SPD-Parteitag: Schulz attackiert Merkel von rechts

Falls sich jemand noch gefragt haben sollte, warum der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Martin Schulz in den Umfragen weit abgeschlagen hinter der amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) liegt, bekam er auf dem SPD-Parteitag in Dortmund am Sonntag die Antwort. Die Partei, die einst von Arbeitern aufgebaut wurde, präsentierte sich dort in abstoßender Art und Weise als das, wofür sie zurecht gehasst wird: als Partei des Sozialabbaus, des Militarismus und der Geheimdienste.

In seiner mehr als 80-minütigen Rede griff Schulz Merkel durchwegs von rechts an. Über die Fragen, die Millionen Arbeiter und Jugendliche betreffen – prekäre Arbeitsverhältnisse, Armut und die akute Kriegsgefahr – verlor er nicht einmal ein Wort. Stattdessen beschwerte er sich, dass die CDU/CSU keinen Wahlkampf führe und forderte mehr Polizei sowie eine aggressivere deutsche und europäische Außenpolitik. Merkels Aussage, „man könne sich ein Stück weit nicht mehr auf die USA verlassen“, kritisierte Schulz mit den Worten: „Ja geht's denn noch unkonkreter? Wie weit ist denn ‚ein Stück weit‘?“ Schon seit der Wahl dieses „irrlichternden Präsidenten“ Trump sei klar gewesen, dass auf die US-Regierung kein Verlass sei.

Wie die Linkspartei und die Grünen spielt die SPD eine Schlüsselrolle dabei, die weit verbreitete Ablehnung des rechten Milliardärs im Weißen Haus in Unterstützung für den deutschen Militarismus zu verwandeln. Der Bundeswehr müsse Respekt gezollt und „Milliarden mehr“ müssten in die Armee gesteckt werden, forderte Schulz unter dem tosenden Applaus der Delegierten.

Das einstimmig verabschiedete Wahlprogramm liest sich stellenweise wie ein Strategiepapier der Militär- und Sicherheitskreise, für welche die SPD spricht. Es fordert eine europäische Verteidigungspolitik und die schrittweise Aufstellung einer „europäischen Armee“ – beides dominiert von Deutschland.

Im Abschnitt „Deutschlands Verantwortung in der Welt“ heißt es: „Unser Land ist zu einem stärker gefragten und geforderten Partner bei der Gestaltung der internationalen Beziehungen geworden. Wir sind bereit, in Europa und darüber hinaus gemeinsam mit unseren Partnern Führungsverantwortung zu übernehmen und einen stärkeren Beitrag zur Lösung regionaler und globaler Sicherheitsprobleme zu leisten.“

Militäreinsätze schließt das explizit mit ein. Die SPD bekennt sich „zu modernen und leistungsfähigen Streitkräften, die über angemessene Fähigkeiten zur Landes- und Bündnisverteidigung sowie zur internationalen Krisenbewältigung verfügen müssen“. Die Soldaten müssten sich „darauf verlassen können, dass ihnen die bestmögliche Ausrüstung zur Verfügung und ausreichend qualifiziertes Personal zur Seite gestellt wird… Dafür notwendige Maßnahmen der Nachwuchsgewinnung und der dienstlichen Rahmenbedingungen sollen entsprechend umgesetzt werden.“

Ihre wenigen demagogischen Phrasen über mehr „soziale Gerechtigkeit“ führte die SPD auf dem Parteitag selbst ad absurdum. Schulz lobte ausdrücklich den neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dessen Kabinett in der vergangenen Woche den Ausnahmezustand verlängert hat und heftige Angriffe auf die Arbeiterklasse vorbereitet. Gefeierter Redner auf dem Parteitag war neben Schulz der frühere SPD-Kanzler Gerhard Schröder, dessen Agenda 2010 einen beispiellosen Sozialabbau eingeleitet und Millionen Arbeiter in prekäre und niedrig bezahlte Jobs gezwungen hat.

Die SPD und die Gewerkschaften wissen, dass die Wut und Empörung über die von ihnen geschaffene soziale Ungleichheit und den Militarismus ständig wächst und fürchten offene Klassenkämpfe. Das ist der Grund für ihren Ruf nach mehr Polizei und stärkeren Geheimdiensten. Der sogenannte „Kampf gegen den Terror“ dient dabei lediglich als Vorwand, elementare demokratische Rechte abzuschaffen und das Vorgehen gegen Flüchtlinge zu verschärfen.

Schulz, selbst der Sohn eines Polizeibeamten, konnte auf dem Parteitag sein Verlangen nach einem starken Staat kaum unter Kontrolle halten. Gebraucht werde „eine wehrhafte Polizei“, rief er den Delegierten zu und dankte den anwesenden Polizisten in der Westfalenhalle ausdrücklich. Merkel und die CDU seien in Fragen der inneren Sicherheit schlicht zu lasch. So habe die nordrhein-westfälische CDU „von 2005 bis 2010 Polizeistellen abgebaut bis zum Gehtnichtmehr, und jetzt heulen sie Krokodiltränen, weil es Sicherheitsprobleme gibt. Das ist doch Heuchelei!“

Das Wahlprogramm ist noch deutlicher: „Wir wollen mehr Polizistinnen und Polizisten sichtbar auf unseren Straßen haben. Für eine bessere und schnellere Aufklärung sogenannter Alltagskriminalität wie Wohnungseinbrüche und Diebstahl brauchen wir mehr Ermittlerinnen und Ermittler. Dafür wollen wir die Polizei besser ausstatten: Mit mehr und gut ausgebildetem Personal.“ Konkret will die SPD „15.000 neue Stellen bei der Polizei in Bund und Ländern schaffen“.

Weiter planen die Sozialdemokraten eine Ausweitung der Videoüberwachung, eine Stärkung der „Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz“ und die Aufrüstung der Geheimdienste. „Die Spionageabwehr unserer Nachrichtendienste wollen wir technisch und rechtlich in die Lage versetzen, effektiver gegen Cyberangriffe und Spionage fremder Nachrichtendienste vorzugehen. Wir werden das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ausbauen“, heißt es im Programm.

Hinzu kommt eine stärkere Überwachung und Zensur des Internets. „Darüber hinaus wollen wir der Verbreitung von Hasskriminalität und so genannten Fake News entgegenwirken… Die Verbreitung rechtswidriger Inhalte wie Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung in den sozialen Netzwerken soll besser und schneller verfolgt werden“, fordern die Sozialdemokraten im Abschnitt „Es ist Zeit für mehr Sicherheit im Alltag“.

Für das Anwachsen rechtsextremer Parteien in Deutschland und ganz Europa macht die SPD in zynischer Weise die Bevölkerung selbst verantwortlich. Mangelnder Respekt führe zu mangelndem Vertrauen, auch zum Staat, beschwerte sich Schulz. „Und das nutzen diese Rechtspopulisten aus! So wie die Le Pens, dieses millionenschwere Familienunternehmen der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus! Oder diese Erben des Herrn Strache in Österreich! Oder dieser unsägliche Geert Wilders!“

In Wirklichkeit trägt die SPD selbst eine zentrale Verantwortung für den Aufstieg der Rechten. Zum einen hat sie die soziale Misere, die viele ärmere Menschen in die Verzweiflung treibt, selbst verursacht. Zum anderen erzeugt sie mit der Politik im Interesse der Reichen, die sie als angeblich „linke“ Partei verfolgt, die politische Frustration, die rechte Demagogen ausschlachten.

Angesichts wachsender Klassenspannungen übernehmen die Sozialdemokraten nun selbst das Programm der extremen Rechten, um die Arbeiterklasse zu spalten und die soziale Wut in rechte Kanäle zu lenken. Dabei setzten sie auf die antiislamistische Karte. „Wir wollen eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Hasspredigern und Islamistinnen und Islamisten durchsetzen“, heißt es im Programm. Man werde „extremistische islamistische Moscheen schließen und ihre Finanzierung unterbinden“.

Auch die Forderung nach einer verschärften Abwehr von Flüchtlingen klingt wie von der AfD abgeschrieben. „Die Außengrenzen müssen besser vor illegalen Grenzübertritten geschützt werden... Wir wollen daher das Mandat und die Arbeit von Frontex, der europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, stärken.“ Abgelehnte Flüchtlinge wolle man „konsequenter in ihre Herkunftsländer zurückführen“.

Nach den Parteitagen der Linkspartei und der Grünen hat nun auch der Parteitag der SPD unterstrichen, dass der Kampf gegen soziale Ungleichheit, den Aufstieg der Rechten und die Rückkehr des deutschen Militarismus ein Bruch mit Rot-Rot-Grün samt ihrem pseudolinken Anhang erfordert. All diese Parteien sind Gegner der Arbeiterklasse und verteidigen die Banken und Großkonzerne. Nur die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) tritt für ein sozialistisches Programm ein und kämpft in der Arbeiterklasse für eine revolutionäre Perspektive gegen den Kapitalismus.

Loading