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Socialist Equality Party (Sri Lanka)
Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party (Sri Lanka)

Die politische Degeneration der britischen SLL

19.1. Die Unstimmigkeiten zwischen Balasuriya und Healy über die Bedeutung der Geschichte der RCL war symptomatisch für einen allgemeinen internationalen Prozess. Die neuen Sektionen des IKVI – die Workers League in den USA, der im September 1971 gegründete Bund Sozialistischer Arbeiter in Deutschland und die im November 1972 gegründete australische Socialist Labour League– wurden auf der Grundlage der Lehren aus den Spaltungen von 1953 und 1961-63 aufgebaut. Gleichzeitig verabschiedete sich die SLL jedoch von den Prinzipien, für die sie in den 1950er Jahren und Anfang der 1960er Jahre gekämpft hatte.

19.2. Nach dem dritten Kongress des IKVI 1966 begann die französische Sektion des IKVI, die Organisation Communiste Internationaliste (OCI), die die SLL damals unterstützt hatte, erneut die Frage der Notwendigkeit eines „Wiederaufbaus“ der Vierten Internationale aufzubringen. Hinter dieser Phrase versteckte sich eine Anpassung der OCI an zentristische Organisationen, die dem Kampf des IKVI gegen den Pablismus die grundlegende Bedeutung absprachen. Die SLL stellte sich gegen die OCI, geriet jedoch unter ähnlichen Klassendruck. In dem Dokument „Probleme der Vierten Internationale“ von 1966 erklärte Gerry Healy, die Hauptaufgabe der SLL sei es, in Großbritannien eine starke politische Partei aufzubauen, die Revolutionäre in anderen Ländern der Welt dazu „inspirieren“ würde, es ihnen nachzumachen. Diese nationalistische Konzeption war ein deutlicher Rückschritt von dem Internationalismus, der die Grundlage der Vierten Internationale war, nämlich der Auffassung, dass nationale Sektionen nur als Teil des internationalen Kampfes der Weltpartei gegen alle Formen des nationalen Opportunismus aufgebaut werden können.

19.3. Dass die SLL sich vom Kampf gegen den Pablismus verabschiedete, führte zu einer Schwächung der Verteidigung von Trotzkis Theorie der permanenten Revolution. David North schrieb später: „In den späten sechziger Jahren wies [Mike] Banda in seinen Schriften über Vietnam, China und die revolutionären Bewegungen in den zurückgebliebenen Ländern zwei wesentliche Grundsätze der Theorie der permanenten Revolution zurück: 1) dass die demokratische Revolution in den zurückgebliebenen Ländern nur durch die Diktatur des Proletariats vollendet werden kann, und 2) dass die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft ohne den weltweiten Sturz des Kapitalismus durch das internationale Proletariat nicht denkbar ist. Bandas Schriften wurden zu Rechtfertigungen für die nationale Bourgeoisie und vertraten die stalinistische Zweistufentheorie der Revolution.“[46]

19.4. Im Newsletter vom Januar 1967 äußerte sich Banda unkritisch lobend über Maos „große proletarische Kulturrevolution“ und erklärte: „Die Mao-Führung kämpft mit Unterstützung der Roten Garten unter dem Banner der ‚Gleichheit aller‘ gegen diese Gruppe. Sie kämpfen gegen Privilegien; gegen autokratische Vollmachten; für die Demokratie in China; für das Recht auf Kritik und entsprechendes Handeln; für das Recht, den Richtern, der Polizei und den Ministern zu sagen, was die Menschen wirklich über diese Politik denken; und sie hinauszuwerfen, wenn sie sich nicht bessern.“[47] Der Grund, warum Mao 1966 die Kulturrevolution begann, hatte nichts mit dem Kampf für Gleichheit, mit Kultur oder mit dem Proletariat zu tun. Er hatte die Roten Garden im Rahmen seines Fraktionskampfes innerhalb der Führung der KPCh mobilisiert. Als sich Arbeiter daran beteiligten – vor allem nach einem Aufstand in Schanghai, setzte Mao, der stets alle unabhängigen Bewegungen des Proletariats fürchtete, schnell das Militär ein, um die Protestbewegung unter Kontrolle zu bringen.

19.5. In einem Leitartikel in der Zeitschrift Fourth International vom Februar 1968, mit dem Titel: „Die vietnamesische Revolution und die Vierte Internationale“ lobte Banda den „langen Krieg des Volkes“, den Ho Chi Minh in Vietnam führte und nannte Mao „den derzeit führenden Vertreter des Guerillakampfes.“ Die Virodhaya-Gruppe in Sri Lanka schrieb der SLL und wies darauf hin, dass diese Lobrede auf den Maoismus die Arbeiter und Jugendlichen in ganz Asien nur auf falsche Fährten führen würde. In der nächsten Ausgabe der Fourth International war eine kleine Notiz hinzugefügt, laut der der Leitartikel die „persönliche Meinung“ von Mike Banda wiedergebe, allerdings gab es keine Kritik an den geäußerten Ansichten. Die leben-und-leben-lassen-Haltung der SLL gegenüber Bandas pro-maoistischen Positionen war ein großer Rückschritt von der prinzipientreuen Verteidigung der Theorie der permanenten Revolution in den Jahren 1961 bis -63 gegen die SWP und eine Anpassung an die Verherrlichung des „bewaffneten Kampfes“ von Castro, Mao und Ho Chi Minh durch die Pablisten.

19.6. Das Abrücken der SLL von der Theorie der permanenten Revolution sollte schwere Folgen für die politische Arbeit der RCL als Sektion des IKVI in einem rückständigen kapitalistischen Land haben. 1971 brachen zwischen der SLL und der RCL Spannungen über den indisch-pakistanischen Krieg aus. Die SLL veröffentlichte eine Stellungnahme im Namen des IKVI, in dem sie der indischen Armee „kritische Unterstützung“ bei ihrer Intervention in Ostpakistan (das heutige Bangladesch) zusagte, mit der sie die Befreiungsbewegung unterstützen wollte. Die Stellungnahme der RCL erklärte jedoch, die Aufgabe des Proletariats, sei „nicht die Unterstützung der einen oder anderen Seite der kriegführenden Bourgeoisien …, sondern das Ausnutzen jedes Konflikts im Lager des Klassenfeindes mit dem Ziel unter der Perspektive einer föderativen sozialistischen Republik die Macht zu erobern. Nur dadurch ist es möglich, die sozialen und nationalen Ziele der Abermillionen Werktätigen des Subkontinents zu befriedigen.“[48]

19.7. Die RCL, die immer noch unter staatlicher Unterdrückung agieren musste, erfuhr von der Stellungnahme des IKVI erst eine Woche, nachdem sie bereits ihre eigene Stellungnahme entworfen hatte, in der sie die indische Militärintervention ablehnte. Balasuriya schrieb sofort an IKVI-Sekretär Cliff Slaughter und erklärte: „Es ist nicht möglich, den nationalen Befreiungskampf des bengalischen Volkes und die freiwillige Vereinigung Indiens auf sozialistischer Grundlage zu unterstützen, ohne den indisch-pakistanischen Krieg abzulehnen. Wenn man den Krieg nicht aus Indien und Pakistan heraus ablehnt, ist es völlig absurd, von einem vereinigten sozialistischen Indien zu reden, das allein das Recht auf Selbstbestimmung der zahlreichen Völker auf dem indischen Subkontinent gewährleisten kann.“ Balasuriya wies darauf hin, dass der Grund für die indische Militärintervention die Unterdrückung eines revolutionären Kampfes zur Vereinigung von Ost- und Westbengalen und die Aufrechterhaltung des reaktionären Staatssystems war, das von 1947 bis 48 etabliert worden war.

19.8. Nachdem Balasuriya den klaren Widerstand der RCL gegen die Position des IKVI erklärt hatte, akzeptierte er dessen politische Autorität und suchte die Diskussion über die betreffenden Themen. Nachdem er bestätigt hatte, dass die RCL ihre Stellungnahme zurückgezogen habe, schrieb er: „Wir brauchen nicht zu betonen, dass es schwierig ist, die IK-Erklärung zu verteidigen. Trotzdem ist Klarheit in der Internationale wichtiger als alles andere, weil es für uns unmöglich ist, eine nationale Sektion aufzubauen ohne für den Aufbau der Internationale zu kämpfen.“[49] Statt sich einer internationalen Diskussion zu stellen, verzichtete die SLL darauf, den Brief der RCL den anderen Sektionen des IKVI zur Verfügung zu stellen, und machten sich daran, die RCL zu isolieren.

19.9. Dass sich die SLL weigerte, die politischen Fragen zu diskutieren, die der indisch-pakistanische Krieg aufwarf, war Teil eines allgemeinen Abrückens vom Programm des Trotzkismus. Im November 1971 hatte die SLL angekündigt, sich von der OCI, der einzigen anderen langjährigen Sektion des IKVI, zu trennen. Die Charakterisierung der OCI und ihrer politischen Linie als zentristische Partei durch die SLL war zwar korrekt, aber die SLL versuchte nicht, die zugrunde liegenden politischen Fragen zu klären und behauptete stattdessen, bei der Spaltung sei es um „marxistische Theorie“ gegangen. David North schrieb dazu später: „Die verfrühte Spaltung mit der OCI im Herbst 1971 nahm Slaughter zum Anlass für das Argument, ‚die Erfahrung im Aufbau der revolutionären Partei in Großbritannien‘ habe gezeigt, dass ‚ein tiefgehender und schwieriger Kampf gegen idealistische Denkweisen notwendig war, der weit tiefer ging als Fragen der Übereinstimmung in Programm und Politik‘... Trotzki hatte stets darauf bestanden, dass das Programm, in dem die marxistische Theorie ihren Ausdruck findet, die Partei aufbaut. Aber Slaughter wendete die Theorie gegen das Programm und stellte damit sowohl den Wert wie auch die Lebensfähigkeit von Parteien in Frage, die durch den Kampf für das trotzkistische Programm aufgebaut wurden.“[50]

19.10. Das politische Abdriften der SLL sollte sich im November 1973 in der Umwandlung in die Workers Revolutionary Party zeigen. Die WRP wurde ohne Diskussion mit dem IKVI oder irgendeine programmatische Klärung lediglich auf der Grundlage einer nationalen Taktik gegründet, die sich daran orientierte eine Massenbewegung gegen die britischen Tories aufzubauen. Während sich die WRP später an die Labour- und Gewerkschaftsbürokratie anpasste, verwarf sie die Theorie der permanenten Revolution und verriet die grundlegenden Prinzipien des Trotzkismus.


[46]

David North: Das Erbe das wir verteidigen, S. 414.

[47]

ebd., S. 415.

[48]

Vierte Internationale Jg.14, Nr. 1, Frühjahr 1987, S. 47

[49]

Vierte Internationale Jg.14, Nr. 1, Frühjahr 1987, S .52f.

[50]

David North: Gerry Healy und sein Platz in der Geschichte der Vierten Internationale, Essen 1992, S.82f