Gefahr einer Diktatur: Bush richtete nach dem 11. September ein geheimes Kabinett ein

Die Bush-Regierung hat eine "Schattenregierung" eingerichtet. Sie besteht aus 75 bis 150 Mitarbeitern des Exekutivzweigs, die an einen sicheren, befestigten Ort gebracht wurden, um die "Kontinuität der Regierung" zu gewährleisten. Es handele sich um eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall eines terroristischen Atomschlags auf die amerikanische Hauptstadt, berichtete die Washington Post am vergangenen Freitag. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September auf New York und Washington war die Anweisung ergangen, die Staatsbeschäftigten zu evakuieren. Die zunächst nur vorübergehende Evakuierung wurde einen Monat später zur Dauerregelung erklärt.

Die Regierung setzte damit Notfallszenarien in Kraft, die bereits während des Kalten Krieges ausgearbeitet, jedoch nie umgesetzt wurden. Mehr als 100 Angehörige der Regierungsorgane wurden innerhalb weniger Stunden nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon per Hubschrauber aus der Hauptstadt gebracht.

Sie wurden an zwei verschiedene Orte geflogen, die in den bergigen Regionen im Osten der USA liegen sollen. Dort richtete man einen vorübergehenden Regierungssitz ein, der Ende Oktober zur bleibenden Institution erklärt wurde. Seither werden Staatsangestellte aus den oberen Ebenen, d. h. direkt unterhalb der Kabinettsmitglieder und ihrer unmittelbaren Mitarbeiter, per Rotationsverfahren alle 90 Tage dorthin versetzt. Es liegen bereits juristische Dokumente vor, nach denen im Falle einer Katastrophe diese Personen alle Vollmachten der Exekutive erhalten.

Der Bericht der Post wurde mittlerweile von Sprechern der Regierung bestätigt, und Bush selbst sprach das Thema bei einem Wahlkampfauftritt der Republikanischen Partei in Iowa an. "Wir nehmen die Frage der Kontinuität unserer Regierung ernst, weil unsere Nation angegriffen wurde", erklärte Bush. "Solange unser Land die Terroristen nicht ausgerottet hat, wo immer sie sich auch verstecken, sind wir nicht sicher." Mit anderen Worten, ein Ende der geheimen Regierungsinstitution ist ebenso wenig abzusehen wie ein Ende des "Kriegs gegen den Terrorismus".

Aus einem weiteren Bericht der Post vom 3. März geht hervor, dass die Bush-Regierung innerhalb der USA die Delta-Truppe in Alarmbereitschaft versetzt hat. Sie soll im Falle eines Nuklearangriffs sofort Anti-Terror-Maßnahmen in Washington und Umgebung ergreifen. Es handelt sich um eine Elitetruppe, die als Erste im Krieg in Afghanistan eingesetzt wurde.

Eine nicht verfassungsgemäße Regierung

Besonders finster nimmt sich diese Geheimregierung aus, weil sie ausschließlich aus Angehörigen der Exekutivorgane besteht. Dies verstößt klar gegen das Prinzip der Gewaltenteilung, das im Zentrum der amerikanischen Verfassung steht. Kein einziges Mitglied der anderen beiden Regierungszweige, der Legislative und der Judikative, war in die Pläne eingeschlossen oder auch nur darüber informiert worden. Sollte eine solche Ausnahmeregierung tatsächlich gebildet werden, so würde es sich um eine offene Diktatur handeln, denn sie bestünde ausschließlich aus Angehörigen des Exekutivzweigs, die über Militär und Polizei befehligen. Es gäbe keine Aufsicht der Legislativorgane und keine Zugriffsmöglichkeit der Judikative.

Die Sprachregelung "Kontinuität der Regierung" verschleiert, dass der entsprechende Plan Bushs eben nicht von den Nachfolgeregelungen für den Präsidenten ausgeht, wie sie in der Verfassung der USA vorgesehen sind. Vizepräsident Dick Cheney, der Bush im Falle von dessen Tod oder Ausfall ersetzen müsste, ist der direkte Leiter der gesamten Operation. Doch der dritte und vierte Anwärter auf die Ersetzung des Präsidenten, nämlich der Sprecher des Repräsentantenhauses Denis Hastert und der Senatsvorsitzende Robert Byrd wussten überhaupt nichts von der Regierung, die sie gegebenenfalls nominell führen sollten.

Die Bush-Regierung verstößt augenscheinlich gegen ein von Präsident Reagan im Jahr 1988 erlassenes Dekret über Ausnahmezustände. Darin war der Nationale Sicherheitsrat angewiesen worden, dass der Exekutivzweig "hinsichtlich Fragen, die mit der Vorbereitung auf nationale Notlagen zusammenhängen, sich mit dem Kongress und dem Bundesgerichtshof in Verbindung setzen und sie unterstützen muss".

In mehreren Fernsehinterviews bestätigte der Führer der Demokraten im Kongress und Mehrheitsführer im Senat, Tom Daschle, dass weder er noch ein anderer führender Kongressangehöriger wegen des Plans konsultiert worden war. Auf die Frage, ob dies eine geheime Regierung darstelle, die nicht nur potenziell in der Zukunft, sondern möglicherweise schon heute operiere, antwortete er: "Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, worin ihre Rolle besteht oder welche Vollmachten sie hat, weil wir nicht informiert worden sind. Man sollte meinen, dass zumindest ein Kongressangehöriger Bescheid wissen sollte, und es interessiert doch, ob Kongress und Justiz überhaupt einbezogen wurden."

Bemerkenswerte Zustände: Der Führer des US-Senats, d. h. der Mann mit dem höchsten Amt der Legislative in Washington, gibt zu, dass er nicht weiß, ob sich die US-Regierung noch an die Regeln der Demokratie hält oder ob sie bereits hinter den Kulissen von nicht gewählten Staatsbürokraten geführt wird, die weder gewählten Volksvertretern noch der Öffentlichkeit Rechenschaft schulden.

Politisch gesehen ist die Einrichtung einer Geheimregierung der Höhepunkt des langen, im Verborgenen geführten Machtkampfs in Washington, der sich seit nahezu zehn Jahren hinzieht. Ursprünglich nahm er die Form einer Kampagne zur Destabilisierung der Clinton-Regierung an, in die Gerichte, Medien und Kongressabgeordnete verwickelt waren. Bestandteile waren die Lahmlegung der Bundesregierung in den Jahren 1995/96 und eine Reihe von Untersuchungen durch unabhängige Ermittler, die schließlich im Amtsenthebungsverfahren gipfelten.

Im Anschluss daran kam es zu dem antidemokratischen Eingriff des Obersten Gerichts in die Präsidentschaftswahlen des Jahres 2000, durch den eine genaue Stimmenauszählung im Bundesstaat Florida verhindert wurde, damit Bush Präsident werden konnte. Nun hat dieser nicht gewählte Präsident hinter dem Rücken der gewählten Abgeordneten - Demokraten und Republikanern - eine geheime, vom Militär unterstützte Regierung aus nicht gewählten Staatsdienern ins Leben gerufen. Die Bush-Regierung benutzt den "Krieg gegen den Terrorismus" als Vorwand, um die amerikanische Außenpolitik und das innere politische Leben von Grund auf umzukrempeln: Er setzt nach außen ein radikal rechtes Programm des Militarismus und nach innen Angriffe auf demokratische Rechte durch.

Die größte Bedrohung der amerikanischen Bevölkerung geht nicht von ausländischen Terroristen oder islamischen Fundamentalisten aus, sondern von den geheimen Machenschaften der amerikanischen Regierung selbst. Die terroristischen Anschläge - welche Rolle die US-Geheimdienste und das US-Militär in diesem Zusammenhang gespielt haben, muss noch untersucht werden - werden zum Vorwand für die Einrichtung einer Parallelregierung gemacht, die hinter dem Rücken der Legislativorgane operiert. Der "Krieg gegen den Terrorismus" ist zur Grundlage geworden, auf der die Bush-Regierung allmählich eine auf Militär und Polizei gestützte Diktatur errichtet, die von einer geheimen Clique gesichtsloser Personen geführt wird, die vom Weißen Haus und diversen nicht bekannten "sicheren Orten" aus operieren.

Siehe auch:
Bush's Angriff auf demokratische Rechte und die Präsidentenwahl 2000
(24. November 2001)
Demokratische Grundrechte: Erstes Opfer in Bush's Krieg gegen den Terror
( 21. September 2001)
Loading