch „Die Sowjetmacht – das erste Jahr“.

Die International Students for Social Equality und der Mehring Verlag luden Rabinowitch im Oktober auch zu einer Rede an der Berliner Humboldt-Universität ein. Die Versammlung fand gegen heftigen Widerstand von Prostalinisten und den postmodern orientierten Historikern innerhalb der Universität statt. Dennoch wurde der amerikanische Historiker von etwa 350 Zuhören empfangen. Viele davon nahmen einen Tag später an einer lebhaften Diskussionsveranstaltung mit Rabinowitch an der Technischen Universität teil.

David North veröffentlichte eine detaillierte Besprechung eines neuen Bandes von Dokumenten über die Theorie der Permanenten Revolution, die eine wertvolle Quelle für die politische Bildung der revolutionären sozialistischen Bewegung darstellten. Das Buch Zeugen der Permanenten Revolution: Dokumente bestätigte die zentrale Rolle Leo Trotzkis bei der Ausarbeitung der theoretischen Grundlagen der russischen Revolution.

Der Historiker Alexander Rabinowitch hält einen Vortrag an der Humboldt-Universität in Berlin.
David North auf einem Treffen in Berlin zum 70. Jahrestag der Ermordung Leo Trotzkis
Das Komitee gegen Strom- Gas- und Wasserabschaltung und andere politische Kampagnen des IKVI

Am 5. Januar kamen drei Menschen bei einem Feuer in der Dexter Avenue im Westen von Detroit ums Leben. Die Familie musste zuvor bereits mehr als ein Jahr ohne Strom auskommen, da ihr der Anbieter DTE Energy den Strom abgestellt hatte. Im Winter kam es zu fast einem Dutzend Toten durch Brände, die entstanden waren, weil Wasser und Strom abgedreht worden waren. Am 2. März stellte DTE dem Haus von Sylvia Young den Strom ab, obwohl die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt lagen und sieben Kinder in dem Haus lebten. Während Young unterwegs war, um ein Heizgerät zu kaufen, brach das Haus in Flammen aus, drei ihrer Kinder kamen ums Leben.

Die SEP initiierte eine Kampagne für eine Bürgeruntersuchungskommission, die am 20. März stattfand. Dutzende von Arbeitern beteiligten sich daran, viele von ihnen hatten Erfahrungen mit Stromsperrungen. Die Anhörung kam zu dem Ergebnis, dass die Todesursache der Detroiter Anwohner die Abstellung des Stroms und die fehlende Unterstützung für Bürger war, die mit ihren Heizungsrechnungen im Rückstand waren, sowie die Zunahme extremer Armut.

Die Untersuchungskommission veröffentlichte eine Reihe von Ergebnissen, die ein verheerendes Armutszeugnis für die profitorientierten Versorgungsdienstleister, die von der Demokratischen Partei geführte Stadtverwaltung und Staatsregierung und die Deindustrialisierung von Detroit ergaben. Als politische Lehre wies sie auf die Rolle der Gewerkschaften – vor allem der United Auto Workers (UAW) - und der Obama-Regierung hin.

Als Reaktion auf die wachsende Unterstützung für die Arbeit der Untersuchungskommission gründete die SEP im Mai das Committee Against Utility Shutoffs (CAUS). Das CAUS war ein Meilenstein im Kampf zur Mobilisierung breiter Teile der Arbeiterklasse gegen die Demokraten und die Gewerkschaften. Das CAUS wandte sich an Arbeiter von DTE und solidarisierte sich mit ihren Kämpfen gegen die Auslagerung von Arbeitsplätzen, eine Aussperrung von Wartungsarbeitern und tödliche Arbeitsbedingungen.

Im August stimmte das CAUS dafür, D’Artagnan Collier, einen städtischen Angestellten und SEP-Führungsmitglied, bei seiner Kandidatur für das Repräsentantenhaus von Michigan zu unterstützen. Im darauffolgenden Jahr organisierte das CAUS eine Demonstration, um der Opfer des Feuers in der Dexter Avenue zu gedenken, hielt Treffen ab, um seine Ablehnung gegenüber Haushaltskürzungen auszudrücken und rief zur Verteidigung öffentlicher Bibliotheken und von Catherine Fergusons Mädchenakademie auf.

Nachdem die Obama-Regierung die Autoindustrie mit voller Unterstützung der UAW „gerettet“ hatte, begannen die Autoarbeiter zu rebellieren. Ende Januar brachen bei der Belegschaft von New United Motor Manufacturing Inc. (NUMMI) in Fremont, Kalifornien, wütende Proteste gegen UAW-Funktionäre aus, die die Schließung des Werkes und den Abbau von 4500 Stellen unterstützten.

Im Mai stimmten 95 Prozent der Arbeiter eines General Motors-Presswerkes in Indianapolis, Indiana, gegen die Forderung, ihre Verträge neu zu verhandeln und ihre Löhne zu halbieren. UAW- und GM-Funktionäre versuchten, die Kürzungen durchzudrücken, um den Weg für den Verkauf des Werkes an die Heuschrecke JD Norman freizumachen. Als die Arbeiter davon erfuhren, jagten sie die UAW-Vertreter bei einem Gewerkschaftstreffen davon. Die Arbeiter lehnten das Tarifabkommen im September ab, daraufhin schloss GM das Werk.

Eine Gruppe von Arbeitern gründete mit Unterstützung der Socialist Equality Party ein Basiskomitee, um gegen die drohende Schließung, Lohnsenkungen und die Verschwörung der Gewerkschaft zu kämpfen. Sofort kam von Arbeitern aus der ganzen Welt Unterstützung, unter anderem ein Brief von Arbeitern in Sri Lanka und von GMs Flint Metal Center. Scheinoppositionelle Gewerkschafter und andere pseudolinke Unterstützer der UAW taten, was sie konnten, um diese Rebellion zu blockieren und den Kampf zu isolieren. Das Basiskomitee demgegenüber veröffentlichte stattdessen einen dringenden Appell an die Arbeiterklasse, den Kampf gegen Zugeständnisse, Entlassungen und Armutslöhne aufzunehmen.

Nach dem 26 Jahre andauernden Bürgerkrieg in Sri Lanka trat der Generalsekretär der srilankischen Socialist Equality Party, Wije Dias, als Kandidat zur Präsidentschaftswahl Ende Januar gegen die beiden größten Kriegsverbrecher des Landes, Präsident Mahinda Rajapakse und General Sarath Fonseka, an, die die beiden bürgerlichen Parteien repräsentierten.

Der Krieg der singhalesischen Elite gegen die tamilische Separatistenbewegung Befreiungstiger von Tamil-Eelam (LTTE) hatte unter der Bevölkerung des Inselstaates 70.000 Todesopfer gefordert und fast eine Viertelmillion saßen bei Kriegsende  in Gefangenenlagern des Militärs. In ihrer Wahlerklärung beleuchtete die SEP die Rolle kommunalistischer Politik und die entscheidende Position Sri Lankas als Spielball der Rivalitäten der Großmächte. Die SEP rief zur Bildung einer Arbeiter- und Bauernregierung, d.h. einer sozialistischen Republik Sri Lanka und Eelam als Teil einer sozialistischen Föderation Südasiens und der ganzen Welt auf.

Die srilankische SEP trat am 8. April auch in vier Distrikten der Insel mit 58 Kandidaten zur Parlamentswahl an: Im Norden in Jaffna, in Nuwara Eliya in den Plantagenregionen, in der Hauptstadt Colombo und im Süden in Galle. Im Lauf der Kampagne besuchten Mitglieder und Unterstützer der SEP und der ISSE Arbeiterviertel und Universitäten, verteilten tausende von Kopien des SEP-Wahlmanifests und hielten in Hatton, Galle, Ambalagoda, dem Fischerdorf Uori auf der Insel Karainagar und in Colombo Versammlungen ab.

Die WSWS berichtete auch mit großer Trauer über den frühen Tod von Wije Dias‘ Frau, dem SEP-Mitglied Piyaseeli Wijegunasingha, am 2. September 2010. Piyaseeli war Zeit ihres Lebens Trotzkistin  und eine bekannte Autorität für marxistische Literaturkritik. Ihr Werk umfasste die Bücher Eine marxistische Studie der modernen singhalesischen Literaturkritik und Eine Antwort an Sucharitha Gamlath: Marxistische Prinzipien der Kunstkritik. Piyaseeli leistete einen unauslöschlichen Beitrag zum Kampf für sozialistische Kultur in der Arbeiterklasse.

Im April trat die britische SEP mit den beiden Kandidaten David O‘ Sullivan und Robert Skelton zur Parlamentswahl in Großbritannien an. Das Wahlmanifest wies auf die Forderungen des IWF nach Ausgabenkürzungen von 20 Prozent hin und rief zum Aufbau einer unabhängigen politischen Bewegung der Arbeiterklasse gegen Austerität, Militarismus und Krieg auf.

Im August führte die australische SEP einen aggressiven Wahlkampf; der nationale Sekretär Nick Beams und Gabriela Zabala traten zu den Senatswahlen in New South Wales und Victoria an, außerdem zehn Kandidaten für das Repräsentantenhaus. Die SEP betonte, dass mit den Wahlen die Ziele der plötzlichen Einsetzung von Julia Gillard  und des Putsches gegen ihren Amtsvorgänger verschleiert werden sollten. Der Putsch war unter Leitung der USA durchgeführt worden und sollte mehr Austerität, Militarismus und Angriffe auf demokratische Rechte vorbereiten.

Die amerikanische SEP hielt im April eine gut besuchte Dringlichkeitskonferenz ab, auf der sich Arbeiter und Jugendliche aus den ganzen USA und Kanada, sowie Vertreter anderer Sektionen des IKVI trafen. Die Konferenz nahm sechs Resolutionen zum Kampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und Lebensstandard, gegen Stromsperren, für die internationale Einheit der Arbeiterklasse, gegen Krieg und Militarismus, für die Verteidigung des Rechts der Jugend auf eine anständige Zukunft und die Forderung nach einem politischen Bruch der Arbeiterklasse mit der Demokratischen Partei und dem Aufbau einer politischen Massenbewegung für den Sozialismus an.

Das zerstörte Haus von Sylvia Young, deren drei Kinder bei einem Brand in Detroit umkamen
Kunst und Kultur

Die prekäre Position von Kunst, und im allgemeineren Sinn von Kultur, fand angesichts der internationalen Krise des Kapitalismus einen deutlichen Ausdruck in dem brutalen Angriff auf eine der wichtigsten Musikinstitutionen Amerikas, das Detroiter Symphonieorchester, dessen Musiker im Oktober in einen langen Streik traten. Die WSWS erklärte die Verbindung zwischen den Angriffen des Managements des Orchesters – die von den Medien voll und ganz unterstützt wurden – und den allgemeinen Anstrengungen, der Masse der Bevölkerung den Zugang zu Kultur zu verweigern. Die SEP nahm eine entschlossene Verteidigungskampagne für die streikenden Musiker auf, die in Detroit und dem ganzen Land großen Rückhalt erlangten.

WSWS-Kunstredakteur David Walsh hielt im Jahr 2010 in New York City, Detroit, und in Manchester eine Reihe von wichtigen Vorträgen über die Krise der amerikanischen Kultur und die Beziehung zwischen Sozialismus, Kunst und vor allem Film. Er erläuterte den Kontrast zwischen den russischen Romanautoren des neunzehnten Jahrhunderts, die durch ihre gemeinsamen Anstrengungen zur Diskreditierung der offiziellen Gesellschaft und ihrem letztendlichen Untergangs beitrugen, und der größtenteils unkritischen Herangehensweise zeitgenössischer amerikanischer Filmemacher und Schriftsteller. Walsh erklärte, das „Problem liegt außerhalb von ihnen, in historischen Traumata und Schwierigkeiten, die noch überwunden werden müssen, in neuen Realitäten, die noch erkannt werden müssen.“

Eine Ausstellung frühsowjetischer Kunst im New Yorker Guggenheim Museum, die ursprünglich im Jahr 1993 besprochen wurde, bot auch Gelegenheit, detailliert de historische Beziehung zwischen den Bolschewiki und der Kunst der Avantgarde zu erforschen.

Wie die WSWS in ihrem jährlichen Artikel über die Kinolandschaft schrieb, war das Jahr 2010 „beschämend dürftig“, was Filme angeht – egal ob es sich um Hollywood-Produktionen, „Independents“- oder ausländische Filme handelte. Die Filme mit den meisten Oscar-Nominierungen waren besonders armselige Beispiele. Der Oscar für den besten Film ging an Katheryn Bigelows Pro-Kriegsfilm The Hurt Locker. Dennoch gelang es einigen Filmen, etwas vom echten Leben einzufangen oder einen gewissen Widerstand gegen den Status Quo zu registrieren, vor allem Winter’s Bone und Roman Polanskis The Ghost Writer.

Es gab im Laufe des Jahres einige interessante Fernsehproduktionen, darunter Rubicon und Mad Men – und es waren nicht die einzigen. „The Wire, Hung, Treme, In Treatment, Big Love, The Tudors und viele andere deuteten auf eine Art Renaissance des amerikanischen Fernsehens hin, zumindest im Vergleich zu den insgesamt banalen Programmen der 1980er und 1990er Jahre“, schrieb James Brookfield.

Die WSWS veröffentlichte eine Reihe von Würdigungen von Leben und Werk wichtiger Kunstschaffender wie Mark Twain; des britischen Schriftstellers George Eliot aus dem 19. Jahrhundert; der mexikanischen Malerin Frida Kahlo; der Künstlerin Maria Abramovic; des Regisseurs Arthur Penn; und des Schauspielers Corin Redgrave, der lange Zeit Mitglied der Workers Revolutionary Party war, der ehemaligen britischen Sektion des Internationalen Komitees. Außerdem veröffentlichte die WSWS Interviews mit Künstlern, die einige der durchdachtesten Werke des Jahres veröffentlichten, darunter der britische Regisseur Ken Loach und der Drehbuchautor Paul Laverty und Debra Granik.

Eine Reihe von Artikeln befassten sich mit der Verbindung von Wissenschaft mit der heutigen Gesellschaft, darunter ein Nachruf auf den Mathematiker Benoit Mandelbrot und eine Buchbesprechung mit dem Titel „Was sagt uns Teilchenphysik über die Natur der Materie?“ Eine weitere wichtige Entwicklung für das Wissen der Menschheit war der Neustart des Large Hadron Collider am CERN-Institut, der das Ergebnis der Zusammenarbeit von etwa 60.000 Wissenschaftlern war und zu dem Zweck gebaut wurde, die Natur und Struktur subatomarer Physik besser zu verstehen. Er erreichte die höchste Teilchenenergie, die ein derartiges Gerät je erreicht hatte.

Mehrere Buchbesprechungen boten auch Gelegenheit, eine Reihe von Themen zu behandeln, darunter die Französische Revolution, die Aufklärung, die politische Rolle von Leonard Bernstein, die amerikanische Bildungs„reform“ und den biologischen Rassenbegriff.

Winter’s Bone