English
Socialist Equality Party (Sri Lanka)
Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party (Sri Lanka)

Die RCL, die WRP und die nationale Frage

22.1 Die Position der RCL zur nationalen Frage beruhte von Anfang an auf den Prinzipien des proletarischen Internationalismus, wie sie in Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution entwickelt wurden. Die Partei kämpfte stets gegen alle Formen von Nationalismus, Kommunalismus und Rassismus, um die Arbeiter auf Grundlage ihrer Klassenzugehörigkeit zu vereinigen. Sie stellte sich gegen die immer offeneren Formen offizieller kommunalistischer Diskriminierung gegen Tamilen und verteidigte deren demokratische Rechte. Schon 1970 forderte die RCL den Rückzug des Militärs aus dem Norden der Insel, und tat dies während des ganzen Krieges. Abgesehen von den bürgerlichen tamilischen Parteien war nur die RCL gegen die chauvinistische Verfassung von 1972. Als die RCL-Fraktion in der Gewerkschaft der Regierungspresse einen Antrag gegen die Verfassung einbrachte, der angenommen wurde, begannen LSSP-Funktionäre eine Hetzkampagne gegen Unterstützer der Partei.

22.2 Angesichts der wachsenden Radikalisierung der tamilischen Jugendlichen erklärte die RCL im Juni 1972: „Wir Marxisten erkennen das Recht der tamilischen Nation auf Selbstbestimmung an. Gleichzeitig betonen wir, dass dieses Recht nur durch die Mobilisierung der singhalesischen und tamilischen Arbeiter für die Errichtung einer Arbeiter- und Bauernregierung erreicht werden kann, die sozialistische Politik durchführt und diese Rechte anerkennt.“[51] Im Einklang mit Lenins Schriften über die nationale Frage trat die RCL nicht für einen eigenen tamilischen Staat ein, sondern verteidigte das Recht der Tamilen, einen zu fordern. Hiermit sollte die Doppelzüngigkeit der bürgerlichen tamilischen Politiker entlarvt und tamilische Arbeiter und Jugendliche für eine sozialistische Perspektive in Sri Lanka und auf dem indischen Subkontinent gewonnen werden.

22.3 Auf einem Treffen des IKVI im Jahr 1972 stellte sich die SLL jedoch vehement gegen die Position der RCL. Banda behauptete, die Unterstützung des Rechts der Tamilen auf Selbstbestimmung unterstütze die Pläne der Imperialisten, die Insel aufzuteilen. So wie er die Intervention des indischen Militärs in Ostpakistan unterstützt hatte, basierte auch Bandas Widerstand gegen die RCL auf der Akzeptanz der Rechtmäßigkeit der angeblich unabhängigen Nationalstaaten, die der Imperialismus von 1947-48 in Südasien eingerichtet hatte. Später erklärte Balasuriya: „Die Position der WRP führt unweigerlich zur völligen Kapitulation vor der nationalen Bourgeoisie und dadurch vor dem Imperialismus, weil ihre Theorie vollkommen auf der angeblichen Notwendigkeit beruhte, die Strukturen dieser bürgerlichen Staaten intakt zu halten. Und weil diese staatlichen Strukturen ohne Ausnahme auf der Vorherrschaft einer Nationalität beruhen – deren Bourgeoisie im Bündnis mit dem Imperialismus die anderen Nationalitäten mit brutaler Gewalt unterdrückt –, bedeutet die Verteidigung dieser Staatsstrukturen die Verteidigung des Imperialismus selbst.“[52]

22.4 Zu diesem Zeitpunkt war der Kampf der Tamilen noch im Anfangsstadium und die RCL fügte sich widerwillig der Erfahrung und der politischen Autorität der SLL-Führung. Die RCL verteidigte die demokratischen Rechte der Tamilen weiterhin entschlossen und kämpfte für die Einheit zwischen Tamilen und Singhalesen; allerdings wurde sie von der Tatsache gehemmt, dass sie einen Großteil der 1970er Jahre über ohne eine wichtige taktische Waffe kämpfte. Die Partei musste gegen den wachsenden Einfluss der Maoisten kämpfen, deren Aufrufe zum bewaffneten Kampf bei radikalisierten tamilischen Jugendlichen, die die gandhistische Taktik der TULF ablehnten, auf Anklang stießen. Genau wie die JVP nahmen auch die Maoisten den Verrat der LSSP-Minister in der Bandaranaike-Regierung zum Anlass, die Trotzkisten zu verurteilen. Bis 1977 hatten diese bewaffneten tamilischen Gruppen jedoch kaum politischen Einfluss und wurden von der vorhergehenden Massenbewegung der Arbeiterklasse, die von singhalesischen und tamilischen Arbeitern auf einer Klassengrundlage unterstützt wurde, an den Rand gedrängt.

22.5 Als der tamilische Befreiungskampf im Jahr 1979 die Aufmerksamkeit der Welt erregte, machte die WRP eine Wende um 180 Grad. Banda schickte der RCL einen Entschuldigungsbrief, in dem er zugab, dass die WRP die Bedeutung der nationalen Frage in Sri Lanka ignoriert habe. Aber weder in dem Brief noch später erklärte er, warum er erst spät das Recht der Tamilen auf Selbstbestimmung einforderte. Die neue Position der WRP zu Sri Lanka basierte genauso wenig auf der Theorie der Permanenten Revolution wie die alte. Sie war nur von der Ablehnung des nationalen Befreiungskampfes der Tamilen zu unkritischer Unterstützung gewechselt. Die Kehrtwende der WRP hing zusammen mit einer Verschiebung ihrer Klassenachse nach dem politisch ungeklärten Zerwürfnis mit Thornett 1974. Als die WRP im Jahr 1976 durch die internationale Gegenoffensive der Bourgeoisie vor neuen politischen Problemen stand, begann sie, bei anderen Klassenkräften Unterstützung zu suchen: bei den Bürokratien der Labour Party und der Gewerkschaften in Großbritannien und bei den bürgerlichen arabischen Regimes im Nahen Osten.

22.6 Parallel zu ihren prinzipienlosen Beziehungen zur arabischen Bourgeoisie knüpfte die WRP Bande zu den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE). Die LTTE war eine der größeren bewaffneten Tamilenorganisationen, darunter befanden sich außerdem die Tamil Eelam Liberation Organisation (TELO), die Eelam People’s Revolutionary Liberation Front (EPRLF), Eelam Revolutionary Organisation of Students (EROS) und später auch die People’s Liberation Organisation of Tamil Eelam (PLOTE). Alle diese Gruppen waren zu unterschiedlichen Graden entweder vom Stalinismus oder Maoismus beeinflusst und erklärten, wie die TULF, ihr Ziel sei ein sozialistischer Staat Tamil Eelam. Die WRP unterstützte den „Theoretiker“ der LTTE, Anton Balasingham, indem sie ihm einen verfeinerten „sozialistischen Deckmantel“ für sein bürgerliches Programm der „nationalen Befreiung“ lieferte.

22.7 1979 veröffentlichte die WRP Balasinghams Schrift „Über die nationale Frage der Tamilen“ in ihrer Zeitung Labour Review, und forderte von der RCL, sie ebenfalls zu veröffentlichen. Balasingham stellte Lenins Schriften über die nationale Frage völlig auf den Kopf. Während Lenin darauf bestanden hatte, dass für Marxisten die wichtigste Erwägung in der nationalen Frage die „Selbstbestimmung der Arbeiterklasse“ sein sollte, erklärte Balasingham, Lenin habe von den Marxisten gefordert, unkritisch die separatistischen Bestrebungen der tamilischen Bourgeoisie zu unterstützen. Er erklärte, die Aufgabe eines proletarischen Revolutionärs sei es, „den Kampf der Tamilen zu unterstützen, auch wenn ihn die Bourgeoisie anführt, und eine Strategie für den Kampf zur nationalen Befreiung und zur sozialistischen Revolution zu entwickeln.“ Balasinghams Bezugnahme auf die „sozialistische Revolution“ geschah nur zu dekorativen Zwecken. Dahinter verbarg sich kein Kampf für die von der Bourgeoisie unabhängige Vereinigung und Mobilisierung der Arbeiterklasse. Er erklärte: „Das tamilische Volk hat genug von der verkommenen Ideologie der Einigkeit der Arbeiterklasse und der Revolution auf ganz Sri Lanka. Eine nationale Minderheit, die von der Mehrheit unterdrückt wird, muss zuerst für ihre Befreiung kämpfen.“

22.8 Die RCL kämpfte weiterhin unermüdlich für die Einheit der singhalesischen und tamilischen Arbeiter auf Grundlage gemeinsamer Klasseninteressen. Sie führte große Kampagnen zur Verteidigung der demokratischen Rechte der Tamilen und um die Beteiligung der UNP an den Pogromen von 1983 bekannt zu machen. Aber durch die unkritische Unterstützung, die die LTTE von der WRP erhielt, konnte die RCL die Politik der LTTE und der anderen bewaffneten Tamilenorganisationen nicht untersuchen, sodass diese ihren Einfluss auf die tamilische Jugend verstärken konnten. Erst nach dem Zerwürfnis mit der WRP von 1985-87 konnten die RCL und das IKVI sich wieder der nationalen Frage widmen, besonders mit ihrer Beziehung zu den Erfahrungen der Arbeiterklasse in Sri Lanka.

22.9 Die Pogrome gegen die Tamilen von 1983 verursachten große Empörung in Indien, vor allem im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu. Die indische Premierministerin Indira Gandhi bot sich für Friedensverhandlungen an. Gleichzeitig autorisierte die indische Regierung das Militär, die diversen Tamilenorganisationen auszubilden. Sie wollte die Kontrolle über ihre Aktivitäten behalten und sie als Druckmittel in Verhandlungen mit der srilankischen Regierung verwenden. Alle Tamilenorganisationen schürten Illusionen in die indische Bourgeoisie, sie würde die Tamilen verteidigen, und forderten eine direkte Intervention Indiens, wie es in Bangladesch geschehen war. Die indischen stalinistischen Parteien – die KPI und die KPM – waren direkt an den Machenschaften der indischen Regierung beteiligt und gaben der tamilischen Jugend unter Aufsicht des indischen Geheimdienstes „politische Ausbildung.“ Die Ausnahme hierbei war die LTTE. Sie hielt Distanz zur indischen Regierung. Sie rückte dafür direkt ins Lager der regionalen tamilischen Bourgeoisie in Indien und Sri Lanka. Die LTTE pflegte enge Beziehungen zum Ministerpräsidenten (Chief Minister) von Tamil Nadu, M.G. Ramachandran und seiner bürgerlichen Partei All India Anna Dravida Munnetra Kazhagam (AIADMK), die ihre Beziehungen zur LTTE nutzten, um ihr eigenes politisches Image zu verbessern. Um ihre Beziehungen zur LTTE nicht zu stören, wandte sich die WRP gegen die Absicht der RCL, den Kampf für den Trotzkismus in Tami Nadu und Indien aufzunehmen.

22.10 Von 1983-85 versuchte die WRP im Rahmen ihrer Angriffe auf das Internationale Komitee, die srilankische Sektion vorsätzlich zu zerstören. Auf dem Höhepunkt des Pogroms gegen die Tamilen im Juli 1983 veröffentlichte die News Line einen Kommentar von Banda, in dem es hieß: „Es ist möglich und sogar wahrscheinlich, dass die Polizei und die Armee die willkürlichen und unkontrollierten Befugnisse, die sie durch die Notstandsgesetze erhalten haben, dazu benutzt haben, unsere Genossen zu töten und unsere Presse zu zerstören.“ Später verurteilte Keerthi Balasuriya die WRP für ihre kaltblütige Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der RCL und erklärte: „Dennoch habt ihr absolut nichts unternommen, um eine Kampagne zu unserer Verteidigung zu führen. Auf diese Weise habt ihr der UNP-Regierung im Voraus zu verstehen gegeben, dass ihr selbst dann keinen Finger rühren werdet, wenn unsere Partei physisch zerstört würde. In jener Periode hat sich die RCL selbst verteidigt und die Anerkennung vieler Teile der Arbeiterklasse und der Jugend nur deshalb gewonnen, weil wir niemals die theoretischen und politischen Grundlagen der trotzkistischen Weltbewegung aufgegeben haben. Es war genau diese Tatsache, die unsere Partei zur ständigen Zielscheibe der politischen Provokationen durch Healy, Banda und Slaughter machte.“[53]

22.11 Während die WRP die LTTE unkritisch unterstützte, hatte sie keine Probleme damit, politische Beziehungen zu einer Gruppe aufrechtzuerhalten, die sich von der RCL abgespalten hatte und diese vom Standpunkt singhalesischen Chauvinismus‘ angriff. Die WRP drängte die RCL zu einer Versöhnung mit diesen Abtrünnigen, die allerdings scheiterte, und unterwanderte die RCL weiterhin mit ihrem bösartigen Klatsch. Healy und Banda forderten aufgrund der „Berichte“ der Gruppe auf dem zehnten Kongress des IKVI den Ausschluss der RCL. Obwohl dieser Ausschluss nie vollzogen wurde, war die die Führung der WRP offenbar darauf aus, die RCL und das IKVI zu zerstören.


[51]

Vierte Internationale, Jg. 14, Nr. 1, Frühjahr 1987, S.62.

[52]

Ibid.

[53]

Vierte Internationale, Jg. 14, Nr. 2, Sommer 1987, S. 113.