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Socialist Equality Party (Sri Lanka)
Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party (Sri Lanka)

Die Gründung der Bolschewistisch-Leninistischen Partei Indiens (BLPI)

5.1. Als im September 1939 der Krieg zwischen Nazi-Deutschland und seinen Verbündeten und Großbritannien und Frankreich begann, lehnte die LSSP kategorisch jede Unterstützung für den Krieg ab. Als CNC-Führer D.S. Senanayake eine Resolution im Staatsrat einbrachte, in der er die britische Regierung „von ganzem Herzen“ unterstützte, lehnte Philip Gunawardena den Krieg zwischen den beiden imperialistischen Lagern ab und erklärte: „Wir weigern uns, an einem imperialistischen Krieg teilzunehmen. Wir sind gegen alle imperialistischen Kriege und die Ausbeutung. Der Klassenkampf hört nicht auf, weil ein Land im Krieg ist.“[9] Die LSSP spielte die führende Rolle in einer Reihe von Streiks der Plantagenarbeiter, die im Dezember 1939 auf der Plantage Mooloya begannen, nachdem die Polizei einen Arbeiter einer Teefabrik namens Govindan erschossen hatte. Als sich die Streikwelle ausbreitete und in der Schaffung eines Arbeiterrates auf der Plantage Wewessa im Mai 1940 ihren Höhepunkt fand, forderten bekannte Plantagenbesitzer, gegen die LSSP vorzugehen, da „die sich verschlechternde Lage in Ceylon zu Blutvergießen und Aufständen ... sowie eindeutigen, ernsten Gegenreaktionen in Indien führen könnte.“ Die Polizei entfesselte auf den Teeplantagen ein Terrorregime. Am 18. Juni, nur vier Tage nach der Einnahme von Paris durch die deutsche Wehrmacht, wurde die LSSP verboten und vier ihrer Anführer – Philip Gunawardena, N.M. Perera, Colvin R. de Silva und Edmund Samarakkody – verhaftet. Die Partei hatte sich bereits auf die Illegalität vorbereitet und war in Sri Lanka weiterhin aktiv, obwohl das Kriegsrecht verhängt worden war.

5.2. Im Mai 1940 begann die LSSP, Mitglieder nach Indien zu schicken, um sich mit Gruppen von trotzkistischen Sympathisanten in Verbindung zu setzen und die Grundlagen für eine gesamtindische Partei zu schaffen. Die LSSP gewann die Unterstützung von drei Gruppen – in Kalkutta unter Führung von Ajit Kumar Mukherji und Kamalesh Banerji; in der Industriestadt Kanpur, unter Führung von Onkarnath Verma Shastri; und in Bombay unter Führung von Chandravadan Shukla. Shastri und Shukla waren Mitglieder der Kommunistischen Partei Indiens (KPI) gewesen, lehnten aber die Volksfrontpolitik ab und brachen Ende der dreißiger Jahre mit der Partei. Im Dezember 1940 und März 1941 hielt die LSSP in der Illegalität zwei Geheimtreffen in Kandy ab, um die Grundlagen für eine einzige große trotzkistische Partei in Indien, Burma und Ceylon zu schaffen. Die verhafteten LSSP-Führer, die ihren Wärter rekrutiert hatten, nahmen an beiden Treffen teil. Beim zweiten Treffen waren Delegierte aus Indien anwesend. Da sich in Indien eine explosive Situation mit möglicherweise revolutionären Auswirkungen entwickelte, gingen die meisten LSSP-Führer aufs Festland. Am 7. April 1942 brachen die vier LSSP-Führer mit ihrem Wärter aus dem Gefängnis in Kandy aus, entgingen einer Fahndung und schafften es bis nach Indien. Im Mai 1942 wurde bei einem Treffen mit den Führern der LSSP und der indischen Trotzkisten die Bolschewistisch-Leninistische Partei Indiens (BLPI) gegründet. Sie nahm ein Programm an und beantragte die Anerkennung durch die Vierte Internationale.

5.3. Die Gründung der BLPI stellte einen Meilenstein im Kampf für den revolutionären Marxismus in Südasien dar. Nichts, was sie später getan hat, kann die Leistungen der BLPI-Führung schmälern, den Trotzkismus auf den indischen Subkontinent gebracht zu haben. Im deutlichen Gegensatz zu dem formlosen Programm, das die LSSP 1935 verabschiedet hatte, mit seinen beschränkten Aufrufen zum Sozialismus in Sri Lanka, war das Programm der BLPI zutiefst vom proletarischen Internationalismus geprägt. Es basierte auf der Erkenntnis, dass der Kampf gegen imperialistische Unterdrückung und für Sozialismus in Sri Lanka untrennbar mit der sozialistischen Revolution in Indien und international verbunden war. Das Programm umfasste eine vollständige Analyse der britischen Herrschaft in Indien, des entstehenden Kapitalismus, der Rolle der verschiedenen Klassen und aller Parteien, sowie eine Reihe von Übergangsforderungen auf Grundlage des Programms der Vierten Internationale.

5.4. Die BLPI entlarvte die Kompromisspolitik des Indian National Congress, seine engen Verbindungen mit den Großgrundbesitzern und seinen Verrat an den massiven gewaltlosen Widerstandsbewegungen der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Zu Gandhis „Gewaltlosigkeit“ erklärten sie, dass die Bourgeoisie mit dieser Doktrin versucht habe, „ihre Kontrolle über die nationale Bewegung zu festigen, indem sie die Formen und das Ausmaß des Kampfes beschränkten und verhinderten, dass er in revolutionäre Kanäle geriet.“ Die BLPI nannte die Rechtfertigung der Stalinisten für ihre Kollaboration mit der Kongresspartei, er sei eine Partei mehrerer Klassen, einen „dreisten Betrug“ und mahnte, der Kongress, vor allem seine politische Führung, ähnelten der bürgerlichen Kuomintang, die in China von 1925-27 die Revolution zerschlagen hatte.

5.5. Aufgrund der engen Verbindung der indischen Bourgeoisie mit den Großgrundbesitzern war der Kongress organisch unfähig, auch nur die elementarsten Bedürfnisse der Bauernschaft zu erfüllen. „Die Führung der Revolution, die die Bauernschaft nicht für sich selbst stellen kann, kann nur aus einer städtischen Klasse kommen. Aber die indische Bourgeoisie kann diese Führung nicht leisten, da sie in der Landfrage selbst durch und durch reaktionär ist und an der parasitären Ausbeutung der Bauernschaft ebenfalls stark beteiligt ist. Vor allem ist die Bourgeoisie durch ihre inhärente Schwäche und Abhängigkeit vom Imperialismus dazu bestimmt, in dem kommenden Machtkampf eine konterrevolutionäre Rolle zu spielen.“[10] Die BLPI formulierte eine Reihe von Forderungen, in erster Linie die „entschädigungslose Enteignung der Großgrundbesitzer“ und die Parolen „Das Land denen, die es bestellen“ und „Abschaffung der Schuldknechtschaft“, um die Bauernschaft, vor allem die am meisten unterdrückten Schichten im Machtkampf hinter der Arbeiterklasse zu mobilisieren.

5.6. Die BLPI entlarvte die Rolle der KPI, die 1920 gegründet und vom Stalinismus völlig korrumpiert worden war. Wie in China wies die Komintern die KPI in den zwanziger Jahren an, Bündnisse mit den „revolutionären“ Teilen der Bourgeoisie einzugehen, die im Indian National Congress organisiert waren. Um den Kongress nach links zu drücken, sollte die KPI sich außerdem darauf konzentrieren, „Zweiklassenparteien“ für Arbeiter und Bauern mit bürgerlich-demokratischem Programm aufzubauen. Damit gab sie noch mehr von ihrer Klassenunabhängigkeit auf und wurde unfähig, mutig um die Führung der Arbeiterklasse zu kämpfen. Anfang der dreißiger Jahre folgte die KPI der Linie der „Dritten Periode“ und vertrat die stalinistisch-menschewistische Zwei-Stufen-Theorie der Revolution, verbunden mit rein rhetorischer Kritik am INC. Sie hielt sich von der zweiten gewaltlosen Widerstandsbewegung fern und weigerte sich, die Führung des INC direkt anzugreifen. Als sich Mitte der Dreißiger die Volksfrontpolitik durchsetzte, stellte die KPI den Kongress noch offener und auf noch primitivere Weise als Protagonisten im Kampf gegen die britische Herrschaft dar. Das änderte sich selbst dann nicht, als der Kongress die Verfassungsreformen von 1935 annahm und zum Partner der Kolonialherrschaft wurde. Er bildete in den meisten Provinzen von Britisch-Indien Regierungen. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre kam es zu militanten Erhebungen der Arbeiterklasse, in denen sie in offenen Konflikt mit den Ministerien des Kongresses geriet, sowie zu einer Reihe von Bauernkämpfen, und zu einem schnell Wachstum der Kisan Sabhas (Bauernvereinigungen). Die Stalinisten versuchten, diese Bewegungen vor den Karren des INC zu spannen, die Kämpfe der Arbeiterklasse auf wirtschaftliche Forderungen zu beschränken und die Forderung nach der Abschaffung des Zamindari(Grundbesitzer)-Systems aufzugeben, da dies möglicherweise zu einer Konfrontation mit der Kongress-Führung hätte führen können.

5.7. Nach Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes im August 1939 hörte die KPI auf, die „demokratischen“ Kräfte gegen den Faschismus zu unterstützen, und konzentrierte sich stattdessen auf Widerstand gegen den Krieg. Nach Beginn der deutschen Invasion in Russland unterstützte die KPI voll und ganz Großbritannien und agierte als oberster Streikbrecher und Unterstützer des imperialistischen Krieges innerhalb der Arbeiterklasse. Zusammenfassend erklärte die BLPI zum Verrat der KPI: „Diese Einstellung ist zurzeit die schändlichste und kaltblütigste von allen. In unterwürfigem Gehorsam gegenüber der konterrevolutionären Kreml-Clique fordern sie offen die bedingungslose und aktive Unterstützung des imperialistischen Krieges. Mit ihrer falschen Theorie der Nationalen Front bereitet sich die KPI darauf vor, den Verrat an der chinesischen Revolution zu wiederholen, indem sie die Führung des revolutionären Kampfes der verräterischen Bourgeoisie überlässt. Weil die Kommunistische Partei Indiens versucht, das Prestige der Russischen Revolution und der Sowjetunion zu benutzen, ist ihr Einfluss auf die indische Arbeiterklasse heute am gefährlichsten.[11]

5.8. Zur Congress Socialist Party erklärte die BLPI, sie habe „von Anfang an eine Politik völliger Unterwürfigkeit gegenüber der Bourgeoisie im Kongress verfolgt und ist daher auch heute noch ohne Rückhalt in der Arbeiterklasse. Nachdem sie ihre unabhängige Existenz aufgegeben hatte, wurde sie von den Kommunisten, die in ihr aktiv waren, auseinandergespalten. Heute ist sie eine leere Hülle ohne jede politische Substanz.“ Weiter hieß es, nur die BLPI „mit ihrer revolutionären Strategie auf Grundlage der gesammelten Erfahrungen der Geschichte und der Theorie der Permanenten Revolution, kann die Arbeiterklasse zur siegreichen Revolution führen.“[12]

5.9. Die BLPI unterstützte entschlossen die Verteidigung der Sowjetunion durch die Vierte Internationale gegen Intrigen und Angriffe. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges führte Trotzki einen politischen Kampf gegen eine Fraktion innerhalb der amerikanischen Sektion, der Socialist Workers Party (SWP), die von Max Shachtman, James Burnham und Martin Abern angeführt wurde. Diese behaupteten, die Sowjetunion könne nicht mehr länger als degenerierter Arbeiterstaat angesehen werden und die Vierte Internationale solle nicht mehr zu ihrer Verteidigung aufrufen, wenn sie in einen Krieg hineingezogen würde. Die UdSSR beruhte trotz des Wirkens der stalinistischen Bürokratie und ihrer Verrätereien jedoch immer noch auf den verstaatlichten Eigentumsverhältnissen, die nach der Russischen Revolution etabliert wurden. Hinter Burnhams Neubewertung der Sowjetunion als „bürokratischer Kollektivismus“ steckte der pessimistische Schluss, dass dies eine neue von einer Verwaltungselite dominierte und geleitete Gesellschaftsform sei, die der Marxismus nicht vorhergesehen hätte, Dieses Hinnehmen der stalinistischen Bürokratie als dauerhaftes Merkmal einer Gesellschaft anstatt als zeitweiligen bösartigen Auswuchs am Arbeiterstaat kam aus einer Ablehnung der revolutionären Rolle der Arbeiterklasse und des Charakters der imperialistischen Epoche als Todesagonie des Kapitalismus. Die Argumente von Burnham und Shachtman waren Vorreiter einer langen Reihe von Angriffen auf den Marxismus nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Ergebnisse unterschieden sich zwar voneinander, aber alle diese revisionistischen Gruppierungen sahen – ob in der Form der Theorie vom „Staatskapitalismus“ oder in Michel Pablos „Jahrhunderten deformierter Arbeiterstaaten“ – die stalinistischen Regimes als etwas historisch tragfähiges an und schrieben die Arbeiterklasse als revolutionäre Kraft ab.


[9]

Zitiert aus George Jan Lerski, Origins of Trotskyism in Ceylon: a documentary history of the Lanka Sama Samaja Party, 1935–1942 (Stanford: Hoover Institution on War, Revolution and Peace, 1968) S. 206.

[10]

Charles Wesley Ervin, Tomorrow is Ours: The Trotskyist Movement in India and Ceylon, 1935–48 (Colombo: Social Scientists Association, 2006) S. 300.(aus dem Engl.)

[11]

Ibid., Appendix B, S. 304.

[12]

Ibid., S. 305.