Staatsstreich in Sri Lanka verhilft der JVP zu politischer Bedeutung

Kaum eine Woche nach der Auflösung des Parlaments durch die srilankische Präsidentin Chandrika Kumaratunga und der Festlegung von Neuwahlen wird bereits deutlich, wer der eigentliche Gewinner der politischen Krise ist: Nicht die Partei der Präsidentin - die Sri Lanka Freedom Party (SLFP) -, sondern die Janatha Vimukthi Peramuna (JVP), die sich durch populistische Demagogie und fanatische Appelle an den singhalesischen Chauvinismus auszeichnet.

Seit Monaten fordern die Führer der JVP, dass Kumaratunga ihre Machtbefugnisse nutzt, um die UNF-Regierung zu entlassen, der sie vorwerfen, das Land in den Friedensgesprächen mit den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) zu verraten und vor ausländischen Kapitalinteressen zu kapitulieren. Jedes Zugeständnis der Präsidentin an ihre Forderungen hat die JVP-Führung weiter ermutigt und Kräfte in Bewegung gesetzt, die Kumaratunga nicht mehr unter Kontrolle hat.

Die JVP hatte am 4. November als erste Kumaratungas Entscheidung begrüßt, drei Schlüsselminister der Regierung unter Premier Ramil Wickremesinghe zu entlassen und das Parlament für zwei Wochen zu beurlauben. Gleichzeitig verlangte sie von der Präsidentin weitere Schritte in diese Richtung. Sie verlangte auch weiterhin ein Bündnis mit der SLFP, allerdings nur zu Bedingungen, die für sie selbst sehr vorteilhaft waren. Eine ihrer Hauptforderungen war die Ansetzung von Neuwahlen.

Kumaratunga zögerte und schwankte im Wissen, dass einflussreiche Teile der Wirtschaft und der Großmächte einen Kompromiss mit der Regierung befürworteten, um die Wiederaufnahme der Friedensgespräche zu ermöglichen. Ihre eigene Partei war tief gespalten, wobei ein wichtiger Teil jedes Bündnis mit der JVP ablehnte und auf eine Übereinkunft mit Wickremesinghe drängte. Auch die früheren Partner der SLFP in der Regierung der Volksallianz - die Lanka Sama Samaja Party (LSSP) und die Kommunistische Partei - waren gegen ein Bündnis mit der JVP. Andere argumentierten, dass nur ein Bündnis mit der JVP der SLFP wieder auf die Beine helfen könne.

Das neue Bündnis mit dem Namen United Peoples Freedom Alliance (UPFA) wurde schließlich am 20. Januar geschlossen. Unmittelbar darauf intensivierte die JVP ihre Kampagne für Neuwahlen. Auf der ersten Kundgebung der UPFA am 29. Januar in Colombo machten SLFP-Führer vage Andeutungen über eine bevorstehende Wahl. Somawansa Amarasinghe und Wimal Weerawansa, zwei Führer der JVP, erklärten dagegen offen, dass es bald Neuwahlen geben werde.

Die heftigen Auseinandersetzungen in der Führung der SLFP wurden auf einer Sitzung des Zentralkomitees am 1. Februar beigelegt. Im Anschluss daran fand am 5. Februar ein Treffen von führenden Organisatoren der SLFP statt. Am 6. Februar nahmen die Gerüchte zu, Kumaratunga werde in Kürze die Regierung entlassen, und das Bündnis wurde formal als politische Partei eingetragen. Tags darauf um Mitternacht löste Kumaratunga das Parlament offiziell auf, ohne Wickremesinghe oder andere führende Regierungsmitglieder auch nur zu informieren.

Seither verteidigt die JVP das undemokratische Handeln Kumaratungas entschieden und fordert von ihr weitere Maßnahmen gegen die UNF. Auf ihr Drängen hin entließ die Präsidentin am 11. Februar 39 untergeordnete Regierungsmitglieder und entzog ihnen die durch das Amt zustehenden Vorrechte - die Benutzung von Regierungsfahrzeugen und andere Privilegien. Sie bezichtigte die Minister der "kriminellen Veruntreuung öffentlichen Eigentums" und drohte ihnen mit nicht näher erläuterten Maßnahmen. Die JVP ging daraufhin einen Schritt weiter. Sie forderte, dass Kumaratunga das Amt jedes "korrupten" führenden Kabinettsmitglieds unter eigene Regie nehme.

Der JVP-Führer Somawansa Amarasinghe äußerte sich in der eigenen Parteipresse zum Thema "Korruption" und spottete über Vertreter der herrschenden Kreise, die sich kritisch über die Kosten der Wahl - der dritten innerhalb von nicht einmal vier Jahren - äußerten. "Die Regierung sagt, eine Wahl wird 450 Millionen Rupien kosten. Aber wie viel Schaden werden Betrug und Korruption anrichten, wenn diese Regierung weiter im Amt bleibt?" fragte er und fügte hinzu: "Diese Regierung, die Räuber verteidigt, aber wirklichen Unternehmern keine Unterstützung gibt, (...) wird Millionen verschwenden. Deswegen ist eine sofortige Parlamentswahl ein Muss."

Amarasinghes Hinweis auf "wirkliche Unternehmer" hat eine besondere Bedeutung. Um für Arbeiter, Studenten und Kleinbauern attraktiv zu sein, setzt die JVP manchmal noch Teile ihrer maoistischen und castristischen Rhetorik ein, derer sie sich in den sechziger Jahren, bei ihrer Gründung, bedient hatte. Zwar sind sich die bewussteren Schichten der herrschenden Klasse durchaus darüber im Klaren, dass die JVP nie eine wirklich sozialistische Partei war, aber es gibt dennoch die Befürchtung, dass ihre Propaganda gegen Privatisierungen und "ausländische Konzerne" zu einem Hindernis für die Umsetzung weiterer ökonomischer Strukturmaßnahmen werden könnte.

Amarasinghes Bemerkung sollte diese Befürchtungen zerstreuen. Um sicher zu stellen, dass er auch verstanden werde, fügte er hinzu, die Allianz werde für eine korruptionsfreie Umgebung sorgen. "Ich erkläre hiermit unmissverständlich, dass eine Allianz-Regierung eine entsprechende Situation herbeiführen und Investoren ermutigen wird. Niemand sollte sich Sorgen machen, dass Investitionen ausbleiben könnten", erklärte er.

Die JVP-Führer hoffen, durch ihre Allianz mit der SLFP und den Wahlkampf der Regierungsmacht einen Schritt näher zu kommen. Die Partei wendet sich direkt an Schichten von Jugendlichen, Arbeitern und Armen auf dem Lande, die von den Wirtschaftsreformen der UNF- und der ihr vorausgehenden Volksallianz-Regierungen hart getroffen wurden. Viele einfache Menschen sehen darin eine Alternative zu den beiden etablierten Parteien, auch wenn sie die üble kommunalistische Politik der JVP nicht unbedingt unterstützen. Die JVP nutzt diese Unzufriedenheit opportunistisch aus und macht weitgehende, aber völlig hohle Versprechungen, die sie unter dem kapitalistischen System, das zu erhalten sie sich verpflichtet hat, unmöglich erfüllen kann.

In den Wochen vor der Auflösung des Parlaments verschärfte die JVP ihre Agitation gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung. Sie spielte bei der Organisierung eines Eisenbahnerstreiks, bei Arbeitskämpfen im Gesundheitswesen und bei der Opposition gegen eine geplante Änderung der Arbeitsgesetze eine führende Rolle. Vergangene Woche protestierten Bauern in Colombo gegen den Anstieg der Düngemittelpreise unter der UNF-Regierung. Sobald die Wahlen angekündigt waren, sagte die JVP die Streiks und Proteste mit dem Hinweis ab, eine künftige Allianz-Regierung werde diese Probleme lösen.

Die JVP kalkuliert darauf, in der Koalition den Ton angeben zu können. Die SLFP mag die ältere, größere und etabliertere Partei sein, aber sie ist nach acht Regierungsjahren, von 1994 bis 2001, völlig kompromittiert. Die JVP hat die politische Ausrichtung der Plattform der Allianz bestimmt, die damit beginnt, die UNF des Verrats der Nation an die LTTE und ausländische Interessen zu beschuldigen. Es steht außer Zweifel, dass die Demagogen der JVP in dem schrillen chauvinistischen Wahlkampf gegen die UNF die erste Geigen spielen werden.

Tiefe politische Krise

Die Tatsache, dass die JVP in der gegenwärtigen Situation eine derartige Schlüsselrolle spielt, wirft ein grelles Licht auf den heruntergekommen Zustand der bürgerlichen Politik in Sri Lanka und auf das Ausmaß der aktuellen Krise. Vor gerade einmal zehn Jahren war die Partei noch illegal. In den späten achtziger Jahren führte sie eine mörderische Kampagne gegen das indo-srilankische Abkommen, den ersten Versuch eines Teils der srilankischen Bourgeoisie, den Bürgerkrieg zu beenden. Im Namen der Rettung der Nation töteten Mordkommandos der JVP Hunderte Arbeiter, Gewerkschaftsfunktionäre und Parteiführer, die sich weigerten, sich ihrer Politik zu unterwerfen.

Kumaratunga holte die JVP 1994 ins offizielle politische Leben zurück, nachdem sie die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte. Gewisse Elemente in der herrschenden Klasse sahen die Partei als ein potentiell nützliches Sicherheitsventil für die allgegenwärtigen sozialen Spannungen. JVP-Führer wurden von Wirtschaftskreisen umworben, und die Medien stellten sie groß heraus. Bei den Parlamentswahlen im gleichen Jahr gewann die Partei mäßige 81.560 Stimmen und einen Sitz im Parlament.

Die Wahlerfolge der JVP in den folgenden zehn Jahren waren ein Ergebnis der Unfähigkeit sowohl der Volksallianz unter Führung der SLFP wie auch der UNF-Regierung, die Bedürfnisse und Bestrebungen der einfachen arbeitenden Bevölkerung zu befriedigen. Die JVP hat nur, wenn auch in einer besonders extremen Form, die gleiche politische Karte gespielt, wie alle bürgerlichen Parteien in Sri Lanka in den vergangenen fünfzig Jahren, nämlich die Karte des anti-tamilischen Chauvinismus.

Als die Kumaratunga-Regierung im Jahre 2000 Friedensgespräche mit der LTTE aufnahm, trat die JVP mit der Unterstützung von Wickremesinghes United National Party eine chauvinistische Kampagne gegen diese Initiative los. Jetzt, da Wickremesinghe Verhandlungen mit der LTTE aufgenommen hat, ist die UNF-Regierung das Ziel der politischen Angriffe der JVP.

Die JVP ist auf Kosten beider großen Parteien gewachsen, aber besonders auf Kosten der SLFP, die in ländlichen Gebieten durch den direkten Appell an singhalesischen Nationalismus Unterstützung gewonnen hatte. Bei den Wahlen von 2000 erhielt die JVP 518.774 Stimmen und errang damit zehn Sitze. Nachdem Kumaratungas Regierung 2001 zusammengebrochen war, erhöhten die Chauvinisten bei der Wahl im Dezember des Jahres ihre Stimmen auf 815.353 und die Zahl ihrer Sitze auf sechzehn.

Jetzt erhofft sich die JVP viel größere Gewinne. Als Preis für ihr Bündnis mit der SLFP wurden ihr für die bevorstehende Wahl 42 Wahlkreise zugestanden. Diese werden ohne Zweifel in Gebieten liegen, wo sie am stärksten ist und die sie zu gewinnen hofft, wenn die SLFP dort nicht antritt. Mit einer solchen Fraktionsstärke hofft die JVP-Führung in eine ausreichend starke Position zu gelangen, um den Gang der Ereignisse immer stärker bestimmen zu können.

Die politische Sackgasse der vergangenen drei Monate ist Ausdruck eines grundlegenden Dilemmas, in dem die herrschende Klasse steckt. Teile der Wirtschaft in Colombo verlangen ein Ende des zwanzigjährigen Bürgerkriegs, um Investitionen zu begünstigen und die Insel in den Prozess der globalen Produktion zu integrieren. Aber um den Krieg zu beenden, müssen sie das Jahrzehnte alte Erbe kommunalistischer Politik überwinden, dass sie selbst geschürt haben, um die Arbeiterklasse zu spalten und die bürgerliche Herrschaft zu stärken.

Die Wahlen werden nichts zur Lösung der Krise beitragen. Wenn die UNF an der Regierung bleibt, dann wird der Konflikt mit Kumaratunga andauern und sich verschärfen. Wenn das SLFP-JVP Bündnis die Wahl gewinnt, dann wird eine solche "Allianz"-Regierung das Land vermutlich wieder in den Bürgerkrieg stürzen. Darüber hinaus würden die in dieser Zweckehe enthaltenen Gegensätze über kurz oder lang aufbrechen. Die Spaltungen im politischen Establishment und die Spannungen, die durch die zunehmende soziale Polarisierung erzeugt werden, sind so tief, dass die Mechanismen der bürgerlichen Demokratie sich weitgehend erschöpft haben.

Die enthusiastische Unterstützung der JVP für Kumaratungas undemokratisches Vorgehen ist das klarste Anzeichen dafür, dass sie der herrschenden Klasse ihre Dienste anbieten würde, wenn außerparlamentarische Herrschaftsformen erforderlich werden sollten. Ihre Verachtung für demokratische Rechte war in den Bemerkungen des Propagandasekretärs der JVP Wimal Weerawansa gegenüber dem Daily Mirror in der vergangenen Woche zusammengefasst. Er verteidigte die Maßnahmen der Präsidentin mit den Worten. "Das Mandat des Volkes und die Meinung der Öffentlichkeit ist wichtig und nicht die parlamentarische Mehrheit."

Weerawansas Kommentar enthält mehr als nur eine Spur Faschismus. Es hat keine Massendemonstrationen gegeben, die den Sturz der Regierung gefordert hätten. Vielmehr haben Meinungsumfragen und Wahlergebnisse in den letzten zehn Jahren gezeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung ein Ende des Bürgerkriegs will. Aber die JVP nimmt arrogant in Anspruch, alleine "den Willen der Bevölkerung" zu artikulieren.

Weerawansas Erklärung ist eine klare Warnung an die Arbeiterklasse, dass die JVP, wenn sie die Macht nicht an der Wahlurne erringen kann, nicht zögern wird, andere Mittel einzusetzen - sei es mit oder ohne die SLFP.

Siehe auch:
Staatsstreich in Sri Lanka - Präsidentin entlässt Regierung
(10. Februar 2004)
Wendung im Bürgerkrieg in Sri Lanka enthüllt faschistischen Charakter der JVP
( 14. September 2000)
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