Ein Porträt der Regierung Berlusconi

"Alle für einen, einer für sich"

Berlusconis Forza Italia (2)

Im Juni 2001 hat in Rom zum zweiten Mal nach 1994 eine rechte Regierung unter Leitung des Medienmagnaten Silvio Berlusconi die Amtsgeschäfte übernommen. Bestehend aus Berlusconis Forza Italia, der faschistischen Alleanza Nazionale und der separatistischen Lega Nord sprengt sie den Rahmen des bisher im Nachkriegseuropa üblichen und akzeptablen. Die folgende Artikelserie, die wir in den kommenden Wochen in losen Abständen veröffentlichen, untersucht die ideologischen und politischen Wurzeln der einzelnen Bestandteile der Römer Koalition und stellt abschließend die Frage nach der Ursache ihres Aufstiegs. Der erste Teil über Berlusconis Aufstieg ist am 27. März erschienen.

Forza Italia

Der Kollaps des alten Parteiensystems bedrohte die Existenz von Berlusconis Medienimperium. Es war Ende 1992 mit 4.500 Mrd. Lire (rund 2,3 Mrd. Euro) überschuldet, stand medienrechtlich auf unsicherem Boden und geriet zunehmend selbst ins Fadenkreuz der Ermittler von Mani pulite. Das Wegfallen der politischen Protektion drohte es wie ein Kartenhaus zu Fall zu bringen. Unter diesen Umständen trat Berlusconi die Flucht nach vorn an und ging selbst in die Politik.

Forza Italia entstand - genauso wie das Wohnviertel Milano 2 und Berlusconis Fernsehnetz - als Unternehmenszweig von Fininvest. Im Herbst 1993, lange bevor die Partei erstmals öffentlich in Erscheinung trat, plante eine Gruppe führender Konzernmanager Wahlkampf und Strategie. Die firmeneigene Werbeagentur Publiatalia stellte das politische Führungspersonal und entwickelte das Parteiprogramm, das vom hauseigenen Meinungsforschungsinstitut Diakron getestet und entsprechend den Umfragen modifiziert wurde.

Auch die Wahlkandidaten wurden wie die Angestellten eines Unternehmens ausgewählt. Eigens eingestellte Headhunter prüften die Bewerber nach Produktivitätskriterien. Gefragt waren Fähigkeiten als Verkäufer, vorherige politische Erfahrungen dagegen nicht erforderlich. Wer die Vorauswahl überstand, wurde von der Parteiführung auf die politische Eignung getestet. Auch hier ging es um Äußerlichkeiten, Bart- und Brillenträger hatten wenig Chancen. Den Auserwählten wurden von den Marketingstrategen der Parteizentrale die Wahlkampfthemen und das richtige Image verpasst. Herausragenden Wahlkämpfern winkten Prämien - Fernreisen, Freikarten für Fußballspiele und als Höchstpreis ein Wochenende in der Privatvilla Berlusconis.

Eine Basis für die Partei wurde nach dem Vorbild der - wegen ihres Rassismus und Antisemitismus notorischen - italienischen Fußballfanclubs organisiert: Forza Italia Clubs, die Fähnchen, Pins, Krawatten und Bildchen ihres Gurus in der Farbe der italienischen Trikolore vertreiben, politisch aber nichts zu sagen haben. Auch der Name Forza Italia ("Los Italien!") stammt aus der Welt des Fußballs. Es ist der Schlachtruf der Fans der italienischen Nationalmannschaft. Es erübrigt sich fast zu erwähnen, dass auch Berlusconis Fernsehsender ganz in den Dienst von Forza Italia und ihres Wahlkampfs gestellt wurden

Die Kontrolle über Forza Italia liegt bis heute in den Händen Berlusconis, um den ein regelrechter Führerkult getrieben wird. Ein erster Parteikongress fand erst 1998, vier Jahre nach der Gründung der Partei statt. Berlusconi stützt sich auf eine Handvoll Vertrauensmänner, die seinen Aufstieg zum Teil seit frühester Jugend begleitet hatten und die sich sowohl in seiner ersten wie auch in seiner zweiten Regierung auf wichtigen Ministerposten wiederfanden.

Ein typisches Beispiel ist Cesare Previti, ein enger Vertrauter und Anwalt Berlusconis, der vor der Gründung von Forza Italia mit der faschistischen MSI sympathisiert hatte. Schon Cesares Vater, der Steuerberater Umberto Previti, hatte als Geschäftsführer und Kommanditist in Berlusconis Baukonzernen eine wichtige Rolle gespielt. Der Junior war Justitiar von Fininvest. 1994 übernahm er das Amt des Verteidigungsministers. Berlusconi hatte ihn eigentlich zum Justizminister machen wollen, aber das scheiterte an der öffentlichen Empörung. Previti hinderte das allerdings nicht daran, vom Sessel des Verteidigungsministers aus die Staatsanwälte von Mani pulite mit Presseattacken und gerichtlichen Anzeigen zu überhäufen. 2001 konnte er nicht wieder Minister werden, weil ihm wegen Richterbestechung der Prozess gemacht wurde.

Rein wirtschaftlich betrachtet war Forza Italia für Fininvest eine lohnende Investition. Sie gewann 1994 mit 21 Prozent der Stimmen die Wahl und Berlusconi wurde Regierungschef. Als die Regierungskoalition sieben Monate später zerbrach und Berlusconi zurücktrat, war Fininvest saniert. Finanzminister Giulio Tremonti hatte für ein Steuergesetz gesorgt, das Berlusconis Firmenimperium um eine zweistellige Millionensumme entlastete und vor dem Kollaps rettete. Tremonti sitzt übrigens inzwischen erneut in der Regierung. An der Spitze eines stark erweiterten Wirtschaftsministerium ist er für die Verwirklichung der von Berlusconi angekündigten liberalen Reformen und massiven Steuersenkungen verantwortlich.

Das Programm von Forza Italia

Es wäre maßlos übertrieben, von einem Parteiprogramm Forza Italias im herkömmlichen Sinne zu sprechen. Die politischen Äußerungen und Aufrufe der Partei bestehen aus sorgfältig zubereiteten Werbehäppchen, die ganz auf die Wirkung beim Publikum berechnet sind und aufgrund der neuesten Meinungsumfragen ständig korrigiert werden. Die durch Berlusconi verkündete und von seinen Helfern und Fernsehkanälen tausendfach reproduzierte Botschaft soll an das Gefühl und nicht an den Verstand appellieren. Die Verpackung ist wichtiger als der Inhalt. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen. Jeder Auftritt, jede Äußerung eines Kandidaten wird bis ins letzte Detail geplant, muss von den Marketingspezialisten in der Parteizentrale abgesegnet werden.

Dennoch verfügt Forza Italia über eine unverwechselbare Zielsetzung.

Da ist als erstes der hysterische Antikommunismus, der alle öffentlichen Auftritte Berlusconis begleitet und sich bis zum Verfolgungswahn steigert - angefangen bei ständigen Attacken auf das öffentliche Fernsehen RAI bis hin zur Beschimpfung von Richtern und Staatsanwälten als "rote Roben". Angesichts des Untergangs der Sowjetunion und der Kommunistischen Partei Italiens nimmt sich dieser Antikommunismus etwas merkwürdig aus. Er wirkt wie ein verstaubtes Relikt aus dem Kalten Krieg. Dennoch hat er einen rationalen Kern. Er richtet sich gegen alles, was auch nur im entferntesten nach einem Eingriff des Staates in das blindwütige Walten des Marktes riecht. Vor allem wendet er sich gegen jede staatliche Maßnahme mit dem Ziel, mehr soziale Gleichheit herzustellen.

Oder wie es Berlusconi selbst in einer Rede formulierte: "Sie glauben nicht an den Markt, sie glauben nicht an den Profit, sie glauben nicht an das Individuum. Sie glauben nicht, dass die Welt sich durch den freien Beitrag so vieler voneinander ganz verschiedener Menschen verbessern kann. Deshalb sind wir gezwungen, uns ihnen entgegenzustellen. Denn wir glauben an das Individuum, an die Familie, an das Unternehmertum, an den Wettbewerb, an den Fortschritt, an die Effizienz, an den freien Markt und an die Solidarität, die Tochter der Gerechtigkeit und der Freiheit."

Pol der Freiheiten nannte Berlusconi das Bündnis, mit dem die Rechtskoalition zur Wahl antrat. Aber Forza Italia kennt nur eine Freiheit, die Freiheit des Ellbogens, die Befreiung des Individuums - oder genauer, Silvio Berlusconis - von jeder Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Gesellschaft als ganzer. "Alle für einen, einer für sich", wurde das Motto der Berlusconi-Partei einmal scherzhaft genannt.

Und hier sind wir bereits beim zweiten Element des Programms von Forza Italia. Berlusconi hat mit zwanzigjähriger Verspätung den Thatcherismus auf italienischen Boden verpflanzt. Der berüchtigte Ausspruch der Eisernen Lady, es gebe keine Gesellschaft, sondern nur Individuen, könnte ebenso gut von ihm stammen. Unter Berlusconis engsten Mitarbeitern finden sich ausgeprägte Vertreter jener monetaristischen Schule, die schon Margaret Thatcher und Ronald Reagan die wirtschaftpolitischen Stichworte geliefert hatte.

An erster Stelle ist hier Antonio Martino zu nennen, der 1994 maßgeblich an der Formulierung des Wahlprogramms von Forza Italia beteiligt war, in der ersten Regierung Berlusconi das Außenressort leitete und inzwischen als Verteidigungsminister amtiert. Martino hat bei Milton Friedman in Chicago Wirtschaftswissenschaften studiert und dabei eng mit dem Wortführer des Monetarismus zusammengearbeitet. Auch der Jurist und Steuerexperte Giulio Tremonti, in der ersten Regierung Berlusconi Finanzminister und inzwischen Leiter des zusammengelegten Ressorts für Wirtschaft und Finanzen, gehört in diese Kategorie. Er hat sich als Vorreiter für Steuersenkungen auf Vermögen, Gewinne und Spitzeneinkommen einen Namen gemacht.

Die Glaubenssätze der Monetaristen prägen auch die programmatischen Erklärungen von Forza Italia. Zentrale Anliegen des aus 45 Punkten bestehenden Parteiprogramms, das später auf 100 Punkte erweitert wurde, sind: Verschlankung des Staats, Begrenzung der Staatsausgaben, Steuerreduzierung, Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen sowie Umbau des Sozialsystems und der Familienförderung. Wie in allen rechten Programmen geht der Rückzug des Staats aus der Wirtschaft mit seiner Stärkung im Bereich der Innenpolitik einher: Mehr Ordnung, mehr Sicherheit und ein Präsidialsystem, das die Exekutive auf Kosten der Legislative stärkt.

Im Wahlkampf reicherte Berlusconi dieses wässrige Suppe aus der Küche des Monetarismus mit ebenso übertriebenen wie haltlosen populistischen Versprechungen an. So gelobte er großartig, er werde eine Million neue Arbeitsplätze schaffen, ohne auch nur andeutungsweise zu erläutern, woher diese kommen und wie sie entstehen sollen.

Nach außen tritt die zentral gelenkte Forza Italia im Gewand der Bürgerbewegung auf. Einer ihrer ersten Aufrufe, der noch vor der offiziellen Gründung von "unabhängigen" Professoren herausgegeben wurde, ist mit "Bürger zum Gegenangriff" überschrieben. Er fordert die Rückeroberung der Politik durch den einfachen Bürger und lästert gegen Parteien und Intellektuelle, die alle Rechte an sich gerissen hätten. Auch die Parteistruktur - unzählige Clubs (im Februar 1994 gab es bereits 2.500) statt Orts- und Landesverbände - soll Bürgernähe vortäuschen, verschleiert aber nur den autoritären Charakter der Partei. Die Club- Mitglieder haben kein Mitsprachrecht, sie können weder das Programm noch die Kandidatenauswahl beeinflussen, ja noch nicht einmal politische Diskussionen sind vorgesehen.

Der "Bürger", auf den das Programm von Forza Italia letztlich abzielt, entstammt eindeutig dem gehobenen Mittelstand. Diese verhältnismäßig kleine, aber einflussreiche gesellschaftliche Schicht ist die eigentliche Zielgruppe und soziale Basis der Berlusconi-Partei. Auch die meisten ihrer Funktionäre stammen aus dem Kreis von Unternehmern, Selbständigen, Freiberuflern und Angestellten.

Der althergebrachte Unternehmerverband Confindustria hat sich zwar lange Zeit gegen den Emporkömmling Berlusconi gesträubt und die Mitte-Links-Koalition unterstützt, in der Vertrauensleute der Wirtschaft - wie der ehemalige Chef des Staatskonzerns IRI Romano Prodi oder die Notenbankchefs Carlo Azeglio Ciampi und Lamberto Dini - eine maßgebliche Rolle spielten, aber im Frühjahr 2001 stellte auch er sich auf Berlusconis Seite. Anlässlich eines Wahlkampfauftritts vor dem Verbandskongress wurde der Medienzar frenetisch bejubelt. Er revanchierte sich, indem er sich als hundertprozentiger Mann der Wirtschaft gab ("Ich werde euer Unternehmer von Italien sein") und den völligen Gleichklang der Interessen betonte ("Man fragt sich, ob ich euer Programm abgeschrieben habe oder umgekehrt.").

Vorangegangen war ein Kurs- und Führungswechsel bei Confindustria. Erstmals wurde der Verband nicht von einem Vertreter der Großindustrie aus dem Norden, sondern von einem Vertreter der Kleinunternehmer aus dem Süden geführt. Dem liegt ein Strukturwandel in der italienischen Wirtschaft zugrunde. Als Folge des verschärften globalen Wettbewerbs und der Ausgliederung immer weiterer Unternehmensteile hat das Gewicht der Kleinunternehmen stark zugenommen. Großkonzerne mit über 500 Arbeitskräften beschäftigen heute nur noch 15 Prozent aller italienischen Arbeitnehmer. Vor zwanzig Jahren waren es noch 30 Prozent. (In Frankreich sind es heute noch 43, in Deutschland sogar 56 Prozent.) Rund drei Viertel aller italienischen Arbeitnehmer entfällt auf Kleinbetriebe mit weniger als 100 Beschäftigten. Für die Besitzer dieser Kleinunternehmen, die sich im Börsenboom und Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre teilweise stark bereichert haben, die aber gleichzeitig unter einem ständigen Wettbewerbsdruck stehen, sind Steuern und Sozialabgaben ein rotes Tuch. Sie bilden die soziale Basis, die Berlusconi mobilisieren will, um einen rabiaten Kurswechsel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik durchzusetzen.

Macht und Medien

Eine Darstellung von Forza Italia wäre nicht abgeschlossen, ohne auf die enge Verzahnung von politischer und medialer Macht einzugehen, die Berlusconi in Personalunion verkörpert. Spätestens seit Joseph Goebbels als Propagandaminister des Dritten Reichs Radio, Presse, Film und Kultur gleichschaltete und in den Dienst der nationalsozialistischen Machterhaltung stellte, gelten von der Regierung kontrollierte Medien als untrügliches Kennzeichen einer totalitären Diktatur. Berlusconi ist zwar nicht Goebbels und Forza Italia nicht die NSDAP, aber demokratische Skrupel hinsichtlich der Freiheit der Medien sind auch ihnen völlig fremd.

Das beginnt dabei, dass Berlusconi als Regierungschef (und mittlerweile auch noch Außenminister) die drei wichtigsten Privatsender des Landes besitzt und kontrolliert, erschöpft sich damit aber keineswegs. Als Oppositionsführer und erst Recht als Regierungschef führt Berlusconi eine permanente Vendetta gegen linke Journalisten und Kulturschaffende - wobei er unter Linken alle versteht, die mit seiner Politik nicht einverstanden sind. Vor allem das öffentliche Fernsehen RAI ist ihm ein Dorn im Auge. Seine Kampagne gegen die RAI nahm in jüngster Zeit hysterische Züge an. Er hat die Führung des Senders sowohl in seiner ersten als auch in seiner zweiten Amtszeit ausgewechselt und drohte kürzlich unumwunden, die gesamte Spitze des Senders müsse wegen missliebiger politischer Ausrichtung den Hut nehmen. Der Sender habe sich "bei den vergangenen Wahlen skandalös verhalten" und eine "Kampagne gegen die Demokratie" geführt, behauptete er dreist. Er sei dabei zum Opfer einer politischen Mordkampagne geworden - "Killeraggio", wie er es nannte. Auch die Leiter der wichtigsten kulturellen Institutionen des Landes - Museen und sogar das Filmfestival von Venedig - wurden mit eigenen Parteigängern besetzt, nicht selten mit Geschäftsleuten, die von Kultur wenig Ahnung haben.

Die drei Fernsehprogramme des Berlusconi-Senders Mediaset - Italia 1, Retequattro und Canale 5 - verfügen zusammen über einen Marktanteil von 45 Prozent, etwa gleich viel wie die drei öffentlichen Programme der RAI. Die restlichen 10 Prozent entfallen auf kleinere, meist lokale Anstalten. Ohne diese TV-Macht wäre der rasante politische Aufstieg Berlusconis kaum denkbar gewesen. Sein Firmenimperium wurde zum integralen Bestandteil seiner Wahlkampfmaschinerie. Forza Italia gab Milliarden Lire für Werbespots aus, die umgehend als Einnahmen zurück in die Kassen von Berlusconis Marketingfirmen und Fernsehkanälen flossen. Hinzu kam die kostenlose Propaganda, die pausenlos über Nachrichtensendungen, Talkshows und Unterhaltungssendungen auf das Publikum des italienischen Fernsehens einrieselte. So überschlug sich der Nachrichtenredakteur von Retequattro, Emilio Fede, in schamlosen Lobhudeleien für seinen Chef und übertrug die erste Parteikonferenz von Forza Italia - eine Convention im amerikanischen Stil - in voller Länge.

Obwohl Berlusconi vor der letzten Wahl versprochen hatte, innerhalb von hundert Tagen den Interessenkonflikt zwischen seiner Position als TV-Magnat und Regierungschef zu lösen, ist in dieser Hinsicht nichts geschehen. Stattdessen hat die Regierungsmehrheit im Parlament ein Gesetz verabschiedet, das es Berlusconi ausdrücklich erlaubt, sein Firmenimperium zu behalten. Er darf es lediglich nicht persönlich leiten und muss dafür Geschäftsführer einsetzen - die wiederum aus seinem engsten Freundeskreis und seiner Familie stammen.

Berlusconis Medienmonopol dient ihm aber nicht nur als schlagkräftiges politisches Instrument im Wahlkampf, es hat auch wesentlich dazu beigetragen, das gesellschaftliche Klima zu erzeugen, das seinen politischen Aufstieg überhaupt erst möglich machte. In dieser Hinsicht gibt es starke Parallelen zu anderen Medienmagnaten, wie Rupert Murdoch in Großbritannien und den USA oder Leo Kirch in Deutschland.

Die Vorstellung, dass das Fernsehen und andere Medien zur Hebung des allgemeinen kulturellen Niveaus der Gesellschaft beitragen könnte, ist allen drei völlig fremd. Stattdessen strahlen sie rund um die Uhr Programme in den Äther, welche die rückständigsten und primitivsten Vorstellungen schüren. Berlusconi erzielt seine Einschaltquoten vor allem durch unbekleidete Mädchen, billige Unterhaltungsshows und Seifenopern (was die ansonsten so prüde katholische Kirche nicht vom Schulterschluss mit dem Medienmagnaten abhält). Bei Murdoch ist es exzessive Gewalt und bei Kirch eine Kombination von allem. Selbst harmlose Sportsendungen werden zum Werbeträger für hemmungslosen Chauvinismus umfunktioniert.

Dabei handelt es sich nicht einfach um ein Nebenprodukt der Kommerzialisierung, um ein Angebot auf eine ohnehin vorhandene Nachfrage. Vielmehr finden wir hier eine andere Facette jenes Antikommunismus, jener Ablehnung jeglicher gesellschaftlicher Verantwortung im Namen eines darwinistische aufgefassten Individualismus, der die Ideologie von Forza Italia insgesamt prägt.

Die sozialistische, und insbesondere die marxistisch geprägte sozialistische Bewegung hatte ihre Aufgabe einst darin gesehen, das kulturelle Niveau der arbeitenden Bevölkerung zu heben. Das ist ein untrennbarer Bestandteil ihrer Perspektive, die Gegensätze zwischen den Klassen aufzuheben und die Produzenten zum Herrn der Gesellschaft zu machen. Die deutsche Sozialdemokratie unter August Bebel hatte in dieser Hinsicht einst Vorbildliches geleistet. In unzähligen Bildungsvereinen und Publikationen brachte sie ihren Mitgliedern nicht nur die Werke von Marx und Engels und die Grundbegriffe von Politik und Klassenkampf nahe, sondern auch Goethe, Schiller, Heine, Balzac, Tolstoi, Beethoven und Schubert, um nur einige zu nennen.

Derartige Bemühungen stießen nicht nur auf den Widerstand der herrschenden Kreise, die sie mit den Mitteln der Staatsgewalt und allen verfügbaren ideologischen Waffen - Aberglaube, Religion, und Nationalismus - bekämpften. Sie wurden auch von den bürokratischen Apparaten zurückgewiesen, die sich erst in den sozialdemokratischen und später, unter Stalin, in den kommunistischen Parteien breit machten. Dass Berlusconi von Bettino Craxi, dem Chef der italienischen Sozialdemokraten großgezogen wurde, ist in diesem Zusammenhang betrachtet ebenso wenig ein Zufall, wie das enge Verhältnis, das den britischen Labour-Führer Tony Blair mit Rupert Murdoch verbindet.

Man kann die kulturelle Mission von Berlusconis Medienimperium in einem Begriff zusammenfassen: Volksverdummung. Wie im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen stehen Berlusconi und Forza Italia auch im kulturellen Bereich für Rückschritt und Reaktion auf ganzer Linie.

Wird fortgesetzt

Quellen

Für diese Serie hat sich der Autor, außer auf die eigenen Erfahrungen aus jahrelanger Beschäftigung mit dem Thema, vorwiegend auf folgende Quellen gestützt:

- Paul Ginsborg, "A History of Contemporary Italy. Society and Politics 1943-1998", Penguin 1990

- Mario G. Losano, "Sonne in der Tasche. Italienische Politik seit 1992", München 1995

- Friederike Hausmann, "Kleine Geschichte Italiens von 1943 bis heute", Berlin 1997

- Christian Christen, "Italiens Modernisierung von Rechts. Berlusconi, Bossi, Fini oder die Zerschlagung des Wohlfahrtsstaates", Berlin 2001

Siehe auch:
Berlusconis Forza Italia (1)
(27. März 2002)
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