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Socialist Equality Party (Sri Lanka)
Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party (Sri Lanka)

Die Teilung Indiens

9.1 In Indien spielte die Kongresspartei die Hauptrolle dabei, die antiimperialistische Massenbewegung abzuwürgen, die unmittelbar nach dem Krieg entstand, und in ganz Südasien die Herrschaft des Kapitalismus wieder zu festigen. Die stalinistische KPI unterstützte sie dabei. Die Kongress-Führung fürchtete, eine neue Quit-India-Bewegung nicht kontrollieren zu können. Sie wurde von einer wachsenden Welle von Arbeiter- und Bauernkämpfen und zunehmender Unruhe in den Fürstenstaaten verunsichert. Daher beeilte sie sich, eine Einigung mit Großbritannien zu erzielen. Die Briten hatten ihrerseits bereits erkannt, dass es sich nicht mehr lohnen würde, die Kontrolle über Indien aufrechtzuerhalten. Der Kongress ließ damit nicht nur wichtige Teile seines eigenen Programms fallen und strebte nicht nur mit Großbritannien ein Abkommen an, sondern auch mit den kommunalistischen Parteien, der Muslim League und der Hindu Mahasabha, sowie mit den Zamindari-Großgrundbesitzern und den Fürsten, die die konservative Basis des Kolonialstaates bildeten.

9.2. Die Muslim League, die die Interessen der muslimischen Grundbesitzer und Kapitalisten in Indien vertrat, forderte 1940 die Abtrennung eines Staates Pakistan, bestehend aus den mehrheitlich muslimischen Provinzen. Die muslimischen Eliten waren von den Briten unter Zuhilfenahme kommunaler Kategorien als separate politische Kraft organisiert und kultiviert worden, um ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten. Sie fürchteten, angesichts der wachsenden sozialen Unruhe in einem vereinigten indischen Staat an den Rand gedrängt zu werden. Durch die Forderung nach einem eigenen Staat wollte die muslimische Elite bei der erwarteten Neuorganisation Südasiens nach dem Krieg Anspruch auf einen beträchtlichen Teil an der politischen Macht erheben und den Kommunalismus schüren, um die immer unruhigeren Massen abzulenken und zu spalten. Hindu Mahasabha, deren Basis die Hindufürsten, Grundbesitzer und Geschäftsleute waren, rechtfertigte ihre Kollaboration mit den Briten mit kommunalistischen Phrasen als Widerstand gegen die „Dominanz“ der Muslime. Die Anhänger von Hindu Mahasabha kritisierten den Kongress, weil er den Muslimen „zu sehr entgegenkomme“ und bezeichnete diese als Fremde in der „Hindu-Nation“, denen die Staatsbürgerrechte verweigert werden sollten. Der einzige Weg, gegen den Kommunalismus zu kämpfen, war es, die Arbeiter und die bäuerlichen Massen für ihre gemeinsamen sozialen Interessen zu mobilisieren. Der Kongress stand einer derartigen Strategie grundlegend feindselig gegenüber, da sie eine Bedrohung für die Grundinteressen der indischen Bourgeoisie darstellte. Daher passte er sich immer mehr an den Kommunalismus an und unterdrückte soziale Kämpfe, mit denen die Massen implizit auch gegen die kommunalistische Spaltung protestierten. Bei den Wahlen von 1945-46 erwog der Kongress, in Bengalen und anderen Landesteilen ein Wahlbündnis mit Hindu Mahasabha einzugehen, und nahm ihre Mitglieder in seinen Reihen auf.

9.3. Nach dem Krieg äußerte sich die zunehmende antiimperialistische Stimmung zuerst in Widerstand gegen die brutale Unterdrückung der Quit-India-Bewegung und die Prozesse gegen Führer der Indian National Army (INA). INA-Führer Subhas Chandra Bose, ein militantes Führungsmitglied der Kongresspartei, war zwar ein Gegner Gandhis, aber wollte die britische Herrschaft nicht mithilfe der Arbeiterklasse bekämpfen, sondern mit Unterstützung einer anderen imperialistischen Macht. Er erklärte sich bereit, die INA anzuführen, die aus indischen Soldaten bestand, die von der japanischen Armee gefangengenommen worden waren und unter deren Führung gegen die Briten kämpften. Trotz ihrer fehlgeleiteten Ziele wurden die INA-Führer allgemein als Helden und Patrioten gesehen und in ganz Indien wurde ihre Begnadigung gefordert. Dabei entstand Einigkeit zwischen Muslims, Hindus und Sikhs. Im November 1945 und Februar 1946 führte die BLPI zusammen mit Studentenorganisationen Massendemonstrationen in Kalkutta gegen die INA-Prozesse an. Diese Proteste wurden von Polizei und Militär brutal unterdrückt, wobei die KPI und der Kongress zusammen gegen die Menschenmassen vorgingen, angeblich um Disziplinlosigkeit und Unruhen zu bekämpfen.

9.4. Im Februar 1946 meuterten Teile der indischen Marine in Bombay und Karachi gegen schlechte Bezahlung und ihre soziale Lage. Dabei erhoben sie eine Reihe radikaler Forderungen, darunter die Freilassung aller politischen Gefangenen, den Abzug der britisch-indischen Truppen aus Indonesien und die Unabhängigkeit Indiens. Ihre Aktionen führten zu Solidaritätsbekundungen und Meutereien in anderen Teilen des indischen Militärs und letzten Endes zu Massenprotesten und Straßenschlachten der Arbeiter in Bombay. Die Briten schlugen die Rebellion gewaltsam nieder. Vom Kongress und der Muslim League wurde dies unterstützt. Gandhi ging mit den Meuterern der indischen Marine und der überkommunalen Einigkeit, die während des Kampfes geherrscht hatte, besonders hart ins Gericht: Er sagte, er würde „lieber in den Flammen umkommen,“ als den Triumph des „Pöbels“ miterleben zu müssen, und bezeichnete ein „Bündnis aus Hindus und Moslems, um zusammen Gewalt zu verüben“, als „unheilig.“ Während die BLPI die Forderung nach Protesten und einem Generalstreik erhob, verurteilte die stalinistische KPI die „Massenhysterie“ und versuchte, die Unterstützung der Öffentlichkeit für die Meuterei zu untergraben. Wie immer, wenn der Kongress eine Massenbewegung zurückschlug, kam es auch nach der Niederlage der Meuterei zu verschärften kommunalistischen Stimmungen. Als die Muslim League im August 1946 zu „direkten Aktionen“ für ihre Forderung nach einem Staat Pakistan aufforderte, kam es in Kalkutta zu brutalen Zusammenstößen mit Hindus. Die Folge waren 6.000 Tote und Vergeltungsaktionen hinduistischer Kommunalisten.

9.5. Die Unruhen nach dem Krieg führten auch zu einer Streikwelle, an der sich die BLPI massiv beteiligte und dabei wichtige Fortschritte erzielte. Sie gewann die Mehrheit in der Gewerkschaft Madras Labour Union (MLU) und leitete im Juni 1946, und von März bis Juni 1947 große Streiks in den Textilwerken Buckingham and Carnatic Mills, einer der größten Fabriken in Indien. Der Streik von 1947 war ein erbitterter dreimonatiger Kampf, während dem es zu Massenveranstaltungen und Proteststreiks von mehr als 100.000 Arbeitern und Kleinunternehmern kam. Im Juni wurde die Gewerkschaft für illegal erklärt, ihre Gelder wurden beschlagnahmt und ihre Führer verhaftet, aber die Versuche der Regierung, die B & C Mills wieder zu öffnen, scheiterten. Die MLU brach den Streik schließlich ab, zwang die Geschäftsleitung jedoch zu bedeutenden Zugeständnissen.

9.6. Die BLPI trat entschlossen gegen Kommunalismus und die Forderung nach einem eigenständigen muslimischen Pakistan auf. Eine Resolution der BLPI-Konferenz von 1944 erklärte: „Die Forderung [nach einem Staat Pakistan] ist politisch reaktionär und theoretisch falsch. Sie ist politisch reaktionär, da sie einen Versuch darstellt, durch Spielen mit kommunalistischen Gefühle die Unzufriedenheit der muslimischen Massen vom wahren Feind, dem britischen Imperialismus und seinen Verbündeten in der einheimischen Bevölkerung, auf die Hindus zu lenken. Sie ist theoretisch falsch, da sie sich aus der haltlosen Behauptung ergibt, die indischen Muslime seien eine eigenständige Nation, die in einer hinduistischen Nation unterdrückt werde, was ebenso wenig der Realität entspricht. Es gibt für eine eigenständige muslimische Nationalität keine Grundlage, weder eine gemeinsame historische Tradition, Sprache, Kultur oder Rasse, noch geografische und wirtschaftliche Faktoren. Die einzigen gemeinsamen Merkmale sind die Religion und die damit einhergehenden kulturellen Gemeinsamkeiten. Die Erfahrungen der Geschichte zeigen, dass dies nicht ausreicht, um die Geisteshaltung hervorzubringen, aus der ein Nationalbewusstsein hervorgehen kann.“[18]

9.7. Der Kongress war jedoch damit beschäftigt, sich schnell mit Großbritannien und seinen Verbündeten unter den Fürsten und Grundbesitzern einig zu werden. Die Kongress-Führung nutzte zwar ihre Verbindung zur Quit-India-Bewegung, um Unterstützung zu bekommen, aber durch den radikalen Kurswechsel, den die Bewegung nach der Verhaftung von Gandhi und dem Rest der Führung vollzogen hatte, und wegen der zunehmenden sozialen Kämpfe der Nachkriegszeit begann sie sich davor zu fürchten, eine Bewegung anzuführen, die die britische Herrschaft infrage stellte. Stattdessen wollte sie die Macht in dem kolonialen Staat übernehmen, um die bürgerliche Herrschaft so schnell wie möglich zu festigen. Daher ließ die Kongress-Führung die Forderung nach einer verfassungsgebenden Versammlung und allgemeinem Wahlrecht fallen und akzeptierte den Status als Dominion, um weiterhin Verbindung mit Großbritannien zu haben; sie versuchte gleichzeitig, eine radikale Bewegung gegen die Herrschaft der Fürsten und Grundbesitzer zu verhindern. Vor allem ließ sie die Forderung nach einem vereinigten, säkularen Indien fallen, akzeptierte die kommunalistische Teilung des Subkontinents und setzte sie um. Die Muslim League forderte, dass Bengalen und der Pundschab zu Pakistan gehören sollten, aber der Kongress bevorzugte stattdessen die kommunale Teilung der beiden Provinzen und hatte dabei keine Skrupel, mit militanten Kommunalisten zusammenzuarbeiten, unter anderem mit S.P. Mookerjee, einem ehemaligen Präsidenten von Hindu Mahasabha, der später die Partei Jana Sangh gründete (die noch später in Bharatiya Janata [BJP] umbenannt wurde). Die Kampagne des Kongress, Hindus und Sikhs im Pundschab und in Bengalen vor der „Unterdrückung“ durch Moslems zu „bewahren“, war der maßgebliche Anlass für die kommunalen Ausschreitungen während der Teilung von 1947, bei der fast zwei Millionen Menschen umkamen und zwölf bis vierzehn Millionen zu Flüchtlingen wurden.

9.8. Die stalinistische KPI unterstützte diesen Verrat, indem sie die antikoloniale Bewegung der indischen Bourgeoisie unterordnete – zuerst dem Kongress, dann, nachdem sie sich in den letzten Jahren der britischen Herrschaft an den Kommunalismus angepasst hatte, auch an die Muslim League. Die KPI verlieh der Forderung nach einem eigenständigen Pakistan politische Glaubwürdigkeit und nannte sie einen legitimen Ausdruck muslimischer Selbstbestimmung. Sie schickte Mitglieder in die Muslim League, um eine soziale Basis unter den muslimischen Massen aufzubauen. Von 1945 bis 1947, als der Kongress und die Muslim League den Kommunalismus schürten, veröffentlichte die KPI vergeblich Aufrufe an die rivalisierenden bürgerlichen Parteien, zusammenzukommen und die nationale Revolution zu führen.

9.9. Die Teilung definierte und definiert „Freiheit“ und „Unabhängigkeit“ im bürgerlichen Indien und Pakistan. Die kommunalen Pogrome während der Schaffung der beiden Staaten waren nur die blutigste und offensichtlichste Folge der abgebrochenen demokratischen Revolution. Der neue Staat verteidigte den Reichtum und das Eigentum der Zamindare, Fürsten und Großunternehmer und behielt die wichtigsten Institutionen und Gesetze des britischen Kolonialstaates bei. Er führte nur ein paar kleine, kraftlose Reformen durch, um die kapitalistische Entwicklung zu erleichtern. Sechzig Jahre später ist keines der drängenden demokratischen und sozialen Probleme der Massen gelöst, im Gegenteil: Sie sind noch drängender geworden. Die Herrschaft der Grundbesitzer, Unterdrückung auf Grundlage der Kastenzugehörigkeit und andere feudale Überbleibsel haben sich immer enger mit der kapitalistischen Ausbeutung verbunden.

9.10. Die Teilung hat das „kommunale Problem“ nicht gelöst, sondern es vergrößert, indem sie kommunale Spaltungen in der südasiatischen Staatsstruktur verankert hat. Nachdem Gandhi im Januar 1948 von einem Anhänger des Hindutva-Ideologen V.D. Savarkar ermordet worden war, erklärte BLPI-Chef Colvin R. de Silva: „Die Tragödie der Teilung hat ihre Ursprünge besonders in den erklärten Zielen ihrer Architekten. Die grauenhafte Zerteilung einerseits des lebendigen Körpers des indischen Staates und andererseits von zwei ‚Nationalitäten‘ (die Pundschabis und die Bengalen) wurde als Lösung des kommunalen Problems und als Weg zur Freiheit dargestellt. Beide Versprechen wurden nicht eingehalten… Durch die Teilung wurden zum Einen neue Ketten für die imperialistische Versklavung der Massen geschmiedet… zum Anderen konnten dadurch zwei Staaten dazu gebracht werden, den Krieg gegeneinander als einzige Möglichkeit zu sehen, innere kommunale Stimmungen aufzufangen, damit sie sich nicht in Unruhen äußern. Der Krieg wird noch kommen (wenn er in Kashmir und Junagadh nicht schon da ist). Aber katastrophale Unruhen sind bereits da.“

9.11. De Silvas Warnungen erwiesen sich als zutreffend. Nach der Teilung begann ein reaktionärer geopolitischer Kampf zwischen Indien und Pakistan. Die beiden Staaten führten drei Kriege gegeneinander, erlebten zahlreiche Krisen, die zum Krieg hätten führen können, verschwendeten wertvolle Ressourcen und können heute einen Atomkrieg in Südasien entfesseln. Der erste Krieg zwischen Indien und Pakistan von 1947-48 endete mit der Teilung von Kaschmir, durch welche die Bevölkerung von Kaschmir brutal auseinandergerissen und ein Problem geschaffen wurde, das im Rahmen des kommunal geteilten Subkontinents nicht gelöst werden kann. Da die herrschenden Eliten beider Länder nicht in der Lage sind, die zahlreichen sozialen Probleme zu lösen, haben sie immer wieder mittels kommunaler Demagogie den Widerstand in ihren Ländern abgelenkt. Die Teilung erleichtert es den Imperialisten, Südasien zu dominieren, da eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung, darunter die Nutzung von Wasservorkommen, verhindert wird. Es wird den USA und anderen Großmächten ermöglicht, Staaten und herrschende Eliten gegeneinander auszuspielen. Heute ist Südasien die wirtschaftlich am wenigsten integrierte Region der Welt mit der größten Konzentration von Armen.


[18]

Bolshevik-Leninist Party of India, “Resolution on Pakistan,” in New International, Volume 12, No. 10, Dezember 1946, S. 300-301, http://www.marxists.org/history/etol/newspape/ni/vol12/no10/blpi.htm.