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Socialist Equality Party
Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party

Die frühen Kämpfe der internationalen Linken Opposition

51. Die Linke Opposition fand außerhalb der russischen Kommunistischen Partei Resonanz. Ein Durchbruch erfolgte, als Trotzkis Kritik des Programmentwurfs für die Kommunistische Internationale, die dieser für den Sechsten Kongress im Jahre 1928 vorbereitet hatte, durch einen glücklichen Zufall in die Hände von James P. Cannon fiel, einem langjährigen Revolutionär und Gründungsmitglied der amerikanischen Kommunistischen Partei. Nachdem sie das Dokument studiert hatten, beschlossen Cannon und der kanadische Revolutionär Maurice Spector, sich für Trotzkis Positionen einzusetzen. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten nahm Cannon mit Unterstützung von Max Shachtman und Martin Abern den Kampf für die Positionen der Linken Opposition in der Kommunistischen Partei auf. Eine Stellungnahme von Cannon, Shachtman und Abern wurde auf einem Treffen des Politischen Komitees der Kommunistischen Partei am 27. Oktober 1928 vorgelegt. Darin heißt es:

„Die Versuche, das Fundament der marxistisch-leninistischen Lehre durch die hohle Theorie des Sozialismus in einem Land zu revidieren, sind von der Opposition unter Führung Trotzkis zu Recht bekämpft worden. Diese falsche Theorie war der Ausgangspunkt einer Reihe revisionistischer und opportunistischer Fehler auf verschiedenen Gebieten der Tätigkeit der Komintern und in ihrer ideologischen Arbeit im allgemeinen. Die falsche Linie in der Frage der chinesischen Revolution, das Debakel des Anglo-Russischen Komitees, das beunruhigende und beispiellose Wuchern des Bürokratismus in der Komintern, eine falsche Haltung und Politik in der Sowjetunion, etc, etc., all dies kann wenigstens teilweise darauf zurückgeführt werden. Diese neue ,Theorie‘ hängt damit zusammen, dass die Robustheit und Dauer der zeitweiligen Stabilisierung des Kapitalismus überschätzt wird. Das ist die wirkliche Quelle des Pessimismus in der Beurteilung der Entwicklung der proletarischen Weltrevolution. Zu den Hauptpflichten jedes Kommunisten in jeder Partei der Komintern gehört, gemeinsam mit der Opposition für die Lehren von Marx, Engels und Lenin in dieser grundlegenden Frage einzutreten.“[33]

52. Noch auf der gleichen Sitzung des Politischen Komitees wurde Cannon aus der Partei ausgeschlossen. Er gründete daraufhin die Communist League of America. Damit nahm die trotzkistische Bewegung in den Vereinigten Staaten, die in der internationalen trotzkistischen Bewegung solch eine wichtige Rolle spielen sollte, ihre Arbeit auf einer prinzipiellen Grundlage auf. Ihr Ausgangspunkt war nicht ein Streit über organisatorische Fragen oder die nationale Taktik, sondern vielmehr über die entscheidende Frage der internationalen revolutionären Strategie. Das Dokument, das Cannon inspirierte, Trotzkis Kritik des Programmentwurfs für die Kommunistische Internationale, richtete sich umfassend gegen die nationalistische Orientierung der Stalinschen Führung und ihre Unfähigkeit, die strategischen Erfahrungen der internationalen Arbeiterklasse seit der Oktoberrevolution von 1917 auszuwerten. In seiner Einschätzung zur weltweiten politischen und wirtschaftlichen Lage kritisierte Trotzki, dass in dem Perspektivdokument eine Analyse der Bedeutung des amerikanischen Imperialismus fehle. Trotzki hob die stürmischen Folgen hervor, die es haben musste, wenn der amerikanische Imperialismus seine Vorherrschaft durchsetzen und aufrechterhalten würde. Er erwartete zwar eine schwere Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten, meinte aber, dass dies die dominante Stellung Amerikas in der Weltpolitik nicht mindern werde.

„Genau das Gegenteil trifft zu. Während der Krise wird sich die Hegemonie der Vereinigten Staaten noch viel vollständiger, offener, schärfer und rücksichtsloser auswirken als während der Aufstiegsperiode. Die Vereinigten Staaten werden versuchen, ihre Schwierigkeiten und Krankheiten vorwiegend auf Kosten Europas zu bekämpfen und zu überwinden, ganz gleich, ob in Asien, Kanada, Südamerika, Australien oder Europa selbst, oder ob auf friedlichem oder kriegerischem Wege.“[34]

53. Mit dem Börsenkrach an der Wall Street im Oktober 1929 begann eine weltweite Depression, die den Kapitalismus in die größte Krise seiner Geschichte stürzte. Grade mal ein gutes Jahrzehnt nach Ende des Ersten Weltkriegs stellten die Große Depression der 1930er Jahre und die daraus entspringenden blutigen sozialen und politischen Unruhen eine weitere, gründliche Widerlegung der selbstzufriedenen Haltung aller Revisionisten und Reformisten dar. Der Kapitalismus war durch seine eigenen Widersprüche in Europa, Asien und Nordamerika an den Rand des Zusammenbruchs geraten. Dass er diese Unruhen überlebte, wenn auch auf Kosten einer unvorstellbaren Zahl an Menschenleben, war in erster Linie den bewussten politischen Verrätereien der Arbeitermassenorganisationen zu verdanken, die wiederum vor allem von den Stalinisten und Sozialdemokraten geführt wurden. Die Vierte Internationale entstand auf der Grundlage des Kampfes, den Trotzki gegen diese Verrätereien führte. Die Geschichte dieser Auseinandersetzungen und die Lehren daraus stellen bis heute die wesentliche historische, theoretische und politische Grundlage für die Ausbildung von Marxisten dar.

54. Nach seiner Ankunft in der Türkei 1929 setzte Trotzki sich weiterhin für eine richtige Politik in der Sowjetunion ein und forderte ein geplantes und rationelles Industrialisierungsprogramm. Das Ziel der Internationalen Linken Opposition bestand nach wie vor in der politischen Reform des Regimes in der Sowjetunion und der Rückkehr der Kommunistischen Internationale zu einer korrekten revolutionären Linie auf Grundlage marxistischer Prinzipien. Angesichts einer Massenhungersnot, die durch das Zurückhalten von Getreide von Seiten der Bauern ausgelöst worden war, wandte sich die stalinistische Bürokratie in den späten 1920er Jahren von der zuvor besonders bevorzugten Bauernschaft ab und ließ ihre Marktpolitik fallen. Stattdessen begann sie ein brutales und undurchdachtes Programm der Industrialisierung, der Kollektivierung der Landwirtschaft und die „Vernichtung der Kulaken als Klasse“. Ihr Programm der raschen Industrialisierung, gegründet auf Wirtschaftsnationalismus und nationale Autarkie, ließ sich nicht ernsthaft mit dem Vorschlag Trotzkis vergleichen, der eine planmäßige staatliche Industrieentwicklung unter Ausnützung der Ressourcen der Weltwirtschaft und im Rahmen internationaler Arbeitsteilung vorsah. Ultralinke Schwankungen in der Innenpolitik wurden von einer scharfen Wende in der Komintern begleitet, die sich, gestützt auf die Theorie der „Dritten Periode“, dem sektiererischen politischen Abenteurertum zuwandte. Die politische Perspektive, die diese „Theorie“ – oder vielmehr Anti-Theorie – vertrat, ging von einer ständigen „Radikalisierung der Massen“ aus, frei von allen Widersprüchen und offenbar ohne Beziehung zu objektiven wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Alle Probleme der politischen Strategie und Taktik wurden von den Stalinisten auf das einfache Herausbrüllen radikaler Parolen reduziert. Wie Trotzki warnend erklärte, kam diese stalinistische Hypothese der Karikatur einer marxistischen Analyse gleich. So schrieb er:

„Vom Standpunkt unserer Epoche als Ganzes geht die Entwicklung des Proletariats natürlich in revolutionärer Richtung. Es handelt sich aber nicht um eine gleichmäßige Entwicklung, wie auch der objektive Prozess der Vertiefung kapitalistischer Widersprüche nicht gleichmäßig verläuft. Die Reformisten überblicken nur die Aufschwünge, die ,formalen‘ Revolutionäre nur die Abwärtsbewegung. Aber ein Marxist sieht den Verlauf als Ganzes, alle seine konjunkturellen Aufs und Abs, ohne einen Moment lang die Hauptrichtung – die Kriegskatastrophen und den Ausbruch von Revolutionen – aus den Augen zu verlieren.“[35]


[33]

James P. Cannon, The Left Opposition in the United States 1928-31, New York, Monad Press 1981, S. 32 (Aus d. Engl.)

[34]

Leo Trotzki, Die Dritte Internationale nach Lenin, Arbeiterpresse Verlag, Essen 1993, S. 29

[35]

Writings of Leon Trotsky 1930, New York, Pathfinder Press 1975, S. 28 (Aus dem Englischen)