Mit dem Mord an einem Palästinenserführer eskaliert Israel die Provokationen und Gewalttaten

Abu Ali Mustafa, der Führer der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), wurde am letzten Montag in Ramallah auf der Westbank von der israelischen Armee ermordet. Mustafa ist einer der fünf höchsten Führer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und der bisher ranghöchste Palästinenser, der der israelischen Politik der Ermordung arabischer Führer zum Opfer gefallen ist.

Der Mord - der jüngste von mindestens fünfzig "gezielten Tötungen" von Aktivisten seit Beginn des palästinensischen Aufstands im vergangenen September - kommt einer Eskalation der Provokationen seitens der israelischen Regierung gegen die palästinensische Bevölkerung gleich. Es ist jedoch keineswegs der erste Versuch der israelischen Behörden, führende Palästinenser zu liquidieren.

1988 erschoss ein israelisches Kommando einen von Arafats engsten Vertrauten und Mitgründer der Al Fatah - Khalil Al Wazir, auch bekannt als Abu Jihad - in einem Überfall auf sein Haus in Tunis. 1995 wurde Fathi Shakaki, der Führer des Islamischen Jihad, vor einem Hotel auf Malta erschossen; auch dieses Attentat wird Israel zur Last gelegt. Vor kurzem unternahmen die Israelis einen gescheiterten Versuch, Hafez Barghouti, den Herausgeber der palästinensischen Zeitung Al Hayat al Jadida umzubringen.

Zeugen des Mordes an Mustafa berichteten, dass israelische Helikopter zwei Laser-gesteuerte Raketen durch die Fenster in sein Büro schossen und so den 64-jährigen Palästinenserführer töteten, dessen enthauptete und verkohlte Leiche an seinem Schreibtisch gefunden wurde.

Durch die Explosion wurden mehrere weitere Menschen in dem dreistöckigen Wohnhaus verletzt, darunter zwei Sicherheitsbeauftragte von Mustafa wie auch ein Arbeiter auf der Straße, der durch einen Granatensplitter getroffen wurde. Die PFLP-Büros befinden sich nur eine Straße und keine 200 Meter entfernt von den Büros des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Arafat.

Als der Mord bekannt wurde, erfolgte ein wahrer Zornesausbruch: Palästinenser marschierten durch die Straßen der Städte auf der Westbank. In Arabe, Mustafas Heimatdorf im Norden der Westbank, protestierten über 5.000 Menschen gegen das Attentat. Arafat rief eine dreitägige Trauer für Mustafa aus. Verschiedene Palästinenserorganisationen erklärten, sie wollten den Mord an dem PFLP-Führer rächen.

Nach dem Mord gab die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) eine Erklärung heraus, in der es heißt: "Mit dieser Aggression kennt die israelische Regierung keine Tabus mehr und schreckt vor nichts mehr zurück, was zu einem offenen Krieg führt." Der Informationsminister der PA, Jassir Abded Rabbo, nannte den Übergriff "eins der hinterhältigsten Verbrechen, das die israelische Regierung je begangen hat", und sagte, die israelische Regierung habe die besetzten Territorien in ein "Minenfeld" verwandelt, "in dem die Wut explodieren soll".

Die israelische Armee bekannte sich kurz nach dem Ereignis zum Überfall auf das PFLP-Büro. Wie schon bei früheren Attentaten erklärten Regierungssprecher, Israel handle zu seiner Selbstverteidigung, und behaupteten, Mustafa sei für viele der jüngsten Terroranschläge verantwortlich. Ra'anan Gissin, ein Sprecher der israelischen Regierung, erklärte, Mustafa sei nicht nur wegen früherer Aktivitäten "entfernt" worden, sondern auch, "weil er in seinem Büro zukünftige Übergriffe ausheckte". Wie gewöhnlich hatten die israelischen Sprecher keinerlei Beweise zur Hand, um ihre Behauptungen zu untermauern.

Dieser Mord wurde kurz nach einem Treffen des Sicherheitskabinetts ausgeführt, das der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon am vergangenen Sonntagabend einberufen hatte. Er selbst, der Außenminister Shimon Peres und der Verteidigungsminister Benjamin Ben Eliezar bekräftigten dabei erneut die Politik der gezielten Tötungen und anderer Übergriffe auf das palästinensische Hoheitsgebiet.

Schon am Sonntag hatten israelische F-16- und F-15-Kampfflugzeuge im Morgengrauen Bombenangriffe auf palästinensische Polizeigebäude im Gazastreifen und auf der Westbank geflogen, und Panzer und gepanzerte Bulldozer waren in die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifen eingefallen, hatten dort Gebäude der Sicherheitskräfte niedergewalzt und einen palästinensischen Polizisten getötet. An diesem Wochenende waren im ganzen elf Menschen - sieben Israelis und vier Palästinenser - in den Kämpfen gestorben.

Der Mord an Mustafa war offensichtlich ein Vergeltungsakt für ein Selbstmordattentat am Samstag, in dem zwei bewaffnete Palästinenser in den stark befestigten Militärstützpunkt Marganit in einer israelischen Siedlung im südlichen Gazastreifen eindrangen und drei Soldaten töteten, ehe sie sich selbst umbrachten. Die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) bekannte sich zu dem Überfall, der das politische und militärische Establishment Israels erschütterte.

Die DFLP ist die kleinste der drei Fraktionen, die zusammen die PLO bilden. Die anderen zwei sind die PFLP und die Al Fatah von Arafat. Wie Mustafas Organisation ist die DFLP gegen das Abkommen von Oslo, das Arafat zusammen mit der israelischen Regierung unterschrieben hat. Die PFLP und die DFLP - zwei säkulare Organisationen, die sich früher als marxistisch bezeichneten - hatten auf Kosten fundamentalistisch-islamischer Gruppierungen wie der Hamas an Einfluss verloren. In jüngster Zeit gewannen sie jedoch angesichts der israelischen Gewalt und der versöhnlichen Politik Arafats wieder zunehmende Unterstützung.

Nach dem Überfall auf Marganit berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz, dass Mustafas PFLP die Verantwortung für den Angriff übernommen habe. Aber die israelischen Sicherheitskräfte ließen verlauten, die PFLP bekenne sich nur dazu, um Arafats Al Fatah in Schutz zu nehmen, die in Wirklichkeit - so die Israelis - hinter dem Überfall stecke. In seiner Rede auf einer Konferenz der israelischen Arbeitspartei bestätigte der Verteidigungsminister Eliezar am Sonntag die Position der Sharon-Regierung, dass Arafat für alle solchen Angriffe verantwortlich sei, und nannte den PA-Vorsitzenden einen "grausamen Feind".

Die Palästinenser haben zu Recht den Verdacht geäußert, die Bush-Regierung habe grünes Licht für die israelische Tötungspolitik signalisiert. Am Freitag, nur drei Tage vor dem israelischen Mord an Mustafa, beschuldigte Bush Arafat, er trage die Verantwortung für die Gewalt, weil er nicht genug unternehme, um terroristische Aktivitäten zu stoppen. Er erklärte: "Unter dieser terroristischen Bedrohung werden die Israelis nicht verhandeln. So einfach ist das."

Nach dem Mord veröffentlichte das US-Außenministerium eine schwache Kritik und erklärte, diese Aktion schüre die Spannungen noch mehr und gestalte es zunehmend schwieriger, die Ruhe wieder herzustellen. Diese Erklärung wiederholte jedoch die Linie der USA, dass Arafat und die Palästinensische Autonomiebehörde die Urheber der Gewalt seien, und forderte, sie müssten mehr tun, um Angriffe auf Israel zu stoppen und die Verantwortlichen zu verhaften.

Die US-Tolerierung, wenn nicht de facto Unterstützung, für die israelischen Morde unterstreichen die Heuchelei der US-Außenpolitik. Israel ist das einzige Land auf der Welt, das seine politischen Gegner systematisch eliminiert und öffentlich auf seinem Recht beharrt, dies zu tun. Dennoch bewaffnen die USA Israel bis an die Zähne und verteidigen es als Hort der Demokratie und Zivilisation, während sie den Irak als Schurkenstaat bezeichnen und seine Bevölkerung militärischen Angriffen und wirtschaftlicher Zerstörung unterwerfen. Diese offensichtliche Doppelmoral kann nicht durch irgendwelche Hinweise auf Ideale des Friedens und der Demokratie erklärt werden, sondern nur durch die strategischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen des amerikanischen Kapitalismus im ölreichen Nahen Osten, dem Persischen Golf und Zentralasien.

Nach der Rechtfertigungstheorie, die von der israelischen Regierung zur Begründung ihrer Politik der Ermordung palästinensischer Führer angeführt wird, müssen auch Arafat und jeder andere führende Politiker im Nahen Osten, der die Palästinenser unterstützt, zu den potentiellen Mordopfern gerechnet werden. Das israelische Regime maßt sich selbst die Rolle des Richters, Geschworenen und Henkers an.

Gideon Esra, ein Vertreter des Ministeriums für Innere Sicherheit, ging vor kurzem sogar noch weiter und schlug eine Politik vor, auch die Verwandten derjenigen, die Israelis töteten, zu ermorden.

Der Mord an Mustafa und die israelische Mordpolitik als Ganzes drücken die schiere Ratlosigkeit und Verzweiflung des zionistischen Regimes aus. Die Sharon-Regierung schürt Tag für Tag die bereits hochexplosive Spannung in der Region. Sprecher der jordanischen und ägyptischen Regierungen, der einzigen beiden, die Friedensverträge mit Israel unterzeichnet haben, wie auch die US-freundlichen Scheichtümer am persischen Golf haben davor gewarnt, dass die Morde die soziale Unzufriedenheit nähren und die Stabilität ihrer eigenen Herrschaft untergraben könnten.

Die Politik der Brandstiftung des zionistischen Regimes bereiten eine enorme Tragödie vor, die die ganze Region zu überschwemmen droht und sowohl für die israelische Arbeiterklasse als auch die arabischen Massen schreckliche Folgen haben wird.

Siehe auch:
Der Hintergrund der gezielten Mordanschläge Israels
(11. August 2001)
Die ethnischen Säuberungen des Zionismus
( 26. Januar 2001)
Loading