Junge Welt verteidigt Koalition von Sozialdemokraten mit Neo-Faschisten in der Slowakei

Vor einigen Tagen veröffentlichte die Berliner Tageszeitung junge Welt einen erstaunlichen Artikel von Jürgen Elsässer, der sich zu einem vehementen Plädoyer für die jüngst gebildete Koalitionsregierung der slowakischen Sozialdemokratie (Smer-SD) mit der ultra-rechten Slowakischen Nationalpartei (Slovenska Narodna Strana - SNS) verstieg. (junge Welt, 06. Juli 2006)

Unter der Überschrift "Querfront-Regierung in der Slowakei: Fragen an die Antifa" feuert Jürgen Elsässer eine Breitseite gegen Mitglieder der deutschen Antifa ab, weil sie die Entscheidung des slowakischen Sozialdemokraten Robert Fico kritisiert hatten, eine Koalitionsregierung mit der ultra-nationalistischen SNS und der konservativen Bewegung für eine Demokratische Slowakei (HZDS) einzugehen. Besonders geht es Elsässer darum, die Einbeziehung der rechtsextremen SNS in die neue slowakische Regierung zu verteidigen.

Seit Jahren schreibt Jürgen Elsässer regelmäßig für die junge Welt. Die Zeitung bezeichnet sich als "sozialistisch", hat jedoch ihre wahren Wurzeln in der DDR, wo sie das Organ der Jugendbewegung der stalinistischen SED war. In der Nachkriegszeit brachte es die Zeitung auf die größte Auflage aller Tageszeitungen der DDR. Nach der Wiedervereinigung 1990 führte die junge Welt ihren Namen fort und hielt ihre Beziehungen zu einer bestimmten Schicht der post-stalinistischen PDS aufrecht.

In dem genannten junge-Welt- Artikel verspottet Elsässer die " political correctness" von Antifa-Sympathisanten, die Einwände gegen die Beteiligung der rassistischen und ultra-nationalistischen SNS an der neuen slowakischen Regierung erheben. Was Elsässer angeht, so unterstützt er die neue Koalition ausdrücklich, weil sie angeblich dem Neoliberalismus den Kampf ansage. "Zum ersten Mal seit der kapitalistischen Wende 1989/90 kommt in Donald Rumsfelds ‚neuem’ Europa eine politische Kraft ans Ruder, die mit dem Neoliberalismus brechen will", schreibt er. "Das könnte Schule machen."

Elsässer gibt zu, dass der neuen Regierung ein Problem anhaftet, denn einer der Koalitionspartner, die Slowakische Nationalpartei, "kommt tatsächlich aus einer faschistischen Tradition". Laut Elsässer stellt dies jedoch keinen ausreichenden Grund dar, die neue Koalition abzulehnen, und wieder distanziert er sich von der Antifa, wenn er schreibt: "Legt man Antifa-Maßstäbe zugrunde, dürfte sich eine Linkspartei nie und nimmer mit einem solchen Partner verbünden."

Obwohl Elsässer zugibt, dass "die Rhetorik der SNS zuweilen unappetitlich" ist, sind ihm zufolge die wahren Feinde "[d]ie Vertreter der ungarischen Minorität, die mit Hilfe der slowakischen Ableger deutscher Zeitungshäuser am heftigsten die Hysterie gegen die neue Regierung schüren". Diese Kräfte seien laut Elsässer "die fünfte Kolonne Budapests".

Elsässers Angriff auf die Antifa und seine Unterstützung für die SNS ist verblüffend offen und reaktionär, obwohl Elsässer auch früher schon extreme Nationalisten verteidigt hat. Als leitender Journalist der jungen Welt hat er lange Zeit den kürzlich verstorbenen Serbenführer Slobodan Milosevic kritiklos verteidigt. Dennoch zeigt sein jüngster Erguss zur Unterstützung der slowakischen SNS, einer Organisation mit ausgesprochen faschistischen Tendenzen, dass der Kampf gegen "Neoliberalismus" für Elsässer jedes Zusammengehen zulässt, auch mit den rechtesten und verkommensten politischen Kräften.

In seiner Tirade gegen die Antifa verteidigt Elsässer nicht nur die neue slowakische Koalition, sondern er bedient sich in seiner Argumentation auch praktisch der gleichen Sprache wie die SNS und ihr Führer Jan Slota, der die ungarische Minderheit in der Slowakei ebenfalls als "fünfte Kolonne Budapests" bezeichnet.

Die Slowakische Nationalpartei

Die SNS hat ihren Standpunkt im politischen Spektrum absolut glasklar gemacht: Sie steht in der Tradition des Faschismus. Die Slovenska Narodna Strana stammt von der slowakischen Volkspartei ab, die von 1939 bis 1945 mit Nazi-Deutschland kollaborierte, und deren Führer, Josef Tiso, bis heute in der Partei verehrt wird.

1999 organisierte die SNS eine Konferenz zum Gedenken an die Gründung des faschistischen slowakischen Marionettenregimes von 1939. In den Konferenzdokumenten wird die Rolle übergangen, die Tiso, ein katholischer Priester und ultra-nationalistischer slowakischer Regimechef, bei der Deportation Tausender Juden gespielt hat. Stattdessen wird er als "einer der größten Söhne der slowakischen Nation" beschrieben. Im gleichen Dokument wird Adolf Hitler als jemand beschrieben, der "die Slowaken liebte" und die Slowakei vor den Ungarn gerettet habe.

Das schändliche Erbe von Tiso und seiner Partei ist auf den aktuellen Chef der SNS, Jan Slota, übergegangen, der die ungarische Minderheit in der Slowakei immer wieder beschimpft und bedroht. Mehrfach bezeichnete er sie schon als "Lumpenpack" und "Slowakenmörder". In einer besonders aggressiven Rede erklärte er: "Wir werden in unsere Panzer steigen und Budapest zermalmen." Slotas Hasstiraden gegen die ungarische Minderheit in der Slowakei werden nur noch durch seine vehementen Versuche übertroffen, die Repressalien gegen Sinti und Roma im Land zu verstärken

Jetzt ist Slota ein bereitwilliger Verbündeter in Deutschland erwachsen, der bereit ist, seinen rassistischen Schund gegen die so genannte ungarische "fünfte Kolonne" zu unterstützen.

Elsässer zählt auf seine breite stalinistische Leserschaft und erinnert in seinem junge Welt -Artikel an die Formulierung der - stalinistisch dominierten - Komintern von 1935. Natürlich gibt es historische Vorläufer einer solchen, von ihm befürworteten, Politik der Allianz zwischen "linken" und rechtsextremen Kräften, aber die wirklichen historischen Präzedenzfälle liegen weiter zurück.

Der Schlageter-Kurs, das "rote Referendum" und der Berliner Transportarbeiterstreik

Wenige Jahre nach der Ermordung der zwei besten KPD-Führer, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, durch Freikorpssoldaten, versuchte der Komintern-Funktionär Karl Radek der deutschen Partei einen extrem nationalistischen Kurs aufzuoktroyieren. 1923 schlug Radek vor, die KPD solle eine Kampagne zum Gedenken an Albert Leo Schlageter führen, der in französisch besetztem Gebiet Sabotageakte der rechten deutschen Freikorps organisiert hatte. Nachdem er von einem französischen Militärgericht zum Tod verurteilt und hingerichtet worden war, lobte ihn Radek, der in der KPD für politische Bildung zuständig war, als "Martyrer des deutschen Nationalismus" und "mutigen Soldaten der Konterrevolution".

Laut Radek sollte die KPD die Initiative im Kampf gegen ausländisches Kapital ergreifen und dabei auch die Zusammenarbeit mit den rechtesten nationalistischen Kräften nicht ablehnen. "Die Sache des Volkes zur Sache der Nation gemacht, macht die Sache der Nation zur Sache des Volkes", schrieb er. Als in der Partei Kritik laut wurde, wurde Radeks Initiative nach ein paar Monaten abgebrochen, aber der Zwischenfall trug dazu bei, die KPD ernstlich vom Kurs abzubringen, und legte die Saat für künftigen Verrat.

Kurz vor Hitlers Machtübernahme sollte die KPD ein weiteres Mal vor nationalistischen und faschistischen Kräften kapitulieren. Im August 1931 organisierte die NSDAP ein Referendum, um die sozialdemokratische Regierung in Preußen zu stürzen. Nach anfänglicher Kritik wurde die KPD schließlich von Stalins Komintern angewiesen, diese nationalsozialistische Kampagne zu unterstützen. Drei Wochen vor der Abstimmung schloss sich die KPD den faschistischen Kräften an, um die damalige "fünfte Kolonne" der Sozialdemokraten in die Knie zu zwingen. Sie gaben dem Plebiszit den neuen Namen "Roter Volksentscheid" und stellten ihre bisherige Opposition gegen die Faschisten ein, die sie jetzt als "Genossen des arbeitenden Volkes" bezeichneten.

Zum Glück gewann das Referendum keine Mehrheit. Nach vorangegangenen Wahlerfolgen der Nazis hätte ein Gelingen des Volksentscheids in Preußen Hitlers Aufstieg an die Macht nur beschleunigen können.

Indessen zog die KPD unter Stalins Einfluss aus ihren bestürzenden politischen Fehlern keine Lehren, und ihre Rolle im Berliner Transportarbeiterstreik trug ein weiteres Mal dazu bei, die deutsche Arbeiterklasse ernstlich zu desorientieren. 1932 streikten kommunistisch beeinflusste Beschäftigte der Berliner Verkehrsbetriebe gegen die Lohnkürzungen der sozialdemokratischen Stadtregierung. Auf Anweisung von Goebbels unterstützten die Nationalsozialisten den Streik und schlossen ein Bündnis mit der KPD, das Straßenbahnen blockierte und Gleiskörper zerstörte. Bei Spendensammlungen für den Streik standen Kommunisten und Nationalsozialisten Seite an Seite mit der Sammeldose auf der Straße.

Der Streik wurde nach einer Woche abgeblasen, aber der Schaden war bereits angerichtet. Sozialdemokratische Arbeiter, die für einen gemeinsamen Kampf gegen die Nazis hätten gewonnen werden können, wandten sich voll Abscheu von der KPD ab, die in der deutschen Hauptstadt mit den Faschisten paktierte, und lehnten jedes Zusammengehen ab. Weniger als ein Jahr danach konnte Hitler fast legal die Macht ergreifen. Seine erste Amtshandlung bestand darin, die Verhaftung und Einkerkerung von Zehntausenden Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern anzuordnen.

Schon dieser kurze Blick auf die deutsche Geschichte zeigt die katastrophalen Folgen einer Kollaboration linker Parteien mit den extremen Rechten, und man könnte zahllose weitere historische Fallbeispiele anfügen, bei denen das Zusammengehen linker Organisationen mit Faschisten in manchem europäischen Land im letzten Jahrhundert schlimmste Konsequenzen für die Arbeiterklasse hatte.

In just dieser historischen Tradition steht die "neue politische Kraft", die Elsässer in der Slowakei so vehement befürwortet. Immer im Namen des Kampfs gegen "Neoliberalismus" stellt Elsässers Verteidigung der SNS seine Bereitschaft unter Beweis, den Prozess zu unterstützen, der die angeblich "Linken" in vielen osteuropäischen Ländern mit rechtsradikalen Organisationen aussöhnt.

Seit 1990 zeigt der Blick auf die politische Entwicklung in Osteuropa eine verwirrende Fülle politischer Parteien, die an die Macht kommen, rasch wieder aus dem Amt gewählt werden, nur um unter neuem Namen und zuweilen mit neuem Führer wieder aufzutauchen. Es wäre völlig falsch, die Parteien der osteuropäischen Länder und ihre Führer nach politischen Prinzipien zu unterscheiden. Vetternwirtschaft, Korruption, Selbstbereicherung und völlige politische Skrupellosigkeit kennzeichnen den politischen Kurs von Dutzenden verschiedener Regierungen und Parteien der letzten anderthalb Jahrzehnte.

Ein gemeinsamer Trend kann jedoch an ihnen beobachtet werden. In einer Situation, in der sich alle marktwirtschaftlich orientierten Parteien immer stärker diskreditieren und soziale Unzufriedenheit provozieren, sind die so genannten sozialdemokratischen, grünen oder "sozialistischen" Parteien, die größtenteils von den ehemaligen Stalinisten herkommen, immer williger, Koalitionen mit ultrarechten, autoritären oder neofaschistischen Kräften einzugehen.

In Bulgarien hat die Sozialistische Partei (BSP) eine Regierung mit der erznationalistischen Nationalen Bewegung gebildet, die von Simeon II., dem ehemaligen bulgarischen Monarchen, geführt wird. Im Nachbarland der Slowakei, der tschechischen Republik, ist die Grüne Partei eben erst in eine Regierung mit der erzkonservativen Bürgerpartei (ODS) eingetreten. Und jetzt haben auch in der Slowakei die Sozialdemokraten sich mit Slota und der SNS zusammengetan.

Der gleiche Trend ist in sehr vielen weiteren osteuropäischen Ländern und den baltischen Staaten zu beobachten. In dieser Situation wachsender politischer Spannung haben Jürgen Elsässer und die junge Welt einer solchen Wende hin zu Regierungen und Koalitionen des rechtsextremen Populismus’ und autoritären Regimes ihr Gütesiegel aufgedrückt.

Siehe auch:
Heilbronn: Podiumsdiskussion der "Initiative gegen den Irakkrieg" Konkret unterstützt das brutale Vorgehen des israelischen Staates gegen die Palästinenser Der nationalistische Reflex - Junge Welt und konkret begeistern sich für Putin
(3. Mai 2003)

( 13. Dezember 2000)

( 30. September 2000)
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