Innenminister drängen auf rasche Rückkehr von Flüchtlingen aus dem Irak, Afghanistan und Kosovo

Die Innenminister von Bund und Ländern beschlossen auf ihrer jüngsten Konferenz am 15. Mai in Erfurt, dass Flüchtlinge aus dem Irak, Afghanistan und Kosovo möglichst schnell in ihre Heimatländer zurückkehren müssen.

Zunächst soll der Druck auf die Flüchtlinge verstärkt werden, "freiwillig" aus Deutschland auszureisen. Zwangsrückführungen in den Irak und nach Afghanistan wurden vorläufig ausgeschlossen, da die Lage in den kriegszerstörten Ländern dies noch nicht zulasse und es noch keine Flugverbindungen in den Irak gebe. Iraker müssen zurück, "sobald eine zwangsweise Rückführung möglich ist", beschlossen die Innenminister.

Die Innenminister der unionsregierten Länder hatten im Vorfeld der Konferenz darauf gedrungen, möglichst schnell mit Abschiebungen nach Afghanistan zu beginnen. Auch SPD-Innenminister aus verschiedenen Bundesländern sollen dies unterstützt haben, wie ein Sprecher des hessischen Innenministers Volker Bouffier (CDU) erklärte.

Bouffier war bereits in den vorangegangenen Wochen als Scharfmacher für Abschiebungen nach Afghanistan aufgetreten. So sagte er in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur: "Ein Beginn der Rückführungen zum 1. Juli müsste machbar sein." Nach seinen Angaben leben in Hessen 5000 afghanische Flüchtlinge; 2000 davon seien bereits ausreisepflichtig, die übrigen hätten Asylanträge gestellt, die aber aussichtslos seien.

Für Roma und Angehörige der serbischen Minderheit aus dem Kosovo behielt sich die Innenministerkonferenz vor, auch Zwangsmaßnahmen und Abschiebungen zu organisieren. Ein dauerhaftes Bleiberecht für diese Flüchtlingsgruppen, wie es von zahlreichen Flüchtlingsorganisationen gefordert wird, schlossen die Innenminister definitiv aus.

Die Diskussion und Beschlüsse der Innenminister von letzter Woche unterstreichen den ungeheuren Zynismus der Politik der rot-grünen Bundesregierung. Sie hat die UN-Sanktionen gegen den Irak jahrelang unterstützt und ist auch dem US-britischen Krieg nur halbherzig entgegengetreten. Nachdem der Krieg die noch verbliebene Infrastruktur, die Wasser- und Stromversorgung weitgehend zerstört hat und Millionen Menschen durch mangelnde Versorgung und Krankheiten bedroht sind, haben Bundes- und Länderregierungen nichts Eiligeres zu tun, als die wenigen Menschen, denen in den letzten Jahren die Flucht aus dem Irak nach Deutschland gelungen ist, in Not und Elend zurück zu schicken, Zustände, für die sie selbst mit verantwortlich sind.

Entsprechendes gilt für die Situation in Afghanistan. Unmittelbar vor der Innenministerkonferenz warnten Vertreter der UN und von Amnesty International vor der Abschiebung Tausender afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan, ein Land, das zunehmend außer Kontrolle gerät. Wie die Frankfurter Rundschau vom 14. Mai 2003 berichtet, erklärte der Sprecher des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) in Deutschland, Stefan Telöken, dass jedes "Signal zur Zwangsrückkehr" nach Afghanistan "absolut verfrüht" sei.

Er verwies auf den Bericht, den der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Lakdar Brahimi, Anfang Mai im UN-Sicherheitsrat gab, in dem er von einer "erheblich verschlechterten" Sicherheitslage in weiten Teilen des Landes und in Kabul sprach. Taliban, Anhänger des berüchtigten Clanführers Gulbuddin Hekmatyar und andere untereinander verfeindete Clans seien dafür verantwortlich. Die Übergangsregierung sei überfordert. Die Verschlechterung der Lage hat laut Telöken dazu geführt, dass die Rückkehrerzahlen in diesem Jahr massiv geschrumpft sind, nachdem 2002 noch 1,8 Millionen Menschen aus umliegenden Ländern, in die sie geflohen waren, nach Afghanistan zurückgekehrt waren.

Genauso bedrohlich beschreibt Amnesty International in einem Brief an die Innenministerkonferenz die Lage in Afghanistan. Eine Delegation von Amnesty International hatte erst vor kurzem selbst vor Ort recherchiert. In dem Brief warnt AI davor, einen Termin für Rückführungen festzulegen und den Asylstatus anerkannter Flüchtlinge in Frage zu stellen.

Laut dem Bericht in der Frankfurter Rundschau sieht Amnesty International "besonders frühere Armeeangehörige, Anhänger des kommunistischen Regimes, Frauen und Menschen, die für einen säkularen Staat eintreten, bei einer Rückkehr von Verfolgung bedroht - denn in der Übergangsregierung und lokalen Behörden hätten frühere Mudschaheddin und Royalisten das Sagen. Auch UN-Organisationen könnten Rückkehrer nicht schützen, da sie selbst im Visier der Radikalen stünden".

68.000 Afghanen, die in Deutschland leben, sind von dem politischen Druck, auszureisen, betroffen. 17.000 sind formal ausreisepflichtig und erhalten nur kurzfristige Duldungen von den deutschen Ausländerämtern. 51.000 haben bereits ein längeres Aufenthaltsrecht. Sehr viele von ihnen leben schon seit vielen Jahren in Deutschland, üben einen Beruf aus, haben Familien gegründet. Aber die rechtliche Lage für Asylsuchende hier ist so prekär, dass selbst der Status von anerkannten Asylbewerbern durch sogenannte Widerrufsverfahren, die durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge angestrengt werden, wieder entzogen werden kann.

Noch während der jüngste Krieg gegen den Irak in vollem Gange war, berichtete Spiegel online am 3. April von einem irakischen Asylbewerber, dem 42-jährigen Mohammed al-Ali, dem es nach elf Jahren in irakischen Gefängnissen und schweren physischen und psychischen Verletzungen gelungen war, nach Deutschland zu fliehen. Er war im Irak verurteilt worden, weil er Anfang 1991, bei dem Aufstand der Schiiten im Südirak, zusammen mit seinem Vater angeblich Verletzte versorgt und damit den Aufstand unterstützt hatte. Sein Vater überlebte die Zeit im Gefängnis nicht.

Spiegel online schreibt: "Erst im Dezember vergangenen Jahres gelang es al-Ali, aus seiner Heimat zu fliehen und sich in Deutschland in Sicherheit zu bringen - vorerst zumindest. Denn der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten möchte den mit Brandnarben am ganzen Körper schwer Gezeichneten möglichst bald wieder in den Irak zurückschicken - allen öffentlichen Anteilbekundungen der rot-grünen Bundesregierung für die brutal unterdrückte irakische Bevölkerung zum Trotz. Für al-Ali ist es schon das zweite Mal in seinem Leben, dass er am eigenen Leib erfährt, wie weit auch in westlichen Demokratien Worte und Taten auseinander klaffen können."

Dass es sich hier nicht um einen besonders grausamen Einzelfall oder vielleicht ein behördliches Missverständnis handelt, sondern um eine systematische, gnadenlos durchgeführte Abschreckungspolitik gegenüber Schutzsuchenden, belegt auch ein Bericht aus der Druckausgabe des Spiegels vom 31. März 2003. Es heißt dort: "Noch ist Krieg, doch was danach aus gut 84.000 Irakern in Deutschland wird, darüber wird auch schon in den Amtsstuben nachgedacht."

Nach einem Sturz Saddam Husseins im Irak, sei "der Weg frei, eine Vielzahl von Asylbescheinigungen zu widerrufen - Voraussetzung für mögliche Ausweisungen", äußerte dem Nachrichtenmagazin zufolge "ein hoher Beamter des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge schon Anfang Februar am Rande einer Ausländerrechtstagung in Stuttgart". Der erste Entwurf aus dem Bundesinnenministerium für ein Rückführungskonzept für die 68.000 Afghanen in Deutschland liege den Ländern seit vergangener Woche zur Stellungnahme vor.

Auch die Lage im Kosovo ist vier Jahre nach Ende des von der Nato geführten Kriegs gegen Jugoslawien nach wie vor katastrophal. In dem Gebiet, in das nach den Beschlüssen der Innenministerkonferenz Roma und serbische Minderheiten auch zwangsweise abgeschoben werden sollen, finden tagtäglich Übergriffe gegen Minderheiten statt. Die Menschen dort haben kaum Zugang zu medizinischer Versorgung und Schulbildung. 90 Prozent der Roma und Serben sind arbeitslos.

Siehe auch:
Die EU plant die Abschiebung von 100.000 Flüchtlingen nach Afghanistan
(21. Dezember 2002)
Afghanistan versinkt in Armut, Unsicherheit und despotischer Herrschaft
( 11. Dezember 2002)
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