Hollywood ehrt Elia Kazan

Die Entscheidung, Elia Kazan den Ehren-Oscar zu verleihen

"Ich hasse dich überhaupt nicht... "Du bist nicht meinesgleichen. Du hattest die Wahl, mein Lieber: zwischen der Vornehmheit und der Karriere. Nun, du hast dich entschieden. Sei glücklich, aber laß mir meine Ruhe!" - Klaus Mann, "Mephisto"

Die Entscheidung der Akademie für Filmkunst und Filmwissenschaft, bei ihrer diesjährigen Oscarverleihung am 21. März dem Regisseur Elia Kazan einen Ehrenpreis zu überreichen, hat eine klare politische Bedeutung. Kazan, der als Regisseur von 1945 bis 1976 19 Spielfilme drehte, war einer der namhaftesten Prominenten, die während der Kommunistenjagd der frühen fünfziger Jahre zu Informanten wurden. Bei seinem ersten Termin vor dem "Ausschuß für unamerikanische Umtriebe" (HUAC) am 14. Januar 1952 hatte er sich noch geweigert, "Namen zu nennen"; jedoch am 10. April erschien Kazan erneut vor dem Ausschuß und identifizierte außer einigen Parteifunktionären acht seiner Kollegen, die Mitte der dreißiger Jahre mit ihm zusammen in der Kommunistischen Partei Mitglied gewesen waren. Seine Aussage zerstörte die Karriere und das Leben mehrerer Personen und trug dazu bei, die schwarze Liste von Hollywood zu erstellen. Kazans Entscheidung, mit dem HUAC zusammenzuarbeiten, veranschaulicht den Teufelspakt, den ein bedeutender Teil der Filmgemeinde und der amerikanischen liberalen Intelligenz in dieser Periode einging.

Die einstimmige Entscheidung des Akademierats vom 7. Januar, Kazan den Ehren-Oscar zu verleihen, ist in fast allen amerikanischen Zeitungen positiv aufgenommen worden. David Freeman schreibt in der Los Angeles Times vom 19. Januar in einem Artikel mit der Überschrift "Kazans Lebenswerk könnte nun seine Fehltritte überwiegen": "Dieser Preis wäre ohne das Ende des Kalten Kriegs nicht denkbar. Der Kommunismus hat sich als internationale Kraft verausgabt. Der HUAC selbst scheint einer schwarz-weißen Vergangenheit anzugehören. Obwohl es auch heute noch viel Trennendes gibt, steht es mit der Wirtschaft gut, und Hollywoods Führungsrolle auf dem Unterhaltungsgebiet war nie stärker. Die Gelegenheit ist günstig, um Ordnung im Haus zu schaffen."

Der Titel von Bernard Weinraubs Artikel vom 24. Januar in der New York Times ist allein schon recht vielsagend: "Die Zeit erlöst den Buhmann von Hollywood". Weinraub argumentiert, daß dieser Oscar "nicht nur Kazans Karriere krönen wird, sondern, in mehrerer Hinsicht, auch das qualvolle Erbe der Schwarzen Liste von Hollywood auslöscht." In einem besonders niederträchtigen Artikel ("Zu Ehren von Elia Kazan") in der Washington Post schreibt Richard Cohen: "Warum hat es denn so lange gedauert, dieses 89jährige Genie auszuzeichnen? Die Antwort liegt auf der Hand: Er wurde boykottiert." Er fährt fort: "Ich würde sagen, daß Kazan schließlich nicht deshalb geehrt wurde, weil sein Antikommunismus keine Rolle mehr spielte, sondern gerade wegen der Rolle, die er heute noch spielt - triumphierend. Kein maßgeblicher Mensch glaubt heute noch, der Sowjetunion oder dem Kommunismus komme - trotz ihrer Mängel - eine fortschrittliche Bedeutung zu, und ebensowenig, Moskau und Washington seien gleichermaßen für den Kalten Krieg verantwortlich. Diese Debatte ist abgeschlossen... Sein Anliegen (der Antikommunismus) war gut, seine Methode (die eines Informanten) war schlecht, aber nun scheint nur noch die Sache selbst zu zählen." Hier werden einfach die Schweinereien von gestern verteidigt, um diejenigen von morgen zu rechtfertigen.

Die rechtsextreme Presse jubelt natürlich. In einem Artikel in William Kristols Weekly Standard("Die Rehabilitierung von Elia Kazan") schreibt Stephen Schwartz, am 21. März werde "eine alte und bittere Ungerechtigkeit bereinigt werden". Er fährt fort: "Kazans Rehabilitierung nach Jahrzehnten des Kesseltreibens und der Verleumdungen ist der Tatsache zu verdanken, daß der eiserne Vorhang, der lange Zeit Hollywoods kollektives Gedächtnis verdunkelt hat, einen bemerkenswerten Riß erhalten hat."

Schwartz ist ein Ideologe, kein Filmkritiker. Sein Fachwissen über Filmgeschichte kann man an seiner von keinerlei Kenntnis belasteten Erwähnung des boykottierten Regisseurs Abraham Polonsky ablesen, den er als "einen Hollywood-Schriftsteller" bezeichnet, "der auf keinen grünen Zweig gekommen wäre, hätte er nicht vor langer Zeit eine Vorladung des parlamentarischen Unterausschusses erhalten." Ehe Polonskys Karriere durch die Hexenjagd gründlich zerstört wurde, hatte er an der Produktion zweier wegweisender Werke der vierziger Jahre mitgearbeitet: Mit Leib und Seele(als Drehbuchautor und wahrscheinlich noch mehr) und Die Macht des Bösen(als Regisseur), zweier Filme, in denen John Garfield mitspielte. Der Kritiker Andrew Sarris, kein Stalinistenfreund, nannte Polonsky "eines der ganz großen Opfer der antikommunistischen Hysterie der fünfziger Jahre". (Ironischerweise stellte Sarris vor dreißig Jahren fest, daß sich neben der Taxiszene mit Garfield und Beatrice Pearson in Die Macht des Bösen"der Kraftakt von Brando und Steiger in Die Faust im Nacken von Kazan nicht mehr ganz so glänzend ausnimmt".)

Vielleicht um sich selbst zu entlasten, versuchen einige liberale Kommentatoren den Schein zu wahren, die Akademie ehre nur Kazans Filmarbeit, nicht seine Politik. Ellen Schrecker, Autorin von Many Are the Crimes: McCarthyism in America (Vielfältig sind die Verbrechen: McCartyismus in Amerika)erklärte dem Times -Journalisten Weinraub: "Obwohl ich sicherlich nicht billige, was Kazan während der McCarthy-Periode getan hat,... so kann man doch vielleicht von Bill Clinton lernen und eine Unterscheidung treffen: Man muß Kazan, den Informanten, und Kazan, den Künstler, auseinanderhalten." Victor Navasky, Autor von Naming Names (Namen nennen), kommentierte: "In erster Linie ist es eine Frage der Menschlichkeit... Es geht ihm gesundheitlich nicht gut, und er hat einen großen Beitrag zum Kino geleistet. Zweitens haben sich im Lauf der Jahre einige Leidenschaften abgekühlt, und man sieht die Dinge heute aus einem anderen Blickwinkel."

Diese Argumentationslinie verschließt die Augen davor, daß die Akademie Kazans Lebenswerk ehrt. Kein vernünftiger Mensch würde dem Regisseur Talent absprechen oder vorschlagen, seine Filme zu boykottieren oder zu ignorieren, aber es ist unmöglich, seine Rolle als Denunziant fein säuberlich von seiner Kunst zu trennen. Kazans Renegatentum hatte entscheidende Auswirkungen auf seine ganze Person.

Nicht genug, daß er reaktionären Kräften nachgegeben hatte, versuchte Kazan im Nachhinein, den Verrat seiner früheren Genossen an den Staat als eine Prinzipienfrage hinzustellen. Seine späte Opposition gegen den Stalinismus, über dessen Verbrechen er während der dreißiger Jahre vollkommenes Stillschweigen bewahrt hatte, trug rechte und opportunistische Züge. Sie entsprach den veränderten Bedürfnissen und der Politik des amerikanischen Kapitalismus. Man muß die egoistischen Argumente und Entschuldigungen entlarven und aussprechen, was ist: Als Kazan 1952 zum Informanten wurde, um seine Hollywood-Karriere zu retten, hat er sich wie ein Lump benommen.

Nachdem die staatlich verordnete patriotische Begeisterung der frühen und mittleren fünfziger Jahre etwas abgeflaut war und man den Amerikanern den Luxus erlaubte, über das Geschehene nachzudenken, breitete sich spontane und instinktive Abscheu gegen Kazan und andere Informanten aus. Sogar viele politische Opponenten derjenigen, die auf die schwarze Liste gesetzt worden waren, hatten Mühe, ein so nichtswürdiges Verhalten zu akzeptieren. Kazan wurde ganz zu Recht geächtet. Erst die Zeit und eine allgemeine Rechtswende haben im Lauf der letzten Jahrzehnte dazu geführt, daß sich in Hollywoods Oberschicht der Wind wieder drehte.

Was auch immer die Motive der einzelnen Akademie-Mitglieder sein mögen, ihre kollektive Entscheidung, Kazan zu ehren, erteilt all jenen Absolution, die mit dem HUAC und dem McCarthyismus kollaboriert hatten. Sie kommt einer Erklärung der führenden Filmindustrie gleich, daß sie nichts unternehmen werde, um einer eventuellen neuen Hexenjagd zu widerstehen oder gegen sie zu kämpfen. Das ist keine akademische Frage. Die reaktionären politischen Elemente, die eine solche Entwicklung anführen könnten, machen sich schon wieder bemerkbar, einmal an den zahllosen Versuchen, überall im Land Filme und Bücher auf den Index zu setzen, und außerdem an dem Sexskandal, der mit aller Gewalt in Washington am Laufen gehalten wird.

Eine kurze Übersicht über Kazans Karriere und die Hintergründe der schwarzen Liste von Hollywood mögen dazu beitragen, die Entscheidung der Akademie im richtigen künstlerischen und historischen Zusammenhang zu sehen.

Kazan als Regisseur

"Hendriks Phantasie war nicht dazu imstande, sich Gefühle vorzustellen, denen sein Herz kaum gewachsen gewesen wäre. Die Passionen, auf die er sich einließ, pflegten Konsequenzen zu haben, die seiner Karriere eher zuträglich waren: keinesfalls wurde ihnen gestattet, diese zu gefährden oder gar zu zerstören." - Klaus Mann, "Mephisto"

1909 kam Kazan als Elia Kazanjoglou in Konstantinopel (heute Istanbul) zur Welt. 1913 emigrierte seine Familie, anatolische Griechen, in die USA und ließ sich in New York City nieder, wo Kazans Vater Teppichhändler wurde. Der künftige Regisseur machte am Williams College seinen Abschluß und nahm an der Yale-Universität ein Theaterstudium auf. Er trat dem linksstehenden Group Theater als Schauspieler und zweiter Bühnenmeister bei. Die Gruppe, die fast die ganzen dreißiger Jahre über von Harold Clurman, Cheryl Crawford und Lee Strasberg geleitet wurde, war ein Brennpunkt des Künstlerlebens und brachte in der von Depression gezeichneten New York City ganz unvermeidlich radikale Ideen und Taten hervor. Wie ein Magnet zog sie Schauspieler und Regisseure an, wie auch zahlreiche Schriftsteller wie zum Beispiel Clifford Odets.

Kazan wurde im Sommer 1934 Mitglied der Kommunistischen Partei und trat im Frühjahr 1936 wieder aus, nach seiner Aussage aus Protest gegen die plumpen und undemokratischen Versuche der Parteiführung, das Group Theater zu kontrollieren. Kazan hatte in der Zeit vor seiner Aussage vor dem Ausschuß für unamerikanische Umtriebe 1952 viele Freunde innerhalb der stalinistischen Bewegung und in ihrem Umkreis.

Als Schauspieler trat er in zahlreichen bemerkenswerten Stücken auf, darunter Odets Warten auf Lefty und Golden Boy.Kazan führte 1935 zum ersten Mal Regie, und während der nächsten zehn Jahre etablierte er sich als einer der führenden Prominenten am Broadway, wo er die Uraufführungen von Thornton Wilders Wir sind noch einmal davongekommen(1942), Tennessee Williams' Endstation Sehnsucht(1947), Arthur Millers Tod eines Handlungsreisenden(1949) und Williams' Die Katze auf dem heißen Blechdach(1955) inszenierte. Die Hollywood-Studios machten ihm mehrere Angebote, und so begann Kazan seine Karriere als Regisseur 1945 mit Ein Baum wächst in Brooklyn. 1947 gründeten er und Strasberg das Actor's Studio; seine berühmteste Entdeckung, Marlon Brando, wurde in den frühen fünfziger Jahren zum populärsten Darsteller des amerikanischen Kinos.

Betrachtet man ungefähr ein Dutzend Spielfilme von Kazan, kommt man zu widersprüchlichen Erkenntnissen. Am auffälligsten sind wohl zwei zusammenhängende Eindrücke: In jedem einzelnen seiner Filme gibt es außergewöhnliche Szenen oder Darstellungen; aber zugleich findet sich kaum ein Film, der als ganzes, in sich geschlossenes Werk erscheint. Bei der Entdeckung und Führung von Schauspielern hatte Kazan offensichtlich eine glückliche Hand. Welcher Regisseur außer ihm kann sich rühmen, so viele Spitzenschauspieler Hollywoods, dieser dünnhäutigen Künstlernaturen, in Szene gesetzt zu haben: Garfield, Brando, James Dean, Montgomery Clift, Warren Beatty, Robert DeNiro und Jack Nicholson? Oder berühmte, wenn auch eher unbekannte Schauspielerinnen wie Barbara Bel Geddes, Dorothy McGuire, Kim Hunter, Eva Marie Saint, Julie Harris, Carroll Baker, Patricia Neal, Lee Remick und Natalie Wood?

Schwieriger wird es jedoch, wenn man versucht, die Grundthemen herauszuarbeiten, die Kazans Werk durchziehen. Sicherlich herrscht eine generelle Abneigung gegen Bigotterie und Spießbürgertum und gegen staatlichen Machtmißbrauch vor, ein Mißtrauen gegenüber Dogmatismus und Sturheit. Ein autoritärer oder tyrannischer Vater und ein verstörter Sohn kommen in verschiedenen seiner Filme vor ( Endlos ist die Prärie, Jenseits von Eden, Fieber im Blut). Aber es sind eher verschwommene Begriffe und Beziehungen, die ziemlich schemenhaft dargestellt werden. Man könnte sagen, Kazan ist weniger an einer konkreten Idee interessiert, als an der Verwirklichung eines ganz besonderen, stark romantischen oder sexuellen Moments. Anstatt jedoch die Quelle der Anziehungskraft dieses Moments zu ergründen und seine Qualität bewußt als Gegensatz zur Alltagsnorm herauszuarbeiten, bleibt Kazan an der Oberfläche. Die verwirrenden und aufrüherischen Implikationen gleiten ihm durch die Finger.

Jedenfalls erfordert eine brillante Filmsequenz mehr als das zufällige Zusammentreffen talentierter Schauspieler und Techniker. Ein Künstler muß gewissermaßen durch die zahllosen Ablagerungen des alltäglichen Denkens und Verhaltens der Menschen hindurchdringen. Wer eine solche Herausforderung annimmt, muß eine starke Motivation und viel Ausdauer haben und seine Kraft aus einer tiefen Unzufriedenheit mit den geistigen und gesellschaftlichen Verhältnissen schöpfen. Lyrik ist der Beginn der Auflehnung, wie die Surrealisten erkannten.

Kazans filmisches Schaffen sank offensichtlich nach einem interessanten Anfang immer tiefer ab, und es wurde wohl nicht besser dadurch, daß er sich verzweifelt bemühte, seine radikale Vergangenheit hinter sich zu lassen. Hatte nicht der Regisseur der Tatsache, daß er in einem kulturellen Milieu herangewachsen war, das zwar durch den Stalinismus verzerrt, aber dennoch sozialistisch geprägt war, eine ganze Menge zu verdanken? Indem er diese Kreise verleugnete, oder vielmehr indem er zum Feind dieser Kreise wurde, mußte er da nicht zwangsläufig all das verstoßen, was in ihm selbst mutig und originell war?

Auf jeden Fall hat Ein Baum wächst in Brooklyn einen gewissen Charme, trotz seiner Sentimentalität, und seine Darstellung des Arbeiterlebens in Brooklyn um die Jahrhundertwende ist treffend. Endlos ist die Prärie(1947) und Tabu der Gerechten(1947) sind ziemlich langweilige Studio-Auftragsarbeiten. Der erste ist nach Effie-Briest-Manier geschnitten: Eine Story über den Ehebruch einer Frau und die Trennung von ihren Kindern, erzwungen durch einen unversöhnlichen Ehemann. Der zweite Film enthält eine liberale Kritik am Antisemitismus im Nachkriegsamerika. Unter Geheimbefehl(1950) ist der halbherzige Versuch, eine Gangsterjagd in New Orleans darzustellen, während einer der Ganoven an Lungenentzündung erkrankt ist. Über das erste Halbdutzend von Kazans Filmen konstatierte Jean-Luc Godard, damals ein junger Kritiker, ihre "Unpersönlichkeit" und einen "Mangel an Stil, der eine gönnerhafte Mißachtung der Kunst von Seiten des Regisseurs erkennen läßt."

Kazan drehte drei seiner nächsten vier Filme mit Marlon Brando: Endstation Sehnsucht(1951), Viva Zapata! (1952) und Die Faust im Nacken(1954). Ich muß an dieser Stelle zugeben, daß ich selbst durch meine recht geringe Sympathie für die Williams-Arthur-Miller-Strasberg-Kazan-Schule der Dramaturgie etwas voreingenommen bin. Ich war immer der Meinung, daß ihren Konzepten etwas Provinzielles und Beschränktes anhafte. Die meisten ihrer Arbeiten, so scheint mir, litten an einer falschen "Tiefe", einer Art verwirrten Psychologisierens, wodurch mindestens ebensoviel verdeckt wie enthüllt wurde. Dieses Thema verdient offensichtlich ein besonderes Studium.

Auf jeden Fall habe ich Endstation Sehnsucht (A Streetcar Named Desire) immer als besonders problematisch empfunden. Als ich ihn vor kurzem wieder sah, wurde meine Feindschaft etwas beschwichtigt. Es gibt einige beredte Momente und aufrichtige Gefühle in diesem Stück. Ich finde es jedoch nach wie vor schwer durchzustehen. Brando und Kim Hunter machen es einigermaßen erträglich, besonders der erstere. Ich weiß nicht, wie viel Verdienst Kazan für Brandos Darstellung zukommt, aber dessen Zurückhaltung inmitten all dem lärmigen Unfug ist bemerkenswert. Brandos Kowalski ist herrlich entspannt und vergnügt, wenigstens in den Anfangsszenen, ehe alles zu Bruch geht in dieser Story über "ein neurotisches Mädchen aus dem Süden kurz vor seiner Einweisung in die Klapsmühle", wie der Kritiker Manny Farber schreibt.

In Viva Zapata!kommen Ausschweifungen und Verrücktheiten vor, aber dies ist meiner Ansicht nach eins von Kazans besten Werken. Brando ist als mexikanischer Revolutionär ausgezeichnet, und der Film als Ganzes, nach einem Drehbuch von John Steinbeck, ist mit einem gewissen Takt und Intelligenz in Szene gesetzt. Die Filmvision eines Revolutionärs, der von den berufsmäßigen Gefahren der Machtausübung so abgeschreckt wird, daß er die Flucht ergreift, ist überzeugend, wenn auch nicht wirklich zufriedenstellend. Vom gesellschaftspolitischen Gesichtspunkt ist dies der einzige Film Kazans, den man, wollte man denn so feine Unterscheidungen treffen, als antistalinistisch, nicht aber antikommunistisch bezeichnen könnte.

Die Faust im Nacken (On the Waterfront) erzählt die Story von Terry Malloy (Brando), einem Dockarbeiter und ehemaligen Boxer, der sich zum Schluß bereit erklärt, einer Kriminalkommission alles zu erzählen, was er über die Operationen einer korrupten und mörderischen Gewerkschaftsführung weiß. Kazan und der Drehbuchautor Budd Schulberg, ebenfalls ein HUAC-Informant, benutzten diesen Film, um ihre eigene Verhaltensweise zu rechtfertigen. In seiner Autobiographie macht Brando zwei bemerkenswerte Aussagen, erstens, er habe "damals nicht realisiert ... daß Die Faust im Nacken in Wirklichkeit eine Metapher war" für Kazan und Schulberg, "um zu rechtfertigen, daß sie ihre eigenen Freunde verraten hatten"; zweitens sei er, als der komplette Film gezeigt wurde, dermaßen von seiner Rolle deprimiert worden, "daß ich aufstand und den Vorführraum verließ. Ich glaubte vollkommen versagt zu haben." Der Film ist besser als die andern, trotz seines reaktionären und eigennützigen Themas, vor allem wegen Brandos und Eva Marie Saints Darstellung, die überaus beherzt spielen. Auch die Filmmusik von Leonard Bernstein ist hervorragend.

Zu glauben, Die Faust im Nacken sei eine Metapher für die wahre Beziehung Kazans zur Kommunistischen Partei auf der einen und der HUAC auf der andern Seite, ist viel zu hoch gegriffen, wie auch die Vorstellung, daß der Film gewissermaßen das "Dilemma" des angehenden Informanten verdeutliche. Worin besteht die "moralische Zweideutigkeit" in Malloys Situation, auf die sich Kazan oft berief? Wenn der von Brando verkörperte Filmheld sich nicht an den Staat gewandt und dessen Schutz erstrebt hätte, dann wäre er wahrscheinlich zur Strecke gebracht worden. Er kämpft um sein Leben und hat keine andere Wahl, innerhalb des von den Filmemachern gesteckten Rahmens, als sich gegen seine früheren Verbündeten zu wenden. Kazan und Schulberg haben die Handlung und deren Spielregeln eigennützig nach ihren Bedürfnissen abgesteckt.

Worin sind die fiktiven Umstände in Die Faust im Nacken den Verhältnissen der frühen fünfziger Jahre ähnlich? Als Kazan zum Denunzianten wurde, beteiligte er sich wissentlich an dem politischen Lynchmob. Die Kommunistische Partei war nicht einfach mit ihrer stalinistischen Führung und ihrem Programm gleichzusetzen. Auch ergebene und opferbereite Individuen, die glaubten, für eine progressive soziale Veränderung zu kämpfen, gehörten ihr an. Terry Malloys traumatische Erfahrungen sind eher mit denen von Schauspielern, Regisseuren und Schriftstellern gleichzusetzen, die selbst auf der schwarzen Liste standen, als mit denjenigen, die sie akzeptierten und von ihr profitierten.

Hätte Kazan nicht On the Waterfront,sondern stattdessen "On the Set" (Auf der Bühne) gedreht, einen Film über einen gutbezahlten und erfolgreichen Regisseur, der feige vor rechten politischen Kräften kapitulierte, wäre er wohl ebenso erfolgreich gewesen? (Daß Brando keinen Zusammenhang sah zwischen Kazans Schnüffelei und seiner eigenen Rolle, ist verständlich, weil die Filmbedingungen ja völlig anders als die Lebensumstände des Regisseurs waren. In der Tat besteht die Stärke des Films darin, daß man nicht auf die Idee käme, ihn als Rechtfertigung von Feigheit und Opportunismus zu interpretieren, wüßte man nicht um die historischen und persönlichen Umstände seiner Entstehung.)

James Dean versuchte, ein zweiter Brando zu werden. Das ist ihm nicht gelungen, aber in Steinbecks Jenseits von Eden, dieser modernen Version der Geschichte von Kain und Abel, spielt er ergreifend (und manchmal aufwühlend). Der Film zieht sich jedoch wie Kaugummi, und die diversen Beziehungen - übrigens nicht alle besonders aufregend und schockierend - brauchen unendlich viel Zeit, um sich zu entwickeln. Kazan braucht 45 Minuten, um eine Beziehung abzustecken, die ein Douglas Sirk oder Michael Curtiz in drei oder vier Schnitten verdeutlicht hätte. (In seinen Memoiren erinnert sich Walter Bernstein, ebenfalls auf der schwarzen Liste, daß nach Kazans Aussagen vor der HUAC Dean seine Verachtung für den Regisseur ausdrückte und schwor, niemals wieder mit ihm zusammen zu arbeiten. Nach der Uraufführung von Jenseits von Eden begegneten Bernstein und der Regisseur Martin Ritt James Dean auf der Straße. "Er kam auf uns zu", schreibt Bernstein, "und sagte etwas, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. ‘Er hat einen Star aus mir gemacht', sagte er und ging weiter.")

Tennessee Williams hielt nicht viel von seinem eigenen Drehbuch für Kazans nächsten Film, Baby Doll(1956), und daraus kann man ihm keinen Vorwurf machen. Das Beste daran sind Carroll Baker als noch unberührte Ehefrau und Eli Wallach als Eindringling, der versucht, im hoffnungslos rückständigen ländlichen Mississippi-Gebiet ein Geschäft aufzubauen.

Abraham Polonsky hat einmal bestätigt, daß Kazan bei allen Filmen, die er nach seiner HUAC-Aussage drehte, ein schlechtes Gewissen hatte. Das Gesicht in der Menge(1957), auch von Schulberg geschrieben, könnte man in diesem Zusammenhang sehen. Die Capra'eske Story von einem boshaften Country-Sänger und Hausierer, der ein großer Fernsehstar und Agent eines faschistoiden US-Senators wird, ist ein beinahe hysterischer Versuch, die progressiven sozialen Ansichten seiner Produzenten unter Beweis zu stellen. Andy Griffith spielt offensichtlich auf Geheiß des Regisseurs eine umfangreiche Rolle von Anfang bis Ende und wirkt immer langweiliger. An diesem Film ist manches übertrieben, nicht überzeugend. Patricia Neal spielt jedoch rührend.

Wild River (1960), die Geschichte über einen Beamten aus Tennessee Valley in den dreißiger Jahren, der versucht, eine alte Frau zu überzeugen, daß sie ihr Land für ein Wasserkraftwerks-Projekt zur Verfügung stellen soll, hat echt erheiternde Seiten, vor allem in einigen Szenen, in denen Montgomery Clift und Lee Remick aufeinandertreffen.

Fieber im Blut (1961) spielt in Kansas, einer Kleinstadt im Mittelwesten, um die späten zwanziger Jahre. Natalie Wood stellt ein Mädchen dar, die nach einer enttäuschten Liebe einen Zusammenbruch erleidet und an Warren Beatty und dessen Familie gerät. Andrew Sarris beklagte damals: "Kazans Gewalt ist immer eher übertrieben als ausdrucksvoll, eher manieriert als tief. Selbst in seinen Pausen und seinem Schweigen ist eine Prise Hysterie, und er hat den schmalen Grat zwischen Leidenschaft und Neurose immer und immer wieder überschritten."

In Die Unbezwingbaren( Amerika, Amerika, 1963) erzählte Kazan die Geschichte der Emigration seines Onkels um die Jahrhundertwende aus der Türkei in die USA. Trotz allem Schmerz und Pathos ist diese Darstellung des Einwanderertraums von der neuen Welt ausgesprochen unkritisch. Daß die Geschichte immer wieder stockt und startet, vom Thema abweicht und den Faden verliert, paßt zu einem Film, der nicht in der Lage ist, Klartext über seinen Helden und dessen neues Land zu reden.

Der letzte Tycoon (1976) ist auf F. Scott Fitzgeralds letzte, unvollendete Novelle basiert; der Dramatiker Harold Pinter schrieb das Drehbuch. Robert DeNiro stellt auf intelligente Art einen Filmstudio-Direktor dar, dessen Vorbild Fitzgerald in Irving Thalberg, dem Präsidenten von MGM, gesehen hatte. Der Film war nicht erfolgreich, aber sein gedämpfter und etwas gedrückter Grundton entsprach offensichtlich Kazans letzten filmischen Bemühungen.

Im Ganzen enthält Kazans Werk meiner Ansicht nach mehr Minus- als Pluspunkte. Stilistisch machte er Anleihen bei vielen Quellen - Eisenstein, Ford, Welles, dem Neo-Realismus, der Nouvelle Vague und anderen - ohne je seinen eigenen künstlerischen Standpunkt zu finden. Man hat das Gefühl, daß der Regisseur nicht nur dem legitimen Wunsch nachgab, seine Ansichten über die Welt mitzuteilen, sondern sich die ganze Zeit bemühte, den Zuschauer zu beeindrucken und vor allem sich selbst in Szene zu setzen.

Ich glaube nicht, daß es irgendwelche Zweifel an Kazans glücklicher Führung der Schauspieler geben kann, aber die Frage ist, was er aus dieser Fähigkeit machte. Was Brando in seiner Autobiographie darüber schreibt, ist interessant: "Ich habe niemals einen Regisseur gesehen, der sich selbst emotional so tief in eine Szene hineinversetzte wie Gadg [Kazans Spitzname]... In Endstation Sehnsucht... entdeckte ich, daß er zu den äußerst seltenen Regisseuren gehört, die die Klugheit besitzen, zu erkennen, wann sie die Schauspieler sich selbst überlassen können. Er verstand intuitiv, was sie aus einer Rolle machen konnten, und gab ihnen freie Hand."

Ich stelle Brandos Urteil nicht in Frage, noch die Ergebnisse, die Kazan mit ihm und anderen seines Kalibers erzielte, aber man muß doch ein paar Dinge klarstellen. Erstens stellt Brando umso mehr sein eigenes Licht unter den Scheffel, als Kazan wie üblich mehr als genug Selbstvertrauen an den Tag legt. Aber selbst wenn es so wäre, was sagt eigentlich der Schauspieler hier? Daß Kazan einer der wenigen war, die ihm Raum gaben, um sein künstlerisches Talent zu entfalten.

In seiner Autobiographie, A Live (Ein Leben), läßt sich Kazan herab, Brando die Fähigkeit zuzugestehen, er treffe in der Taxiszene in On the Waterfront"den vorwurfsvollen Tonfall, der so liebenswert und melancholisch wirkt". Er schreibt: "Das stammt nicht von mir, Marlon hat mir, wie so oft, gezeigt, wie man die Szene gestalten mußte... Immer wieder überraschte Marlon mich mit so einem kleinen Wunder; die meiste Zeit war er besser als ich, und ich konnte ihm nur dankbar sein." Ich vermute, daß er hier eine Grundwahrheit ausgesprochen hat, deren sich Kazan nicht zu schämen braucht: daß Brando als Schauspieler bedeutender war, denn Kazan als Regisseur.

Damit soll nicht die Rolle des letzteren geleugnet oder geschmälert werden. Er war am richtigen Platz, überwachte einige großartige Szenen, er ermutigte sie. Diese wichtige Eigenschaft, die zur Kunst eines Regisseurs gehört, besaß er zur Genüge. Aber es gehören noch andere Eigenschaften dazu. Zum Beispiel die Fähigkeit, einerseits aus jedem Schauspieler und Techniker das Beste herauszuholen, und doch auf der andern Seite jeder Rolle und jeder Szene seinen eigenen Stempel und sein Konzept aufzudrücken. Kazan war ein außerordentlicher Regisseur des außerordentlichen Schauspielers Brando, aber warum gibt es so viele armselige Rollen in seinen Filmen, sogar wenn sie von bemerkenswerten Schauspielern gespielt werden? Warum wurde Zero Mostel und Jack Palance erlaubt, in Unter Geheimbefehl die Handlung so in die Länge zu ziehen? Oder Vivien Leigh in Endstation Sehnsucht? Was hat sich Kazan dabei gedacht, als er in dem Film Das Gesicht in der Menge die Szene mit Griffith drehte, oder in Fieber im Blut diejenige mit Pat Hingle, wo diese Schauspieler ohne erkennbaren Sinn und Zweck aus vollem Hals herumbrüllen?

Leicht gerät man in Verdacht, Kazans Kunst im Licht seiner Rolle im politischen und moralischen Bereich zu interpretieren, aber meiner Meinung nach haftet seiner Regieführung tatsächlich eine gewisse Kurzsichtigkeit und "Opportunismus" an. Alles wird dem Bemühen untergeordnet, einen besonderen Effekt zu erzielen, und dabei verliert man das Ganze aus dem Blickfeld, nicht nur den Film als Ganzes, sondern das filmische Gesamtwerk.

Es ist ein zweischneidiges Schwert, wenn man als "Regisseur der Schauspieler" betrachtet wird. Schauspieler sind das Menschenmaterial des Theaters. Die besten geben sich selbst von ganzem Herzen hin und erzielen Ergebnisse, die mehr sind als die Summe eines menschlichen Gehirns und Körpers und eines vorgegebenen Dialogs. Aber der Standpunkt eines Schauspielers ist, da er sich selbst treu bleiben muß, fast immer ein einseitiger und sogar notwendigerweise ein verzerrter Standpunkt. (Die Tatsache, daß das amerikanische Theater der dreißiger und vierziger Jahre relativ starke Schauspieler und relativ schwache Dramatiker hervorbrachte, macht auf ein tiefer liegendes Problem aufmerksam: Ein großer Teil der damaligen amerikanischen Kunst der Linken war recht seicht und provinziell, entweder weil sie dem "sozialistischen Realismus", oder - nach dem Abflauen jener Strömung - einem lauen, in sich selbst verliebten Expressionismus verhaftet war.)

Darüber hinaus gibt es gute Gründe, Regisseuren zu mißtrauen, die wie Kazan berüchtigt waren, weil sie Darsteller manipulierten, um eine gewünschte Reaktion zu erzielen, d. h. sie bewußt verärgerten, aufregten oder verängstigten. (Zum Beispiel erzählte Kazan offensichtlich während der Dreharbeiten zu Viva Zapata! Anthony Quinn, Brando verleumde ihn hinter seinem Rücken, und heizte damit den Konflikt zwischen den zwei Rollen auf der Leinwand zusätzlich an. Brando bezeichnet den Regisseur als "Erz-Manipulatoren der Gefühle der Schauspieler".) Solche Manöver mögen gelegentlich notwendig sein, aber wenn sie gewohnheitsmäßig zur Anwendung kommen, lassen sie auf Zynismus schließen. Offensichtlich hat der Regisseur kein Vertrauen in seine Fähigkeit, die Schauspieler vom emotionalen Gehalt einer Szene überzeugen zu können.

Regisseure wie Hawks, Welles, Visconti oder Fassbinder wurden nicht in erster Linie als "Regisseur der Schauspieler" bekannt, sondern als Filmemacher, die die Arbeit eines Schauspieler in ein größeres und allseitiges ästhetisches Gesamtwerk zu integrieren wußten. Einen Film von ihnen erkennt man sofort, was auf keinen einzigen Film von Kazan zutrifft. Seine Filme bewegen sich in Stil und Inhalt über das ganze weite Feld, als suchten sie etwas, was der Regisseur niemals finden konnte. In einem Bericht über Die Unbezwingbaren (Amerika, Amerika) vom Januar 1964 bemerkte Sarris, daß "Kazan im allgemeinen besser mit einzelnen Szenen als mit einem ganzen Szenario zurechtkommt,... seiner Schauspieler erinnert man sich noch lange, wenn der Inhalt des Stücks schon längst vergessen ist." Ich könnte diese Ansicht unterschreiben. Ein wirkliches Talent, ja, aber auf keinen Fall ein "Genie". Betrachtet man seine Laufbahn als Ganzes, so gehört Kazan in den zweiten oder dritten Rang der Hollywood-Regisseure seiner Ära.

Könnte man ganz allgemein sagen, daß Kazans künstlerische Schwäche in Beziehung zu der Rolle steht, die er in den fünfziger Jahren spielte? Hier betritt man, so scheint mir, etwas wackeligen Boden. Es gab immerhin viel unvollkommenere Künstler, die viel prinzipienfester und mutiger handelten. Man könnte sagen, daß sich bei Kazan Schwächen der Persönlichkeit und des Intellekts in besonders ungünstiger Konstellation vereinen: ein recht oberflächlicher politischer Radikalismus, ein wirkliches künstlerisches Talent, das sich damit begnügt, Anerkennung zu gewinnen, aber nicht in der Lage ist, einem Problem auf den Grund zu gehen. Dazu kommt noch der besonders ausgeprägte Wunsch, seine Position und seinen Ruf zu erhalten.

In Die Unbezwingbaren porträtiert Kazan einen Mann, der bereit ist, alles zu tun, um das Ufer des gelobten Landes zu erreichen. Er schuftet, stiehlt, betrügt, um in die USA zu kommen. Als er New York City erreicht, kniet er nieder und küßt den Boden. Kazan, der ehrgeizige Immigrantensohn, hatte doch in den dreißiger Jahren manch bittere Lektion über Amerika gelernt und wurde durch seine Erfahrung politisiert. Dieses Land hatte ihn enttäuscht. Aber weshalb sollte er an seinen Ressentiments festhalten, so hat er sich wohl zehn Jahre später gefragt, wo das Land doch letzten Endes - wenigstens ihm selbst gegenüber - seine Schuldigkeit getan hatte? Und wo doch eine Aufrechterhaltung seiner Opposition gegen den Status quo seine herausragende Stellung und seine Berühmtheit gefährden konnte. Vom Standpunkt, in Amerika Erfolg zu haben, - wer wollte Kazans Worte in Frage stellen, daß er "seine eigenen guten Gründe" gehabt habe, um Informant zu werden?

Antikommunismus und Filmindustrie

"Jetzt habe ich mich beschmutzt, war Hendriks bestürztes Gefühl. Jetzt habe ich einen Flecken auf meiner Hand, den bekomme ich nie mehr weg... Jetzt habe ich mich verkauft... jetzt bin ich gezeichnet!" - Klaus Mann, "Mephisto"

Spätestens seit Beginn der großen Wirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre wurden die Behörden in den USA auf die potentielle Gefahr aufmerksam, die vom Kino ausging. Sie versuchten ständig, jede radikale oder sozialkritische Tendenz in der Filmproduktion abzuschwächen oder, wenn nötig, zu unterdrücken. Der Kinokodex von 1934 sollte, wie ein Historiker feststellte, sexuelle Handlungen und Gewalt von der Leinwand verbannen und mit Hilfe "populärer Unterhaltungsfilme konservative moralische und politische Wertvorstellungen festigen". Um diesen Kodex einzuhalten, ließ MGM beispielsweise das Projekt fallen, Sinclair Lewis' Das ist bei uns nicht möglich zu verfilmen. In diesem Buch hatte der Autor seine Vision eines aufsteigenden amerikanischen Faschismus formuliert. Die Hüter des Kinokodex bestanden darauf, daß Fritz Langs Film gegen das Lynchen, Fury(1936), kein schwarzes Opfer zeigen und keinerlei Kritik an den rassistischen Südstaaten üben durfte.

Der "Ausschuß für unamerikanische Umtriebe" (HUAC) wurde im Mai 1938 gegründet. Unter dem Vorsitz des Abgeordneten Martin Dies (eines Demokraten aus Texas) wurden zahlreiche Methoden eingeführt, die unter Senator Joseph McCarthy später zur Perfektion gelangten: So wurden Menschen wahllos beschuldigt, Zeugen wurden unter Druck gesetzt, damit sie frühere Bekannte denunzierten, und es galt bereits als Schuldindiz, wenn man zur Anhörung zitiert wurde oder wenn nur jemandes Name erwähnt wurde. Der Ausschuß wurde vom Repräsentantenhaus 1945 zur festen Institution gemacht. Zwei Jahre später bestätigte ein Bundesberufungsgericht sein Recht, unkooperative Zeugen wegen Mißachtung des Kongresses zu belangen.

In den späten dreißiger und frühen vierziger Jahren nahm der "kalifornische Vereinigte Untersuchungsausschuß für unamerikanische Umtriebe" des Senators Jack Tenney alle Linken in der Filmindustrie aufs Korn. Der Abgeordnete Dies stellte sich an die Spitze der Angriffe auf das Federal Theatre Project (Bundesweites Theaterprojekt), dem daraufhin im Juni 1939 die Finanzierung gestrichen wurde. Als führende liberale und fortschrittliche Persönlichkeiten Hollywoods die Aktivitäten des Ausschusses anprangerten, erklärte der texanische Abgeordnete vor der Presse, die Filmindustrie sei eine "Brutstätte des Kommunismus". Aus Protest gegen diese Tirade versammelten sich am 27. Februar 1940 2.500 Menschen im Philharmonischen Auditorium von Los Angeles.

Im folgenden Jahr verkündete Tenney - Dies' kalifornischer Statthalter -, er werde eine Untersuchung über die "Roten" in der Filmindustrie anstellen. Diese Untersuchung diente unter anderem auch der Zerschlagung der Gewerkschaft. Walt Disney, dessen Unternehmen kurz vorher von Cartoonisten und Trickfilm-Zeichnern bestreikt worden war, zeigte besonderes Interesse daran, die politisch Aktiven auszurotten. Tenneys Anhörungen endeten halbwegs in einem Fiasko.

1941 führten William Randolph Hearst und die Klatsch-Kolumnisten, die die Drecksarbeit für ihn erledigten, eine Kampagne, um Citizen Kane zu unterdrücken. Die Verleumdung Orson Welles' als "radikaler Roter" wurde zum Präzedenzfall.

Das Bündnis der USA mit der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg führte dazu, daß solche Aktivitäten vorübergehend eingestellt wurden. Am Vorabend der US-Intervention versuchten rechte, isolationistische Senatoren, Einzelpersonen und ganze Gruppen aus Hollywood vor Gericht zu zerren, weil diese Amerikas Kriegseintritt befürworteten. Obwohl darunter auch "Antifaschisten" und Stalinisten waren, wurde dieser Vorstoß interessanterweise von den Filmstudios zurückgewiesen und von den Medien negativ aufgenommen. Die Filmproduzenten ließen sich nach wie vor im Unterausschuß des Senats von Wendell Wilkie vertreten. In den Kriegsjahren brachte Hollywood sogar einige pro-sowjetische Filme heraus, zum Beispiel Botschafter in Moskau(1943), The North Star(1943) und Song of Russia(1944).

Im Oktober 1947 wurde es ernst mit der Kommunistenjagd in der Filmindustrie, als das HUAC eine Reihe von Anhörungen zum Thema "Unterwanderung der Filmindustrie" abhielt. Nachdem "verbündete" Zeugen - antikommunistische Produzenten, Regisseure und Schauspieler - mehrere Tage lang ausgesagt hatten, schritt das HUAC zur Vernehmung der "feindlichen" Zeugen, der Gruppe, die als die "Zehn von Hollywood" bekannt wurde. Diese linksgerichteten Drehbuchautoren und Regisseure - Mitglieder oder Sympathisanten der Kommunistischen Partei - verweigerten ihre Kooperation und wurden ein paar Wochen später der Mißachtung des Kongresses angeklagt. (Viele von ihnen verbüßten später einjährige Haftstrafen.) Angesichts der unnachgiebigen Haltung des HUAC und der Rückendeckung, die der Untersuchungsausschuß von der Presse erhielt, schmolz die Unterstützung liberaler Kreise für die Zehn von Hollywood dahin wie Schnee an der Sonne.

Eine Konferenz der Filmproduzenten am 24./25. November 1947 im Hotel Waldorf-Astoria in New York verabschiedete eine Resolution, in der es heißt: "Wir werden wissentlich keinen Kommunisten beschäftigen." Damit war die Schwarze Liste offiziell in Kraft - oder besser inoffiziell, denn natürlich durfte es eine Liste von Menschen, die nicht eingestellt werden sollten, nicht geben. Ellen Schrecker berichtet, wie das aussah: "Autoren erhielten keine telefonischen Bestellungen mehr, Schauspieler mußten sich anhören, sie seien ‘zu gut für eine Rolle'." Eine Vielzahl reaktionärer Organisationen, wie z.B. die Amerikanische Legion und Hollywoods eigenes Netz von Antikommunisten und Informanten, arbeiteten eng mit den Studios zusammen, um die Schwarze Liste durchzusetzen. Von da an ließen die vereinten Bemühungen der Regierung, der Industrie und der rechten und klerikalen Kreise nicht mehr nach, bis die Zunft der Filmemacher systematisch von linken und progressiven Elementen gesäubert war.

Dies war nur Teil einer allgemeinen Tendenz der amerikanischen herrschenden Klasse, nach Jahrzehnten der politischen Instabilität mit dem ganzen Radikalismus und Sozialismus aufzuräumen. Der Antikommunismus wurde damals in den Vereinigten Staaten buchstäblich zur Staatsreligion. 1947 rief Präsident Harry Truman die Loyalitätsverpflichtung für Staatsbeschäftigte aus und forderte den Generalstaatsanwalt auf, eine Liste aller "subversiven" Organisationen aufzustellen. Von März 1947 bis Dezember 1952 wurden ca. 6,6 Millionen staatliche Bedienstete verhört. In dieser Periode - 1947-52 - veranstalteten Ausschüsse des Kongresses 84 Anhörungen über "kommunistische Subversion". Der HUAC lieferte Informationen über 60.000 Personen an die Arbeitgeber. Mindestens 15.000 Angestellte im öffentlichen Dienst wurden von den zuständigen Gesinnungsbehörden entlassen oder zur Kündigung gezwungen. Man schätzt, daß 13,5 Millionen Amerikaner von nationalen, regionalen oder lokalen Schnüffelprogrammen erfaßt wurden. Nahezu zwanzig Prozent der arbeitenden Bevölkerung mußten einen Eid leisten oder einen Persilschein ausgestellt bekommen, um einen Arbeitsvertrag zu erhalten.

Auf die amerikanische Bevölkerung wurde ein umfassender ideologischer Angriff geführt. Begriffe wie Sozialismus, Marxismus und Revolution wurden verteufelt, indem man diese im allgemeinen Bewußtsein mit allem Bösen und der sozialen Katastrophe schlechthin identifizierte und ganz allgemein eine Atmosphäre von erstickendem Konformismus begünstigte. Ein Kommunist war nach der offiziellen Doktrin ein Nicht-Amerikaner, ein Antichrist, ein Fremder, so etwas wie der Leibhaftige selbst.

Dieser Angriff nahm die verschiedensten Formen an. Der HUAC verteilte in Millionenauflage eine Broschüre mit dem Titel: "Hundert Dinge, die man über den Kommunismus wissen muß". ("Wo sind Kommunisten zu finden? - Überall.") Eine Spielfilmserie namens I Led Three Lives, die sich auf die Karriere des FBI-Agenten Herbert Philbrick stützte, lief drei Jahre lang im Fernsehen. Hollywood spuckte am Laufmeter Filme gegen die "Roten" aus, zum Beispiel Die rote Gefahr(1949), Ich heiratete einen Kommunisten(1950), I Was a Communist for the FBI(1951), Walk East on Beacon(1952), My Son John(1952), Big Jim McClain(1952) und Trial(1952).

Im September 1950 traten die letzten der Zehn von Hollywood ihre Haftstrafen an. Schon im Frühjahr 1951 kamen die HUAC-Schergen wieder nach Hollywood. Ceplair und Englund schreiben in ihrer Geschichte des politischen Lebens in der Filmindustrie von 1930-60, daß den neuen Untersuchungen mehrere Ereignisse vorausgingen, welche die Stellung des Ausschusses noch stärkten: "die Verurteilung des [sowjetischen Spions in den USA] Alger Hiss, Chinas Fall an die Kommunisten , die erste erfolgreiche Atomzündung der Sowjets, die Verhaftung des Atomspions Klaus Fuchs in England, das Aufblühen von Joseph McCarthys spezieller Version des Antikommunismus, die Verabschiedung von McCarrens Gesetz über Innere Sicherheit, ... der Ausbruch des Koreakrieg, die Bestätigung des Smith Act durch das Oberste Gericht [nach dem Smith Act waren 1941 die Trotzkisten verfolgt worden] ... und die Festnahme der Rosenbergs."

Hundertzehn Männer und Frauen wurden während der zweiten Runde der HUAC-Anhörungen von 1951 bis 1953 vor Gericht geladen; 58 erwiesen sich als Informanten. Die prominentesten unter ihnen - 31 Personen, die jeweils mindestens vier Filme gedreht hatten - gaben dem Ausschuß durchschnittlich 29 Namen preis. Die meisten kapitulierten erbärmlich. Der erste Zeuge, der Schauspieler Larry Parks, "erniedrigte sich und winselte um Gnade", als der Ausschuß Namen von ihm hören wollte. Schließlich, nach gebührendem inneren Ringen, nannte er zehn Personen. Für sein Zögern zahlte er einen hohen Preis. Der Los Angeles Examiner titelte zwei Tage danach: "Larry Parks verliert eine 75.000-Dollar-Rolle". Parks Karriere war damit so gut wie abgeschlossen. Das war den anderen Zeugen eine gründliche Lehre.

Vier berühmte Regisseure wurden Informanten: Frank Tuttle, ein solider Handwerker, der vielleicht durch seinen Film Die Narbenhand(1942) mit Alan Ladd und Veronica Lake am bekanntesten wurde; Edward Dmytryk, der "Judas" der Zehn von Hollywood, Regisseur von Murder My Sweet(1944) und Cornered(1945); Robert Rossen - von ihm stammen die Filme Mit Leib und Seele(1947) und Haie der Großstadt(1961), - der sich 1951 noch geweigert hatte, Namen zu nennen, jedoch 1953 kapitulierte und offensichtlich sein ganzes weiteres Leben lang unter dieser Entscheidung litt; und eben Kazan.

Von diesen vier und vielleicht von allen Informanten hatte Kazan mit Sicherheit die größte Statur als Künstler und als Intellektueller. Seine Entscheidung, mit den Inquisitoren zusammen zu arbeiten, hatte weitreichende Konsequenzen. Ein "Regisseurs-Opfer" erzählte Victor Navasky für dessen Buch "Naming Names" ("Namen nennen"): "Wenn Kazan sich geweigert hätte, auszusagen,... hätte er zwar den Ausschuß nicht kippen können, aber er hätte möglicherweise die Schwarze Liste geknackt. Er war zu wichtig, als daß man ihn hätte übergehen können." Navasky kommentiert: "Wahrscheinlich hätte keine Einzelperson im April 1952 die Schwarze Liste knacken können, aber es war doch niemand in einer günstigeren strategischen Position als Kazan, um Kraft seines Prestiges und seiner wirtschaftlich unangreifbaren Stellung den Versuch zu wagen, eine symbolische Kampagne zu eröffnen und durch sein Beispiel Hunderte Unentschlossener für die Opposition zu gewinnen."

Es stellte sich jedoch heraus, daß Kazan hierfür nicht der richtige Mann war. In den vielen Versuchen, sich zu rechtfertigen, die er über all die Jahre unternommen hat, versicherte er immer, daß Prinzipienfragen - Opposition gegen die verschwörerischen Methoden der Kommunistischen Partei und die Verbrechen Stalins - ihn dazu veranlaßt hätten, Namen zu nennen. In seiner Autobiographie bestreitet Kazan, er habe es "für Geld" gemacht. Er schreibt: "Dies [die Erhaltung seiner Karriere in Hollywood] war nicht der Grund. Wenn ich schließlich getan habe, was ich tat, hatte ich meine eigenen guten Gründe dafür, und ich tat es - nach reiflicher Überlegung -aufgrund meiner eigenen Erfahrungen."

Die Aussagen seiner Zeitgenossen lassen einen andern Schluß zu. Lillian Hellman, zugegebenermaßen nicht die vertrauenswürdigste Zeugin, berichtete, Kazan habe ihr gesagt: "Ich habe im letzten Jahr über 400.000 Dollar durch die Schauspielerei verdient. Aber Skouras [Spyros Skouras, Präsident von Twentieth-Century-Fox] sagt mir, ich werde nie mehr einen Film drehen [falls ich nicht mitziehe]." Der Produzent Kermit Bloomgarden berichtete Navasky, daß Kazan ihm erzählt habe, "er sei in Washington gewesen und habe J. Edgar Hoover und Spyros Skouras getroffen, die von ihm verlangt hätten, Namen zu nennen... Er sagte: ‘Ich muß doch an meine Kinder denken'. Und ich erwiderte: ‘Das wird auch vorbeigehen, und dann wirst du in den Augen deiner Kinder als Informant dastehen, denk daran'." Kazan erwähnt in seiner Autobiographie, daß Skouras ihm ein Treffen mit Hoover vorgeschlagen habe, äußert sich aber nicht dazu, ob es tatsächlich stattfand.

Im gleichen Buch zeigt der Regisseur recht gut seine wirkliche Einstellung, indem er einen Tagebucheintrag von 1952 über eine Unterhaltung mit Arthur Miller zitiert: "Ich erwähnte, daß Skouras mir bedeutet habe, daß ich keine Filme mehr machen könne, wenn ich nicht andere Linke aus dem Group nennen würde; darauf sagte ich zu Art, ich bereite mich schon auf eine Zeit ohne Filmarbeit oder Geld vor... Ich hatte jedoch überhaupt kein gutes Gefühl dabei. Ich sagte (zu mir selbst): Warum zum Teufel gebe ich dies alles auf? Um einer Heimlichkeit willen, die ich nicht für richtig halte, und um Leute zu schützen, die bereits entlarvt sind oder über kurz oder lang von jemand anderem angezeigt werden? Ich sagte mir, schließlich hasse ich die Kommunisten seit Jahren und halte es nicht für richtig, meine Karriere zu opfern, um sie zu verteidigen."

Mehrere Personen zögerten offensichtlich, als sie dem Ausschuß gegenüber Namen nannten, und einige verurteilten später ihr eigenes Verhalten (zum Beispiel der Schauspieler Sterling Hayden); andere wurden durch ihre Entscheidung völlig aus dem Gleis geworfen. Kazan mußte sich einreden, er handle nicht aus Egoismus, sondern aufgrund von Prinzipien. Zwei Tage nach seinem Auftritt vor dem HUAC ließ Kazan durch seine erste Frau eine Anzeige in die New York Times setzen, in der er sein Verhalten rechtfertigte - ein ziemlich ekelhaftes Dokument.

Kazans wesentliche Behauptung lautet, "kommunistische Aktivitäten" stellten "eine gefährliche ausländische Verschwörung" dar, die entlarvt werden müsse. Das amerikanische Volk könne dieses Problem nur vernünftig lösen, wenn es alle Fakten über den Kommunismus kenne. Er versicherte, daß "jeder Amerikaner, der solche Fakten kennt, verpflichtet ist, sie mitzuteilen, entweder der Öffentlichkeit oder den entsprechenden Regierungsbehörden." Offensichtlich hat Kazan selbst so gehandelt, als er die Fakten aus seinem eigenen Leben "ohne Vorbehalt vor dem Ausschuß für unamerikanische Umtriebe ausgebreitet" hat.

Er erklärt in seiner Anzeige, daß er bisher darauf verzichtet habe, seine Geschichte schon früher zu erzählen, weil er zurückgehalten worden sei durch eine "besondere Argumentationsweise, die viele Liberale vom Reden abhält. Sie lautet wie folgt: ‘Du magst die Kommunisten hassen, aber du darfst sie nicht angreifen oder entlarven, denn wenn du das Recht angreifst, unpopuläre Meinungen zu vertreten, machst du mit denjenigen gemeinsame Sache, welche die demokratischen Grundrechte angreifen.'"

Dieses Argument, so sei ihm nun bewußt geworden, sei "eine Lüge. Die Geheimhaltung nützt den Kommunisten. Auf der andern Seite nützt sie denjenigen, die ein Interesse daran haben, liberale Stimmen zum Schweigen zu bringen. Die Anstellung vieler guter Liberaler ist in Gefahr, weil sie zugelassen haben, daß man sie mit den Kommunisten in einen Topf wirft oder daß diese sie zum Schweigen verurteilten. Die Liberalen müssen reden."

Kazans Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei hätte ihm "Erfahrungen aus erster Hand über Diktatur und Gesinnungskontrolle verliehen... Sie haben in mir einen bleibenden Haß auf kommunistische Philosophie und Methoden erzeugt und die Erkenntnis geweckt, daß man ihnen unter allen Umständen widerstehen muß."

Die Auffassung, die Kommunistische Partei sei nichts weiter als eine GPU-Verschwörung gewesen, ist waschechte politische Reaktion von der Sorte McCarthys. Budd Schulberg, Kazans Mitinformant und Drehbuchautor, versuchte in einem Gespräch mit Victor Navasky, seiner eigenen Aussage eine schönere Seite abzugewinnen. Er behauptete, ihn habe das tragische Schicksal der sowjetischen Künstler dazu veranlaßt, und er habe gehandelt, um das Wachstum einer totalitären Bewegung in den USA zu unterbinden. Die Informanten, so sagte er, seien "frühe Anti-Stalinisten" gewesen.

Die wahren Anti-Stalinisten waren, wie jeder weiß, der die Geschichte dieses Jahrhunderts kennt, die Trotzkisten, und sie haben ihre Bestimmung nicht erst 1952 entdeckt. Trotzki und seine Gesinnungsgenossen haben von 1923 bis 1933 für die Wiederbelebung der Sowjetmacht und der kommunistischen Internationale gekämpft, und danach, als diese offensichtlich für die soziale Revolution verloren waren, für die politische Revolution in der UdSSR und den Aufbau einer neuen sozialistischen Internationale. Ihre Opposition gegen Stalinismus war marxistisch, eine Opposition von links. Sie erklärten, daß das Regime in der Sowjetunion die Oktoberrevolution verraten habe, und daß seine Verbrechen nicht aus dem Vormarsch des sowjetischen Sozialismus entstanden seien, sondern im Gegenteil aus der Tatsache, daß die Entwicklung wieder zur Restauration des Kapitalismus tendiere. Alle folgenden Ereignisse haben diese Anschauung bestätigt.

Tausende Marxisten haben in der UdSSR für ihre Opposition gegen die bürokratische Diktatur mit dem Leben bezahlt. Andererseits haben viele derjenigen, die 1917 die bolschewistische Revolution und ihre Perspektive der Weltrevolution noch abgelehnt hatten, in den dreißiger Jahren das stalinistische Regime unterstützt, gerade weil es den Weg der sozialen Revolution verlassen hatte. Man braucht sich nur daran zu erinnern, wie respektable liberale Zeitungen wie die New York Times und die Nation die berüchtigten Moskauer Prozesse in ihrer Berichterstattung unterstützten.

Kazan und Schulberg schlossen sich in der Zeit der Volksfront der sowjetischen Bürokratie und ihrer amerikanischen Partei an, als die Stalinisten Roosevelt unterstützten und wichtige Positionen in den CIO-Gewerkschaften bekleideten. Stalinisten oder ihre Sympathisanten kontrollierten Theatertruppen, Verlagshäuser und eine Vielzahl von Publikationen. Kazan und viele andere waren zu keinem Zeitpunkt auch nur im Entferntesten Marxisten, vielmehr linke Reformisten. Ob der politische Werdegang dieser Individuen vorherbestimmt war, ob ihnen andere Wege offengestanden hätten, wenn die kommunistischen Parteien nicht durch und durch stalinisiert worden wären, darüber kann man heute streiten.

Schulbergs Vorstellung, daß die unterdrückten sowjetischen Künstler durch den starken amerikanischen Staat hätten gerettet werden können, beruhte auf einer definitiven politischen Lüge: daß die amerikanische "Demokratie" und der stalinistische "Totalitarismus" Todfeinde seien. Diese vulgäre, falsche und eigennützige Vorstellung diente dazu, während des kalten Kriegs jede Menge niederträchtige Gemeinheiten zu rechtfertigen. Schulberg hat sich nie darum bemüht, zu erklären, wie es der Befreiung der Menschheit dienen könnte, den Kampf gegen Totalitarismus Joseph McCarthy, John Foster Dulles, Dwight Eisenhower und Richard Nixon, der CIA, dem FBI und dem amerikanischen Militär zu überlassen.

Welche Folgen hatte die McCarthy-Ära innerhalb der USA? In seiner Anzeige in der Times behauptete Kazan, für ihn seien "freie Rede, eine freie Presse" wichtig. Unter dem Vorwand, die kommunistische Gefahr zu bekämpfen, bauten rechte und unternehmerfreundliche Kreise ihre Kontrolle über die Medien aus und trugen dazu bei, ein angepaßtes, pro-kapitalistisches Klima zu schaffen, wie es in keinem europäischen Land existiert. Die erstickende Beschränktheit, die das politische Leben Amerikas mit seinen zwei fast identischen kapitalistischen Parteien heute noch auszeichnet, kann auf jene Periode zurückgeführt werden.

Und doch wäre es trotz all dem Mist, der in Hollywood in den fünfziger Jahren produziert wurde, falsch zu behaupten, daß die Hexenjagd unmittelbar zum künstlerischen Kollaps der amerikanischen Filmindustrie geführt habe. Klassische Studioregisseure, deren Karriere schon vor der McCarthy-Ära begonnen hatte und die sich aus den politischen Kontroversen der frühen Fünfziger weitgehend heraus hielten, produzierten noch mindestens zehn Jahre lang ernst zu nehmende Arbeiten. Die folgenden Generationen hatten jedoch immer weniger zu sagen und verfügten ganz allgemein weder über politische noch über künstlerische Prinzipien.

Zu jener Zeit hatten die Herrschenden bereits begriffen, daß ein anderes Medium das Kino als mächtigstes und einflußreichstes Mittel der Massenmanipulation verdrängte: das Fernsehen. Obwohl auch einige boykottierte Schriftsteller in der neuen Industrie unter Pseudonym wieder Arbeit fanden, verbreitete das Fernsehen der fünfziger Jahre im großen Ganzen die autoritärsten Vorstellungen über den Menschen, die es je gegeben hat.

Kazan verpflichtete sich in seiner Erklärung dem "Arbeiterrecht". Und doch bestand das wichtigste Ziel der McCarthyisten darin, radikale Kräfte aus der Arbeiterbewegung zu entfernen und so die Widerstandskraft der Arbeiter zu schwächen. Obwohl die herrschende Klasse bei weitem nicht in der Lage war, den Arbeitern wieder wirtschaftliche Bedingungen wie in den dreißiger Jahren aufzuzwingen, war sie doch entschlossen, den Gewerkschaften in politischer Hinsicht die Zähne zu ziehen. Die Bourgeoisie war bereit, in puncto Löhne und Lebensstandard beträchtliche Zugeständnisse zu machen, wenn sie dafür die Vorherrschaft einer pro-kapitalistischen Bürokratie über die Arbeiterbewegung sicherstellen konnte.

Unternehmer arbeiteten eng mit den unterschiedlichen staatlichen Ermittlungsorganen zusammen, um "Unruhestifter" zu identifizieren. Gewerkschaften, welche sich weigerten, KP-Mitglieder aus ihrer Führung zu entfernen, wurden ausgeschlossen; in einigen Industriezweigen fanden Massenentlassungen statt. In der Autoindustrie nutzte Walter Reuther den Umstand aus, daß die Stalinisten ihre Popularität eingebüßt hatten, nachdem sie im Krieg als Polizisten des Streikverzichts aufgetreten waren, und schürte eine Pogromstimmung gegen Linke.

Das allgemeine Resultat dieses Prozesses war die politische Neutralisierung der Arbeiterbewegung und letztlich die Errichtung einer buchstäblichen Diktatur rechter Schläger in den Gewerkschaften und Fabriken. Dies hatte enorme und verheerende Konsequenzen für die amerikanische Gesellschaft. Die Arbeiter, deren Lebensstandard sich ständig verschlechtert, zahlen heute noch den Preis dafür, daß sie damals nicht in der Lage waren, sich als unabhängige politische Kraft zu organisieren, und stattdessen das kapitalistische System im allgemeinen hinnahmen. Es hat Folgen für die ganze Menschheit. Wäre es denn für den amerikanischen Staat nicht bedeutend schwieriger, seine Außenpolitik anderen aufzuzwingen - von seiner Unterstützung blutiger Diktaturen in Asien, Afrika und Lateinamerika über den zehnjährigen Krieg in Südostasien bis hin zu seiner unmittelbaren Beteiligung am Massenmord in Indonesien, Chile und anderswo - ohne die Unterstützung eines durch und durch unterwürfigen, pro-imperialistischen AFL-CIO, einer Organisation, die in Wirklichkeit aufs Innigste mit dem Geheimdienst und dem Militärapparat verbunden ist?

Manches Verhalten kann man nicht entschuldigen

"Der eine wußte, was der andere dachte. Höfgen dachte von Ihrig, wie Ihrig von Höfgen: Ja ja, mein Lieber, du bist ein genau so großer Schuft wie ich selber." - Klaus Mann, "Mephisto"

Die Zitate zu Beginn jedes Kapitels stammen aus "Mephisto", dem bemerkenswerten Roman von Klaus Mann, Thomas Manns Sohn. Die Hauptperson des Buchs ist Hendrik Höfgen. Mit dieser Figur zeichnete Mann, ich zitiere eine jüngere englisch-sprachige Ausgabe, ein "nur spärlich verhülltes Porträt seines früheren Schwagers, des Schauspielers Gustav Gründgens. Gründgens war mit Klaus Manns Lieblingsschwester Erika verheiratet und anfänglich ein begeisterter Verfechter des Kommunismus gewesen. Unter der Schirmherrschaft von Feldmarschall Göring machte er eine phantastische Karriere in Nazi-Deutschland." Höfgen konnte Karrierismus, Selbstbetrug und Opportunismus nicht widerstehen. Und er war nicht der einzige Künstler oder Intellektuelle, der dem Sirenengesang des Nationalsozialismus erlag. Die Entscheidung, die Kazan Anfang der 50er Jahre treffen mußte - Widerstand oder Anpassung an die Reaktion - stellte sich in der Erfahrung dieses Künstlers mit dem deutschen Faschismus in ihrer schärfsten Form.

Was Kazans Schicksal betrifft, so wirft es viele Fragen auf, von denen keine hier erschöpfend beantwortet werden kann: Warum war vom Standpunkt der herrschenden Klasse aus die McCarthy-Ära notwendig? Warum gab es relativ wenig Widerstand gegen diesen so außergewöhnlich reaktionären Trend? Und - ganz allgemein gefragt - warum ist es in Amerika so schwierig, einen prinzipiellen Standpunkt zu vertreten?

Im Gegensatz zu der oberflächlichen Meinung bürgerlicher Historiker liberaler oder konservativer Couleur ist die amerikanische Bevölkerung nicht grundsätzlich gegen radikale Veränderungen, nicht einmal gegen eine soziale Revolution eingestellt. Die USA waren einer sozialen Revolution in den dreißiger Jahren viel näher, als die Experten je zugeben würden. Bedeutende Schichten der Bevölkerung kamen zum erstenmal in Kontakt mit linken Ideen und fühlten sich davon angezogen. Diese Erfahrung war erschreckend und ernüchternd für die Bourgeoisie. Die Argumentation, daß die McCarthy-Bewegung nur ein Ausbruch von Paranoia war, der in keiner Beziehung zur wirklichen Stärke der radikalen Bewegung stand, wird nicht von Tatsachen gestützt. Die Kommunistische Partei, die trotzkistische Bewegung und die sozialdemokratischen Parteien waren rein zahlenmäßig vielleicht relativ schwach, aber das Engagement der Bevölkerung für eine progressive und demokratische gesellschaftliche Veränderung - das aus dem Kampf gegen den Faschismus resultierte - war aufrichtig.

Schließlich enthält die Geschichte der Vereinigten Staaten ein ganz besonderes ideologisches Erbe. Um das Volk zu hintergehen, beruft sich das politische Establishment oft auf vergangene Kämpfe um "Freiheit", "Gleichheit" und "Demokratie", und versucht dieses Erbe für sich zu reklamieren. Dabei läuft es natürlich Gefahr, daß die Menschen diese Kämpfe um große Ideale, die tatsächlich stattgefunden und große Opfer gefordert haben, auch heute noch ernst nehmen und sie am Ende sogar fortsetzen und vertiefen wollen.

In keinem Land der Welt ist die Kluft zwischen dem politischen Anspruch und der sozialen und politischen Realität tiefer. Wenn sie die Möglichkeit hätten, diese Frage zu analysieren, könnten sehr viele Menschen leicht verstehen, daß der Sturz des Kapitalismus folgerichtig die großen Kämpfe des neunzehnten Jahrhunderts gegen Monarchie, Kolonialismus und Sklaverei ablöst. Mit vollem Recht könnte man sagen, daß die Mächtigen - angesichts einer im höchsten Maße proletarisierten Bevölkerung und hochentwickelten Wirtschaft - unerbittlich gegen den Sozialismus kämpfen, gerade weil er eine so vernünftige und einleuchtende Perspektive bietet.

Die gesellschaftliche Entwicklung geht natürlich nicht auf diese Art und Weise vonstatten - in formal logischen Schritten -, sondern durch den lebendigen Kampf, in dem das Bewußtsein, die Bereitschaft und das Selbstvertrauen der kämpfenden Parteien eine entscheidende Rolle spielt. Um zu erklären, warum die McCarthy-Bewegung trotz der starken demokratischen Traditionen der amerikanischen Bevölkerung und ihrer potentiellen Sympathie für den Sozialismus ein so leichtes Spiel hatte, müssen bestimmte soziale und kulturelle Probleme berücksichtigt werden.

Man sollte nicht außer Acht lassen, daß die Hexenjagd zwar eine ausdauernde und fanatisch betriebene Kampagne, im Großen und Ganzen jedoch nicht von physischer Unterdrückung begleitet war. Natürlich gab es das entsetzliche Beispiel der Rosenbergs. Außerdem mußten einige Mitglieder der Kommunistischen Partei ins Gefängnis; und viele Linke verloren ihr Einkommen. Aber eine große Zahl, wie auch Kazan, kapitulierten ohne Angst vor irgendwelchen besonderen Vergeltungsmaßnahmen. Viele Zeitgenossen bestätigen, daß Kazan seine Karriere am Theater oder in Europa hätte fortsetzen können. Gerade dies macht sein Verhalten so aufschlußreich.

Warum haben so viele Vertreter besonders der liberalen und künstlerischen Intelligenz so wenig Rückgrat gezeigt? Es reicht nicht aus, auf persönliche Schwächen, individuelle oder kollektive, zurückzugreifen.

Die Sache entbehrt nicht der Ironie: Zwar gelten die USA als Land des Individualismus, aber es gibt wohl nirgendwo auf der Welt einen so intensiven, unerbittlichen Anpassungsdruck. Kazan sagt vermutlich die Wahrheit, wenn er beteuert, er habe es nicht "für Geld" getan. Wahrscheinlicher ist, daß er aus Angst vor sozialer Ächtung und Verlust der Anerkennung ausgesagt hat.

Letztendlich hängen der große Lohn der Anpassung wie auch der hohe Preis für Widerstand mit dem Zustand des US-Kapitalismus zusammen. Um Ende der vierziger Jahre ihre Ideologie der verbrannten Erde zu lancieren, mußte die amerikanische Bourgeoisie überhaupt erst einmal die Möglichkeit dazu haben. Sie war als mächtigste herrschende Klasse der Welt aus dem Krieg hervorgegangen; sie verfügte über eine fast unangefochtene wirtschaftliche Vorherrschaft und riesige finanzielle Ressourcen. Ihr Staat stand im Ansehen, eine zentrale Rolle bei der Niederschlagung von Nazi-Deutschland gespielt zu haben, ein Ruf, den die amerikanische Kommunistische Partei durch ihre greuliche superpatriotische Losung ("Kommunismus ist der Amerikanismus des 20. Jahrhunderts") noch verstärkte. Die herrschende Klasse in Amerika befand sich in der einzigartigen Position, Bestechung, Schmeichelei und Einschüchterung gleichzeitig einsetzen zu können, um eine tatsächliche oder potentielle Opposition zu neutralisieren.

Die ideologische Schwäche der Bevölkerung spielte natürlich auch eine Rolle. Das Fehlen einer starken sozialistischen Tradition, ein relativ niedriges Niveau des Klassenbewußtseins und die Unfähigkeit, aus Erfahrungen allgemeine politische Schlußfolgerungen zu ziehen, machten viele Menschen für antikommunistische Propaganda empfänglich, und das ganz besonders unter Bedingungen eines generell steigenden Lebensstandards und wirtschaftlichen Aufschwungs. Auf die Intelligenz wirkte sich verheerend aus, daß es kaum eine Opposition mit ausgeprägtem Klassenbewußtsein gab. Der Stalinismus hatte in den späten dreißiger Jahren entscheidend zu diesem Problem beigetragen, als er den Kampf für sozialistische Politik unter Künstlern und Intellektuellen durch seine zynische Kampagne für "Freundschaft mit der Sowjetunion" (d. h. "Freundschaft" mit der Bürokratie und Schweigen über Stalins Verbrechen) ersetzte.

Persönlichkeiten wie Elia Kazan schlossen sich auf dem Höhepunkt der Depression der antikapitalistischen sozialen Bewegung an. Sobald die Stimmung umschlug, rächte sich jedoch, daß sie vieles nicht duchdacht und nur unkritisch übernommen hatten. Zu diesem Zeitpunkt (gegen Ende der vierziger Jahre) waren sie wohlhabend oder dabei, es zu werden, anerkannt und vom Show Business gefeiert. Und deshalb waren Kazan und andere nicht bereit, sich der Verantwortung gegenüber der Arbeiterklasse und der sozialen Sache zu erinnern, an die sie einmal geglaubt hatten. Nachdem sie den Ruhm gekostet hatten, konnten sie den Gedanken an Isolation nicht mehr ertragen. Denn in Amerika ist man ein Nichts, eine menschliche Null, solange man nicht ein Star ist, vom Erfolg überwältigt. Sich gegen die offizielle Gesellschaft zu stellen, bedeutet vor allem, ein Leben außerhalb des Rampenlichts zu führen.

Wenn man die Frage stellt, warum es in den USA so schwierig ist, Rückgrat zu zeigen, dann stößt man auf eine weitere Frage, die damit zusammenhängt: Warum ist es so schwer, in den USA ein großer Künstler zu sein? Weil große Kunst außergewöhnliche geistige Unabhängigkeit und Stärke erfordert, enorme Kraft, äußerem Druck zu widerstehen, und die unnachgiebige Verteidigung der eigenen inneren Wahrheit. Solange es an diesen Qualitäten mangelt, kann sich Kunst nicht voll entfalten.

Kazan, Budd Schulberg und die übrigen Denunzianten handelten wie nichtswürdige Feiglinge, um ihre eigene Karriere zu retten. Sterling Hayden war in seiner Autobiographie ehrlich genug, das zuzugeben. Er schreibt: "Ich denke an Larry Parks, der sich selbst dem Vergessen anheim gegeben hat. Nun ja, ich habe diesen Fehler nicht gemacht, auf keinen Fall. Ich war ein wirklich guter Wurm, was das Kriechen angeht... Ich habe [damals] eine Rolle nach der anderen bekommen... Sie standen alle Schlange, um so schnell wie möglich aus meinem neuen Status als sauberer Kulturheld Profit zu schlagen." Kazan rettete seine Haut und drehte nach seiner Denunziation noch elf Filme. Aber was war von ihm noch übrig?

Man könnte mir vorwerfen, daß ich mich zu sehr um das Schicksal eines Menschen kümmere, der sich so schändlich verhalten hat. Das Interesse an der Kunst und an Künstlern verpflichtet mich jedoch, eine Art Rechenschaft darüber abzulegen. Wenn man gegen das eigene bessere Ich handelt, wie Kazan es getan hat, dann setzt das einen Prozeß der inneren Selbstvernichtung in Gang, der sehr langsam vonstatten gehen kann, je nach dem moralischen Zustand des Individuums. Marlon Brando, vielleicht einer der größten Schauspieler, mit denen Kazan arbeitete, hat den vom Regisseur angerichteten Schaden nicht voll erfaßt, aber die menschliche Dimension verstanden, als er feststellte, daß "Kazan anderen sehr geschadet hat, am meisten aber sich selbst".

Die Worte "Kazan" und "Denunziant" verschmolzen ab diesem Zeitpunkt zu einem Begriff. Vom Standpunkt der geistigen und künstlerischen Entwicklung Kazans aus war das Schlimmste an seinem Handeln, daß es ihn unausweichlich dazu verdammte, sich für den Rest seines Lebens zu rechtfertigen. Er sollte nie mehr den Luxus genießen, sich aufrichtig einem anderen Problem widmen zu können. Er zerstörte seine eigene künstlerische Bewegungsfreiheit.

Zweifellos hat Kazan ganz einfach versucht, sich von einer Vergangenheit zu lösen, der gegenüber er keine Verpflichtung oder Sympathie mehr empfand, und die drohte, seine vielversprechende Karriere zu vernichten. Niemand ist verpflichtet, Ideen treu zu bleiben, die er inzwischen ablehnt. Aber auf die Seite des Todfeinds jedes sozialen Fortschritts überzugehen, ist etwas anderes. Kazan dachte, er könne ungestraft mit der Geschichte Katz und Maus spielen. Aber wenn es eine Lehre aus dem Debakel seines Lebens und seiner Karriere gibt, dann lautet sie: Ein solches Handeln hat Konsequenzen.

Kazans Autobiographie hinterläßt einen besonders schalen Nachgeschmack. Sie enthält einige recht treffende Schilderungen von Personen und künstlerischen Unternehmungen, viele bekannte Namen und jede Menge Frauengeschichten. Im Kern geht es in diesem Buch jedoch um Selbstmitleid, Selbstbeobachtung und Rechtfertigung. "Jeder hat seine Gründe", schreibt er. Dieser Satz, der seit Jean Renoir ein geflügeltes Wort ist, klingt aus Kazans Mund recht übel. Er meint damit: Jeder hat seine Gründe ein Schwein zu sein.

Seine Autobiographie, A Life,hat einen provokativen Grundton. Es ist eine Art von künstlerischem Bekenntnis, wie es in den letzten Jahrzehnten Mode geworden ist. Der Autor erzählt von all den scheußlichen Dingen, die er getan hat, und verhöhnt den Leser mehr oder weniger: Ja, ich bin ein Arschloch, und was hältst Du davon? Und immer läuft es darauf hinaus, daß es zur künstlerischen Persönlichkeit gehört, ein Schwein zu sein; und je größer die künstlerische Persönlichkeit, um so größer das Schwein. Kazan versucht uns glauben zu machen, und vielleicht glaubt er es selbst, daß die Denunziation seiner früheren Genossen nicht schlimmer sei, als die Manipulation eines Schauspielers bei den Dreharbeiten oder das Betrügen seiner Frau.

Jedenfalls läßt sich nicht alles dadurch entschuldigen, daß man ein Talent oder sogar Genie ist. Marxisten halten es für notwendig, eine künstlerische Leistung objektiv einzuschätzen. Natürlich muß man zwischen dem Künstler und seiner Kunst unterscheiden. Es liegt uns fern, alle Abfalltonnen nach Beweisen für die diversen Sünden eines Dichters, Malers oder Komponisten zu durchwühlen. Aber der Unterschied ist relativ und nicht absolut. Die Menschheit darf mit Recht erwarten, daß dem Künstler ihre Sorgen - in einem sehr allgemeinen Sinn - am Herzen liegen. Wir sprechen hier nicht von der etablierten Gesellschaft mit ihrer hohlen und doppelzüngigen Moral, sondern von der leidenden Menschheit, die keine Lobby hat. Mitleid, eine demokratische Grundeinstellung, selbst eine Art Würde - ist das zuviel verlangt?

Natürlich bringen auch unvollkommene menschliche Wesen Kunst hervor, und nicht nur Kunst. Sie verletzen andere und sich selbst, aber warum sollte man solche unvermeidlichen Fehler und Übeltaten zur Tugend oder gar zum Programm erheben? Die Geschichte lehrt uns, daß die Klassengesellschaft gelegentlich begabte Menschen derart verstümmelt, daß sich in ihnen künstlerischer Genius und persönliche Niedertracht vereint. Warum sollte man darin nicht einfach einen unglücklichen Umstand sehen, ein weiteres Zeichen dafür, daß diese Gesellschaft mit der Forderung nach menschlichem Glück unvereinbar ist, und nicht als Beweis, daß Genialität Niederträchtigkeit voraussetzt?

Kunst kann vieles, aber nicht alles erklären. Wir hören uns Richard Wagners Musik (oder Teile davon) mit Genuß an, aber das vertreibt den Gestank seines Antisemitismus nicht, noch seiner insgesamt miesen Auffassungen. Offen gesagt, man erinnert sich an ihn sowohl wegen seiner Musik, als auch wegen seiner Ideen. Ist es denn nicht von Bedeutung, daß die kollektive Erinnerung der Menschheit einen Mozart höher schätzt als einen Wagner; einen Van Gogh höher als einen Degas, einen Döblin höher als einen Céline und einen Breton höher als einen Eliot?

Was Kazan angeht, so bringt er auf Seite 600 seiner Autobiographie die Dinge ganz gut auf den Punkt: "Über Jahre hinweg habe ich mich, was Politik betrifft, als begeisterten Liberalen bezeichnet und legte all die öffentlichen Glaubensbekenntnisse ab, aber die Wahrheit war - und ist -, daß ich wie die meisten von euch ein Bourgeois bin. Ich gehe herum und bin charmant zu den Leuten, aber wenn es zu einer Krise kommt, dann zeigt sich, daß ich ein Mensch bin, der sich, wie die meisten Künstler, nur für eine einzige Sache interessiert: für sich selbst."

Eine bemerkenswerte Aussage. Kazan meint, daß er hier besonders clever ist, daß er eine zentrale, wenn auch unangenehme allgemeingültige Wahrheit verkündet. In Wirklichkeit offenbart er nur sein außergewöhnliches Spießbürgertum. Was ist die Logik dieser Bemerkung? Daß das Leben in erster Linie darin besteht, daß man sich um sich selbst kümmert, und Kunst vermutlich insofern nützlich sein kann, als sie einem dazu verhilft, eben dies zu tun. Wer Kunst so als Mittel zum Zweck, als etwas Äußerliches versteht, das nicht aus der Bestimmung der eigenen Existenz hervorgeht, ist als Persönlichkeit nicht ernst zu nehmen. Ein großer Künstler, man könnte sagen ein wirklich ambitionierter Künstler muß verstehen, daß das, was mit seiner Kunst passiert, viel wichtiger ist als sein persönliches Schicksal.

Marx, der dies verstand, schrieb 1842: "Der Schriftsteller betrachtet keineswegs seine Arbeiten als Mittel. Sie sind Selbstzwecke, sie sind so wenig Mittel für ihn selbst und für andere, daß er ihrer Existenz seine Existenz aufopfert, wenn's not tut, und in anderer Weise, wie der Prediger der Religion zum Prinzip macht: ‘Gott mehr gehorchen, denn den Menschen.'" (Marx Engels Werke Bd. 1, S. 71)

Kazans Erklärung ist eine Verleumdung der Kunst und ein Versuch, seine eigenen Vergehen zu verharmlosen, indem er behauptet, jeder wäre zu so etwas fähig. Nicht jeder, nur ein bestimmter Typus. Daß die gegenwärtige kulturelle Landschaft von Künstlern wimmelt, die nur an sich selbst denken, ist unter anderem dem Vorbild und Vermächtnis Elia Kazans und seinesgleichen zuzuschreiben. Die Medien verfassen Loblieder auf Kazan, weil er ihrer Vorstellung von einem Künstler entspricht: ein Mann oder eine Frau, die anspruchsvolle Arbeit leisten können - aber nichts, was allzu beunruhigend wäre; bereit, für politische Prinzipien einzutreten - solange das keine Scherereien mit der Obrigkeit bereitet; der Kunst ergeben - es sei denn, sie verlange zuviel.

Die Ehrung Kazans ist Bestandteil eines Trends zur allgemeinen Rehabilitierung von Antikommunismus und der McCarthy-Ära. Eine Zeitlang war es in gewissen Kreisen Mode, "links" zu sein. Jetzt spürt man einen großen Hunger, ein tiefes Bedürfnis seitens einiger ehemaliger Liberaler und Radikaler, sich im Nachhinein bei den Hexenjägern einzuschmeicheln, um endlich auf der "Seite der Sieger" zu stehen. Dies ist der Auftakt und eine Blankovollmacht für einen erneuten, ernsten Angriff auf demokratische Rechte.

Indem sie Kazan applaudieren, applaudieren die Mitglieder der Akademie sich selbst. Was drücken sie damit aus? "Unter ähnlichen Umständen würden wir ganz genauso handeln." Das Establishment der Filmindustrie macht den Künstler-Denunzianten zum Vorbild für Gegenwart und Zukunft. Eine solche Ehrung kann zu nichts Gutem führen. Wir verurteilen die Entscheidung der Akademie. Man hüte sich vor denjenigen, die Feigheit und Mangel an Prinzipien belohnen! Wie James P. Cannon, ein aufrichtiger Antistalinist, zwei Monate nach Kazans Aussage vor dem HUAC in bezug auf ein anderes typisches Exemplar der McCarthy-Ära, Whittaker Chambers, erklärte: "Der amerikanische Kapitalismus, der zu verfaulen begann, bevor er zur Reife gelangte, bejubelt die Spitzel und Denunzianten, die andere verraten und sich selbst bereichern, als Verkörperung seiner höchsten Werte. An ihren Helden sollt Ihr sie erkennen."

Bibliographie:

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