Kramp-Karrenbauer besucht Truppen in Jordanien und im Irak

Große Koalition will deutschen Kriegseinsatz im Nahen Osten ausweiten

In den vergangenen Tagen absolvierte die neue deutsche Verteidigungsministerin und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihren ersten Truppenbesuch. Sie traf Bundeswehrsoldaten in Jordanien und im Irak. Die Botschaft war überall die gleiche. Die deutsche Armee soll ihren Einsatz im geostrategisch wichtigen und rohstoffreichen Nahen Osten auch nach Auslaufen des bisherigen Mandats am 31. Oktober fortsetzen und sogar ausweiten.

In der Militärbasis in Taji, nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad, wo Bundeswehrkräfte irakische Soldaten trainieren, erklärte Kramp-Karrenbauer, „die einhellige Botschaft der gesamten irakischen Seite“ sei, neben dem „Dank für den bisherigen Einsatz“, auch „ganz klar der Wunsch [...], dass dieses Engagement fortgeführt wird.“ Daneben stehe ebenso „die Bitte zu überlegen, ob dieses Engagement verstärkt werden kann“.

Offensichtlich bereitet die Bundesregierung insgeheim massive Waffenlieferungen an die irakische Armee vor. Auf die Nachfrage eines Journalisten, was unter einem „verstärktem Engagement“ zu verstehen sei, antwortete Kramp-Karrenbauer: „Wir sind ja neben der Luftaufklärung vor allem engagiert in der Frage, wie wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten, wie wir ertüchtigen. Natürlich hat die irakische Seite auch Wünsche, was die Ausstattung anbelangt.“ Da dies „in Deutschland immer ein sehr sensibles Thema“ sei, werde es auch „sehr intensiv geprüft werden“.

Unter dem Deckmantel des Kampfs gegen den Terror verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die irakische Armee und die kurdischen Peschmerga im Nordirak als Stellvertretertruppen und Handlanger für ihre imperialistischen Interessen einzuspannen.

Man müsse sich „auf längere Sicht darauf einstellen, den Terror auf allen Ebenen zu bekämpfen“, erklärte Kramp-Karrenbauer am Mittwoch in einem ARD-Live-Interview aus Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak. Vor allem gehe es darum, „die Sicherheitskräfte hier im Irak“ in die Lage zu versetzen, „die entsprechenden Strukturen auf[zu]bauen, damit die Zivilgesellschaft mit den militärischen Stellen zusammenarbeiten kann“. Es gehe „auf lange Sicht hin um die Stabilisierung des Irak und damit die Stabilisierung dieser Region. Und das liegt in unseren ureigenen Interessen.“

Kramp-Karrenbauers Versuch, den Einsatz der Bundeswehr als „Anti-Terror-Einsatz“ gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) darzustellen, ist die bekannte Propaganda. Dabei weiß jeder, dass der völkerrechtswidrige Angriff der USA unter George W. Bush im Jahr 2003 der wirkliche Grund für die Zerstörung des Irak ist. Der IS war das Produkt der anschließenden Besatzung des Landes und der Zusammenarbeit der Nato-Mächte mit islamistischen Milizen bei den Regime-Wechsel-Kriegen in Libyen und Syrien.

Hatte sich die Bundesregierung bei den Kriegen gegen den Irak und Libyen noch zurückgehalten, war sie am Syrien-Krieg von Anfang an militärisch beteiligt. Im letzten Jahr hat sie ihren Einsatz auch auf den gesamten Irak ausgeweitet. Dabei wendete die deutsche Armee direkt oder indirekt selbst Terror-Methoden an.

So töteten die von ihr trainierten und bewaffneten kurdischen Peschmerga-Milizen und Einheiten der offiziellen irakischen Armee bei der sogenannten Befreiung Mossuls vom IS zehntausende Zivilisten. Die deutsche Luftwaffe lieferte Zielkoordinaten für die Flächenbombardements der von den USA geführten Anti-IS-Koalition, die ganze Städte und Dörfer in Syrien und im Irak ausradierten.

Das von Kramp-Karrenbauer benannte „ureigene Interesse“ Deutschlands in der Region wird in früheren und aktuellen Strategiepapieren klar umrissen. So hieß es bereits 2001 in einer Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung mit dem Titel „Deutschland und der Nahe und Mittlere Osten: Standortbestimmung und Handlungsempfehlung“: „Es richtet sich primär auf eine Stabilisierung der betroffenen Staaten und Gesellschaften, um eine Gefährdung der eigenen Sicherheit und derjenigen der europäischen Partnerländer zu verhindern, eine reibungslose Rohstoffversorgung zu gewährleisten und Exportmöglichkeiten für die deutsche Wirtschaft zu schaffen.“

Die Bedeutung der „Exportmärkte der Kernstaaten der Region“ für die deutsche Wirtschaft sei enorm. Hier gelte es „daher einen Beitrag zur Sicherung der Absatzmärkte zu leisten, einen möglichst ungehinderten Marktzugang zu gewährleisten und sich der Konkurrenz der USA, der osteuropäischen Staaten, aber auch der ostasiatischen Industrieländer zu stellen“.

Die gleichen imperialistischen Interessen stehen hinter den Plänen für eine mögliche europäische Marinemission im Persischen Golf, die von der Bundesregierung aktiv vorangetrieben wird. In einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Strategiepapier der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) heißt es: „Die ungehinderte Nutzung von Transport-, Versorgungs- und Handelslinien sowie die Sicherheit der Rohstoff- und Energieversorgung gehören zu den außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten einer vom Export abhängigen Nation wie der Bundesrepublik.“

Deutschland solle deshalb „zum Erhalt seines eigenen außenpolitischen Gestaltungsanspruchs und zur Wahrung seiner Interessen eine Mission mitentwickeln und sie ggf. führen“. Die EU-Marinen verfügten „über hinreichende Mittel, um sowohl eine Beobachtermission oder eine Schutzmission durchzuführen“. Deutschland und die EU „sollten sich bemühen, auch nicht-EU Staaten zur Teilnahme zu gewinnen wie etwa Norwegen, Kanada, Australien oder Neuseeland“.

Obwohl die herrschende Klasse 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs und 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung wieder dazu übergeht, eine unabhängige Kriegs- und Großmachtpolitik zu entwickeln, gibt es unter den etablierten Parteien keinerlei Opposition. Im Gegenteil: die Rückkehr des deutschen Militarismus wird von allen Bundestagsparteien unterstützt und aktiv vorangetrieben.

Die SPD-Verteidigungspolitikerin Siemtje Möller, die Kramp-Karrenbauer auf ihrem Truppenbesuch begleitete, deutete in einem Interview mit dem Deutschlandfunk an, dass auch die Sozialdemokraten bereit sind, den Vorstoß der deutschen Verteidigungsministerin zu unterstützen.

„Wir sammeln vor Ort Argumente, die wir in die Fraktion tragen können, die für oder gegen [eine Mandatsverlängerung] sprechen.“ Sie habe bereits im vergangenen Jahr den Irak besucht und sei von der Arbeit der Bundeswehr „sehr überzeugt“ gewesen. Auch eine Präsentation über den „militärisch sinnvollen“ Einsatz der deutschen Tornados auf dem jordanischen Luftwaffenstützpunkt Al-Azraq habe sie „sehr beeindruckt“.

Die Grünen gehören zu den aggressivsten Verfechtern einer deutsch-europäischen Militärmission im Persischen Golf, die die ganze Region in einen Flächenbrand verwandeln könnte und die Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen den Großmächten und eines dritten Weltkriegs massiv erhöhen würde. Es gebe „beim Iran-Konflikt ein eigenständiges europäisches Interesse“, erklärte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck jüngst in einem Interview mit der Passauer Neuen Presse. Europa könne „sich nicht mehr darauf verlassen, dass andere seine Interessen vertreten. Es muss weltpolitikfähig werden.“

Auch die Linkspartei, die im Nahen Osten schon lange als Werkzeug des deutschen Imperialismus fungiert, zeigt immer offener ihren militaristischen Charakter. Kramp-Karrenbauers Deal mit der Deutschen Bahn, der vorsieht, dass Soldaten in Uniform ab 2020 kostenlos Zug fahren können, wird von der Linken im Kern unterstützt. So erklärte ihr verteidigungspolitischer Sprecher, Tobias Pflüger, auf Twitter, seine Partei halte „die ‚freie‘ Fahrt in der Bahn (nur) für Soldatinnen und Soldaten für falsch“. Er fordere „Bundesregierung und Bahn auf, nun auch für Feuerwehrleute und Pflegepersonal freie Bahn-Fahrt zu ermöglichen“. Erst dann zeige sich, „wie ernst das mit der ‚Wertschätzung‘ gemeint ist.“

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