Anstößige Fotos zeigen wahren Charakter der deutschen "Friedensmission" in Afghanistan

Am 25. Oktober veröffentlichte die Bild -Zeitung Fotos, die deutsche Soldaten in Afghanistan bei der Schändung von Leichen zeigen. Auf den Fotos aus dem Jahre 2003 sind Mitglieder einer bayrischen Einheit auf Patrouille nahe der afghanischen Hauptstadt Kabul zu sehen. Sie posieren mit einem menschlichen Schädel, den sie auf der Motorhaube eines Militärfahrzeugs befestigt haben. In einem Fall hält ein Soldat einen Schädel neben seinen entblößten Penis.

Die Authentizität der Fotos wird durch die abgebildeten Fahrzeuge bestätigt, die deutsche Symbole und solche der Nato-"Friedenstruppe" ISAF tragen. Deutschland nimmt an der ISAF-Mission in Afghanistan teil und hat gegenwärtig 2.800 Soldaten in Kabul und im Norden des Landes stationiert.

Auf die Fotos in der Bild folgten am Donnerstag weitere Aufnahmen aus dem Jahre 2004. Sie wurden im deutschen Fernsehen gezeigt und zeigen ähnliche Szenen von deutschen Soldaten mit einem menschlichen Schädel.

Die Bilder erinnern an die berüchtigten Schnappschüsse aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib, auf denen US-Soldaten Gefangene sexuell nötigen und foltern. Ihre Veröffentlichung hat zahlreiche Erklärungen von Seiten deutscher Politikern und hochrangiger Militärs provoziert. Ihnen geht es vorrangig darum, die Empörung in der Bevölkerung klein zu halten und zu verhindern, dass die deutsche Rolle bei der Unterdrückung des afghanischen Widerstands gegen die ausländischen Besatzer in die Kritik gerät. Die Große Koalition ist bemüht, Deutschlands weltweite Militärpräsenz weiter auszubauen.

Die Parallele zwischen den deutschen Fotos und den US-Gräueltaten im Irak liegt auf der Hand. "Jetzt haben wir unser Abu Ghraib", seufzte laut Tagesspiegel ein Offizier im Verteidigungsministerium. Volker Perthes, Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit, erklärte gegenüber der New York Times, eigentlich seien deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert, um bei der Stabilisierung der Lage zu helfen. Die Fotos relativierten jedoch die deutsche Diskussion in Bezug auf die Taten amerikanischer Soldaten in Abu Ghraib.

Prominente deutsche Politiker verurteilten die Bilder sofort. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, die Fotos seien ekelhaft, und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, das unentschuldbare Verhalten der Soldaten schade dem Ansehen der Bundeswehr und dem Land. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ordnete ein Verfahren gegen sieben Bundeswehrsoldaten an, die auf den Bildern zu sehen sind.

Während deutsche Politiker das obszöne Verhalten der Soldaten kritisierten, versicherten hochrangige Militärs, der Vorfall sei nur das Werk von ein paar "Einzeltätern". Die Aktivitäten der Bundeswehr dürften dadurch keinen Schaden nehmen. Ex-General Klaus Reinhardt, der ehemalige Chef der internationalen Friedenstruppe im Kosovo, erklärte, die Fotos seien absolut geschmacklos. "Aber wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten." Er warnte vor Kritik an der Rolle Deutschlands in Afghanistan.

Der Skandal kommt zu einem für Verteidigungsminister Jung ungünstigen Zeitpunkt. Am gleichen Tag, als die Bilder veröffentlicht wurden, stellte Jung ein neues Strategiepapier für die Bundeswehr, das so genannte Weißbuch vor, in dem deren Rolle als "internationale Interventionstruppe" bestätigt wird. Diese Rolle, heißt es im Weißbuch, sei für eine Neudefinition der deutschen Sicherheitsprioritäten entscheidend.

Ebenfalls am gleichen Tag stimmte das Kabinett dafür, das Mandat der deutschen Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan zu verlängern.

Die Behauptung, die Bilder seien lediglich eine Entgleisung, wird durch ähnliche Entwicklungen in der Bundeswehr widerlegt. Im Juni tauchten Presseberichte über entwürdigende und obszöne Rituale eines in Zweibrücken stationierten Fallschirmjägerregiments auf. Die Vorwürfe waren so schwerwiegend, dass die beabsichtigte Entsendung dieser Einheit in den Kongo gestoppt wurde.

2004 nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen achtzehn Ausbilder in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne auf, die bei der Ausbildung von jungen Rekruten Foltermethoden eingesetzt und dabei Elektrokabel verwendet haben sollen. Und 1996 stellte die Polizei bei einer Einheit, die nach Bosnien entsandt werden sollte, ein Video sicher, in dem junge Soldaten Folterszenen übten und eine Vergewaltigung inszenierten.

Obwohl die Fotos in Bild als "isolierte Einzelfälle" und als Tat einiger weniger "Einzeltäter" heruntergespielt werden, vermitteln sie einen Eindruck vom wahren Charakter der deutschen Einsätze in Afghanistan und anderen Ländern. Die Brutalisierung und Verrohung junger Rekruten wird zum Normalfall in der Bundeswehr, die zunehmend im Rahmen imperialistischer Interventionen in aller Welt eingesetzt wird.

Die in der Bild- Zeitung veröffentlichten Fotos untergraben die von praktisch allen etablierten deutschen Parteien gepflegte Darstellung, der zufolge die Bundeswehr im Ausland angeblich als "Friedenstruppe" ohne direkte Kampfaufgaben tätig sei. In Wirklichkeit tritt Deutschland im 21. Jahrhundert erneut als mächtige imperialistische Macht auf, die bereit ist, ihre Interessen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen und zu forcieren.

Über einige Jahrzehnte hinweg gab es im Nachkriegsdeutschland einen Konsens zu Gunsten einer pazifistischen Politik. Als Reaktion auf die Schrecken des Nationalsozialismus und die barbarischen Aggressionskriege der Hitler-Truppen legte das westdeutsche Grundgesetz für die Bundeswehr, die im Nachkriegsjargon immer als "Bürger in Uniform" bezeichnet wurde, eine rein defensive Rolle fest. Die Hauptverantwortlichen für die Wiederbelebung des deutschen Militarismus waren die SPD und die Grünen, die sieben Jahre lang gemeinsam regierten. Sie machten den Weg frei für den ersten internationalen Militäreinsatz deutscher Truppen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Kosovo und Afghanistan

Der offene Bruch mit dem reinen "Verteidigungsprinzip" begann mit der Wahl der rot-grünen Koalition 1998. Ende 1998 befahl Kanzler Gerhard Schröder (SPD) die Entsendung von deutschen Truppen in das ehemalige Jugoslawien. Die ideologische Rechtfertigung für diesen beispiellosen Politikwechsel - die erste offizielle Intervention deutscher Truppen auf fremdem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg - lieferten Verteidigungsminister Rudolph Scharping (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Sie rechtfertigten die deutsche Beteiligung an dem Nato-Bombenkrieg gegen Serbien, der als humanitäre Verteidigung der Kosovoalbaner gegen einen Völkermord hingestellt wurde, zynisch mit dem Verweis auf die Nazi-Zeit und den Holocaust an den Juden.

Regierungsvertreter griffen die Medienpropaganda auf, die das Ausmaß der serbischen Angriffe auf die Kosovoalbaner weit übertrieb, und verglichen den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic mit Adolf Hitler. Fischer sagte über die deutsche Rolle im Luftkrieg: "Zum ersten Mal in diesem Jahrhundert steht Deutschland auf der richtigen Seite."

Die deutsche Beteiligung an der imperialistischen Intervention im Kosovo stellte einen Bruch mit der strikt defensiven Nachkriegspolitik des Landes dar. Seitdem hat sich die Regierung unablässig bemüht, die in der deutschen Bevölkerung tief verwurzelte Furcht vor einem Wiederaufleben des deutschen Militarismus zu zerstreuen.

Nach Afghanistan hatte Deutschland 2001 ursprünglich nur ein paar hundert Soldaten geschickt, um die USA in ihrem "Krieg gegen den Terror" zu unterstützen. Aber die deutsche Beteiligung nahm in dem Maße zu, wie die US-Armee gezwungen war, sich auf ihr Hauptschlachtfeld im Irak zu konzentrieren.

Im Jahre 2003, als die jetzt in Bild veröffentlichten Fotos aufgenommen wurden, rechtfertigten Kanzler Schröder und Außenminister Fischer die Aufstockung des deutschen Kontingents in Afghanistan mit dem Hinweis, es handele sich dabei um eine friedliche Intervention. Sie erklärten, die Entsendung deutscher Truppen in den unruhigen Norden des Landes diene dem Wiederaufbau in der Provinz Kundus - dem Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern sowie der Ausbildung von Polizisten. Aufgabe der deutschen Armee sei der Schutz ziviler Aufbauteams. Der deutsche Kanzler sprach von einer "Wiederaufbaudividende" für das afghanische Volk.

Nur wenige Wochen zuvor hatte der amerikanische Präsident "die großartige Arbeit der deutschen Armee in Afghanistan" gelobt und der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im US-Senat, Richard Lugar, ähnlich positive Worte für den Bundeswehreinsatz gefunden. Mit der Zustimmung Washingtons forcierte Schröder seine Pläne für eine erweiterte Intervention in Afghanistan und rief öffentlichkeitswirksam sein "Sicherheitskabinett" zusammen.

Imperialistische Interventionen in aller Welt

Seitdem ist Deutschland eine führende Militärmacht in Afghanistan geworden und deutsche Truppen sind in verschiedenen Teilen der Welt im Einsatz. Die historische Rolle der Schröder-Regierung bei der Aufkündigung des pazifistischen Konsensus würdigte Constanze Stelzenmüller vom Berliner Büro des German Marshall Fund: "Wenn es eine historische Errungenschaft der Schröder-Regierung gibt, dann ist es die Überwindung dieses Tabus unter Beibehaltung der bestimmenden Rolle der Zivilmacht."

Die von Schröder und Fischer begonnene Initiative wird von der Großen Koalition unter Angela Merkel fortgesetzt und intensiviert. Etwa 10.000 deutsche Soldaten befinden sich gegenwärtig im Ausland und nehmen an zehn internationalen Militärmissionen in so unterschiedlichen Regionen wie dem Kosovo, Bosnien, am Horn von Afrika, dem Sudan und Georgien teil. Insgesamt 200.000 deutsche Soldaten waren seit 1998 an Auslandseinsätzen beteiligt.

Neben der Mandatsverlängerung für die Spezialkräfte in Afghanistan diese Woche gab die Merkel-Regierung kürzlich grünes Licht für den Einsatz deutscher Truppen in dem von Bürgerkriegen zerrissenen Kongo und stimmte auch der größten Einzelentsendung von deutschen Soldaten ins Ausland zu, dem Einsatz der Bundesmarine vor der libanesischen Küste. Die zunehmend aggressive Außenpolitik der deutschen Regierung seit den frühen 1990er Jahren hat bis jetzt 63 deutsche Soldaten das Leben gekostet.

Die diese Woche veröffentlichten Fotos sind ein weiteres Teil in einem Puzzle, das ein Bild von den imperialistischen Methoden und Operationen des deutschen Staates und seiner Armee ergibt.

Anfang des Jahres war bekannt geworden, dass deutsche Geheimdienste vor und nach der amerikanischen Invasion im Irak mit dem US-Geheimdienst bei der Nachrichtenbeschaffung zusammengearbeitet hatten. Obwohl Berlin eine direkte Beteiligung am Irakkrieg offiziell abgelehnt hatte, setzten der deutsche Geheimdienst und besondere militärische Einheiten hinter den Kulissen und außerhalb jeder parlamentarischen Kontrolle ihre enge Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Militär und der CIA fort.

Erst diese Woche kam heraus, dass die Eliteeinheit KSK zumindest seit 2002 an der Bewachung geheimer CIA-Gefängnisse in Afghanistan beteiligt war und an der Befragung des in Deutschland aufgewachsenen Türken Murat Kurnaz teilgenommen hatte.

Offiziell mögen die hohen politischen und militärischen Kreise Deutschlands zwar Entsetzen über die in Bild gezeigten Fotos heucheln, doch alles weist auf ein verstärktes Blutvergießen und auf zunehmende Brutalität in Afghanistan hin. Der Juli 2006 war der blutigste Monat in Afghanistan seit der US-Invasion im Oktober 2001. Von Januar bis August sind laut Schätzungen mindestens 1.700 Menschen bei Kämpfen im ganzen Land umgekommen. In den letzten Tagen ist die Zahl der Opfer noch einmal in die Höhe gegangen. Afghanischen Quellen zufolge wurden bei einem Bombenangriff der ISAF Anfang der Woche in Kandahar neunzig Zivilisten abgeschlachtet.

Während die imperialistischen Truppen zunehmend die Kontrolle über Afghanistan verlieren, zeigt sich die deutsche Regierung entschlossen, ihr Engagement auszuweiten. Ihr neues "Weißbuch" soll den Auslandseinsätzen die nötige Deckung verschaffen. Eine verstärkte Bereitschaft der deutschen Regierung zu militärischem Engagement wird auch ab 2007 erwartet, wenn Deutschland die EU-Präsidentschaft und den Vorsitz der G8 übernimmt.

Der Weg des Militarismus und der Wiederbewaffnung, den die rot-grüne Regierung seit 1998 so entschlossen beschritten hat, hat seine eigene eherne Logik. Er erfordert, dass das Oberkommando in den jungen Soldaten primitive, niedere und verkommene Instinkte weckt. Die veröffentlichten Bilder belegen, wie weit dieser Prozess in der deutschen Armee schon fortgeschritten ist. Mit der Wiederbelebung des Militarismus erwecken die deutsche Regierung und ihre politischen Verbündeten politische und militärische Kräfte und Traditionen zum Leben, die vor wenig mehr als einem halben Jahrhundert schon einmal eine weltweite Katastrophe verursacht haben.

Siehe auch:
Murat Kurnaz und die zwielichtige Rolle deutscher Spezialeinheiten in Afghanistan
(25. Oktober 2006)
Struck will Bundeswehreinsatz in Afghanistan ausweiten
( 2. September 2005)
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