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Socialist Equality Party (Sri Lanka)
Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party (Sri Lanka)

Der große Verrat in Sri Lanka

16.1. Der Eintritt der LSSP in die Regierung von Frau Sirimavo Bandaranaike im Juni 1964 war ein Wendepunkt in der Geschichte der Vierten Internationale – zum ersten Mal trat eine angeblich trotzkistische Partei direkt in den Dienst der Bourgeoisie. Die politische Verantwortung für diesen Verrat lag klar beim Vereinigten Sekretariat und er bestätigte alle Warnungen der SLL. Diese hatte nur ein Jahr zuvor vor der prinzipienlosen Wiedervereinigung der SWP mit den Pablisten gewarnt. Der Vorsitzende der britischen SLL, Gerry Healy, erklärte, der Verrat der LSSP sei „das vollständigste Beispiel“ für den Verrat von Pablo, Mandel und Pierre Frank. „Diese Personen müssen die Verantwortung dafür übernehmen, da sie in den vergangenen achtzehn Jahren andauernd mit der ceylonesischen LSSP in Kontakt standen. Die Antwort [auf die Frage nach dem Grund der Degeneration der LSSP] wird nicht in Ceylon zu finden sein, sondern durch eine internationale Studie des Kampfes gegen den pablistischen Revisionismus. Die wahren Architekten der Koalition kommen aus Paris.“[36]

16.2. Der Weg der LSSP zum Eintritt in die Regierung Bandaranaike – über die Vereinigte Linksfront (ULF) aus LSSP, der stalinistischen KP und Philip Gunawardenas MEP – wurde vom Vereinigten Sekretariat angeregt und abgesegnet. Das Internationale Sekretariat hatte 1960 zu einem Wahlbündnis der „Arbeiterparteien“ aufgerufen, und der Vereinigungskongress von 1963 hatte erklärt, die LSSP habe „zurecht die Frage nach einer vereinigten Linksfront gestellt, sowohl um die Rechtswende aufzuhalten, als auch, um den Massen zu helfen, zu einer alternativen Linken zu finden.“[37] Die ULF war jedoch genau die Art von Volksfront, gegen die sich Trotzki in den dreißiger Jahren ausgesprochen hatte. Außerdem hatten sich die beteiligten Parteien in der Vergangenheit schon der Klassenkollaboration schuldig gemacht – die rassistische MEP hatte sich 1956 an der Regierung der SLFP beteiligt, die Stalinisten hatten während des Krieges zum Ceylon National Congress gehört und wären in die erste UNP-Regierung eingetreten, wenn diese es gewollt hätte.

16.3. Das Bündnis mit der ULF wurde am 12. August 1963 – dem zehnten Jahrestag des Generalstreiks von 1953 – unterzeichnet und war begleitet von zahlreichen Bekundungen der Einigkeit der Arbeiterklasse. Dieses opportunistische Bündnis hatte nichts mit Trotzkis Einheitsfronttaktik zu tun, bei der er die politische Unabhängigkeit der revolutionären Partei betont und sich gegen die Vermischung politischer Programme, Fahnen und Parolen gestellt hatte. Die gemeinsame Plattform der ULF war kein „wirklich sozialistisches Programm“, wie es die Pablisten behaupteten, sondern eine Liste beschränkter Reformen, die im Rahmen des Kapitalismus durch das Parlament erreicht werden sollten. Darüber hinaus machte das Programm, das vom Vereinigten Sekretariat gutgeheißen wurde, große Zugeständnisse an die kommunalistische Politik der MEP. Nachdem die LSSP bereits 1960 ihre Forderung nach zwei gleichberechtigten Amtssprachen, Singhalesisch und Tamilisch, fallengelassen hatte, stimmte sie jetzt einer gemeinsamen Plattform zu, die die bestehende gesetzliche Bevorzugung von Singhalesen weniger diskriminierend machen wollte. Im Zentralkomitee der LSSP verurteilte eine Minderheit unter Führung von Edmund Samarakkody das Programm der ULF zu Recht als Volksfrontpolitik, forderte aber nicht den Bruch der LSSP mit der ULF. Samarakkodys Position war eine typische zentristische Ausflucht – er erkannte den opportunistischen Charakter der Vorschläge, zog aber nicht den nötigen politischen Schluss, mit Pereras Führung zu brechen. Die einzige trotzkistische Kritik kam von der britischen SLL. Sie bezeichnete die ULF als opportunistisch und forderte die „hunderten überzeugten Kommunisten in der LSSP“ auf, sich wieder an „die Prinzipien und das Programm der Vierten Internationale zu halten und die Partei von Revisionismus und revisionistischen Führern zu säubern.“ [38]

16.4. Von ihrem Anfang im Jahr 1960 an, steckte die SLFP-Regierung in Krisen. Als die Vorzugsbehandlung der Singhalesen zu zahlreichen Protesten der Tamilen führte, ließ Bandaranaike die Federal Party verbieten und verhängte für einen Großteil des Jahres 1961 den Notstand. Als eine Streikwelle gegen die Sparpolitik der Regierung begann, verbot sie Arbeitskämpfe und setzte in den Häfen das Militär ein. Im Januar 1962 versuchten hochrangige Polizei- und Militäroffiziere, die Regierung zu stürzen, da die herrschende Klasse an Bandaranaikes Fähigkeit zweifelte, die Arbeiterklasse unter Kontrolle halten zu können. Die Streikbewegung erhielt weiteren Auftrieb durch die Gründung des Joint Committee of Trade Unions Organisation (JCTUO) im September 1963. In dieser Organisation vereinigten sich unter 21 allgemeinen Forderungen alle Gewerkschaften, darunter auch die der Plantagenarbeiter. Bei einem 69-tägigen Streik der Ceylon Mercantile Union (CMU), die mit der LSSP verbündet war, wurde ein Ultimatum der Regierung ignoriert, wieder an die Arbeit zu gehen, und im Januar 1964 bedeutende Zugeständnisse errungen. Bandaranaike war sich ihrer Mehrheit im Parlament nicht mehr sicher und schickte im Februar das Parlament nach Hause.

16.5. Da ihr Kabinett wegen der Frage, wie mit der Massenbewegung der Arbeiterklasse umzugehen sei, in der Krise steckte, begann Bandaranaike Gespräche mit den Parteien der ULF. Als die LSSP-Führer am 21. März auf dem Galle Face Green auf einer riesigen Kundgebung der Bewegung der 21 Forderungen sprachen, die auch von großen Abordnungen der Plantagenarbeiter besucht war, verhandelte N.M. Perera hinter verschlossenen Türen über die Gründung einer Koalitionsregierung. Als diese Gespräche in der Öffentlichkeit bekannt wurden, rechtfertigte Bandaranaike als klassenbewusste Vertreterin der Bourgeoisie ihr Vorgehen, indem sie die verschiedenen Optionen erklärte: „Einige denken, dass diese Schwierigkeiten [durch die Streiks] nur durch die Errichtung einer Diktatur gelöst werden können. Andere sagen, die Arbeiter sollten mit vorgehaltener Waffe zum Arbeiten gezwungen werden. Wieder andere sagen, eine nationale Regierung sollte gebildet werden, um sich darum zu kümmern. Ich habe diese Ideen einzeln für sich und im Kontext der Ereignisse auf der Welt überdacht. Mein Entschluss ist, dass uns keine dieser Lösungen weiterbringt… Daher, meine Damen und Herren, habe ich beschlossen, Gespräche mit den Führern der Arbeiterklasse zu beginnen, vor allem mit Philip Gunawardena und N.M. Perera.“[39]

16.6. Der rechte Flügel der LSSP unter Leitung von Perera, und mit Unterstützung der „zentristischen“ Fraktion von Colvin R. de Silva und Leslie Goonewardene, beraumte schnell eine Parteikonferenz für den 6. und 7. Juni an, um eine Koalition mit der SLFP abzusegnen. Gerry Healy, der im Auftrag des IKVI nach Colombo geflogen war, durfte an der Konferenz nicht teilnehmen, beteiligte sich allerdings eifrig von außen. Innerhalb der Konferenz brachte Perera eine Resolution ein, in der er den Verrat damit rechtfertigte, dass die SLFP keine kapitalistische Partei sei, sondern „eine Partei, deren Basis das radikale Kleinbürgertum und die untere Mittelschicht“ sei. Sie habe „einige ihrer reaktionäreren Elemente abgelegt“ und „diverse Maßnahmen zur Verstaatlichung durchgeführt.“ Diese Erklärungen waren zwar ein vollständiger Bruch mit allem, was Trotzki über politische Gruppierungen wie die chinesische Kuomintang geschrieben hatte, aber entsprachen völlig der pablistischen Verherrlichung, kleinbürgerlicher Führungen in Kuba und Algerien. Die Resolution stellte außerdem klar, dass die LSSP-Führung vollständig vor dem Kommunalismus der SLFP kapituliert hatte – die Liste der zehn Forderungen, auf die sie sich mit Bandaranaike einigte, erwähnte weder die Frage der Amtssprache noch die der Staatsbürgerschaft. Die Resolution der „Zentristen“ enthüllte den politischen und moralischen Zusammenbruch der ehemaligen Revolutionäre der BLPI de Silva und Goonewardene. Ihre einzige Meinungsverschiedenheit mit Perera bezog sich auf die Kapitulationsbedingungen vor der SLFP – denn sie forderten, dass die Koalitionsregierung auch die anderen ULF-Parteien einschließen solle, statt nur die LSSP.

16.7. Die Resolution der neugegründeten Revolutionary Minority verurteilte einhellig den Vorschlag einer Koalitionsregierung als „Verrat an der proletarischen Revolution“ und erklärte: „Die Beteiligung der LSSP-Führung an der SLFP-Regierung wird zu offener Klassenkollaboration, Desorientierung der Massen und der Spaltung der Arbeiterklasse führen. Der Verzicht auf die Kampfperspektive wird die Bewegung der Arbeiterklasse zerstören und die unabhängige revolutionären Achse im linken Spektrum eliminieren. Das Ergebnis wird sein, dass die Kräfte der kapitalistischen Reaktion keineswegs geschwächt werden oder gar scheitern, sondern letzten Endes gestärkt werden.“ Nach der Abstimmung – 501 für Pereras Resolution, 75 für die der „Zentristen“ und 159 für die der Opposition – verließ die Revolutionary Minority die Konferenz, trat zu einer eigenen zusammen und gründete die spätere Lanka Sama Samaja Party (Revolutionary), kurz LSSP (R).

16.8. Das Vereinigte Sekretariat spielte die ganze Zeit über eine völlig opportunistische Rolle. Wochen vor der Konferenz im April, hatte es erklärt, die ULF könne in Sri Lanka „für ein neues Kuba oder Algerien sorgen und eine noch größere Inspiration für die revolutionär gesinnten Arbeiter der Welt werden.“[40] Als die Nachricht von Pereras Verhandlungen mit Bandaranaike Paris erreichten, beeilte sich das Vereinigte Sekretariat, seine eigene politische Verantwortung zu vertuschen, indem es zu einer Rückkehr zur ULF aufrief. Aber Healy bezeichnete die ULF treffend als „Zuckerguss auf der bitteren Pille der Koalition.“ Sie war das Sprungbrett Pereras in die Regierung von Bandaranaike. Es gab keinen grundlegenden Unterschied zwischen dem Programm der ULF und dem Abkommen der LSSP mit Bandaranaike. Das Vereinigte Sekretariat schloss N.M. Perera und zwei weitere Minister der SLFP-Regierung aus, ebenso die LSSP-Mitglieder, die für die Teilnahme gestimmt hatten, unternahm jedoch monatelang nichts gegen die „Zentristen,“ die in der LSSP blieben.

16.9. Das Vereinigte Sekretariat unterdrückte Kritik aus den eigenen Reihen am Verrat der LSSP. Innerhalb der amerikanischen SWP wurden Anhänger des IKVI unter Führung von Tim Wohlforth, die eine offizielle Minderheit darstellten, ausgeschlossen, weil sie auf einer parteiinternen Diskussion über die Beteiligung der LSSP an der Regierung von Bandaranaike bestanden hatten – ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der Vierten Internationale. Die Minderheit, die zusammen mit der SLL seit 1961 gegen die Wiedervereinigung der SWP mit den Pablisten gekämpft hatte, gründete das Amerikanische Komitee für die Vierten Internationale, das im November 1966 zur Workers League umgewandelt wurde.

16.10. Im Juli 1964 zog das IKVI in einer Stellungnahme folgenden weitsichtigen Schluss: „Die Beteiligung der der LSSP an der Koalition von Bandaranaike bedeutet das Ende einer ganzen Epoche in der Evolution der Vierten Internationale. Der Revisionismus in der trotzkistischen Weltbewegung drückt sich im direkten Dienst am Imperialismus und der Vorbereitung einer Niederlage für die Arbeiterklasse aus.“[41]


[36]

Gerry Healy, “Ceylon, the Great Betrayal” in Trotskyism Versus Revisionism, Volume Four (London: New Park, 1974), S. 225.

[37]

Gerry Healy, “Ceylon, the Great Betrayal” in Trotskyism Versus Revisionism, Volume Four, S. 233–4.

[38]

“The Newsletter,” zitiert in Y. Ranjith Amarasinghe, Revolutionary Idealism and Parliamentary Politics (Colombo: Social Scientists’ Association, 1998), S. 261.

[39]

Gerry Healy, “Ceylon, the Great Betrayal” Trotskyism Versus Revisionism, Volume Four, p. 241.

[40]

Ibid., S. 235.

[41]

Trotskyism Versus Revisionism, Volume Four, S. 255.