Bush wird von seinen alten Geschäften eingeholt

Am Vorabend einer Rede vor führenden Geschäftsleuten in der Wall Street gab George W. Bush am Montag eine improvisierte Pressekonferenz, bei der er mit Fragen gelöchert wurde, die seine eigenen Geschäfte als Vorstandsmitglied des texanischen Unternehmens Harken Energy vor mehr als einem Jahrzehnt betrafen.

Selbst als er eine vorbereitete Stellungnahme verlas, in der er eine harte Haltung gegenüber illegalen Machenschaften von Unternehmen versprach, konnte Bush sein einfältiges Grinsen nicht unterdrücken, das mittlerweile zu seinem Markenzeichen geworden ist. Als er nach einer Untersuchung durch die Börsenaufsichtsbehörde (SEC) von 1991 gefragt wurde, die sich mit seinem Abstoßen von Harken-Aktien kurz vor Bekanntwerden von massiven Verlusten des Unternehmens beschäftigt hatte, mauerte Bush.

Nichtsdestotrotz befand er sich deutlich in der Defensive. Bush machte seine bedeutsamste Bemerkung bei der Beantwortung einer Frage nach der wachsende Welle von Unternehmensskandalen, die an jenem Morgen eine weitere große amerikanische Firma, Merck & Co., erreicht hatte. Das Wall Street Journal berichtete am Montag, dass der Pharmariese in den vergangenen drei Jahren 12,4 Milliarden Dollar als Einkünfte angegeben hatte, die niemals erwirtschaftet worden waren.

"Ich bin sehr besorgt um ein Land, das möglicherweise das Vertrauen in das System des freien Unternehmertums verlieren könnte", sagte Bush den Reportern.

Dieses Eingeständnis ist starker Ausdruck des zunehmenden Gefühls in der Bush-Regierung, dass man sich in einer Krise befindet - eine Krise, die nicht nur die kurzfristige Stabilität der Republikanischen Regierung betrifft, sondern auch die langfristige Zukunft des Profitsystems selbst. Das wirtschaftliche und politische Establishment wird zunehmend von der Angst ergriffen, dass das Aufdecken von Unternehmenskriminalität die Wut in der Bevölkerung über die wachsende soziale Ungleichheit beflügeln und zur Entstehung einer politischen Bewegung gegen das System des sogenannten "freien Unternehmertums" führen könnte.

Dies ist einer der wichtigen Faktoren hinter der plötzlichen Schwemme von Presseberichten und Kommentaren über Bushs persönliche Geschäftspraktiken. Sprecher des Weißen Hauses wiederholen immer wieder, dass dies alte Geschichten sind, die sich ihrer Ansicht nach schon lange erledigt haben. Diese Fragen sind allerdings wieder aufgetaucht, weil das Platzen der Aktienblase und der Zusammenbruch von Großunternehmen, die sich auf die Inflation der Aktienwerte und verschiedene Formen des Schwindels und Betrugs stützten, ein neues Klima einer politischen Krise geschaffen haben.

In den Angriffen auf Bushs Vergangenheit als Geschäftsmann durch Teile der Medien und einflussreiche Wirtschaftskommentatoren zeigt sich ein zentraler Aspekt dieser Krise: Das Aufbrechen von scharfen Differenzen in den oberen Rängen der herrschenden Elite über die Politik der Bush-Regierung hinsichtlich einer ganzen Reihe von Fragen. Hinter den Kulissen wüten Konflikte über die leichtfertige, rücksichtslose und aufwiegelnde Natur der Initiativen von Bush, und zwar sowohl in Bezug auf die Innen- als auch auf die Außenpolitik.

Es mehren sich Bedenken über die gefährlichen Folgen von Bushs Militärinterventionen, die provokative Haltung gegenüber Europa und die Konsequenzen seiner Politik im Innern, die die Abschaffung aller Beschränkungen für Unternehmen bei der Profitmaximierung mit sich bringt. Mächtige Teile der Geschäftswelt befürchten, dass die Politik der Regierung zu einer Krise mit katastrophalen Ausmaßen führen kann. Sie benutzen Bushs persönliche Missetaten als Mittel, um diesen verdeckten politischen Krieg auf öffentlicher Ebene auszutragen.

Dies schmälert jedoch nicht die eigentliche Bedeutung der korrupten Geschäftemachereien, die ans Licht kommen. Es handelt sich bei Bushs Register als Geschäftsmann nicht um einen fabrizierten Skandal, wie es bei der gegen Bill Clinton gerichteten Whitewater-Affäre der Fall war. Diese Grundstücksspekulation, die nur relativ kurze Zeit lief und ein Verlustgeschäft war, wurde von den rechten Gegnern der Clinton-Regierung als Vorwand für eine politische Verschwörung benutzt, um die Regierung zu Fall zu bringen.

Bushs Insidergeschäfte demgegenüber waren in Bezug auf den Wertpapierhandel eine wirkliche Verletzung von Gesetzen, und sie sind ein typisches Beispiel für die Art von Praktiken, die inzwischen mit den Namen Enron, Global Crossing, WorldCom und einer Reihe anderer Unternehmen verbunden sind.

Bush geht an die Wall Street, um Unternehmensführern einen Vortrag über Geschäftsmoral zu halten, während gleichzeitig ein Berg von Beweisen vorliegt, dass er und praktisch jedes andere Mitglied seiner Regierung in seiner eigenen Unternehmerkarriere für eben jene Methoden standen, die er jetzt tadeln will.

Sprecher des Weißen Hauses haben gesagt, dass der Präsident seine Rede an der Wall Street dazu nutzen wird, seiner jüngsten Forderungen nach härterer Strafverfolgung gegen illegale Unternehmenspraktiken Nachdruck zu verleihen, wobei für die schlimmsten Gesetzesbrüche Gefängnisstrafen verhängt werden sollen. Der Zweck solcher Stellungnahmen besteht darin, die wachsende Wut in der Bevölkerung über die systematische Plünderung der Wirtschaft durch die Unternehmenselite zu besänftigen. Die Idee ist, an ein paar Betrügern ein Exempel zu statuieren, um von der überall vorhandenen Plünderei abzulenken, die inzwischen zu einem Charakteristikum des amerikanischen "freien Unternehmertums" geworden ist.

Wenn Bush ernst damit wäre, könnte er mit seinem eigenen Staatssekretär Thomas White beginnen, der Vizevorsitzender der Enron Energy Services war, als der Konzern Hunderte Millionen Dollar an Verlusten verheimlichte und durch Manipulationen des Strommarktes Kalifornien in eine furchtbare Energiekrise warf. Der Nächste in der Reihe könnte der Anwalt Harvey Pitt sein, den er zum Leiter der Börsenaufsicht (SEC) gemacht hat und der zuvor die großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen, zu denen unter anderem auch der inzwischen überführte Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen gehörte, und die wichtigsten Investmentfirmen vertrat. Noch vor Kurzem traf sich Pitt privat mit Führungskräften von Xerox und KPMG, während seine eigene Behörde bereits Untersuchungen gegen diese Firmen eingeleitet hatte.

Noch weiter oben ist Bushs Vizepräsident Dick Cheney anzusiedeln, die éminence grise - die graue Eminenz - der Regierung. Cheneys ehemalige Firma, der in Dallas ansässige Energiekonzern Halliburton, wird derzeit von der SEC überprüft, weil sie Kosten in Höhe von bis zu 100 Millionen Dollar als Einkünfte verbucht hat. Als Präsident und Vorsitzender des Unternehmens leitete genau Cheney im Jahre 1998 die Einführung dieser spezifischen Form von Bilanzfälschung.

Bushs eigene Geschäftskarriere ist beispielhaft für all die Eigenschaften - Habgier, Unaufrichtigkeit, Rücksichtslosigkeit, Selbstbereicherung auf Kosten der Teilhaber, der Angestellten und der Öffentlichkeit allgemein - die charakteristisch waren für den Boom der 90er Jahre, der vor allem von den Aktienmärkten getragen wurde. In der Person Bush verbindet sich dies mit Ignoranz und den schlimmsten Formen der Vetternwirtschaft.

Über Bushs Verkauf von zwei Dritteln seiner Aktien von Harken Energy im Juni 1990 für 848.000 Dollar ist bereits viel berichtet worden, seitdem der Wirtschaftskolumnist der New York Times Paul Krugman am 2. Juli den Stein ins Rollen gebracht hatte. Bushs Abstoßen von Aktien seiner eigenen Firma war der klassische Fall eines Insidergeschäfts.

Als ein Vorstand des Unternehmens und Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses und eines speziellen Umstrukturierungskomitees hatte Bush Zugang zu Informationen darüber, dass die Firma Verluste aufhäufte und dem Bankrott entgegensteuerte. Er hatte Memoranden erhalten, dass der Konzern vor einer "Liquiditätskrise" stand und "in einem Zustand der Nicht-Erfüllung" gegenüber seinen Gläubigern war.

Nur zwei Monate nachdem Bush den größten Teil seiner Aktien verkauft hatte, gab Harken einen Quartalsverlust von 23 Millionen Dollar bekannt. Die Aktienpreise der Firma fielen dramatisch, von 4 Dollar zum Zeitpunkt von Bushs Verkäufen auf nur wenig mehr als 2 Dollar. Am Ende des Jahres war die Harken-Aktie auf den Wert von 1 Dollar herabgesunken.

Den Wertpapiergesetzen zufolge war Bush als Repräsentant einer Firma verpflichtet, der Börsenaufsicht innerhalb von zehn Tagen nach der Transaktion einen Bericht über seine Aktienverkäufe zukommen zu lassen. Er brauchte dazu 34 Wochen.

Harken steht beispielhaft für die Art von Buchhaltungstricks und Korruption auf der Ebene der Unternehmensführung, die jetzt bei Enron und anderen Konzernen bekannt geworden sind. Im Jahre 1989 verheimlichte Harken wachsende Verluste, indem der "Verkauf" einer Tochterfirma, der Aloha Petroleum, für 10 Millionen Dollar an eine Gruppe von Harken-Geschäftsführern arrangiert wurde, wobei sich die Käufer wiederum das Geld für den Erwerb von Aloha von der Muttergesellschaft Harken liehen. Mit diesem Taschenspielertrick war Harken in der Lage zusätzliche 10 Millionen Dollar bei den Einnahmen des Konzerns zu verbuchen und dadurch den tatsächlichen Zustand der Firma vor ihren Aktionären und Investoren allgemein zu verschleiern. Im Januar 1991, nach "Diskussionen" mit der SEC über die Sache mit Aloha Petroleum, gab Harken bekannt, dass die Verluste der Firma für das Jahr 1989 um mehr als 9 Millionen Dollar höher anzusetzen sind.

Bush lieh sich persönlich 180.375 Dollar bei dem Unternehmen - ein Darlehen, das ihm später "erlassen" wurde. Solche Vorgänge waren bei Harken allerdings nicht ungewöhnlich. Allein im Jahre 1990 erließ der Vorstand von Harken Darlehen in Höhe von 341.000 Dollar, die an Mitglieder der Unternehmensleitung vergeben worden waren.

Bush verdankte seine Position bei Harken und seinen lukrativen Anteil an Aktien des Unternehmens keinesfalls seinem Scharfsinn in geschäftlichen Dingen oder seinen persönlichen Verdiensten, sondern ganz und gar seinen familiären Beziehungen. 1986 machte Bushs kleine texanische Ölfirma Spectrum 7 Verluste und war hoffnungslos verschuldet. Aber sein Vater war Vizepräsident in der Reagan-Regierung.

Harken kaufte Spectrum 7 zum völlig überhöhten Preis von 2 Millionen Dollar und setzte Bush in den eigenen Vorstand und die Rechnungsprüfungskommission. Der Grund dafür war, um es mit den Worten des Harken-Gründers Phil Kendrick zu sagen: "Sein Name lautete George Bush."

Zu der Zeit, als die SEC sich im April 1991 nach einer Enthüllung im Wall Street Journal entschloss, Bushs Insiderhandel mit Harken-Aktien zu untersuchen, saß sein Vater im Weißen Haus. Die SEC befand, dass Bush bei dem Insidergeschäft Gesetze verletzt hatte, entschied sich aber, den Fall nicht weiter zu verfolgen.

Wieder einmal waren Bush die Familien- und Insiderbeziehungen zustatten gekommen. Nicht allein hatte sein Vater, der Präsident, den SEC-Vorsitzenden ernannt, sondern Bushs ehemaliger persönlicher Anwalt James R. Doty war zudem noch der Anklagevertreter der SEC. Außerdem war der Anwalt Robert Jordan, der Bush bei der Untersuchung vertrat, der ehemalige Partner von Doty bei der Firma Baker Botts.

Mit dem Geldgeschenk, das Bush durch seinen rechtzeitigen Verkauf der Harken-Aktien erhalten hatte, bezahlte er einen Kredit ab, den er aufgenommen hatte, um sich in das professionelle Baseballteam Texas Rangers einzukaufen. Der Anwalt, der ihn bei dem Geschäft mit den Texas Rangers vertrat war kein anderer als James R. Doty.

1998 verkaufte Bush seinen Anteil an den Rangers für 16 Millionen Dollar und katapultierte sich damit in die Liga der Multimillionäre. So schlug Bush ein beachtliches Vermögen aus seinen Familienverbindungen; mit der Hilfe von Freunden in hohen Positionen und dem Einsatz von Insiderwissen konnte er auf Kosten seiner eigenen Firma einen Riesengewinn machen.

Bushs Glück könnte durch das Amt seines Vaters im Weißen Haus durchaus noch direkter nachgeholfen worden sein. Weniger als 30 Tage bevor Bush seine Harken-Aktien verkauft hatte, sandte der Nationale Sicherheitsberater seines Vaters, Brent Scowcroft, dem Präsidenten ein geheimes Memorandum, in dem er vor wahrscheinlichen Feindseligkeiten zwischen dem Irak und Kuwait warnte. Zu der Zeit war Harkens einzig laufendes Geschäft ein Bohrprojekt in Bahrain. Der Ausbruch eines Kriegs im Persischen Golf musste daher ruinöse Konsequenzen für Harkens Geschäfte haben.

Als die Konflikte am Golf ausbrachen, weniger als zwei Monate nachdem Bush seine Aktien verkauft hatte, stürzten die Harken-Aktien ab. Die Aktien verloren 25 Prozent ihres Wertes an dem Tag, an dem der Irak in Kuwait einfiel. Hätte Bush zu diesem Zeitpunkt noch seine Aktien besessen, hätte er fast 250.000 Dollar verloren.

Die Geschichte von Bushs Fall ist bezeichnend für den Aufstieg der reaktionärsten und gierigsten Elemente an die Spitze der amerikanischen Geschäftswelt. Dies ist eine soziale Schicht, die einen kolossalen Reichtum angehäuft hat, indem sie ihre hohen Positionen in Unternehmen nutzte, um das Vermögen eben jener Unternehmen zu stehlen, die sie leiteten. Mit dieser Bereicherung ging die arglistige Täuschung von Investoren einher, das Ruinieren von Rentenfonds, das Ausbluten der aktienbasierten Betriebsrenten in den sogenannten 401K-Fonds, die Vernichtung von Arbeitsplätzen und die Zerstörung der Sparguthaben und des Lebensunterhalts von Dutzenden Millionen Menschen.

Dies sind nicht einfach nur die Praktiken einer Handvoll von Schurken. Ihr Ursprung ist nicht individuelle Habgier oder persönliche Immoralität. Ebenso wenig handelt es sich bloß um "Exzesse". Vielmehr sind diese Praktiken mit einer größeren Krise des kapitalistischen Systems verbunden. Sie sind verknüpft mit den Versuchen der herrschenden Elite in den Vereinigten Staaten und international, die Krise durch die Schaffung von immer größeren Mengen an fiktivem Kapital zu verschleiern und durch brutale Angriffe auf den Lebensstandard und die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse auszugleichen.

Kriminelle Unternehmenspraktiken sind keineswegs ein Monopol der Republikanischen Partei und ihrer Unterstützer in der Wirtschaft. Die Orgie der Aktienmarktspekulation und Bilanzfälschung erreichte ihren Höhepunkt unter der Demokratischen Clinton-Regierung. Demokraten und Republikaner stehen gleichermaßen direkt oder indirekt auf der Gehaltsliste der Wirtschaftsführer. Eine kürzlich erschienen Studie stellte fest, dass drei Viertel aller Spendengelder, die die Republikaner erhalten, aus der Wirtschaft kommen, bei den Demokraten sind es zwei Drittel. Dies ist auch eine Erklärung, warum die Demokraten so sehr davor zurückschrecken, Bushs Verbindungen zu Enron herauszustellen, und warum sie sich gegenüber den Unternehmensvorständen so feige verhalten.

Die Bush-Regierung verkörpert jedoch exakt jene gesellschaftlichen Elemente, die am stärksten mit der Etablierung krimineller Methoden in der amerikanischen Geschäftswelt verbunden sind. Die derzeitige Regierung - eine Regierung der politischen Unterwelt - ist ihr konzentrierter politischer Ausdruck.

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