Verdi beendet Streik an der Berliner Charité

Die Gewerkschaft Verdi hat in der Tarifauseinandersetzung mit der Berliner Universitätsklinik Charité einen zehn Tage andauernden Streik des Pflegepersonals ausgesetzt. Am Freitag wurde der Krankenhausbetrieb mit dem Frühdienst wieder aufgenommen.

Bereits am Mittwochabend verständigte sich Verdi mit dem Klinikmanagement auf ein Eckpunktepapier, das die Grundlage für einen künftigen Tarifvertrag „Gesundheit und Demographie“ bilden soll. Einzelheiten sind bisher kaum bekannt, stattdessen nur einige vage Absichtserklärungen. So sollen sich laut Presseerklärung von Verdi beide Seiten geeinigt haben, „Regelungen zur Reduzierung der Arbeitsbelastung in allen Arbeitsbereichen festzulegen.“ Angestrebt würden Mindestbesetzungsstandards und bessere Betreuungsschlüssel für bestimmte Klinikbereiche wie Intensivstationen und Kinderklinik.

Die Gewerkschaft feiert diese Vereinbarung als großen „Durchbruch“, mit der die Charité-Leitung einen „Richtungswechsel“ vollzogen habe. Doch dies ist Augenwischerei. Tatsächlich hat Verdi den Streik in genau dem Moment abgebrochen, in dem er zu greifen begann, ohne auch nur eine tatsächliche Verbesserung erreicht zu haben. In der entscheidenden Frage des besseren Personalschlüssels und der Reduzierung der Arbeitsbelastung, für die das Pflegepersonal den Kampf aufgenommen hatte, wurden offensichtlich nur vage Versprechungen gemacht. Für die Intensivstation beispielsweise soll ein Betreuungsschlüssel zwischen Pflegekraft und Patient von eins zu zwei vereinbart werden. Allerdings gelten schon bisher ähnliche Empfehlungen, in der Praxis sind es jedoch teilweise eins zu zwölf.

Wie viele neue Stellen mit der Einigung einhergehen, sei noch offen, musste selbst Verdi-Sekretär Kalle Kunkel einräumen. Er dämpfte gleichzeitig die Hoffnung, dass in absehbarer Zeit Konkretes vereinbart werden könne. Bis der Tarifvertrag stehe, könnten Wochen vergehen, so Kunkel.

Zugleich steht jede in Aussicht gestellte Verbesserung unter einem Finanzierungsvorbehalt. „Wir wissen noch nicht im Detail, wie wir die Mehrkosten refinanzieren können“, sagte der Vorstandschef der Charité Karl Max Einhäupl der rbb-Abendschau am Mittwoch.

Zunächst will Verdi erst einmal einen Zeitplan für die Tarifverhandlungen aufstellen und einen „Gesundheitsausschuss“ einrichten, „der Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und zum alternsgerechten Arbeiten initiiert“, erklärte Carsten Becker, Leiter der Verdi-Betriebsgruppe, vor der Presse. Was die Pflegerinnen und Pfleger davon zu erwarten haben, zeigt die letzte „betriebliche Gesundheitskommission“ (GK), die im Juni 2014 als Ergebnis einer Schlichtung in den Tarifverhandlungen gebildet worden war. Angeblich sollte sie den Einsatz von 80 Arbeitnehmern überwachen, die bis Jahresende 2014 neu eingestellt würden. In Wirklichkeit fanden diese Einstellungen nie statt.

Der Streikabbruch und die vorläufige Vereinbarung von Verdi und Charité-Geschäftsführung wird am lautesten von den SAV-Mitgliedern in der Verdi-Betriebsgruppe und im „Charité Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ bejubelt. „Der Streik ist ausgesetzt, aber nicht beendet. Aber schon jetzt lässt sich sagen: Der Arbeitskampf war ein großartiger Erfolg!“ schreiben die pseudolinken Anhänger der Linkspartei und der Gewerkschaftsbürokratie.

Noch am Montag hatte Gewerkschaftssekretär Kunkel eine Ausweitung des Streiks angekündigt, die die Schließung weiterer Stationen zur Folge gehabt hätte. Wie sich jetzt zeigt, war diese Ankündigung nur eine hohle Drohgebärde, um das Management zu der jetzt vereinbarten Absichtserklärung zu bewegen und den Streik beenden zu können. Die Gewerkschaftsbürokratie fürchtet nichts mehr als eine Ausweitung des Arbeitskampfs, der sich zu einer breiteren Bewegung in Verbindung mit anderen streikenden Arbeitern wie der Postbeschäftigten auswachsen könnte.

Der Charité-Streik hatte zunehmend auch bei anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen, bei Patienten und in der Bevölkerung Unterstützung erhalten. Bei einer Demonstration der streikenden Postbeschäftigten am Donnerstag vor dem Bundeskanzleramt nahmen trotz der Vereinbarung am Vorabend auch 500 Charité-Mitarbeiter teil. Der Vater eines Fünfjährigen, der seit zweieinhalb Jahren wegen Leukämie auf verschiedenen Stationen der Klinik behandelt wurde, erzählte, dass der Druck jeden Tag spürbar sei: „Wenn wegen Krankheit jemand ausfällt, sind nachts nur zwei Pflegekräfte für zehn Kinder auf einer Transplantationsstation zuständig.“ Eine Delegation von Ärzten erklärte: „Durch ihren Streik zeigen sie, um was es in Krankenhäusern wirklich gehen sollte: nämlich um die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen zum Wohle der Gesundheit der gemeinsam betreuten Patienten.“

Verdi hatte zur gemeinsamen Demonstration aufgerufen, um die Wut vieler Arbeiter auf die Kürzungspolitik aufzufangen. Doch unter vielen Arbeitern war der Wunsch spürbar, über die isolierten Streiks der verschiedenen Berufsgruppen hinauszugehen und einen gemeinsamen Kampf gegen die immer unerträglichere Sparpolitik und Arbeitshetze und damit gegen die Regierung aufzunehmen.

Genau das will Verdi jedoch verhindern. Bereits zu Beginn des Streiks bei der Charité warnte die WSWS: „Wie die Arbeitskämpfe der Postbeschäftigten, der Erzieherinnen und Erzieher oder der Lokführer richtet sich der Charité-Streik nicht nur gegen ein rücksichtsloses Management, sondern gegen den Berliner Senat und die Bundesregierung. Doch die Gewerkschaft Verdi, unterstützt von der Linkspartei und der pseudolinken Gruppe SAV (Sozialistische Alternative), arbeitet eng mit Senat und Bundesregierung zusammen.“

Ein erfolgreicher Kampf gegen die unerträglichen Arbeitsbedingungen und Kürzungen beim Krankenhauspersonal und in anderen sozialen Bereichen erfordert den Bruch mit Verdi und ihren Verteidigern in der SAV.

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