Regierungserklärung zum Nato-Gipfel: Ein Plädoyer für Militarismus und Krieg

Am Vortag des heute beginnenden Nato-Gipfels in Warschau gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Regierungserklärung im Bundestag ab. Es war ein Plädoyer für Militarismus und Krieg. Neben der Aufstockung des deutschen Militäretats um fast zwei Milliarden Euro im kommenden Jahr und „mehr als 2,5 Milliarden Euro zusätzlich“ ab 2018 verkündete Merkel ein stärkeres Engagement der Bundeswehr und der Nato im Irak, in Syrien, in Libyen, im Mittelmeer und in Afghanistan.

Im Zentrum der Rede der Kanzlerin stand die Rechtfertigung der Kriegsvorbereitungen gegen Russland, die die Nato in Warschau beschließen will. Gleich zu Beginn lobte Merkel den sogenannten „Readiness Action Plan“, den die Nato bereits 2014 auf ihrem letzten Gipfel in Wales verabschiedet hatte. Merkel pries „insbesondere die neuen, sehr schnell in das gesamte Bündnisgebiet verlegbaren Nato-Eingreifkräfte, die sogenannte Very High Readiness Joint Task Force, und den Aufbau von Aufnahmestäben bei unseren östlichen Nato-Partnern“.

Deutschland trage „zu diesen Maßnahmen substanziell bei“. In Warschau würden nun „die in Wales beschlossenen Anpassungsmaßnahmen des Bündnisses ergänzt“. Im Kern gehe es darum, „eine stärkere Präsenz der Nato in den baltischen Staaten und in Polen zu ermöglichen“. Diese sogenannte „enhanced forward presence“ sei wichtig, weil es nicht ausreiche, „Truppen schnell verlegen zu können“. Vielmehr müsse es auch darum gehen, „bereits ausreichend vor Ort präsent zu sein“.

Die Planungen sähen „eine multilateral zusammengesetzte Präsenz vor“, führte Merkel aus. „Für jedes der drei baltischen Länder und für Polen“ werde „jeweils ein Alliierter die Führung übernehmen, um die Präsenz der NATO dort sicherzustellen“. Im Falle Deutschlands wird dies voraussichtlich Litauen sein.

Merkel machte deutlich, dass die neuen Bataillone notfalls auch zum Einsatz kommen. Der Ansatz schließe „die Reaktion auf sogenannte hybride Bedrohungen ausdrücklich mit ein, also auch Szenarien ähnlich denen, die Russland in der Ukraine eingesetzt hat“, betonte sie.

Seit Berlin und Washington Anfang 2014 den Putsch in Kiew gegen den pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch unterstützt haben, bemühen deutsche Politiker und Medienvertreter gebetsmühlenartig das Mantra von der Schutzverantwortung der Nato vor dem „russischen Aggressor“, um das militärische Vorrücken gegen Osten und die militärische Einkreisung Russlands zu rechtfertigen.

Merkel begrüßte in ihrer Rede ausdrücklich, dass Montenegro demnächst der Nato als 29. Mitgliedsstaat angehören werde. Außerdem werde es in Warschau „auch Treffen der NATO-Georgien-Kommission und der NATO-Ukraine-Kommission geben“ – also mit Vertretern zweier Staaten, die sich de facto bereits in einem militärischen Konflikt mit Russland befinden und das erklärte Ziel verfolgen, ebenfalls in die Nato aufgenommen zu werden.

Merkel stellte sich auch hinter das neue Raketenabwehrsystem, das die USA gegenwärtig in Polen und Rumänien aufbauen. Sie nannte es einen „weiteren wichtigen Schritt […], mit dem die Menschen im Bündnisgebiet noch besser geschützt werden sollen“.

Absurderweise bezeichnete Merkel die Abschreckungsstrategie der Nato „als zutiefst defensives Konzept“. „Abschreckung und Dialog“ seien „keine Gegensätze“, sondern gehörten „untrennbar zusammen“, behauptete sie. Darüber herrsche innerhalb der Nato „Einvernehmen“. Außerdem sei man sich darüber einig, „dass dauerhafte Sicherheit in Europa nur mit und nicht gegen Russland zu erreichen ist“.

In Wirklichkeit diskutieren Teile des Nato-Establishments bereits über einen möglichen Angriffskrieg gegen Russland. So berichtete der amerikanische Militärstratege Harlan Ullmann kürzlich in einem Artikel der Nachrichtenagentur UPI mit dem Titel „Planen die USA einen Krieg gegen Russland?“, auf einer Militärkonferenz in Großbritannien habe ein US-General erklärt, es sei höchste Priorität der US Armee, Russland „abzuschrecken und falls nötig in einem Krieg zu besiegen“.

In der aktuellen Ausgabe der Zeit schreibt Matthias Nass gestützt auf interne Nato-Dokumente, das Militärbündnis kehre „zur atomaren Abschreckung“ zurück und wolle „im Baltikum einen nuklearen Stolperdraht gegen Russland ziehen“. Dabei sei schon jetzt klar, „dass die Beschlüsse von Warschau in Russland heftige Reaktionen auslösen werden – von der Stationierung nuklearfähiger Iskander-Raketen im Gebiet von Kaliningrad bis zur Kündigung des Vertrags über Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag).“

Während sich Merkel voll hinter den Kriegskurs der Nato stellte, wurden in der Bundestagsdebatte auch Differenzen innerhalb des Regierungslagers sichtbar. Vor allem Vertreter der SPD betrachten das aggressive Vorgehen der USA gegen Russland zunehmend als Bedrohung der geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands in Osteuropa und anderen Regionen der Welt.

So forderte der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann zwar ebenfalls „klare Antworten“ auf „großangelegte russische Militärmanöver mit bis zu 100.000 Soldaten“. Gleichzeitig warnte er aber davor, „wieder in die Logik des Kalten Krieges“ abzurutschen. Es gelte alles daranzusetzen, „dass wir in diese verhängnisvolle Spirale nicht wieder hineinkommen“. Ein Rüstungswettlauf „wäre das Letzte, was Russland und Europa gebrauchen können“.

Oppermann plädierte „für eine schrittweise Annäherung an Russland“. Für den Fall, dass es „echte Zugeständnisse von Wladimir Putin“ geben sollte, stellte Oppermann eine Aufhebung der Sanktionen in Aussicht, die erst in der vergangenen Woche von der EU verlängert worden waren. Diese seien „kein Selbstzweck“. Außerdem habe Außenminister Frank-Walter Steinmeier „völlig recht“ gehabt, „dass man mit Truppenparaden und Manövern allein keine Sicherheit gewinnen“ könne. Er sei ihm „dankbar, dass er darauf aufmerksam gemacht hat, dass man mit militärischer Stärke allein keinen Frieden sichern kann“.

Oppermann weiß sehr gut, dass Steinmeier keine „Friedenspolitik“ betreibt. Er drängt seit Jahren auf eine größere außenpolitische und militärische Rolle Deutschlands auf der ganzen Welt. Am 13. Juni veröffentlichte der deutsche Außenminister im außenpolitischen Journal Foreign Affairs den Artikel „Deutschlands neue globale Rolle“, der Deutschland als „bedeutende europäische Macht“ bezeichnet, auf Distanz zu den USA geht und Washingtons alleinigen Führungsanspruch in der Weltpolitik in Frage stellte.

Wir kommentierten damals: „Steinmeiers Vorstoß macht […] deutlich, dass die Kriege um die Neuaufteilung des Nahen Ostens und Afrikas sowie die Einkreisung Russlands und Chinas zu Konflikten zwischen den imperialistischen Mächten führen. Obwohl verbündet, verfolgen die USA und Deutschland konkurrierende wirtschaftliche und politische Interessen. Der Zerfall der Europäischen Union, der sich im Falle eines Austritts Großbritanniens weiter beschleunigen wird, und der Aufstieg Donald Trumps in den USA verschärfen ihre Konflikte.“

Am deutlichsten distanzierte sich die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, von den USA und warb für ein Bündnis mit Russland. Sie sprach als Oppositionsführerin direkt nach Merkel.

Wagenknecht kritisierte die Kriegsvorbereitungen der Nato gegen Russland in scharfen Tönen und plädierte dafür, in Zukunft eher die USA als Gegner zu betrachten. Schon der im November 2015 verstorbene SPD-Altkanzler Helmut Schmidt sei der Meinung gewesen, „dass heute mehr Gefahr von den USA als von Russland ausgeht. Das dürfte nach den nächsten US-Präsidentschaftswahlen, wenn im Weißen Haus entweder ein Halbverrückter oder eine Marionette der US-Rüstungslobby regiert, nicht viel anders werden.“

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