Deutsche Metall- und Elektroindustrie steht vor massiven Streiks

Die Metall- und Elektroindustrie, der wichtigste Industriezweig Deutschlands, steht vor einer massiven Ausdehnung der Tarifstreiks. Nachdem sich in den vergangenen zwei Wochen 960.000 Beschäftigte an kurzen Warnstreiks und Protesten beteiligt hatten, hat die Gewerkschaft IG Metall nun für Mittwoch bis Freitag dieser Woche ganztägige Streiks in mehr als 250 Betrieben angekündigt.

Trotz intensiven Bemühungen ist es der IG Metall bisher nicht gelungen, die Tarifbewegung abzublocken. Am Samstagmorgen wurde die fünfte Runde der Tarifverhandlungen in Stuttgart abgebrochen, weil sich die Gewerkschaft entgegen ihrer Absicht außerstande sah, einen Tarifvertrag im Bezirk Baden-Württemberg abzuschließen, der für die bundesweit fast 4 Millionen Beschäftigten als Vorbild dienen sollte.

Gewerkschaft und Arbeitgeberverband gaben sich gegenseitig die Schuld am Scheitern der Gespräche. Letzterer hatte eine Lohnerhöhung in zwei Stufen von insgesamt 6,8 Prozent über eine Laufzeit von 27 Monaten angeboten, was auf das Jahr umgerechnet gerade 3 Prozent ausmacht. Die Gewerkschaft schlug eine Entgelterhöhung von 4,5 Prozent in einer ersten Stufe sowie „ein Gesamtvolumen von 8 Prozent für 27 Monate“ vor. Das sind 3,6 Prozent im Jahr und damit weit weniger als die ursprüngliche Forderung von 6 Prozent.

Auch ihre Forderung nach dem Recht auf eine befristete Arbeitszeitverkürzung bei teilweisem Lohnausgleich hat die IG Metall weitgehend fallen gelassen. Der Chef des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, Stefan Wolf, deutete an, dass die Gewerkschaft hier im Gegenzug bereit ist, „mehr Arbeitszeitvolumen für die Betriebe“ zuzugestehen. Damit würden die Unternehmer ihr wichtigstes Ziel erreichen, eine weitere Aufweichung der 35-Stunden-Woche hin zu einer 40 oder gar 42-Stunden-Woche.

Die Forderung nach einem teilweisen Lohnausgleich für bestimmte Beschäftigtengruppen – Schichtarbeiter und Arbeiter, die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige versorgen – hat die IG Metall völlig fallen gelassen. Stattdessen sollen diese Beschäftigten die zweite Stufe der Lohnerhöhung gegen zusätzliche Urlaubstage eintauschen können.

Die Verhandlungen scheiterten dennoch, weil der Druck aus den Betrieben derart groß war, dass die Gewerkschaft den Unternehmern nicht weiter entgegenkommen konnte, ohne Gefahr zu laufen, die Kontrolle zu verlieren. Sie tut aber alles, um den Tarifkampf trotzdem noch auszuverkaufen.

Deshalb hat sie die Tarifverhandlungen nicht für gescheitert erklärt und keine Urabstimmung eingeleitet, die unbefristete Flächenstreiks ermöglichen würde. Und die 24-stündigen Warnstreiks, die ursprünglich sofort beginnen sollten, hat sie auf Mittwoch verschoben, um ein weiteres Zeitfenster für einen faulen Deal zu öffnen. Den Unternehmern verschafft sie damit auch die nötige Zeit, um gegen die Streiks vor Gericht zu ziehen. Gesamtmetall-Chef Rainer Dulger hat bereits angekündigt, am Montag Klagen gegen die Streiks einzureichen.

Selbst wenn es zu den 24-stündigen Streiks kommen sollte, strebt die IG Metall unmittelbar danach einen faulen Kompromiss an. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann begründete die ganztägigen Warnstreiks damit, sie sollten „den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, sich in der Tarifauseinandersetzung einem tragfähigen Kompromiss zu nähern“. Und das Manager Magazin meldete: „Die Tarifparteien hatten hinter den Kulissen längst angedacht, einen letzten Einigungsversuch nach einer weiteren Streikwoche bis Anfang Februar zu unternehmen.“

Hauptgrund für das Bemühen der IG Metall, möglichst rasch zu einem faulen Abschluss zu gelangen, der nicht einmal der Hälfte der ursprünglichen Forderung entspricht, sind die derzeitigen Verhandlungen über eine neue Bundesregierung. Die Gewerkschaften wollen auf keinen Fall, dass die Verhandlungen zwischen SPD und Union unter den Druck einer massiven Streikwelle geraten und deshalb scheitern.

DGB und IG Metall befürworten vehement eine Neuauflage der Großen Koalition, obwohl SPD und Union in den vergangenen zwanzig Jahren die Hauptverantwortung für massive Angriffe auf die Arbeiterklasse trugen – angefangen mit einer massiven Steuerreform zugunsten der Reichen, über die Hartz-Gesetze, die Agenda 2010 und die Erhöhung des Rentenalters auf 67 bis hin zu einer drastischen Verschlechterung der Gesundheitsversorgung.

Als Folge ist Deutschland zu einem der ungleichsten Länder Europas geworden. Über 40 Prozent verdienen weniger als vor 20 Jahren, rund 3,2 Millionen Menschen arbeiten in mehreren Jobs. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist so groß ist wie zuletzt 1913. Die 45 reichsten Haushalte besitzen so viel wie die Hälfte der Bevölkerung.

Auch die Produktivität in den deutschen Unternehmen hat gewaltige Sprünge gemacht. Die Arbeitsbelastung in den Betrieben ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, auf Kosten der Gesundheit der Arbeiter. Für viele ist der Stress schier inakzeptabel geworden. Laut Arbeitgeberverband Gesamtmetall ist die Nettoproduktion pro Beschäftigtenstunde allein in den Monaten Januar bis November 2017 um 2,5 Prozent gewachsen.

Diese Produktivitätssteigerung fließt aber ausschließlich in die steigenden Profite, die sich Manager und Aktionäre unter den Nagel reißen. Die Löhne der Arbeiter sind hingegen real kaum gestiegen. Die minimalen Lohnsteigerungen der letzten Jahrzehnte werden vor allem von wachsenden Mietkosten aufgefressen. Immer mehr Vollzeitarbeitsplätze werden durch niedrig bezahlte Leih- und Werkvertragsjobs abgelöst.

Das sind die Gründe, weshalb die Forderung nach 6 Prozent Lohnerhöhung und einer befristeten Verkürzung der Wochenarbeitszeit in den Betrieben massive Unterstützung fand.

Eine Neuauflage der Großen Koalition würde die arbeiterfeindliche Politik ihrer Vorgänger nicht nur fortsetzen, sondern weiter verschärfen, wie aus dem bereits vereinbarten Sondierungspapier hervorgeht, Ihr wichtigstes Ziel besteht darin, die Europäische Union zu stärken und zu einer militärischen Festung auszubauen, die die globalen Interessen des deutschen und europäischen Kapitals mit brachialer Gewalt durchsetzt. Sie will dazu eng mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusammenarbeiten, der mithilfe des Ausnahmezustands regiert und die größte soziale Konterrevolution seit Bestehen der Fünften Republik in Gang gesetzt hat.

Über die wirklichen Ziele der Großen Koalition – eine massive innere und äußere Aufrüstung und eine entsprechende Steigerung der Militärausgaben – wird nur hinter verschlossenen Türen und in Fachpublikationen gesprochen. Doch allein schon der Leitartikel der jüngsten Ausgabe des Spiegel macht deutlich, dass der Kriegswahnsinn keine Spezialität von US-Präsident Donald Trump ist.

Unter der Überschrift „Weltmacht wider Willen“ phantasiert dort Ulbricht Fichtner, dass „in Manchester und Rom, in Warschau und Lyon die Fensterscheiben“ zittern werden, wenn sich Deutschland, das er mit einem „800-Pfund-Gorilla“ vergleicht, bewegt. „Es sollte aber doch jedes Kind wissen“, so Fichtner, „dass ein Koloss wie Deutschland keine Wahl hat, Macht auszuüben oder nicht.“

Die IG Metall, die uneingeschränkt hinter den Plänen für eine Große Koalition steht, wird alles tun, um die Tarifbewegung abzublocken und auszuverkaufen. Arbeiter, die für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und eine Verbesserung ihrer Löhne und Arbeitsbedingungen kämpfen wollen, müssen deshalb mit den Gewerkschaften brechen und sich in unabhängigen Aktionskomitees organisieren. Die Organisationskomitees müssen die Streiks in die Hand nehmen und Kontakt zu Arbeitern in anderen Ländern herstellen, die gegen die Angriffe der internationalen Konzerne und ihre jeweiligen Regierungen kämpfen.

Nehmt Kontakt zur Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) und zur World Socialist Web Site auf, die Euch dabei unterstützen werden. Die SGP ruft dazu auf, die Streiks auszuweiten und zum Auftakt für eine breite politische Mobilisierung für Neuwahlen zu machen. Es darf nicht zugelassen werden, dass Union und SPD, gestützt auf die Gewerkschaften, ihre reaktionären Pläne in die Tat umsetzen.

Die SGP ist die einzige Partei, die Neuwahlen fordert und in der Arbeiterklasse für ein Programm kämpft, dass den Kampf gegen Krieg und Ausbeutung mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft verbindet.

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