Opel Eisenach in Gefahr – PSA-Opel-Management Hand in Hand mit IG Metall und Betriebsrat

Bei Opel greifen Management und Betriebsrat die Arbeiter weiter massiv an. Das wurde am Donnerstag, den 19. April, auf Betriebsversammlungen an allen Standorten bekannt. Nach Antwerpen und Bochum könnte bald auch das Werk Eisenach geschlossen werden.

Am heutigen Dienstag soll im Eisenacher Werk eine Protestversammlung und anschließende Demonstration stattfinden, an der auch Delegationen aus Kaiserslautern, Rüsselsheim und Dudenhofen teilnehmen.

Die Protestaktion ist Teil eines bekannten, abgekarteten Spiels. Mit ein paar abgedroschenen Phrasen über Missmanagement und Kritik an der PSA-Konzernleitung versuchen Betriebsrat und IG Metall darüber hinweg zu täuschen, dass sie aufs Engste mit dem Opel-Vorstand und der PSA-Unternehmensleitung zusammenarbeiten. Ihr Ziel ist es, die „Marke Opel“ schnellstmöglich in die Profitzone zu bringen – auf Kosten der Arbeiter, versteht sich.

Sie nutzen die Ankündigung von massivem Arbeitsplatzabbau und die drohende Schließung des Werks in Eisenach, um die Beschäftigten zu erpressen, damit sie weitgehende Lohnsenkungen und schlechtere Arbeitsbedingungen akzeptieren. Obwohl alle Standorte betroffen sind, lehnen IG Metall und Betriebsrat die prinzipielle Verteidigung aller Arbeitsplätze und sozialen Rechte entschieden ab.

Vor einem Jahr wurde Opel von PSA (Peugeot, Citroën, DS) übernommen; davor hatte es zum General Motor-Konzern gehört. Seither arbeiten der Betriebsrat und die IG Metall eng mit PSA-Chef Carlos Tavares und Michael Lohscheller, dem neuen Opel-Chef, zusammen. Um die Arbeitskosten drastisch zu reduzieren, haben sie den Sanierungsplan „Pace“ (Tempo) entwickelt. Das Ziel besteht in Einsparungen von jährlich 1,7 Milliarden Euro.

In diesem Rahmen sollen in Eisenach bis zum Jahresende weniger als tausend der heute noch 1790 Arbeitsplätze übrig bleiben. Sie sollen den Peugeot-Geländewagen „Grandland“ montieren, nachdem die Modelle Adam und Corsa von Eisenach abgezogen werden.

Auch in Rüsselsheim und Kaiserslautern wird scharf rationalisiert: Bis zum Jahresende sollen 4000 der bisher noch 18.600 Arbeitsplätze abgebaut werden. Im Entwicklerzentrum Rüsselsheim soll bis 2020 die Hälfte der 7700 Stellen gestrichen werden.

Schon im Dezember und Januar wurden die Verträge für mehrere hundert Leiharbeiter gekündigt. Seit Januar herrscht Kurzarbeit, und Vorstand und Betriebsrat haben ein aggressives Programm von Abfindungen, Altersteilzeit und Vorruhestand aufgelegt. Außerdem hat der Opel-Konzern sämtliche Verträge mit seinen 1600 Händlern in ganz Europa aufgekündigt.

Zu guter Letzt fordern PSA-Konzern und Opel-Vorstand von den Arbeitern jetzt massiven Lohnverzicht. Carlos Tavares kassiert zurzeit für die Opel-Sanierung eine Extramillion Euro vom PSA-Aufsichtsrat. Gleichzeitig weigern sich Tavares und Lohscheller, den Arbeitern die 4,3 prozent Lohnerhöhung auszuzahlen, die nach dem Tarifkampf im Januar vereinbart worden sind. Außerdem drohen sie mit Entzug des Weihnachts- und Urlaubsgeldes und der übertariflichen Zulagen. Andernfalls werde es keine neuen Investitionen in die bestehenden Standorte geben.

Die Gewerkschaftsführer haben sichtbar Mühe, ihre Partnerschaft mit der Unternehmensleitung zu verbergen. Ex-IG Metall-Chef Berthold Huber, der seit Jahrzehnten in der Autoindustrie eine Schlüsselrolle spielt und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gute Beziehungen unterhält, wirft dem PSA-Konzern „Erpressung“ vor. Jörg Hofmann, der amtierende IG Metall-Chef, beklagt sich über das Vorgehen von PSA „mit der Brechstange“. Opel-Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug versprach in Rüsselsheim, der Betriebsrat werde die Forderung nach Lohnverzicht „auch weiterhin nicht akzeptieren“, obwohl jedermann weiß, dass das Gegenteil der Fall ist.

Seit über einem Jahr arbeiten Schäfer-Klug, Huber und die IG Metall aufs Engste mit den Autobossen zusammen. Sie haben den Sanierungsplan hinter verschlossenen Türen mit ausgearbeitet. Vor gut einem Jahr hatten sie die „vertrauensvolle und offene Zusammenarbeit“ mit dem PSA-Chef noch in den höchsten Tönen gelobt, wobei „vertrauensvoll“ natürlich bedeutete: hinter dem Rücken der Arbeiter.

Im April 2017 hatte Schäfer-Klug behauptet: „Wir werden [durch die PSA-Übernahme] signifikant besser dastehen als bei GM.“ Umgekehrt versicherte Tavares damals auf der PSA-Website: Die „wertvolle Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen“ sei „ein zentraler Faktor für den Erfolg des Unternehmens“.

Mit den Stellenstreichungen und dem Lohnverzicht haben Betriebsrat und IG Metall im Grunde überhaupt kein Problem. Im Rahmen des Sanierungsplans haben sie schon Einsparungen über 270 Millionen Euro ausdrücklich zugestimmt. Zum Abbau von Arbeitsplätzen in Eisenach äußerte Schäfer-Klug laut MDR Thüringen am Wochenende, der Wechsel von General Motors zu PSA sei „gut für das Werk“, weil die Produktion erhöht werde. „Der Nachteil ist“, so Schäfer-Klug weiter, „es gehen Arbeitsplätze verloren. Für Eisenach würde das den Wegfall von 400 bis 450 Arbeitsplätzen bedeuten. Wir wären aber bereit, das in Kauf zu nehmen“.

Die momentanen Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und PSA-Führung sind einem deutsch-französischen Konflikt innerhalb der Führung geschuldet: Die IG Metall setzt sich dafür ein, Opel als „deutsche Marke“ zu erhalten und nicht zuzulassen, dass es in eine Art Zulieferer für PSA verwandelt wird. Schäfer-Klug warf die Frage auf, „wie viel von der Marke Opel am Ende übrig bleiben wird“. Mit andern Worten: die Arbeiter werden hier als Schachfiguren für rein nationalistische Ziele eingesetzt.

Außerdem fürchtet die IG Metall ihren völligen Gesichtsverlust, sollte PSA die Lohnstrukturen über den Haufen werfen, die sie nach dem Tarifkampf im Januar den deutschen Metallarbeitern mit Mühe aufs Auge gedrückt hatte.

In dem Ziel, Opel wieder in die schwarzen Zahlen zu führen, stimmen Betriebsrat und IG Metall mit der Konzernspitze in Paris voll und ganz überein. So betonte Schäfer-Klug, es sei „kein Hexenwerk“, wieder Profite zu erzielen. Dazu habe man bereits die Einsparungen beim Personal und eine effizientere Montage der Autos beschlossen.

In Eisenach wird heute auch Bodo Ramelow (Linke), der thüringische Ministerpräsident, als Redner auftreten. Er bietet den PSA-Opel-Bossen Sonderkonditionen an, sofern die Verhandlungen fortgesetzt werden. Konkret hat er finanzielle Entlastungen bei Energie- und Grundstückskosten zugesagt, „wenn die Tarifparteien an den Verhandlungstisch zurückkehren“. Ramelow will unter allen Umständen verhindern, dass es zu Streiks und großen Protesten kommt, die leicht aus dem Ruder laufen könnten.

Auch die Bundesregierung ist besorgt um die weitere Verschärfung des Konflikts. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) telefonierten am 22. April mit PSA-Chef Tavares, und die Kanzlerin betonte, sie erwarte von PSA, dass „alle Zusagen eingehalten werden“. Die Zusage, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, läuft jedoch schon Ende dieses Jahres aus, und die Standortgarantie läuft nur bis 2020.

Arbeiter sind mit einem Kartell aus Konzernleitung, Regierungsvertretern, Gewerkschaft und Betriebsrat konfrontiert und müssen dem entgegentreten. Dazu ist es erforderlich, Arbeiterkomitees aufzubauen, die unabhängig von der Gewerkschaft arbeiten und sofort Kontakt aufnehmen zu Arbeitern in andern Autowerken wie Peugeot, Vauxhall oder auch VW und den Autowerken in Osteuropa. Nur so ist es möglich, der systematischen Spaltung der Beschäftigten entgegenzuwirken und alle Autoarbeiter zu einem gemeinsamen Kampf gegen die Konzerne zu mobilisieren.

Lohscheller drohte in einer Videobotschaft an die Opel-Arbeiter, dass in Eisenach außer einem SUV kein neues Modell vom Band laufen werde, wenn nicht zuvor die nötigen Bedingungen für die „Wettbewerbsfähigkeit“– spricht: Lohnverzicht und Arbeitsplatzabbau – erfüllt worden seien. Der Elektro-Corsa soll nicht, wie angekündigt, in Eisenach, sondern in Spanien gebaut werden. So wird versucht, die Arbeiter verschiedener Werke und Länder gegeneinander aufzuhetzen.

Aber die Arbeiter stehen überall vor den gleichen Problemen. So setzt PSA auch bei Vauxhall in den britischen Werken Ellesmere Port und Luton, sowie auch im spanischen Opel-Werk von Saragossa Stellenstreichungen und Lohnkürzungen durch. Dasselbe in Österreich, Polen und Ungarn. Im Aspern bei Wien sollen 140 von 1.400 Arbeitsplätzen gestrichen werden. Auch die Arbeiter in den Peugeot- und Citroën-Werken machen die gleichen Erfahrungen. Dort sind in den letzten drei Jahren mehr als 10.000 Arbeitsplätze abgebaut worden.

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