Die Weltkrise des Kapitalismus und die Perspektive des Sozialismus

Teil 2

Wir veröffentlichen hier den zweiten Teil des einleitenden Berichts von Nick Beams auf der internationalen Schule des Internationalen Komitees der Vierten Internationale und der International Students for Social Equality in Sydney, Australien, vom 21. bis 25. Januar. Beams ist Mitglied der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site und Nationaler Sekretär der Socialist Equality Party Australiens.

Die Finanzkrise in den USA und das gesteigerte Wachstum der Weltwirtschaft, besonders in den vergangenen sieben Jahren in den weniger entwickelten Ländern, sind nicht voneinander getrennte Ereignisse, sondern zwei Seiten ein und desselben Prozesses.

Kurz zusammengefasst: das gesteigerte Wachstum Chinas (und anderer Länder) wäre nicht möglich gewesen ohne das gewaltige Anwachsen der Verschuldung in den USA. Aber das Anwachsen der Verschuldung, durch das die US-Wirtschaft und die weltweite Nachfrage gestützt wurden, ist jetzt in eine Krise gemündet.

Gleichzeitig haben die Billigproduktion in China und anderen Regionen und die Integration dieser Regionen in die Weltwirtschaft den Inflationsdruck niedrig gehalten. Dieser Prozess schuf die Bedingungen für niedrigere Zinsen, was die Kreditexpansion förderte, die eine entscheidende Rolle dabei spielte, die US-Wirtschaft und die Weltwirtschaft als Ganze zu stützen.

Lasst uns diesen Prozess genauer untersuchen. Die jüngste Finanzkrise ist nicht vom Himmel gefallen. Sie ist aus der Reaktion auf frühere Krisen entstanden, die bis zum Zusammenbruch der Aktienmärkte von 1987 zurückreichen. Damals öffnete der neu ins Amt gekommene Vorsitzende der Fed Alan Greenspan die Kreditlinien, um die Stabilität des Marktes zu sichern.

Die ersten Jahre, die auf die Rezession von 1991-92 folgten, waren von langsamem Wachstum gekennzeichnet - die so genannte Erholungsphase ohne Abbau der Arbeitslosigkeit. Aber in der Mitte des Jahrzehnts gab es eine Veränderung. 1996 wies Greenspan auf ein Ansteigen der Aktienpreise hin, das eine Schlüsselrolle im Aufschwung für die US-Wirtschaft spielte, und warnte in einer Rede Ende des Jahres vor "irrationalem Überschwang".

Aber nach einem kurzen Versuch, die Zinsen zu erhöhen, der auf eine feindselige Reaktion der Wall Street stieß, fuhr Greenspan damit fort, die Zinsen zu senken. Als die Asienkrise 1997 ausbrach, nannte US-Präsident Clinton sie eine "Panne", während Greenspan darauf bestand, dass es sich um ein Ergebnis des "asiatischen Gefälligkeitskapitalismus" gehandelt habe, der die Methoden des "freien Marktes" nicht assimiliert habe. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der anderen stalinistischen Regime habe dies erneut die historische Überlegenheit des angelsächsischen Systems der freien Marktwirtschaft erwiesen.

Innerhalb von wenigen Monaten wurde jedoch deutlich, dass die Krise in Asien Symptom tiefer liegender Probleme war. Im August 1998 geriet Russland in Verzug bei seinen internationalen Krediten und im September musste der Hedgefond Long Term Capital Management durch eine Rettungsaktion in Höhe von 3 Milliarden Dollar saniert werden, um zu verhindern, dass sein Zusammenbruch eine Krise des Finanzsystems auslöste. Die Reaktion der US Federal Reserve war, die Zinsen zu senken.

Das Resultat war, dass die wirtschaftlichen Unwetter sich relativ rasch zu verziehen schienen und die US-Wirtschaft am Ende des Jahrzehnts einen Boom erlebte, der als Morgenröte der "New Economy" begrüßt wurde. Tatsächlich erreichten zwar die Aktienmärkte Rekordhöhen, aber die Profitrate hatte zu fallen begonnen und die gesteigerten Profite, die Konzerne wie Enron oder Worldcom erwirtschaftet hatten, erwiesen sich als fiktiv. Die Börsen-Blase platzte 2000 und die US-Wirtschaft erlebte eine Rezession, bei der 3 Millionen Arbeitsplätze in der Produktion verloren gingen.

Der Niedergang hielt jedoch nur relativ kurz an und die US-Wirtschaft trat in eine Aufwärtsphase ein, die jedoch eine Reihe bemerkenswerter Charakteristika aufwies. Zwar basierte sie weitgehend auf gestiegenen Konsumausgaben, aber diese waren nicht das Ergebnis von höheren Löhnen und einem Zuwachs an Beschäftigung - die Reallöhne stagnierten geradezu - vielmehr lag dem ein Anwachsen von Konsumentenkrediten zugrunde, das durch die Zinssenkungen der US Notenbank ermöglicht wurde. Diese Zinssenkungen entfachten einen Immobilienboom, der seinerseits die Steigerung der Konsumausgaben ermöglichte.

Einer der Schlüsselfaktoren, der die niedrigen Zinsen möglich gemacht hatte, die so entscheidend für das Wirtschaftswachstum waren, war das Investieren von großen Mengen von Finanzkapital in US-Vermögenswerten durch die chinesischen Behörden.

Dieses Recycling chinesischer Handelsbilanzüberschüsse zurück ins US-Finanzsystem schien einen optimalen Kreis zu schließen. Der Kapitalzufluss durch das Aufkaufen von US-Schatzbriefen und anderen Schuldpapieren versetzte die US Zentralbank in die Lage, die Zinsen niedrig zu halten, was wiederum den Immobilienmarkt anheizte. Dies ermöglichte dann die Finanzierung höherer Konsumausgaben, wodurch für die gesteigerte chinesische Produktion ein Markt entstand. Dadurch wuchs der chinesische Handelsüberschuss in den Vereinigten Staaten, der dann in den US-Finanzmärkten investiert wurde. Dieser Prozess war der Kern des Wachstums der Weltwirtschaft nach der US-Rezession von 2000-2001.

Der Zufluss großer Mengen an Krediten ins Finanzsystem hat eine Schlüsselrolle in der Aufrechterhaltung des Wachstums der US- und Weltwirtschaft gespielt. Aber Kredite verschwinden nicht einfach, wenn ihre Aufgabe, die Wirtschaft zu beleben, erfüllt ist. Vielmehr tragen sie dazu bei, das Finanzkapital innerhalb der Weltwirtschaft aufzustocken, was erhebliche Folgen für die Stabilität des Systems als Ganzes hat.

Wenn wir auf die vergangenen 25 Jahre zurückblicken, dann sind, wie Greenspan erklärt, als Resultat der niedrigeren nominalen und realen Zinssätze die Vermögenswerte in jedem Jahr seit 1981 mit Ausnahme von 1987 und 2001/2002 rascher angewachsen als das Bruttoinlandsprodukt.

Was sind die Implikationen dieses Prozesses? Als Erstes ist zu bemerken, dass kreditfinanzierte Aktien, Immobilien und andere Vermögenstitel in der einen oder anderen Form Ansprüche auf Einkommen sind. Das bedeutet letztlich, sie sind Ansprüche auf den Mehrwert, der aus der Arbeiterklasse gezogen wird.

Der Wert dieser Vermögenswerte kann rascher steigen als das Bruttoinlandsprodukt, solange der Anteil am Nationaleinkommen, der in die Rendite fließt, ansteigt, d.h. solange der verfügbare Mehrwert insgesamt wächst. Aber dieser Prozess, in dem der Wert der Vermögenswerte, also der Ansprüche auf Einkommen, rascher ansteigt als das BIP, kann sich nicht unaufhörlich fortsetzen.

Ein Anzeichen dafür, wie weit der Prozess fortgeschritten ist, findet sich in einem Artikel der Financial Times vom 25. Juni 2007. Darin wird erklärt, dass vor 1995 das Verhältnis des Reichtums in privatem Besitz zum BIP in den USA um einen Durchschnitt von 3,4 zu 1 schwankte. "Jetzt liegt der Quotient trotz eines Mangels an Sparguthaben in der US-Wirtschaft bei 4,1. Eine Rückkehr zum langjährigen Durchschnitt würde bedeuten, dass in den USA die persönlichen Vermögen um ungefähr 10.000 Milliarden Dollar sinken würden. Auf den größten Teil der Welt übertragen würde eine künftige Finanzkrise global leicht zu Verlusten in Höhe von 25.000 Milliarden bis zu 30.000 Milliarden Dollar führen.

Dem McKinsey Global Institute zufolge hatte 2005 das globale Geldanlagevermögen einen Umfang von 140 Billionen Dollar erreicht - das ist mehr als das Dreifache des Bruttoinlandsprodukts aller Länder der Welt. 1980 war die Lage noch völlig anders, damals waren die Summe der globalen Vermögenswerte und das globale BIP noch in etwa gleich.

Wenn wir uns dem US-Hypothekenmarkt zuwenden, dann wird klar, dass dieser den größten Teil dieser Dekade die Form eines Schneeballsystems angenommen hat. Das heißt, Aktivposten in Form von Hypothekenschulden leiteten ihren Wert nicht aus den erwarteten Einnahmen ab - es war klar, dass es im Fall der Subprime-Anleihen keine Möglichkeit gab, die Zahlungen aufrecht zu erhalten - sondern aus der erwarteten Wertsteigerung der betreffenden Immobile. Diese wiederum war davon abhängig, dass zusätzliche Kredite den Markt ankurbeln würden. Ein Markt im Aufwind bedeutete, dass man größere Risiken eingehen konnte, weil die Immobilien, die die Schulden abdeckten, im Wert gestiegen waren.

2001 schlugen Subprimes mit 8,6 Prozent (190 Milliarden Dollar) bei der Ausgabe von Hypotheken zu Buche. 2005 stieg dieser Prozentsatz auf 20 Prozent (625 Milliarden Dollar). Diese Hypotheken wurden dann in Form von Finanzanlagen verkauft. 2001 beliefen sich so genannte verbriefte Subprimes auf nur 95 Milliarden Dollar, 2005 war diese Anlageform auf 507 Milliarden Dollar gewachsen.

In früheren Zeiten mussten ausgebende Banken das Risiko von Hypotheken einschätzen. Es war das Zeitalter der so genannten 3-6-3 Bankgeschäfte. Leihe Geld für 3 Prozent, verleihe es an Immobilienkäufer für 6 Prozent, und gehe um 3 Uhr zum Golfplatz.

In der neuen Finanzwelt wurde die Risikoabschätzung zum großen Teil fallengelassen. Es gab keine Notwenigkeit für Hypothekengeber, sich dieser Aufgabe zu unterziehen, weil sie die Hypothek an andere weiter verkauften. Wer die Hypotheken ausgab, ging keinerlei Risiko ein. Wie hätte das Risiko eingeschätzt werden sollen? Dies besorgen Ratingagenturen wie Standard and Poors, Moody`s und Finch. Sie stellten sicher, dass die Schuldenbündel, die sich aus Subprime und anderen risikoreichen Hypotheken zusammensetzten, in den Ratings hoch bewertet wurden. Und es lag in ihrem Interesse das zu tun.

Einer neueren Studie über die Subprimekrise zufolge waren die Gebühren, die an die Rating-Agenturen bezahlt wurden, um die Vermarktung von Hypothekenanleihen zu ermöglichen, "ungefähr zweimal so hoch wie für die Bewertung von Anleihen der Wirtschaft - das übliche Geschäft von Rating-Firmen. Moody´s erzielte im Jahr 2006 44% seiner Gewinne aus der Bewertung von individuellen Finanzierungsstrukturen, genannt ‚Structured Finance’ (das sind Kredite an Studierende, Kreditkartenschulden, und Hypotheken)." [L Randall Wray Lessons from the Subprime Meltdown Levy Economics Institute, December 2007 S. 21]

Jetzt ist der gesamte Subprime-Markt zusammengebrochen. Es wird geschätzt, dass "Subprime-Hypotheken im Wert von weit über einer Billion Dollar die Hälfte ihres Wertes verlieren werden." [Wray S. 22]

Die Aufblähung der Kredite hat nicht nur die Hauspreise in die Höhe getrieben, sondern zu einem immer rascheren Anstieg der Verschuldung geführt. "[W]ährend sich die Immobilienpreise im Laufe der letzten zehn Jahre mindestens verdoppelt haben, und von 10 Billionen Dollar 1997 auf weit über 20 Billionen 2005 gestiegen sind, stiegen die Verbindlichkeiten für Immobilienhypotheken noch schneller von weniger als 2 Billionen Dollar 1997 auf 10 Billionen Dollar im Jahr 2005. (Tatsächlich stieg das gesamte Kreditaufkommen von 2002 bis 2006 um 8 Billionen, während das BIP nur um 2,8 Billionen Dollar zunahm.)" [Wray S. 27]

Einer der wichtigsten Mechanismen für die Entstehung dieser Finanzblase war die Verwandlung von Hypotheken in Wertpapiere - die Zusammenfassung großer Mengen von Hypotheken zu Schuldenpaketen, die dann en block verkauft wurden. Dadurch sollten die Risiken aus den Bilanzen der Banken und anderen Finanzinstitute ausgelagert werden. In Wirklichkeit geschah aber folgendes: Das Risiko, das zur Vordertür hinausgeschickt wurde, kam durch die Hintertür wieder herein, weil die risikobehafteten Schulden von Organisationen gekauft wurden, die von Banken gegründet worden waren, um außerhalb ihrer Bilanzen zu operieren - von so genannten Structured Investment Vehicles (SIV). Die zunehmende Bedeutung der Subprimehypotheken bei der Schaffung dieser Wertpapiere wird in der folgenden Tabelle deutlich, die der IWF veröffentlicht hat.

Der Prozess der Verbriefung hat zur Folge, dass über einen Umweg Banken jetzt Bündel von Hypotheken halten, die ihren Ursprung bei Institutionen haben, die keinerlei Interesse daran hatten zu evaluieren, ob sie bedient werden können. Dies bedeutet, dass Banken die Schulden von Schuldnern besitzen, deren Risiko nie eingeschätzt wurde. Dieser Prozess, in dessen Verlauf große Profite gemacht wurden, gründete sich auf der Annahme, dass die fortlaufende Versorgung mit Krediten dadurch gesichert würde, dass die Immobilienpreise weiter stiegen. So gab es keine Notwendigkeit das Risiko der Schuldner einzuschätzen, denn im Falle, dass die Kredite nicht bedient werden könnten, könnte das Haus einfach verkauft werden und dabei mehr als der ursprüngliche Kaufpreis erzielt werden.

Diese Annahme hat sich nach 1994 etwa ein Jahrzehnt lang bestätigt, bis die Preise 2005-2006 zu sinken begannen. 2004 stieg der Case-Schiller-Hauspreisindex gegenüber dem Vorjahr noch um 20 Prozent an. 2006 sank er um 6 Prozent.

In der Immobilienblase gab es ein grundlegendes Problem - das Einkommen des größten Teils der Arbeiterfamilien, aus dem Hypothekenschulden bezahlt werden müssen, begann seit dem Ende der letzten Rezession 2001 zu sinken oder zu stagnieren. In den letzten acht Jahren stieg das BIP um mehr als ein Viertel, während die Durchschnittslöhne um vier Prozent gefallen sind.

Die Finanzprobleme gehen über die Subprime-Hypothekenkrise hinaus. Bei kurzfristigen Geldmarktpapieren - wo Firmen sich mit Zahlungsmitteln versorgen, indem sie kurzfristig Schulden aufnehmen - gibt es ungefähr 2,2 Billionen Dollar an Außenständen, von denen 1,2 Billionen Dollar durch Immobilienhypotheken, Kreditkartenforderungen, Autokredite und andere Schuldverschreibungen gedeckt sind. Es könnte sein, dass die größten Banken bis zu einer halben Billion Dollar in möglicherweise völlig wertlosen Papieren besitzen. [Wray p. 36]

Jetzt gibt es Warnungen (Financial Times 14. Januar 2008), dass Credit Default Swaps, ein Versicherungssystem für Schulden, das nächste Gebiet werden könnte, auf das sich die Krise ausdehnt.

Keiner weiß eigentlich, wie hoch die Verluste wirklich sind. Als die Subprime-Krise ausbrach, schätzte Bernanke die Verluste auf etwa 50 bis 100 Milliarden Dollar. Jetzt werden bereits Verluste in Höhe von 300 bis 400 Milliarden Dollar erwartet. Aber es könnten auch viel mehr sein. Einer Schätzung zufolge könnten die Kreditverluste 900 Milliarden Dollar betragen, wenn die Häuserpreise um etwa 30 Prozent fallen. [Siehe Jan Kregel Minsky’s Cushions of Safety Levy Institute]

Abgesehen von der Lage der Banken gibt es die Frage, welche Auswirkungen der Einbruch auf dem Immobiliensektor für die Konsumausgaben in den USA hat, was eine entscheidende Rolle für in China und Asien produzierte Güter spielt.

Weil die Realeinkommen für die amerikanische Bevölkerung mit Ausnahme der etwa 20 oberen Prozent gesunken sind, hat der Häuserpreis eine wichtige Rolle gespielt, um die wachsenden Schulden großer Teile der Bevölkerung zu finanzieren. Seit 2002 betrug die durch die Beleihung von Immobilien erzielte Kreditsumme 1,2 Billionen Dollar, was 46 Prozent des Zuwachses der Konsumausgaben während dieser Periode ausmacht. Die sozialen Konsequenzen sind enorm, wie David North in seinem Bericht an die Mitgliederversammlung der SEP zu Beginn des Monats deutlich gemacht hat. Er sagte:

"Auf diese Weise beraubt der Zusammenbruch der Eigenheimpreise große Teile der arbeitenden Bevölkerung Amerikas eines äußerst wichtigen Mittels, die finanzielle Belastung infolge der seit 35 Jahren stagnierenden Löhne leichter zu ertragen. Das Einkommen eines etwa dreißigjährigen Arbeiters ist heute um 12 Prozent niedriger als das eines gleichaltrigen Arbeiters 1978. Wie der frühere Arbeitsminister Robert Reich festgestellt hat, bestanden die wichtigsten "Mechanismen", um den Rückgang der Löhne auszugleichen, im massiven Zustrom weiblicher Arbeitskräfte in die Arbeitswelt (von 38 Prozent 1970 auf heutige 70 Prozent), und in der Aufstockung der Jahresarbeitszeit um zwei Wochen. Amerikaner arbeiten im Durchschnitt 350 Stunden länger als ihre europäischen Kollegen.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stießen Arbeiter bei ihrem Bemühen, durch Mehrarbeit mehr Geld zu verdienen, an physische Grenzen, und infolgedessen wurden sie immer stärker von geliehenem Geld abhängig und benutzten ihr Haus als Pfand. Wenn jetzt die Möglichkeit wegfällt, die wachsende Kluft zwischen Einkommen und Bedarf auf diese Weise zu überbrücken, droht Millionen der Sturz in den finanziellen Abgrund. Schon in der ersten Hälfte des Jahres 2007 stieg die Zahl der Privatinsolvenzen in den USA um 48 Prozent. Das Ausmaß der finanziellen Belastung für Arbeiter zeigt sich an der Tatsache, dass 27 Millionen Arbeiter sich in diesem Winter Geld leihen müssen, nur um ihre Heizkosten zu bezahlen. Dabei ist die Nutzung von Kreditkarten genau so problematisch wie die von Hypotheken. Da alle traditionellen und individuellen Methoden, mit den herrschenden wirtschaftlichen Realitäten fertig zu werden, versagen, ist die Arbeiterklasse gezwungen, sich der einzigen Methode zuzuwenden, mit der sie sich verteidigen kann - dem kollektiven und bewussten sozialen und politischen Kampf gegen das kapitalistische System."

In seiner Analyse der Rolle, die die Schulden bei der Aufrechterhaltung der Nachfrage spielen, macht L. Randall Wray vom Levy Institute klar, dass kein finanzieller Zusammenbruch notwendig ist, um einen konjunkturellen Abschwung in eine tiefe Rezession zu verwandeln.

"Wenn der private Sektor unter ansonsten konstanten Bedingungen seine Ausgaben beispielsweise auf 97 Cent pro Dollar Einkommen beschränken würde, würde dies das Bruttoinlandsprodukt um etwa sechs Prozent senken. Wenn der private Sektor richtig Angst bekommt, könnten die privaten Konsumausgaben auf 90 Cent pro Dollar sinken - wie das normalerweise in einer Rezession stattfindet - was dem BIP eineinhalb Billionen Dollar entziehen würde. Dadurch würde eine große Lücke klaffen, die aller Wahrscheinlichkeit nach durch explodierende Haushaltsdefizite oder Exporte nicht vollständig ausgeglichen werden könnte." [Wray, S. 44]

Selbst wenn man diese beschränkte Auswahl an Statistiken betrachtet, ist klar, dass die kapitalistische Weltordnung es mit einer Reihe von Problemen zu tun hat, die den innersten Kern des Weltfinanzsystems betreffen. Martin Wolf von der Financial Times warnt, dass dies das Ende des angelsächsischen Modells bedeute. Malcolm Knight, Geschäftsführer der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, weist auf den Zusammenbruch des Originate-and-distribute-Modells (oder KVV-Modells, bei dem Kredite kreiert, verbrieft und schließlich an Investoren verkauft werden), das sich im Zentrum der Finanzinnovationen des letzten Jahrzehnts befand.

Es ist weithin anerkannt, dass die finanziellen Methoden und Praktiken, die in letzter Zeit entwickelt wurden, zu ernsthaften Problemen geführt haben. Diese Methoden sind jedoch nicht von einigen wild gewordenen Händlern entwickelt worden, die zufällig an den Schalthebeln saßen. Sie wurden auf höchster Ebene von Banken und Finanzinstituten gebilligt und waren mit Entwicklungen der Weltwirtschaft selbst verbunden. Es geht daher nicht einfach darum, etwas anderes auszuprobieren oder zu weniger riskanten Methoden zurückzukehren, als wenn es eine Frage wäre, einfach ein anderes Paar Schuhe anzuprobieren.

Es ist inzwischen weithin erkannt worden, dass die Kreditverknappung große Bedeutung für die Stabilität des kapitalistischen Weltsystems hat.

wird fortgesetzt

Siehe auch:
Die Weltkrise des Kapitalismus und die Perspektive des Sozialismus - Teil 1
(9. Februar 2008)
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