Berlinwahl 2016: Kotti & Co macht Wahlkampf für Rot-rot-grün

Am 6. September führte die Mietergemeinschaft Kotti & Co in Berlin-Kreuzberg eine Wahlveranstaltung mit Vertretern der CDU, der SPD, der Grünen und der Linkspartei durch. Eingeladen waren nur Politiker der derzeitigen und ehemaligen Regierungsparteien, die für die soziale Misere der Stadt und die steigenden Mieten verantwortlich sind. Kritiker der Regierungspolitik waren nicht erwünscht und durften auch nicht sprechen.

Auf dem Podium saßen die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Kreuzberg Cansel Kiziltepe, die wohnungspolitische Sprecherin der Berliner Grünen-Fraktion Katrin Schmidberger, die wohnungspolitische Sprecherin und stellvertretende Berliner Fraktionsvorsitzende der Linken Katrin Lompscher, sowie der wohnungspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion Matthias Brauner.

Nachdem SPD und CDU ihre abgedroschenen Wahlversprechen über mehr „bezahlbare“ Wohnungen und Mietpreisbremse zum Besten gegeben und Linke und Grüne sie mit Forderungen nach einem „Spekulationsverbot“ und einer „Spekulationssteuer“ garniert hatten, begann die Diskussion.

PSG-Kandidat Endrik Bastian beginnt seinen Beitrag, der von Sandy Kaltenborn (re.) sofort unterbrochen wird

Als sich als erster Endrik Bastian zu Wort meldete und als Kandidat der Partei für Soziale Gleichheit vorstellte, wurde ihm das Wort entzogen und das Mikrofon aus der Hand genommen. Andere Parteien dürften nicht für ihre Politik werben, begründete dies Sandy Kaltenborn, ein selbstständiger Designer, der bei Kotti & Co eine führende Position einnimmt.

Anwesende Mieter waren über das undemokratische Verhalten überrascht. Offensichtlich sollte ein Beitrag, der sich kritisch mit der Rolle der Linkspartei, der Grünen und der SPD auseinandersetzt, um jeden Preis verhindert werden. Den Organisatoren des Treffens ging es nicht um die Interessen der Mieter, sondern um Werbung für Rot-Rot-Grün.

Die PSG hatte mehrfach in Artikeln und Reden den Zusammenhang zwischen Wohnungsnot, Mietwucher und wachsender Armut in Berlin und der reaktionären Politik der Regierungs- und Oppositionsparteien aufgezeigt. Endrik Bastian, der für die PSG als Direktkandidat im Wahlkreis Mitte 5 antritt, wollte an diesem Abend deutlich machen, dass die gegenwärtige Bereicherungsorgie von Immobilienspekulanten auf dem Berliner Wohnungsmarkt ein direktes Ergebnis der Politik von SPD und Linkspartei ist.

Die Fakten sind eindeutig:

Im Jahr 2004 hatte die rot-rote Regierungskoalition mit der Privatisierung der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft GSW den Startschuss für eine massive Immobilienspekulation gegeben. Auch rund 1300 Wohnungen in den Hochhäusern am südlichen Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg, wo die Versammlung stattfand, waren betroffen. Seit die GSW privatisiert wurde, sind die Mieten dort drastisch gestiegen und fressen fast die Hälfte der ohnehin ärmlichen Einkommen der Bewohner auf.

Als Folge der wachsenden Wohnungsnot steigen die Mieten in ganz Berlin steil an und SPD, Linkspartei und Grüne sind zum Schluss gelangt, dass der Reibach aus den hohen Mieteinnahmen nicht alleine den Spekulanten überlassen werden soll. Sie wollen daran mitverdienen. Deshalb haben sie die Forderung nach Rekommunalisierung aufgestellt. Für die Mieter würde dies wenig ändern, dafür aber jede Menge lukrative Pöstchen für die Senatsparteien und ihre Klientel schaffen.

Kotti & Co hat in dieser Kampagne die Aufgabe übernommen, die Wut der Mieter zu mobilisieren, um der Forderung nach Rekommunalisierung Nachdruck zu verleihen.

Dieses abgekartete Spiel wurde deutlich, als sich eine WSWS-Reporterin in die Diskussion einmischte und die Linken-Politikern Lompscher zur Rede stellte. „Erstens möchte ich wissen, weshalb Ihre Partei, die sich als links bezeichnet, in ihrer zehnjährigen Regierungszeit unter Wowereit die GSW an Spekulanten verkauft hat. Sie hat damit der Immobilienspekulation und massiven Mieterhöhungen den Weg geebnet.“

Katrin Lompscher, die von 2006 bis 2011 als Gesundheitssenatorin Mitglied des rot-roten Senats war, reagierte irritiert. Man hätte damals angesichts des Haushaltslochs von 400 Millionen Euro keine andere Möglichkeit gehabt, als die GSW zu verkaufen. Aber natürlich sehe sie dies jetzt als „Fehler“.

„Zweite Frage“, fuhr die Reporterin der WSWS fort: „Was soll an der Forderung von Rekommunalisierung links und fortschrittlich sein? Die Deutsche Wohnen AG, die letztlich die GSW aufgekauft hat, verdient damit zweimal. Erst mit der Privatisierung der GSW und dem Mietwucher, der ihr große Börsengewinne bescherte. Dann durch eine hohe Entschädigung beim Rückkauf. Für das entstehende Haushaltsloch werden sie, wenn sie an der Regierung sind, dann wieder die Bevölkerung und die Mieter zur Kasse bitten, so wie in der Vergangenheit.“

Lompscher blieb eine Antwort schuldig. Dafür antwortete die Grünen-Vertreterin, man wolle selbstverständlich nicht, dass die Deutsche Wochen AG zweimal verdiene. Aber es gebe nun mal keine „gesetzliche Grundlage für eine Enteignung“. Man könne die Deutsche Wohnen AG zu nichts zwingen.

Als eine Anwohnerin zu bedenken gab, Wohnen müsse „ein Grundrecht sein“ und man dürfe mit Wohnungen nicht spekulieren, belehrte sie Lompscher barsch: „Wir stecken bis zum Hals im Kapitalismus, da wird das anders gesehen.“ Man müsse erst einmal die rechtlichen Rahmenbedingungen verändern, „ohne gleich eine Revolution zu machen“.

In diesem Punkt waren sich die etablierten Parteienvertreter mit der Mietergemeinschaft Kotti & Co einig. Letztere lässt sich in den Medien gerne als „revolutionäre Gegnerin von Immobilienhaien“ bezeichnen. Doch das ist eine Farce. Die Mietergemeinschaft gründete sich am Ende der rot-roten Regierungskoalition im Jahr 2011, als die katastrophalen Folgen der GSW-Privatisierung sichtbar wurden und die ersten Mieterhöhungen bereits angekündigt waren. Seither organisierte die Mieterinitiative immer wieder Protestaktionen. 2012 besetzte sie den Vorplatz der ehemaligen GSW-Hochhäuser am südlichen Kottbusser Tor.

Sie hatte frühzeitig die Forderung nach Rekommunalisierung erhoben und einen Mietenvolksentscheid darüber angestrebt. Vergangenen November zog sie diesen allerdings zurück, nachdem sie mit den Senatsparteien einen Deal vereinbart hatte, der Kotti & Co als direkten Verhandlungspartner in Sachen Rekommunalisierung anerkennt.

Deshalb heißt es auch in einem Pressebericht vom 7. September: „Kotti & Co ist seit einigen Monaten mit den Grünen und der Linken über den weiteren Weg der Rekommunalisierung und der schrittweisen Selbstverwaltung in Gesprächen.“ Weiter steht dort, Kotti & Co habe sogar schon das Finanzierungskonzept der Rekommunalisierung „in seinen groben Zügen dargestellt“.

Es ist also kein Wunder, dass Sandy Kaltenborn als Sprecher von Kotti & Co wie von der Tarantel gestochen reagierte, als PSG-Kandidat Endrik Bastian das Mikrofon ergriff und diesen Sachverhalt bekannt machen wollte. Dieses undemokratische Verhalten spricht Bände über die Machenschaften von Kotti & Co und der Linkspartei in der Mietenpolitik.

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